[Pirateninfo] Telepolis: GP und Monsato streiten über Weizen und Kekse

Martin Sundermann Martin.Sundermann at ruhr-uni-bochum.de
Don Jul 3 13:15:29 CEST 2003


Was wurde erfunden, was geklaut?

Thorsten Stegemann  26.06.2003

Greenpeace und Monsanto streiten über Weizen und Kekse

Dass die Umweltschutzorganisation Greenpeace [1] der Arbeit des Europäischen
Patentamtes [2] ebenso kritisch gegenüber steht wie einem beträchtlichen
Teil der Produktpalette des Gentech- und Agrarriesen Monsanto [3] ist
hinlänglich bekannt. Gleichwohl spielt sich ein Großteil der
Auseinandersetzungen um genmanipulierte Pflanzen oder Patente auf Leben wenn
nicht unter Ausschluss, dann doch ohne wirkliche Anteilnahme der
Öffentlichkeit ab. Im vorliegenden Fall könnte sich daran einiges ändern,
denn hinter dem Patent EP 445 929 [4], das mit der unscheinbaren Bezeichnung
"plants" versehen ist, verbergen sich keine (vorerst abstrakten) Ansprüche
auf irgendwelche Organismen, sondern sehr nachvollziehbare wirtschaftliche
Interessen.

Das Patent, das der Firma Monsanto am 21. Mai 2003 erteilt wurde, bezieht
sich auf die Kreuzung einer traditionellen indischen Weizensorte mit
anderen, ebenfalls nicht genmanipulierten Pflanzen, umfasst aber nicht nur
den Weizen selbst, sondern auch die weiteren Verarbeitungsstufen bis hin zu
"knusprigen, mehlhaltigen, essbaren Produkten wie Biskuits oder ähnlichem".
Monsantos Pressesprecher Andreas Thierfelder, begründet den Anspruch seines
Unternehmens gegenüber Telepolis wie folgt:


Natürlich baut der Patentanspruch auf vorliegenden Erkenntnissen auf, aber
es handelt sich doch um eine originäre Erfindung. Und dass ein Unternehmen,
welches viel Geld in die Erfindung, Forschung und Entwicklung investiert
hat, nun versucht, sich die exklusiven Vermarktungsrechte für eine bestimmte
Zeit zu sichern, um die Kosten zu amortisieren, ist doch ganz natürlich.



Den Vorwurf der Biopiraterie, den Greenpeace am Montag erhoben [5] hatte
("Monsanto beklaut gezielt indische Landwirte, die über Jahrhunderte diesen
speziellen
Weizen gezüchtet haben.") weist Thierfelder strikt zurück:


Bei dem indischen Hal Nap-Weizen handelt es sich um einen variablen
Phänotyp, unsere Kreuzung zielt aber auf ein neues Produkt, das besonders
gute Backeigenschaften aufweist. Diese werden von der verarbeitenden
Industrie verlangt, die bislang auf chemische Zusätze angewiesen ist. Die
indischen Landwirte bauen den Weizen nicht an, weil es ihnen um diese
speziellen Eigenschaften geht. Der Ersterfindungsanspruch liegt also auf der
Hand.



Greenpeace sieht das naturgemäß anders. Patentexperte Christoph Then sagt im
Gespräch mit Telepolis:


Von einer neuen Idee kann hier überhaupt keine Rede sein. Es spielt auch
keine Rolle, ob die indischen Bauern ihren Weizen in dem Bewusstsein
anbauen, dass er diese Backeigenschaften aufweist oder nicht. Der Hal
Nap-Weizen, der sich durch eine hohe Reinerbigkeit auszeichnet, ist die
züchterische Leistung einer ganz bestimmten Region, seine besonderen
Qualitäten sind auch längst wissenschaftlich belegt.



Darüber hinaus bemängelt Then die weitreichenden Konsequenzen des Patentes
EP 445 929. Monsanto sei in Zukunft nicht nur in der Lage, die Bauern zu
verklagen, die den Weizen anbauen und verkaufen, sondern könne auch gegen
Bäckereien und Supermärkte vorgehen, welche Zwischen- und Endprodukte
herstellen oder vertreiben: "Hier wird zweifellos beabsichtigt, die gesamte
Kette der Wertschöpfung zu kontrollieren."

Greenpeace bereitet deshalb in den nächsten Wochen einen Einspruch gegen die
Patenterteilung vor. Die Erfolgaussichtungen bewertet Christoph Then
grundsätzlich positiv: "Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Fall sehr
gute Argumente haben." Auf der "Gegenseite" richtet man sich jedenfalls
schon einmal auf längere und unbequeme Verhandlungen ein. Andreas
Thierfelder sieht dem Verfahren zwar grundsätzlich optimistisch entgegen,
kalkuliert aber auch den Fall ein, dass Monsanto sein Patent "im schlimmsten
Fall" nicht durchsetzen kann oder Einschränkungen hinnehmen muss.

Doch selbst dann wäre der Erfolg von Greenpeace nur ein Tropfen auf den
heißen Stein. Christoph Then befürchtet nämlich, dass mit der Ratifizierung
der umstrittenen EU-Richtlinie [6] von 1998, die von der Bundesregierung
ganz offensichtlich beabsichtigt ist, ein Dammbruch erfolgt, der nicht mehr
rückgängig gemacht oder wenigstens angemessen kontrolliert werden kann:


Dieses Patent zeigt, wie dringend ein gesetzliches generelles Verbot der
Patentierung von Genen und Lebewesen und Saatgut ist. Die Deutsche
Bundesregierung macht sich mitschuldig, wenn sie jetzt nicht aktiv wird und
Patente auf Leben in Europa stoppt.



Bei Monsanto scheint allerdings auch niemand zu erwarten, dass sich die
Regierung von Umweltschützern und Menschenrechtlern noch überzeugen lässt.
Anders
ließe sich die Gelassenheit gegenüber den agilen Quertreibern kaum erklären:
"Dass Greenpeace jetzt schon versucht, die Öffentlichkeit zu mobilisieren,
ist völlig legitim."

Links

[1] http://www.greenpeace.de
[2] http://www.european-patent-office.org
[3] http://www.monsanto.de
[4] http://archiv.greenpeace.de/Intl-patents/EP445929B1.pdf
[5] http://gentechnik/greenpeace-deckt-weizenpatent-skandal-auf
[6]
http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/1998/l_213/l_21319980730de0013002
1.pdf

Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/special/leb/15076/1.html

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