[Pirateninfo] Nachtrag: Vandana Shiva auf dem FAO Gipfel im Mai 2002

Silke Pohl sipohl@yahoo.com
Wed Dec 4 11:48:50 2002


http://www.ceiberweiber.at/wahl1/biodivers.htmHE RIGHT TO FOOD? ­Vandana Shivas Kritik am Einsatz von Biotechnologie in derLandwirtschaftVon 10. bis 13. Juni 2002 fand in Rom die Fortsetzung desWelternährungsgipfels von 1996 mit dem Titel "World Food Summit: 5 years later" statt. Zu welchem Ergebnis, wie das einmütigzugestandene "Right To Food" - Recht auf Ernährung - umgesetztwerden kann, gelangte die Konferenz?Von den afrikanischen TeilnehmerInnen wurde erneut derProtektionismus der OECD-Länder landwirtschaftliche Importebetreffend kritisiert, während der US-amerikanischeLandwirtschaftsminister die Vorzüge biotechnologischer Methodenzur Bewältigung des Welthungers betonte. Kurz, es kam, ähnlich wiebei der 4. Ministerialkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO)in Doha, zu keinerlei konkreten Beschlüssen, abgesehen von dereinhelligen Beteuerung, weiter über anstehende Problemenachdenken zu wollen - was uns aber nicht sonderlich überraschensollte. Denn "Entwicklungshilfe
 " ist ein Geschäft, das sich rechnenmuss und dessen Ergebnisse in ökonomischen Variablen gemessenwerden können müssen.36 Millionen Menschen, die an Hunger und seinen unmittelbarenFolgen im Jahr 2000 starben, haben innerhalb dieses Wertekanonsnachgeordnete Priorität. Es gibt natürlich eine ganze Reihe vor allemökonomischer Gründe, die gegen die faktische Unabhängigkeit derLänder des Südens sprechen und sich auch hinkünftig einersinnvollen Entwicklungszusammenarbeit in den Weg stellen werden.Die wohlmeinendsten Ankündigungen, wie sie in den Publikationeninternationaler Organisationen - ein beachtlicher Anteil desadministrativen Aufwands, der insgesamt rund 80% dervorhandenen Finanzmittel verschlingt, geht dafür auf ­ zu findensind, können uns darüber nicht hinwegtäuschen.WOMEN FEED THE WORLD!Zu der Panel-Diskussion "Rural Women - crucial partners in the fightagainst hunger and poverty" war unter anderen auch VandanaShiva, eine der derzeit wohl bekanntesten AktivistInnen im
  Bereichder Biotechnologie-Kritik, als Rednerin geladen. Vandana Shiva,Physikerin, Philosophin, Ökofeministin und Autorin zahlreicherBücher, ist Vorsitzende der "Research Foundation for Science,Technology and Ecology" in Neu Delhi und Vize-Präsidentin des"Third World Network". Sie ist Mitglied in Organisationen wie dem"International Forum on Globalisation" und der "Women¹sEnvironment and Development Organisation" und Gründerin vonNavdanya, einer Bewegung, die sich für Bio-Diversität und dieVerwendung biologischen Saatguts einsetzt. Die Unterstützungbiotechnologischer Eingriffe, die auch während der Konferenzzahlreich zum Ausdruck gebracht wurde, wird von Vandana Shivaaufgrund der ihrer Meinung nach verstärkten Bedrohungbiologischer Artenvielfalt als besonders bedenklich eingestuft.Entscheidend für die aktuelle Diskussion ist die Frage, welcheZielsetzung der Einsatz biotechnologischer Mittel verfolgt. Ob es, umden Welthunger zu bekämpfen, ihrer Anwendung bedarf, darübersind d
 ie Meinungen geteilt. Dass die Frage der Ernährungssicherheitauf der Agenda der Industrienationen unter "ferner liefen" rangiert,wurde in Rom einmal mehr bewiesen: aus ihren Reihen nahmenlediglich zwei Regierungsmitglieder am "World Food Summit" teil.Weshalb ist Bio-Diversität so wichtig? VernichteteKulturpflanzensorten sind für immer verloren. BäuerInnen desSüdens leisten einen Beitrag zur Konservierung biologischerDiversität, indem sie innerhalb eines selbst-regenerativen Systemsproduzieren und verlieren, ist dieser Kreislauf erst durchbrochen, dieGrundlagen ihrer Subsistenzwirtschaft. Es gehört dabei zumbesonderen Stolz indischer BäuerInnen, ihren Reis bereits in derfünften oder zehnten Generation zu pflanzen. Mit Ochsen zuarbeiten ist dabei nicht Ausdruck landwirtschaftlicherRückständigkeit. Sie stellen eine Alternative zu chemischem Dünger,Traktoren und fossilen Brennstoffen, die Boden, Wasser undAtmosphäre verschmutzen und in Folge das Klima destabilisieren,dar. Die Mü
 hen, die diese Form des ökologischen Landbaus mit sichbringt, sind in der gegenwärtigen Situation wahrscheinlich noch dasgeringste Problem der betroffenen BäuerInnen.Die Wurzeln der Bedrohung der Diversität im Süden liegen imNorden. Die bekanntesten Gründe für die Bedrohung von Bio-Diversität sind das Roden und Niederbrennen von Wäldern,exportorientierte Monokulturen, der Einsatz von Pestiziden, aberauch die im Rahmen von "foreign aid-Programmen"aufgezwungenen Monokulturen sind an dieser Stelle zu erwähnen.Weite Verbreitung haben diese Formen industrieller Landwirtschaftmit der sogenannten "Grünen Revolution" gefunden. Bis heute wirdder Einsatz von Monokulturen im Rahmen zahlreicher Weltbank-Projekte, wie etwa den "social forestry" Projekten (Tropical ForestAction Plan - TFAP) in SO-Asien und Afrika, gefördert. Denn auchhier gilt: Biologische Diversität ist kein Wert an sich, er muss mithilfeökonomischer Variablen messbar sein. Doch nicht alles, was sichvorerst dergestalt da
 rstellen lässt, erzielt auch nachhaltig diegewünschten sozialen Effekte bzw. es existiert nicht nur wasmessbar ist (siehe zB. die Versorgungsleistungen des informellenSektors).Doch zu diesen bekannten Problemen sind seit Beginn der 90erJahre neue hinzugekommen: Biotechnologie, Biopiraterie und dasinternationale Patentrecht. Vandana Shiva weist unablässig daraufhin, dass jahrhundertealte, von Frauen entwickelte Pflanzenkulturen,etwa bestimmte Reissorten, und traditionelle Methoden derSchädlingsbekämpfung, die in Indien kultiviert werden, heute vonKonzernen als deren Erfindung ausgegeben und als Patentangemeldet werden. Die so entstehenden Wissens-Monopoleverhelfen den in den meisten sogenannten Entwicklungsländernohnehin bestehenden Kartellen zu noch bessererDurchsetzungskraft. Das TRIPS-Abkommen (Trade Related Aspectsof Intellectual Property Rights) der WTO (wie auch der US PatentAct) unterstützt diese Form der Biopiraterie und kriminalisiert damitdas traditionelle Sammeln u
 nd Tauschen von Saatgut in indischenGemeinden."Bioengineering of Crops Could Help Feed the World" ­Biotechnologie als letzter Ausweg die Ernährungssicherheit zugewährleisten?Zusätzlich bedroht genetisch verändertes Saatgut die subsistenteLebensweise von BäuerInnen weltweit. Multinationale Konzerne (wie"Monsanto" dies mit der Unterstützung der US-Regierung in Indientut) bringen genetisch verändertes, nicht-keimendes Saatgut auf denMarkt, das die BäuerInnen zwingt, vor jeder Ernte neues Saatgut zukaufen. Die "Terminator-Logik" der Biotechnologie-Konzerne, um mitden Worten Vandana Shivas zu sprechen, verhindert dieRegeneration des Bodens, führt zu Bodenerosion und zerstörtsukzessive die grossteils noch unentdeckte Artenvielfalt. Shivabezichtigt "Monsanto" in diesem Zusammenhang der gezieltenLügenkampagne, indem behauptet wird, bei genetisch verändertemGetreide, das sich resistent gegenüber Herbiziden verhält, sei dieBodenerhaltung um bis zu 90% verbessert.Dass kommerzielle 
 industrielle Methoden der Landwirtschaft ­ dieZüchtung neuer Getreidesorten, die widerstandsfähig gegenüberchemischem Dünger und toxischen Schädlingsbekämpfungsmittelnsind; die sogenannte "Grüne Revolution" ­ der falsche Weg waren,den Welthunger zu besiegen, ist mittlerweile nicht nur ökologischbewegten ZeitgenossInnen klar geworden. Deshalb aber dasnächstbeste Extrem als einzigen Ausweg zu propagieren, hat wohlzuvorderst damit zu tun, wer hier gerne die Welt ernähren ­ sprich:ein fettes Geschäft machen - möchte. Kleine, ökologischwirtschaftende Betriebe weisen eine hundert mal höhereProduktivität auf als riesige, auf konventioneller Landwirtschaftberuhende Höfe, so Shiva. Die Vernachlässigung lokaler Märkte,die, ausgerichtet auf lokale Bedürfnisse, lokale landwirtschaftlicheTraditionen und Techniken respektieren, ist die notwendige Folge"wissenschaftlicher" Aussagen, die sich und das gesamte"Entwicklungszusammenarbeits"-Programm, in dessen Rahmen siegetätigt wer
 den, in den Dienst einiger weniger Biotech-Konzernestellen. Anstatt patriarchalische Aneignungsversuche traditionellenWissens fälschlicherweise als Partnerschaft mit den Frauen der"Dritten Welt" verkaufen zu wollen, wäre es zielführender, soVandana Shiva, landwirtschaftliche Politik zukünftig auf kleine, dentraditionellen Formen der Bio-Diversität folgenden Betrieben zukonzentrieren.Wie ergeht es in dieser Situation den betroffenen BäuerInnen?Biopiraterie und das internationale Patentrecht, laut Vandana Shivaeine neue Form des Kolonialismus, versuchen BäuerInnen denfreien Zugang zu ihrem eigenen Saatgut zu verweigern und sie amAustausch desselben zu hindern. Mit der Unterstützung derWelthandelsorganisation wird dieses Saatgut als das intellektuelleEigentum eines bestimmten Konzerns gehandelt und BäuerInnendazu gezwungen, ureigenstes Wissen, das über Jahrhundertekultiviert wurde und seinen Ausdruck etwa in der Sortenvielfalt vonindischem Reis findet, als fremdes Eigentum käuf
 lich zu erwerben.Eine ähnliche Situation könnte sich für diverse Formenalternativmedizinischer Selbstversorgung ergeben. Gleichzeitigerreichen die Manipulationen transnationaler Biotech-Konzerne, diemit Werbeetats von mehreren Mrd. US-$ ganze Regierungenkaufen, dass BäuerInnen gentechnisch verändertes Saatgut, dasnicht keimt, kaufen. Eine unweit sichere Technologie, um dasSammeln von Saatgut zu verhindern: Es ist schlichtweg nicht mehrmöglich. Die Folge sind zunehmende Erosion, Zerstörung derArtenvielfalt, die Verwüstung ganzer Landstriche, hochverschuldeteBäuerInnen, Epidemien und Hunger und eine in den letzten Jahrenförmlich explodierende Selbstmordrate in vielen Teilen Indiens...Text: Etelka SteinerEtelka Steiner ist Philosophin mit dem Schwerpunkt politischeÖkonomie.Foto: siehe www.inmotionmagazine.com



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