[Pirateninfo] Markenzeichen auf Virgen de Guadalupe

Silke Pohl silke.pohl at jpberlin.de
Mon Aug 25 17:57:23 CEST 2003


Im folgenden ein Artikel von Silvia Ribeiro ueber die Vergabe eines
Warenzeichens auf das Bild der Virgen de Guadalupe an einen Chinesen.
Die Virgin de Guadalupe war 1531 einem Indigena erschienen – als Mutter
des wahren Gottes, und mit dunkler Haut – und ist bis heute ein
nationalen und religioesen Symbol fuer die Mexikaner. Das Bild wird
vielfach fuer Souvenirs, T-Shirts etc. benutzt.

Silvia Ribeiro
Virgen de Guadalupe

La Jornada, México D.F: 19.8.2003

Das Bild der Jungfrau von Guadalupe ist seit Juni 2002 ein Markenzeichen,
eingetragen auf den Chinesen Wu You Lin, der damit fuer 2400
mexikanische Pesos das Monopol zur Nutzung seiner Produkte fuer 10 Jahre
erwarb, mit dem Recht, Lizenzen von dritten zu verlangen und der Option
auf Verlaengerung. Ein richtiges Schnaeppchen, wenn man beruecksichtigt,
dass nach Informationen von Rodrigo Vera im Proceso 9.2.2003
(Wochenzeitschrift in México, Ueb.) die Basílica von Guadalupe im Maerz
des gleichen Jahres einen Vertrag zur exklusiven Nutzung mit dem
transnationalen Unternehmen Viotran ueber 12.5 Millionen Dollar, gueltig
ueber fuenf Jahre, abgeschlossen hat. Klar, dass dieses Paket auch San
Juan Diego enthielt und der Firma den “speziellen Segen” des Rektors der
Basílica, Diego Monroy, der den Vertrag unterschreiben hat, oder von
Norberto Rivera, dem ersten Erzbischof von México, zusprach.(1)

Entsprechend Erklaerungen des Generaldirektors des Mexikanischen
Institutes fuer Industrielles Eigentum (IMPI) gab es keine juristische
Bedenken gegen die Registrierung der Marke auf den Unternehmer Wu You
Lin. Abgesehen davon, dass einige mexikanische Juristen diese Zustimmung
 diskutieren, ist es interessant, dass das IMPI und die
Autoritaeten der Basílica von Guadalupe offenbar ein laxeres
moralisches Konzept als die Welthandelsorganisation (WTO) selbst. Im
dortigen TRIPS-Abkommen (Abkommen ueber handelsrelevante Aspekte
geistiger Eigentumsrechte), Artikel 27.2. steht geschrieben: Die
Mitglieder koennen Patente auf Erfindungen verweigern, deren
wirtschaftliche Ausbeutung in ihrem Territorium sich gegen die
oeffentliche Ordnung oder die guten Sitten richten wuerden. Aber es
scheint, dass weder das IMPI noch die
Autoritaeten der Basílica von Guadalupe den Verkauf der exklusiven
Nutzung der Jungfrau von Guadalupe mit einer dieser Kategorien
verbinden.

Nach Umfragen gibt es in México viel mehr “Guadulupaner” als nur die
Anhaenger des christlichen Glaubens. Das ist nicht verwunderlich, ist
die Jungfrau von Guadalupe doch einer der verbreitesten Bestandteile der
religioesen Synkretismen der Indígenas. Die meisten indigenen Kulturen
verbinden die Jungfrau in der gleichen Figur mit der Mutter Erde,
Tonantzin, und anderen.

Joan Martínez Alier, ein bekannter katalanischer Oekonom – obligatorisch
fuer Themen der oekologischen Oekonomie -  nahm im September 2000 an
einem Seminar zu Biopiraterie und Bioprospektion, indigenen und
Bauernrechten in México teil. Zu diesem Anlass sagte er: “Es handelt sich
nicht um eine Frage der Uebersetzung von Kultur in Geld. Die arme
Bevoelkerung der Erde weiss das sehr gut, und in ihrem Kampf mussten sie
viele Sprachen lernen: spanisch, englisch und jetzt die Sprache der
Wirtschaft und die juristische der Verfassung, um ihre indigenen Rechte zu
schuetzen. Ausserdem sind – nach der Kosmologie dieser Kulturen –
die Erde und der Boden heilig. Das ist wie die Jungfrau von Guadalupe :
wenn etwas heilig ist, kann man es weder an Japan vermieten noch
verkaufen. So waere es z.B. eine Beleidigung zu sagen, zu welchem Preis
man die Jungfrau von Guadalupe oder die nationale Flagge verkauft.
Vielleicht waere es eine Moeglichkeit, die Globalisierung des Marktes zu
bekaempfen, indem man die als heilig angesehen Dinge
der Erde anerkennt. Es gibt Dinge, die lassen sich einfach nicht
verkaufen. Ein zentraler Punkt ist es, die Nichtmessbarkeit der Werte zu
ueberdenken. Oekonomische Werte sind oekologischen Werten nicht
gleichzusetzen, und auch nicht denen der Kultur der Menschen oder sozialen
Werten. In diesem Sinne passen die oekologische Oekonomie und die
Oekologie der Bauern zusammen: Bauern und Indigenas, die sich nicht
oekologisch nennen, die dieses Wort nicht benutzen moechten, aber
wahrhaftige Oekologen sind, kaempfen dafuer, dass die natuerlichen
Ressourcen weiterhin allgemein verfuegbar bleiben.

Waehrenddessen schreiten die Globalisierung des
Marktes und seine Gefolgsleute grausam voran, und das Beispiel,
welches zu jener Zeit noch in der Oeffentlichkeit Erstaunen erzeugte, ist
jetzt schon Realitaet – ebenso wie die zunehmende Privatisierung von
Wasser.
Waeldern, Biodiversitaet, genetischen Ressourcen bis hin zum indigenen
Wissen. Alle Systeme geistigen Eigentum sind eine Art der
Privatisierung, eine Pluenderung des oeffentlichen Erbes.

Die Jungfrau von Guadalupe zu verkaufen, Heilpflanzen und Saatgut zu
patentieren oder den Schutz der Waelder und
des Boden in eine Ware zu verwandeln, die mit dem falschverstandenen
Namen der Umweltdienstleistungen kommerzialisiert wird, sind Teil der
gleichen Logik. Die WTO hat dies verstanden und deshalb alle diese Themen
in ihre Agenda aufgenommen, in die Aufgabe, mittels ihrer Regulationen
eine neue Verfassung der Welt zu erarbeiten. Gehorsam uebernehmen es die
Regierungen und nationalen Institutionen, sogar noch weiter
zu gehen als ihnen von der WTO befohlen wird.

Doch nichts von dem obengenannten ist eine Ware. Es sind Teile von
Kulturen und diese gilt es insgesamt zu verteidigen: Die Rechte der
Nationen auf ihre verschiedenen Formen zu leben und Religiositaet zu
verstehen ebenso wie das Recht auf die Ressourcen, die sie bewahren und
ueber Jahrunderte entwickelt haben.

Vielleicht bedeutet ein so krasses Beispiel wie es fuer die grosse
Mehrheit der Mexikaner die Registrierung eines Markenzeichens auf die
Jungfrau von Guadalupe ist den Tropfen, der das Fass zum Ueberlaufen
bringen kann, oder wie werden zahlen fuer das Wasser in diesem Fass bis
hin zur Luft, die wir atmen, und es werden nur die leben koennen, die
dieses Recht kaufen koennen.


(1) Die Katholische Kirche hatte die Aussagen aus dem Bericht im Proceso
bestritten, aber eingeraeumt, dass sie die Idee diskutiert hatten, das
Copyright fuer die Virgin an Viotran zu verkaufen (Anm. d. Uebers.)

Uebersetzung Silke Pohl
Span. Original auf www.biodiversidadla.org