[Pirateninfo] Brasilien: Zum Thema gentechnisch verändertes Saatgut
pcl at nexgo.de
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Son Okt 19 21:41:17 CEST 2003
Aus: Poonal Nr. 593
Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes
lateinamerikanischer Agenturen vom 7. Oktober 2003
Erlaubnis für gentechnisch verändertes Saatgut
(Montevideo, 26. September 2003, comcosur-poonal).- Nach einer
intensiven Auseinandersetzung hat Brasiliens Regierung den Anbau von
gentechnisch verändertem Soja erlaubt. Bisher hat Brasilien diese
Frage nicht gesetzlich geregelt, doch der Anbau von gentechnisch
verändertem Saatgut wuchs im Verborgenen stetig.
Greenpeace kündigte an, dass die Organisation die Verordnung vom
Gericht aufheben lassen will. Nach Worten von Greenpeace-Sprechern
sei die provisorische Verordnung ein Angriff auf die Entscheidung der
Gerichte. Gemäß einer Reihe von Studien über den Schaden an der Natur
und den Risiken für die Gesundheit hätten diese gegen eine Öffnung
des freien Handels mit gentechnisch verändertem Soja entschieden.
Greenpeace zählt auch auf die Gegenwehr der Landlosenbewegung MST
(Movimiento de los Trabajadores Rurales sin Tierra), deren Mitglieder
sich an diesem Donnerstag vor dem Landwirtschaftsministerium und dem
Amt für Agrarreformen versammelt hatten. Der Anführer Joao Paulo
Rodrigues sagte, dass die Regierung dabei sei, dem Druck der US-
amerikanischen Firma Monsanto nachzugeben, während Millionen von
Bauern arm leben und stürben, ohne dass ihnen von der Regierung Land
gegeben oder sie in ihrer Produktion unterstützt würden. Monsanto ist
Produzent von gentechnisch verändertem Sojasaatgut und profitiert im
großen Stil von seinen Patentrechten. Tatiana Carvalho, Beraterin von
Greenpeace, erklärte, das gentechnisch veränderte Soja greife die
Biodiversität an und gefährde die Gesundheit der Konsumenten.
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Zwei Beiträge aus Poonal Nr. 594
Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes
lateinamerikanischer Agenturen vom 14. Oktober 2003
Lula rechtfertigt die Legalisierung von gentechnisch manipulierten
Sojasaaten
(Moantevideo, 7. Oktober 2003, comcosur-poonal).- Aus Sicht von
Brasiliens Präsidenten Luiz Inacio Lula de Silva war die
Legalisierung von gentechnisch manipulierten Sojasaaten die bessere
Entscheidung. Trotz des bisher bestehenden und nun aufgehobenen
Verbots hatten viele Bauern illegal solche Saaten aus Argentinien
eingeführt und damit Tatsachen geschaffen. Anhand dieser Ausgangslage
gab es, beschreibt Lula in einer Reportage, "zwei Möglichkeiten:
entweder die Aussaat von Gensoja verbieten und die Polizei solches
Saatgut verbrennen lassen - ein furchtbares Bild für ein Land, in dem
Hunger herrscht - oder Rahmenbedingungen für den Verkauf festlegen".
Brasilien ist nach den USA weltweit der zweitgrößte Sojaproduzent.
Der Präsident zeigte sich der Tatsache bewusst, diese Maßnahme könne
Produzenten herkömmlicher Sojaerzeugnisse schaden und kündigte an,
die Regierung sei "ernsthaft bestrebt, entsprechende Bestimmungen für
die Etikettierung gentechnisch behandelten Sojas auf den Weg zu
bringen". Wie bei anderen Maßnahmen der Regierung stieß die
Entscheidung für den Gebrauch von Gen-Soja bei den Organisationen,
denen der ehemalige Metallarbeiter seine Wahl zum Präsidenten zu
verdanken hat, auf erbitterten Protest. Umweltschutzorganisationen,
Verbraucherverbände und die Partei der Grünen betrachten Lulas Dekret
als verfassungswidrig und richteten Eingaben an den Obersten
Gerichtshof.
BRASILIEN
Der Streit um die transgenen Pflanzen
Von Fray Sérgio Görgen
(Porto Alegre, 3. Oktober 2003, Alai).- Bei dem Streit innerhalb der
brasilianischen Gesellschaft um die transgenen Pflanzen handelt es
sich um viel mehr als die Einführung von Sojasamen. Brasilien muss in
den nächsten Jahren entscheiden, wer die nationale
Nahrungsmittelproduktion steuern wird. Dies wird sich zwischen der
nationalen Landwirtschaft mit ihren kleinen und mittleren Betrieben
und den großen Produktionseinheiten von riesigen Großgrundbesitzen,
die technologisch, industriell und wirtschaftlich von einigen wenigen
Multinationalen kontrolliert werden, entscheiden. Die Einführung von
genmanipuliertem Saatgut, das von internationalen Konzernen
patentiert ist, bedeutet den Sieg des zweiten Modells.
Die Umsetzung dieses Entwicklungsprojektes wird das Elend auf dem
Land verbreiten und die Landflucht der Bevölkerung in die Städte
fördern. Des weiteren wird die Konzentration des Kapitals und des
Ackerlandes erhöht, die technologische Abhängigkeit des Landes
gesteigert und Arbeitslosigkeit und Unruhe in der Bevölkerung
wachsen. Außerdem wird dieses Modell zu einer Monopolisierung des
Nahrungsmittelmarktes führen. Alle Nachteile des neoliberalen
Systems, die schon jetzt das brasilianische Volk haben ausbluten
lassen, werden sich verstärken. Das gleiche geschah mit der
argentinischen Landwirtschaft in den letzten fünf Jahren.
Gegen diese Probleme kämpften die Linken in den letzen Jahren mit der
Hilfe ihrer besten Mitglieder. Die Arbeiterpartei PT (Partido de los
Trabajadores), die jetzt an der Macht ist und zur Verwirklichung der
Träume der linken Parteien aufgerufen ist, kann nicht unter dem
ersten Druck der Multinationalen in so einem strategisch wichtigen
Bereich nachgeben.
Allerdings gibt es viele Widersprüche. Die Regierung kapitulierte
unter dem Druck der vollendeten Tatsache, dass die Einführung von
transgenem Material ohne Kontrolle erfolgen würde. Die Regierung
könnte jetzt die Nahrungsmittelindustrie zwingen, die besonderen
Eigenschaften der Produkte auf den Etiketten zu vermerken. Dies tut
sie jedoch nicht.
Die Position der Regierung in solchen Themen trug zu einer
politischen Niederlage der Anhänger der PT bei. Unter diesen findet
man
die ländlichen Sozialbewegungen, Umweltgruppen, Verbraucher und
Ökobauern. Die Regierung lässt das Kapital zwischen den
verschiedenen Phasen der landwirtschaftlichen Produktionskette frei
fließen.
Die Wissenschaft überschritt eine neue Grenze mit der Möglichkeit,
genetisches Material einer Art auf eine andere zu übertragen.
Brasilien muss einen Weg wählen mit der neuen wissenschaftlichen und
technologischen Entwicklung umzugehen. Dieser bietet
viele Chancen aber enthält auch viele Risiken. Es ist notwendig eine
strenge staatliche Kontrolle mit eindeutigen Richtlinien
hinsichtlich der Sicherheit bei genetischen Manipulationen
einzuhalten. Die strikte Anwendung des Vorsorgeprinzips bei solch
einer
riskanten Technologie ist unabdingbar. Hiermit handelt es sich nicht
um eine Einschränkung der Wissenschaft und ihrer
Möglichkeiten, sondern um eine Förderung der Diskussion. Die
Anwendung der wissenschaftlichen Erfindungen muss demokratisch
kontrolliert werden, vor allem wenn ihre Ergebnisse auf dem Teller
von Millionen von Menschen landen.
Brasilien scheint in dieser neuen Etappe der wissenschaftlichen
Entwicklung den falschen Weg zu wählen. Dieser bedeutet den
Schmuggel von Saatgut und von Unkrautvernichtungsmittel, die
Entwicklung einer Politik der vollendeten Tatsachen, einen Mangel an
staatlicher Kontrolle, eine Missachtung der gerichtlichen
Entscheidungen, eine Unterwerfung im Interesse der Multinationalen
und
eine Verneinung der Verbraucherrechte. Des weiteren führt dieser Weg
zu einer Vernachlässigung der öffentlichen Gesundheit und
der Risikoforschung über Biotechnologie, sowie zu einem Eingriff in
die Umwelt. Er zwingt den US-Agrarkonzern Monsanto nicht zu
einer unabhängigen Evaluierung seiner Produkte.
Die provisorische Maßnahme der Regierung ist eine Katastrophe, aber
nicht das Ende des Kampfes für die Verbraucherrechte.
Europa genehmigte die Einführung der genmanipulierten Produkte Anfang
der neunziger Jahre. Allerdings gewannen die Ökobauern
und die Verbraucher nach einem zehnjährigen Kampf gegen diese
Produkte. Heute sind transgene Erzeugnisse auf den
europäischen Tellern fast vollständig verboten.
Der Druck der Bürger kann die Umsetzung dieses Technologiemodells und
die Einführung dieser qualitätslosen Nahrungsmittel in Brasilien
verhindern. Es gibt nichts moderneres als die Lebensqualität, die mit
dem Essen und mit dem Respekt für die Natur, aus der alle unsere
Lebenskräfte stammen, beginnt.
Fray Sérgio Görgen ist ein Franziskanerpriester und
Landtagabgeordneter der PT in dem Bundesland Río Grande do Sul.