[Pirateninfo] Rezension zu Vandana Shivas Biopiraterie-Buch

Silke Pohl sipohl at yahoo.com
Fre Jan 31 15:46:22 CET 2003


SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2003, Seite 3

Biopiraterie
‘Kolonialisierung des Lebens‘
Vandana Shiva, Biopiraterie. Kolonialismus des
21.Jahrhunderts: Eine
Einführung,
Münster: Unrast 2002, 156 Seiten, 14 Euro.

Aus der Perspektive westlicher Staaten, in denen die
hochindustrialisierte Agrar- und
Nahrungsmittelproduktion als absolut dominant
erscheint, die
ökonomische
Verwertbarkeit von Leben geradezu als Sinnfrage
gehandelt wird, mag die
Position
Vandana Shivas romantisierend bis antiquiert gelten:
Sie setzt in ihrem
jetzt in
deutscher Sprache erschienen Klassiker Biopiraterie
auf die klare
Einvernahme
essentieller Lebensbereiche durch die kommunale und
regionale
Gemeinschaft. Die
Nahrungsproduktion, die Saatzucht, die
Wasserversorgung, die Bildung
und andere
öffentliche Aufgaben gehören für sie in die direkte
Obhut der Menschen.
Nur eine
solche emanzipatorische Perspektive könne gleichzeitig
Demokratie,
Biodiversität
und eine soziale und ökologische Nachhaltigkeit
garantieren.
All das hingegen, was westliche Regierungen,
multinationale Konzerne
und
internationale Organisationen, allen voran die
Welthandelsorganisation
, die
Weltbank und der IWF als "Freiheit" anpreisen, erweise
sich aus einer
Sicht des
Südens als neue "autoritäre Struktur". Nach den ersten
beiden Wellen
der
Globalisierung, der tatsächlichen Eroberung, die vor
500 Jahren begann
und der
"Entwicklungs"politik, folge mit den Patenten und den
geistigen
Eigentumsrechten
"eine säkulare Neuauflage des gleichen
Kolonisationsvorhabens".
Vandana Shiva legt aus ökofeministischer Sicht und mit
absoluter
Klarheit die neue
Qualität dieser "dritten Welle" dar: "Jetzt braucht
das Kapital neue
Kolonien" und
"diese neue Kolonien sind die Innenräume von Frauen,
Pflanzen und
Tieren". Hiermit
ginge auch eine "Entwertung der Arbeit der Frauen und
in den
Subsistenzwirtschaften der Dritten Welt" einher.
Die Angriffe auf diese lokalen, diversen Strukturen
erfolge vor allem
deshalb, weil
diese sich aus Sicht des Westens der Verwertbarkeit
durch
zentralisierte Ökonomien
entziehen. Sie produzierten zwar, trügen aber nichts
zur
weltwirtschaftlichen
"Entwicklung" bei. Die geistigen Eigentumsrechte, die
Biopiraterie, sei
deshalb der
Weg, den Zugriff auf diese Ressourcen zu sichern. Und
zwar so weit,
dass ganze
Gesellschaften erschüttert, Demokratien in Frage
gestellt und bisherige
Freiheiten
einem Konzept von "Zwang und Gewalt" unterworfen
würden. Als
Gegenkonzept
empfiehlt sie das 1993 vom Third World Network
entwickelte "Prinzip der
kollektiven
intellektuellen Rechte".
Erkenntnissteigernd ist das Buch auch für westliche
Globalisierungskritiker: Es setzt
nicht auf eine "Globalisierung von unten", die von
vielen nördlichen
Netzwerken
eingefordert wird. Vielmehr steht die "Fähigkeit zur
Selbstorganisation" im
Vordergrund und die Notwendigkeit eines "alternativen
wirtschaftlichen
Paradigmas".

Dirk Krüger

__________________________________________________
Do you Yahoo!?
Yahoo! Mail Plus - Powerful. Affordable. Sign up now.
http://mailplus.yahoo.com