<html>
  <head>

    <meta http-equiv="content-type" content="text/html; charset=UTF-8">
  </head>
  <body>
    <p><br>
    </p>
    <br>
    ----------------------------------------------------------<br>
    Online-Zeitschrift "IMI-List"<br>
    Nummer 0560 .......... 23. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563<br>
    Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.<br>
    Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka<br>
    Abo (kostenlos)........
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list">https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list</a><br>
    Archiv: ....... <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/mailingliste/">http://www.imi-online.de/mailingliste/</a><br>
    ----------------------------------------------------------<br>
    <br>
    Liebe Freundinnen und Freunde, <br>
    <br>
    in dieser IMI-List findet sich<br>
    <br>
    1.) Hinweise auf neue IMI-Texte zur Atommacht Europa, zum
    Hannibal-Komplex und zur Gemeinnützigkeit;<br>
    <br>
    2.) Eine IMI-Analyse zum „Strategiepapier zur Stärkung der
    Verteidigungsindustrie“ sowie zur heute verabschiedeten
    dazugehörigen Gesetzesänderung. <br>
    <br>
    <br>
    1.) Neue Texte auf der IMI-Homepage<br>
    <br>
    Wir arbeiten aktuell mit Hochdruck am Relaunch unseres Magazins
    „AUSDRUCK“, insofern war es die letzten Tage ein wenig ruhiger auf
    der IMI-Homepage. Einige neue Texte sind aber dennoch erschienen.
    Zusätzlich zur neuen Analyse zum „Strategiepapier zur Stärkung der
    Rüstungsindustrie“, die sich weiter unten in der Mail findet, sind
    das: <br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2020/004<br>
    Deutschland: Per EU-Umweg zur Atommacht?<br>
    Die Debatte über die „Europäisierung“ der Force de Frappe<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2020/02/13/deutschland-per-eu-umweg-zur-atommacht/">http://www.imi-online.de/2020/02/13/deutschland-per-eu-umweg-zur-atommacht/</a>
    <br>
    Jürgen Wagner (13. Februar 2020)<br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2020/003 - in: Zeit/Störungsmelder, 4.2.2020<br>
    1.800 Euro Strafe für „Hannibal“<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2020/02/06/1-800-euro-strafe-fuer-hannibal/">http://www.imi-online.de/2020/02/06/1-800-euro-strafe-fuer-hannibal/</a>
    <br>
    Luca Heyer (6. Februar 2020)<br>
    <br>
    Dokumentation - NachDenkSeiten vom 23.01.2020<br>
    Wie politisch dürfen gemeinnützige Vereine agieren?<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2020/02/03/wie-politisch-duerfen-gemeinnuetzige-vereine-agieren/">http://www.imi-online.de/2020/02/03/wie-politisch-duerfen-gemeinnuetzige-vereine-agieren/</a>
    <br>
    Rolf Gössner (3. Februar 2020)<br>
    <br>
    Auch die Defender-2020-Analyse wurde noch einmal aktualisiert,
    nachdem nun erstmals Aussagen der Bundesregierung zu den Kosten der
    deutschen Beteiligung vorliegen (auch wenn die verdächtig gering
    ausfallen):<br>
    <br>
    IMI-Analyse 2020/02 (Update 13.2.2020)<br>
    Großmanöver Defender 2020<br>
    Mit Tempo in den Neuen Kalten Krieg<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2020/01/10/grossmanoever-defender-2020/">http://www.imi-online.de/2020/01/10/grossmanoever-defender-2020/</a> <br>
    Jürgen Wagner (10. Januar 2020)<br>
    <br>
    <br>
    2.) IMI-Analyse: Strategiepapier zur Stärkung der Rüstungsindustrie<br>
    <br>
    Vorgestern wurde das „Strategiepapier der Bundesregierung zur
    Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ verabschiedet
    und heute passierte eine damit verknüpfte Gesetzesänderung die
    letzte Hürde im Bundesrat. die folgende IMI-Analyse beschäftigt sich
    mit Papier und Gesetz zur Aufpäppelung des deutschen Rüstungssektors
    [Quellenangaben als Links auf der Homepage]:<br>
     <br>
    <br>
    IMI-Analyse 2020/06<br>
    Nationaleuropäisches Rüstungsspagat<br>
    Das Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und
    Verteidigungsindustrie<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2020/02/14/nationaleuropaeisches-ruestungsspagat/">http://www.imi-online.de/2020/02/14/nationaleuropaeisches-ruestungsspagat/</a>
    <br>
    Jürgen Wagner (14. Februar 2020) <br>
    <br>
    Bei der Vergabe großer Rüstungsaufträge steckt die Bundesregierung
    zwischen Baum und Borke: Einerseits ist es das erklärte Ziel über
    europaweite Ausschreibungen zu einer „Konsolidierung“ („Bündelung“)
    des EU-Rüstungssektors beizutragen. Hierüber sollen größere
    Auftragsmargen und damit deutlich geringere Stückpreise erzielt und
    so eine größere militärische Schlagkraft pro investiertem Euro
    generiert werden. Auf der anderen Seite wird ein solches Verfahren
    selbstredend überall dort für besonders problematisch empfunden, wo
    deutsche Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung innehaben und
    dementsprechend leer ausgehen könnten – dahinter stehen allerdings
    nicht allein industriepolitische Erwägungen, sondern nicht zuletzt
    auch das machtpolitische Interesse am Erhalt einer starken
    nationalen Rüstungsindustrie.<br>
    <br>
    Die diesbezügliche Debatte nahm besonders im Vorfeld der Vergabe
    eines milliardenschweren Auftrags zum Bau von vier
    Mehrzweckkampfschiffen (MKS) 180 an Schärfe zu. Obwohl teils recht
    deutlich vor einem „Ausverkauf der deutschen
    Marine-Schiffbaukompetenz“ gewarnt wurde, wurde der Auftrag
    europaweit ausgeschrieben und ging dann Mitte Januar 2020 an das
    niederländisch geführte Konsortium „Damen Shipyards Group“.
    Dementsprechend hitzig fielen die Reaktionen der Industrie wie auch
    von Teilen der Gewerkschaften und der Politik aus. Diesen Spagat
    zwischen nationalen und europäischen „Sachzwängen“ adressiert nun
    das am 12. Februar 2020 als Gemeinschaftsproduktion von BMWI, BMVg,
    BMI, AA und BMBF veröffentlichte „Strategiepapier der
    Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und
    Verteidigungsindustrie“. <br>
    <br>
    Das Dokument ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert:
    Zunächst einmal betont es zwar den bedarf europaweiter
    Ausschreibungen, erweitert aber im gleichen Atemzug die bereits im
    Vorgänger eingeführten „Schlüsseltechnologien“ unter anderem um den
    „Überwasserschiffbau“. Die entscheidende Neuerung dabei ist, dass
    dieser Schritt mit einer Gesetzänderung flankiert wird, die am 14.
    Februar 2020 abschließend den Bundesrat passierte und die es
    ermöglichen soll, besagte Schlüsseltechnologien künftig vom
    europäischen Ausschreibungsverfahren auszuklammern. Außerdem fasst
    das „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und
    Verteidigungsindustrie“, wie der Name schon andeutet, die zuvor
    getrennt behandelten Bereiche der Sicherheits- und
    Verteidigungsindustrie unter besonderer Berücksichtigung neuer
    Technologien und deren „Wert“ für künftige Militärprojekte zusammen.
    Und schließlich geht es dem Papier darum, die „Rahmenbedingungen für
    Unternehmen dieser Industrie zu verbessern.“ Ganz vorne auf dem dazu
    präsentierten Maßnahmenkatalog heißt es unter anderem, man wolle,
    „Exporte politisch flankieren.“ <br>
    <br>
    Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dabei allerdings, dass es der
    Bundesregierung nicht gelingen dürfte, die nationale und die
    europäische Ebene auszutarieren. In dem Maße, wie sie sich der einen
    zuneigt, verprellt sie die andere.<br>
    <br>
    <br>
    Protektionistischer Gegenwind<br>
        <br>
    Beim MKS 180 handelt es sich um eines der wirklich großen künftigen
    Rüstungsvorhaben: Als Auftragsvolumen sind inzwischen im
    Bundeshaushalt 5,27 Mrd. Euro vorgesehen, weshalb es nicht
    verwunderlich war, dass es aus den Reihen der Politik eine Reihe von
    Fürsprechern gab, den Auftrag an ein deutsches Konsortium zu
    vergeben. So meldete sich Anfang 2020 etwa der FDP-Politiker Hagen
    Reinhold erbost zu Wort, nachdem im Jahr zuvor ThyssenKrupp Marine
    Systems (TKMS) und Lürssen aus dem Bieterverfahren geworfen worden
    waren: „Mir ist schleierhaft, wie man das Konsortium TKMS/Lürssen,
    einen rein deutschen Bieter, vor Jahresfrist von der Vergabe
    ausschließen konnte.“<br>
    <br>
    Nachdem dann im Februar 2020 auch noch „German Naval Yards Kiel“
    leer ausging, schalteten sich umgehend diverse Ministerpräsidenten
    in die Debatte ein, wie der militärnahe Blog Augengeradeaus
    berichtete: „Mehrere Bundesländer, in denen Schiffe und
    Zulieferteile für die Deutsche Marine gebaut werden, haben
    Bundeskanzlerin Angela Merkel dringend zu einem politischen
    Umsteuern aufgefordert: Wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart,
    müsse der Marine Überwasserschiffbau nunmehr umgehend als
    Schlüsseltechnologie definiert werden, schrieb Schleswig-Holsteins
    Ministerpräsident Daniel Günther auch im Namen von Bayern,
    Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und
    Mecklenburg-Vorpommern an die Kanzlerin.“ <br>
    <br>
    Auch die IG Metall Küste machte aus ihrem Unmut über die
    Entscheidung (einmal mehr) keinen Hehl. Sie veröffentlichte umgehend
    nach der Auftragsvergabe ein „Gemeinsames Positionspapier von IG
    Metall Küste und Betriebsräten von Werften und Zulieferern“, das
    sich mit der „Zukunft für den Marineschiffbau in Deutschland“
    beschäftigte und das auch „Forderungen an Bundesregierung und
    Unternehmen“ enthielt. Die MKS-Vergabeentscheidung wird darin als
    „Fehlentscheidung“ gegeißelt: „Keine andere Nation würde bei einem
    Beschaffungsprojekt solcher Dimension und Bedeutung so vorgehen und
    damit Arbeitsplätze und Standorte sowie die technische
    Zukunftsfähigkeit der Branche im eigenen Land in Gefahr bringen.
    [...] Der Auftrag MKS 180 ist entscheidend für die Sicherung der
    Grundauslastung der Werften und den Erhalt einer leistungsfähigen
    wehr- und sicherheitstechnischen Industrie in Deutschland.“ <br>
    <br>
    Und auch die Industrie wollte die Entscheidung buchstäblich nicht
    klaglos hinnehmen, wie u.a. das Handelsblatt berichtete: „Die
    Bundesregierung hat sich mit der Vergabe des Auftrags für den Bau
    neuer Fregatten an die niederländische Werftengruppe Damen
    juristischen Ärger eingehandelt. Der im Bieterverfahren unterlege
    Schiffbauer German Naval Yards (GNY) will den Deal über Gerichte
    stoppen lassen, wie das Handelsblatt aus informierten Kreisen
    erfahren hat.“<br>
    <br>
    Offensichtlich wird die Bundesregierung in dieser Angelegenheit von
    diversen einflussreichen nationalen Interessensgruppen erheblich
    unter Druck gesetzt – und das „Strategiepapier zur Stärkung der
    Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ ist dazu gedacht, dieses
    Problem zu lösen.<br>
    <br>
    <br>
    Militärisch-industrieller Spagat<br>
        <br>
    Die 2020er Version des „Strategiepapiers der Bundesregierung zur
    Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ ist nicht die
    erste ihrer Art – für die Rüstungsindustrie wurde bereits 2015 ein
    entsprechendes Papier veröffentlicht, dem im Jahr darauf ein
    weiteres folgte, diesmal mit Fokus auf die „zivile“
    Sicherheitsindustrie.<br>
    <br>
    Auch in der aktuellen Variante wird an der „strategischen Bedeutung“
    der heimischen Rüstungs- und Sicherheitsindustrie keine Zweifel
    gelassen: „Industrielle Kernfähigkeiten und strategisch relevante
    Entwicklungskapazitäten sind am Standort Deutschland und EU zu
    erhalten und zu fördern.“ Auf der anderen Seite wird allerdings auch
    klar bedauert: „Nicht zuletzt durch die unterschiedlichen nationalen
    Anforderungen ist die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in der
    EU nach wie vor national ausgerichtet und stark fragmentiert.
    Insbesondere ein Verteidigungsbinnenmarkt ist faktisch noch nicht
    realisiert.“ Dies sei ein Problem, denn ein fehlender
    Rüstungsbinnenmarkt führe zu „erheblichen Nachteilen in Bezug auf
    Kosten, internationale Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenarbeit.“<br>
    <br>
    Europaweite Ausschreibungen hätten zur Folge, dass sich – wie in
    anderen Sektoren bereits vorexerziert – wenige Großunternehmen
    herausbilden und die Unternehmen in den kleinen und mittleren
    Staaten schlucken würden. Obwohl vieles dafür spricht, dass derlei
    Annahmen reichlich optimistisch sind, versprechen sich EU-Kommission
    und die Mitgliedsstaaten von einem Rüstungsbinnenmarkt mit seinen
    höheren Auftragsmargen jährliche Einsparungen von 25 Mrd. bis hin zu
    100 Mrd. Euro – die dann in zusätzliches militärisches Gerät
    gesteckt werden könnten. <br>
    <br>
    Aus diesem Grund ist auch der Bundesregierung sehr an einem
    Rüstungsbinnenmarkt und der damit einhergehenden „Konsolidierung“
    des Sektors gelegen. Im „Strategiepapier zur Stärkung der
    Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ heißt es dazu: „Die
    Bundesregierung wird daher durch verschiedene Maßnahmen auf eine
    verstärkte industrielle Konsolidierung innerhalb Europas hinwirken
    und erforderliche Prozesse im Rahmen ihrer Möglichkeiten
    unterstützen, um so ökonomische Synergien zu fördern und Kohärenz zu
    stärken.“ <br>
    <br>
    Bislang ist es möglich, die – an sich obligatorische – Pflicht zu
    europaweiten Ausschreibungen im Militärbereich über einen Verweis
    auf Artikel 346 des „Vertrags über die Arbeitsweise der EU“ (AEUV)
    zu umgehen. Er erlaubt es Aufträge unter Berufung auf zentrale
    sicherheitspolitische Bedenken rein national zu vergeben, eine
    Möglichkeit, von der die Mitgliedsstaaten rege Gebrauch machen,
    sodass bis heute 80 Prozent der europäischen Rüstungsaufträge
    national bedient werden.<br>
    <br>
    Die Kommission drängt deshalb auf eine sparsame Anwendung von
    Artikel 346 AEUV und auch die meisten deutschen Unternehmen sind
    durchaus darauf erpicht, dass in Zukunft europaweit ausgeschrieben
    wird. Sie schätzen ihre Marktstellung – wohl zu Recht – so ein, dass
    sie zu den Profiteuren der hierdurch ausgelösten Fusions- und
    Übernahmewelle zählen dürften. Misslich wird das Ganze aber in den
    Sektoren, in denen die deutschen Unternehmen nicht oder nur bedingt
    konkurrenzfähig sind, die aber aus macht- wie auch
    industriepolitischen Gründen am Leben gehalten werden sollen.<br>
    <br>
    Das Strategiepapier versucht dieses Problem nun mit Ansatz zu lösen,
    das Ziel sei die „Europäisierung von Rüstungsvorhaben unter Wahrung
    nationaler Schlüsseltechnologien.“<br>
    <br>
    <br>
    Protegierte Schlüsseltechnologien<br>
        <br>
    Der wichtigste Part des Strategiepapiers betrifft den Bereich der
    Schlüsseltechnologien, die es zu „schützen“ gelte: „Die
    Verfügbarkeit der identifizierten sicherheits- und
    verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien ist aus
    wesentlichem nationalen Sicherheitsinteresse zu gewährleisten,
    abhängig von der Einordnung der Technologie gegebenenfalls auch im
    Rahmen von europäischen/transatlantischen Kooperationen und
    diesbezüglichen bi- und multilateralen Vereinbarungen.“<br>
    <br>
    Das Papier führt drei Kategorien ein: Als Global werden Technologien
    eingestuft, die keinerlei Beschränkungen unterliegen und problemlos
    im Ausland beschafft werden können. Europäisch beinhaltet die
    „Sicherung der Technologie in Kooperation mit europäischen
    Partnern“, schließt also faktisch selbst manche NATO-Verbündete,
    insbesondere die USA aus. Sechs Bereiche fallen hierunter, wobei
    jeder über Segmente verfügt, die global und solche die europäisch
    zugeordnet werden. Genannt werden hier Handfeuerwaffen, Dreh- und
    Starrflügler (v.a. Drohnen und Kampfflugzeuge), ungeschützte
    Fahrzeuge, ABC-Abwehr, Flugkörper/Lenkverteidigung sowie
    IT-/Kommunikationssoftware (siehe Grafik).<br>
    <br>
    Was „Nationale Schlüsseltechnologien“ anbelangt, wurde bereits 2015
    eine erste Liste erstellt, die nun erweitert und mit der „zivilen“
    Sicherheitsindustrie vermischt wurde – neu hinzugekommen sind die
    Elektronische Kampfführung (EloKa), der Überwasserschiffbau, die
    Künstliche Intelligenz sowie IT- und Kommunikationstechnologie, die
    sich zu folgenden Bereichen gesellen: Geschützte/Gepanzerte
    Fahrzeuge, Unterwasserplattformen, Schutz, Sensorik, Vernetzte
    Operationsführung/Krypto. <br>
    <br>
    Im Papier unterbleibt eine genauere Definition dieser teils doch
    recht vagen Kategorien, bei der rüstungsnahen „Europäischen
    Sicherheit und Technik“ (ESUT) werden aber einige Projekte genannt,
    die sich hier einordnen: „Ein neues Mehrzweckkampfschiff würde also
    nicht mehr zwingend europäisch ausgeschrieben werden, da der
    Marineschiffbau eine nationale Schlüsseltechnologie darstellt.
    Dasselbe gilt für ein neues Battle Management System (Vernetzte
    Operationsführung), Kampfpanzer (Gepanzerte Fahrzeuge) oder das
    mittlere geschützte Sanitätsfahrzeug (Geschützte Fahrzeuge), die
    alle rein national zu vergeben wären. Zumindest, wenn die Aussagen
    des Strategiepapiers belastbar sein sollen.“<br>
    <br>
    Für die rüstungsnahe ESUT ist hier der entscheidende „Lichtblick“,
    dass der bisherige Papiertiger Schlüsseltechnologien Zähne in Form
    einer Gesetzesänderung erhalten soll.<br>
    <br>
    <b><br>
    </b><b>Gesetzlicher Rüstungsprotektionismus</b><br>
    <br>
    Bereits im Oktober 2019 verabschiedete das Kabinett Änderungen zum
    „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB) und zur
    „Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit“
    (VSVgV). Die Änderungen passierten am 30. Januar den Bundestag und
    am 14. Februar 2020 den Bundesrat und ermöglichen es nun,
    rüstungsindustrielle Kernbereiche von der Pflicht einer europaweiten
    Ausschreibung nach Artikel 346 AEUV auszuklammern. <br>
    <br>
    Konkret heißt es im „Entwurf  eines  Gesetzes  zur  beschleunigten 
    Beschaffung  im  Bereich der Verteidigung und Sicherheit und zur
    Optimierung der Vergabestatistik“: „Dem § 107 Absatz 2 werden
    folgende Sätze angefügt: ‚Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne
    des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der
    Europäischen Union können insbesondere berührt sein, ‚wenn der
    öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle
    Schlüsseltechnologien betrifft.‘“ <br>
    <br>
    Im „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und
    Verteidigungsindustrie“ wird auch deutlich, dass über das Gesetz
    weitgehende Ausnahmeregelungen von den Verpflichtungen aus Artikel
    346 AEUV eingeführt werden sollen: „Die vom europäischen und
    nationalen Gesetzgeber eingeräumten Spielräume in der Anwendung der
    Ausnahmevorschrift des Artikels 346 des Vertrags über die
    Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sollen genutzt werden, um
    die wesentlichen nationalen Sicherheitsinteressen, insbesondere den
    Erhalt nationaler Souveränität, zu wahren. Um dies im deutschen
    Vergaberecht zu konkretisieren, hat die Bundesregierung einen
    Gesetzentwurf eingebracht, der ‚sicherheits- und
    verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien‘ als möglichen Fall
    der Betroffenheit wesentlicher Sicherheitsinteressen nach Artikel
    346 AEUV im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus¬drücklich
    benennt.“<br>
    <br>
    Mit anderen Worten: Der Wettbewerb auf dem Binnenmarkt soll überall
    dort über das Vehikel der Schlüsseltechnologien ausgesetzt werden,
    wo die Bundesregierung Sorge hat, dass deutsche Unternehmen ins
    Hintertreffen geraten könnten.<br>
    <br>
    <b><br>
    </b><b>Exportförderung und weitere Unterstützungsmaßnahmen</b><br>
    <br>
    Ein weiteres „Highlight“ des Strategiepapiers ist die systematische
    Vermischung von „zivilen Sicherheitstechnologien“ und „militärischen
    Verteidigungstechnologien“. Wie bereits erwähnt, schlägt sich dies
    allein schon darin nieder, dass die 2015 und 2016 jeweils getrennt
    veröffentlichten Strategiepapiere nun in einem Dokument
    zusammengefasst wurden.<br>
    <br>
    Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Rüstungsinnovationen durch
    die fortschreitende Digitalisierung in immer stärkerem Maße aus der
    zivilen (Sicherheits-)Industrie kommen und nutzbar gemacht werden
    sollen. Im Strategiepapier heißt es dazu: „Eine immer größere
    Bedeutung nimmt dabei im Rah¬men der fortschreitenden
    Digitalisierung die Informationstechnologie ein, durch die zunehmend
    neue zivile Techno¬logien im Bereich der Sicherheit und Verteidigung
    zur Anwendung kommen. [...] Fortschritte in der Forschung und der
    Entwicklung neuer Technologien, wie z. B. in der Digitalisierung, im
    Bereich der Künstlichen Intelligenz, unbemannter Systeme, der
    Hyperschalltechnik, der Biotechnologien und der Cyberinstrumente,
    werden grundlegende Auswirkungen auf die sicherheits- und
    verteidigungsrelevanten Systeme der Zukunft haben.“<br>
    <br>
    Aufgrund der Bedeutung des Sektors wird hier eine Art Topf zum
    „Schutz“ der „digitalen Souveränität“ aufgelegt: „Zur Erlangung
    einer digitalen Souveränität und Resilienz gegenüber hybriden
    Bedrohungen soll die Abhängigkeit von ausländischen
    Informationstechnologien reduziert werden. Soweit die Souveränität
    bei heute bereits identifizierbaren, aber erst zukünftig in der
    Masse relevanten und produktiv eingesetzten Technologien gesichert
    werden muss, muss es möglich sein, einem Ausverkauf bereits in
    frühen Stadien entgegenzuwirken. [...] Die Bundesregierung arbeitet
    an entsprechenden Ansätzen, dieses Ziel zu erreichen. Dazu soll
    insbesondere die Einrichtung eines IT-Sicherheitsfonds
    vorangetrieben werden, um aktiv unerwünschten Übernahmen begegnen zu
    können.“<br>
    <br>
    Überhaupt kündigt das Strategiepapier allerhand Maßnahmen an, um die
    scheinbar darbende Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und ihre
    Schlüsselindustrien zu fördern: „Zum Erhalt bzw. zur Stärkung der
    sicherheits- und verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien
    wird die Bundesregierung diese vor allem bei den unten genannten
    Maßnahmen in den Bereichen Forschung, Entwick¬lung und Innovation
    (V.1.), Produktion (V.2.), Beschaffung (V.3.), Exportunterstützung
    und -kontrolle (V.4.) sowie Investitionskontrolle (V.5.) besonders
    fördern und schützen.“<br>
    <br>
    Besonders die Passagen zur Exportförderung lassen wenig an Klarheit
    vermissen. So werde auf EU-Ebene eine „Harmonisierung der
    exportkontrollpolitischen Entscheidungen im Bereich der Rüstungs-
    wie der Dual-Use-Güter innerhalb der EU angestrebt.“ Dabei lehren
    die bisherigen Erfahrungen, dass hier mit „Harmonisierung“ stets die
    Angleichung der europaweiten Exportvorschriften auf den kleinsten
    gemeinsamen Nenner gemeint ist. So soll es möglich sein, die –
    zumindest im Verhältnis – relativ strengen deutschen Vorschriften
    über den EU-Umweg zu schleifen. <br>
    <br>
    In der Tat steht die Exportförderung ganz oben auf der
    Prioritätenliste – das Strategiepapier benennt das dahinterstehende
    Kalkül in selten gelesener Deutlichkeit: „Exporte, insbesondere in
    EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, liegen im sicherheits-
    und verteidigungspolitischen Interesse Deutschlands. Sie tragen bei
    zu höheren Stückzahlen und damit ggf. geringeren Beschaffungs- und
    Nutzungskosten der zivilen Behörden und Organisationen mit
    Sicherheitsaufgaben und der Bundeswehr. Zudem unterstützen sie das
    Ziel einer höheren Interoperabilität mit verbündeten Streitkräften
    und fördern Beschäftigung und Technologieentwicklung in Deutschland.
    Die Bundesregierung wird daher Exportaktivitäten in Deutschland
    ansässiger Unternehmen, insbesondere in EU-, NATO- und
    NATO-gleichgestellte Länder, nach sorgfältiger Einzelfallprüfung
    über außenwirtschaftliche und sonstige Instrumente unterstützen.“<br>
    <br>
    <br>
    <b>Nationale Rechnung ohne den europäischen Wirt?</b><br>
    <br>
    Rüstungsnahe Akteure sehen insbesondere in der Möglichkeit,
    europaweite Ausschreibungen vermeiden zu können, einen großen
    Fortschritt für die hiesige Industrie. Für interessierte Kreise
    scheint die Angelegenheit klar zu sein – es wird einfach überhaupt
    nicht mehr europaweit ausgeschrieben. So interpretiert
    beispielsweise der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel
    Günther, das Ganze: „Wenn das definiert wird [die
    Schlüsseltechnologien], heißt das auch automatisch, dass auf
    Ausschreibungen im großen Stil verzichtet werden kann”.<br>
    <br>
    Allerdings hat die Kommission in den letzten Jahren mehr als
    deutlich gemacht, dass eine Umgehung von Artikel 346 AEUV nur in
    absoluten Ausnahmefällen erfolgen darf. Sie hat sogar eine Reihe von
    Mahnungen an Mitgliedsstaaten verschickt, die ihrer Auffassung allzu
    schnell dabei waren, sich auf nationale Sicherheitsinteressen zu
    berufen, um die einheimische Industrie zu schützen.<br>
    <br>
    So könnte es sein, dass auch bei den Schlüsseltechnologien nur mit
    Einzelfallprüfungen und dabei auch relativ sparsam hantiert werden
    könnte, was wiederum auf Kritik bei Industrie und Gewerkschaften
    stoßen dürfte. Sollte sich die Bundesregierung aber dazu
    entscheiden, den Großteil ihrer Aufträge tatsächlich vom
    europäischen Rüstungsbinnenmarkt auszuschließen, dürfte die Frage
    spannend werden, wie sie denn ihre „Verbündeten“ in der EU davon
    überzeugen will, es ihr nicht gleich zu tun. Da der Schaffung eines
    EU-Rüstungsmarktes aber mindestens ebenso große Bedeutung wie dem
    Erhalt der Schlüsselindustrien zugemessen wird, steht die
    Bundesregierung vor einem Dilemma, das sie auch mit dem
    Strategiepapier nicht aufgelöst bekommt.<br>
    <br>
    <p><br>
    </p>
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