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    ---------------------------------------------------------- <br>
    Online-Zeitschrift "IMI-List" <br>
    Nummer 0372 .......... 16. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563 <br>
    Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. <br>
    Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner <br>
    Abo (kostenlos)..
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list">https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list</a> <br>
    Archiv: ....... <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/mailingliste.php3">http://www.imi-online.de/mailingliste.php3</a> <br>
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    <br>
    <br>
    Liebe Freundinnen und Freunde, <br>
    <br>
    in dieser IMI-List findet sich<br>
    <br>
    1) Ein Artikel zum UN-Bericht zu Ablauf und Folgen des
    Libyen-Krieges<br>
    <br>
    2) Ein Überblick über die neuen Texte auf der IMI-Homepage<br>
    <br>
    <br>
    1) Ein Artikel zum UN-Bericht zu Ablauf und Folgen des
    Libyen-Krieges<br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2012/027<br>
    Proliferation, Destabilisierung und der Schutz der Zivilbevölkerung<br>
    UN-Bericht zu Ablauf und Folgen des Libyen-Krieges<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/05/02/un-bericht_libyen/">http://www.imi-online.de/2012/05/02/un-bericht_libyen/</a> <br>
    2. Mai 2012, Christoph Marischka <br>
    <br>
    Während die ganze Welt nach Syrien schaut und die Bewaffnung der
    dortigen Opposition in vollem Gange ist, legte die UN dem
    Sicherheitsrat bereits am 17. Februar 2012 einen Bericht zu Ablauf
    und Folgen des Libyen-Krieges vor (1). Obwohl der Bericht einer
    Expertenkommission in der Resolution 1973 ausdrücklich vorgesehen
    war, stößt er auf sehr geringes Interesse, gerade auch bei denen,
    die sich bereits hinsichtlich Libyens und nun auch bezüglich Syriens
    für die „Wahrnehmung der Schutzverantwortung“ durch die
    „internationale Gemeinschaft“ ausgesprochen haben. Der Bericht
    belegt von höchster Stelle, dass frühzeitig Waffen an die
    Aufständischen in Libyen geliefert und dass diese durch
    „Militärberater“ unterstützt wurden, wobei die NATO offenbar
    flankierend zu ihren Luftangriffen eine dubiose Koordinationsrolle
    hierbei übernommen hat. Er gibt auch eine Ahnung davon, wie sehr der
    Libyen-Krieg und die Bewaffnung der Aufständischen die gesamte
    Region von Mauretanien bis zum Sudan zu destabilisieren droht. Dabei
    geht er auf die unmittelbarsten Folgen - die Sezessionsbewegung im
    Norden Malis, den daraus resultierenden Putsch und die nun
    möglicherweise bevorstehenden Militärmissionen der ECOWAS in Mali
    und der EU im benachbarten Niger - noch nicht einmal ein. Im
    Folgenden soll der erste Teil dieses Berichts, der sich mit der
    Lieferung und Verbreitung von Waffen beschäftigt, (bis auf eine
    Ausnahme) unkommentiert zusammengefasst werden.<br>
    <br>
    Bereits in der Einleitung kommt der Bericht zu einem alarmierenden
    Fazit: „Der Konflikt in Libyen offenbarte den Verlust nationaler
    Kontrolle über militärische Ausrüstung und eine vollständige
    Umverteilung der Verfügbarkeit von Waffen im Land. Die Verteilung
    von Waffen an Zivilisten und die Aneignung der Bestände aus den
    Depots durch Individuen und Milizen führten, verbunden mit
    zusätzlicher militärischer Ausrüstung, die von außerhalb nach Libyen
    gebracht wurde, zur unkontrollierten Zirkulation sehr großer Mengen
    von Waffen und Munition während des Konfliktes. Vier Monate später
    verfügen Individuen und Milizen über einen Großteil der Waffen. Das
    Fehlen einer einheitlichen Kommandostruktur und regulärer und
    funktionsfähiger Sicherheitssysteme bleibt die primäre
    Herausforderung bei der Sicherung militärischer Ausrüstung und der
    Verhinderung ihrer unkontrollierten Zirkulation.“<br>
    <br>
    Die Waffen und Söldner des Regimes<br>
    <br>
    Bereits die vor Beginn des Konflikts vorhandenen „Waffenbestände“ in
    Libyen hätten sich nicht nur durch ihren Umfang, sondern auch
    hinsichtlich ihrer Vielfalt als „sehr groß“ erwiesen, sie reichten
    von Kleinwaffen bis zu schweren Waffen und entsprechender Munition.
    Ein großer Teil stamme von Einkäufen in den 70er und 80er Jahren in
    der UDSSR, sei aber ab 2003 durch massive Einkäufe aus
    westeuropäischen Staaten und ehemaligen Teilen der Sowjetunion
    ergänzt worden. „Zusätzliches Material wurde während des Konfliktes
    aus dem Ausland geliefert, wobei offensichtlich keine angemessenen
    Maßnahmen zur Nachverfolgung ihrer Verteilung im Feld getroffen
    wurden.“<br>
    <br>
    Große Teile des Berichts handeln davon, wie diese Waffen ins Land
    gelangten. Zwar gäbe es Hinweise auf Versuche des Gaddafi-Regimes,
    nach Beginn des Konfliktes Waffen und Söldner zu beschaffen. Bislang
    könne jedoch – und das wird mehrfach betont – noch nicht
    festgestellt werden, ob eine Verletzung des Waffenembargos von
    dieser Seite stattgefunden habe.<br>
    <br>
    U.a. gäbe es Hinweise, dass Sicherheitsbeamte des Gaddafi-Regimes
    den Kontakt zu Waffenherstellern und -händlern gesucht und im Juli
    2011 China besucht hätten. Die chinesische Regierung hätte daraufhin
    „Kontakte“ eingeräumt, zugleich aber unterstrichen, dass weder
    Verträge dabei zu Stande gekommen, noch irgendwelche Waffen
    geliefert worden seien. Nähere Informationen hierzu hätten die
    chinesischen Behörden der Expertenkommission jedoch nicht zugänglich
    gemacht. Außerdem verweist die Kommission auf eine Lieferung von
    1.500 Zelten und 12.000 Uniformen einer pakistanischen Textilfirma,
    die mutmaßlich für das Gaddafi-Regime bestimmt gewesen, von
    maltesischen Behörden jedoch zurückgehalten worden seien.<br>
    <br>
    Erstaunlich vage bleibt der Bericht auch hinsichtlich des Einsatzes
    von Söldnern auf Seiten des Gaddafi-Regimes – v.a. angesichts der
    Tatsache, dass dieser als Grund für die Maßnahmen nach Kapitel VII
    in den entsprechenden Resolutionen ausdrücklich genannt wird. Er
    verweist diesbezüglich lediglich darauf, dass als Söldner nur gelte,
    wer nicht bereits vor Beginn des Konfliktes im Territorium einer
    Konfliktpartei gelebt habe oder deren Staatsbürger gewesen sei und
    dies im libyschen Kontext aufgrund eines wenig ausgeprägten
    Meldewesens und umfassender Einbürgerungsprogramme schwer im
    Einzelfall feststellbar sei. Hinsichtlich des Einsatzes von Söldnern
    stehe insbesondere der Tschad im Verdacht, dessen Regierung sich
    aber bislang wenig kooperationsbereit gezeigt habe. Berichten
    zufolge sollen auch südafrikanische Sicherheitsfirmen an Versuchen
    beteiligt gewesen sein, Gaddafi und Angehörige seiner Familie außer
    Landes zu bringen. Einzig ein in Kanada lebender Australier habe
    bislang bestätigt, Saadi Gadaffi bei der Flucht geholfen zu haben.
    Einsätze wie die Operation Pegasus der Bundeswehr, mit der Deutsche
    und Drittstaatenangehörige bewaffnet aus Libyen evakuiert wurden,
    finden hingegen gar keine Erwähnung.<br>
    <br>
    Waffenlieferungen und „Militärberater“ für die Aufständischen<br>
    <br>
    Die Bereitstellung militärischer Ausrüstung für die Aufständischen
    wird im Expertenbericht in drei Kategorien eingeteilt: Lieferungen,
    die in Einklang mit der Resolution 1973 stehen und ordnungsgemäß
    deklariert wurden, mangelhafte Deklarationen über entsprechende
    Lieferungen und Lieferungen, die überhaupt nicht deklariert wurden
    und damit klar der Resolution 1973 widersprechen.<br>
    <br>
    Eindeutig heißt es im Bericht, dass „die ausländische militärische
    Unterstützung, einschließlich der Lieferungen militärischer
    Ausrüstung, entscheidend“ für den Ausgang des Konfliktes gewesen
    seien. Bemerkenswert ist, dass die Lieferungen von Waffen nach der
    Resolution 1973 (Ziffer 4 „Schutz der Zivilbevölkerung“) durchaus
    zulässig waren. Darin werden die „Mitgliedstaaten, die eine
    Notifizierung an den Generalsekretär gerichtet haben“ ermächtigt,
    „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, ungeachtet der Ziffer 9
    der Resolution 1970 (2011), um von Angriffen bedrohte Zivilpersonen
    und von der Zivilbevölkerung bewohnte Gebiete in der Libysch-
    Arabischen Dschamahirija, einschließlich Bengasis, zu schützen“. Die
    explizit erwähnte Ziffer 9 war jedoch die Grundlage des
    Waffenembargos gegen Libyen, das somit unter dem Vorwand der
    Schutzverantwortung für Lieferungen an die Aufständischen aufgehoben
    wurde – wohlgemerkt unter der Bedingung, dass der Generalsekretär
    zuvor unterrichtet wird. Der Bericht stellt jedoch auch fest, dass
    das bloße Vorliegen einer entsprechenden Notifikation nicht
    zwangsläufig bedeute, dass keine Verletzung des Waffenembargos
    vorliege. Insgesamt 14 Staaten hätten dem Generalsekretär ihre
    Absicht angezeigt, militärisch zum Schutz der Zivilbevölkerung
    (Ziffer 4) oder zur Durchsetzung des Flugverbots (Ziffer 8 ) aktiv
    zu werden, wovon vier (Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich
    und USA) die Absicht geäußert hätten, den Aufständischen
    militärische Ausrüstung oder militärisches Personal zur Verfügung zu
    stellen.<br>
    <br>
    So habe Frankreich den Generalsekretär am 26. April 2011 informiert,
    dass es ein Team von Militärberatern in Libyen stationiert hätte, um
    den Nationalen Übergangsrat mit Rat und Tat bei der „Organisation
    der Inneren Struktur, dem Ressourcenmanagement und der Verbesserung
    der Kommunikation“ zu unterstützen. Am 30. Juni sei dem
    Generalsekretär von französischer Seite mitgeteilt worden, dass über
    Libyen mehrfach „Waffen zur Selbstverteidigung für die zivile
    Bevölkerung“ abgeworfen worden seien. Auf Bitte der
    Expertenkommission habe Frankreich später genauere Angaben über die
    Zahl und Art der Waffen gemacht (welche die Expertenkommission
    „vertraulich“ behandelt), der Aufforderung, ihre konkreten Baureihen
    und Seriennummern zu benennen, sei Frankreich jedoch nicht
    nachgekommen.<br>
    <br>
    Auch Italien hatte 10 Militärberater u.a. ins Hauptquartier des
    Nationalen Übergangsrates entsandt und diesem „persönliche
    Schutzausrüstungen“ zur Verfügung gestellt, wie es dem
    UN-Generalsekretär ebenfalls am 26.4.2011 berichtet worden sei. Auf
    Rückfrage der Expertenkommission habe Italien die „persönlichen
    Schutzausrüstungen“ als 10.000 Uniformen, 5.400 Helme und 2.800
    Stiefel spezifiziert.<br>
    <br>
    Auch das Vereinigte Königreich habe am 26.4.2011 über seine Absicht
    berichtet, Militärberater und „Schutzausrüstung“ nach Libyen zu
    entsenden. Auf Nachfrage der Expertenkommission handelte es sich bei
    der Schutzausrüstung um 6.000 schusssichere Westen und um „nicht
    mehr als 20“ Militärberater. Die USA hätten den Generalsekretär erst
    am 16.6. über die Lieferung „nicht-letaler“ militärischer Ausrüstung
    informiert, wobei es sich um 8.000 Uniformen, 8.000 Stiefel, 5.825
    Kampfanzüge, 2.850 schusssichere Westen, 1.975 Helme und nicht näher
    spezifizierte mobile Barrieren gehandelt haben soll.<br>
    <br>
    Die Vereinigten Arabischen Emirate hätten dem Generalsekretär zwar
    ihre Beteiligung an den militärischen Maßnahmen „zum Schutz der
    Zivilbevölkerung“ und zur Durchsetzung der Flugverbotszone
    angezeigt, aber lediglich die Lieferung humanitären Materials
    angekündigt. Auf die Frage der Expertenkommission, wie viele
    Soldaten die VAE nach Libyen entsandt und welche „Art von Waffen,
    Munition und anderer militärischer Ausrüstung“ sie geliefert hätten,
    hätten die VAE jedoch auf die NATO verwiesen, welche diese
    Lieferungen koordiniert hätte, über entsprechende Listen verfüge und
    gebeten hätte, diesbezügliche Anfragen an die NATO weiterzuleiten!
    Darüber hinaus hätte die Expertenkommission bislang weder von den
    VAE, noch von der NATO Informationen erhalten, obwohl entsprechende
    Fragen eingegangen seien. Die Kommission betont in ihrem Bericht,
    dass sie Informationen habe, wonach die VAE militärische Ausrüstung
    geliefert haben könnte, diese aber noch vertraulich behandeln müsse,
    da die Untersuchungen anhielten.<br>
    <br>
    Die zentrale Rolle bei der Bewaffnung der Aufständischen scheint
    jedoch Katar gespielt zu haben. Bei Untersuchungen in Bengasi sei
    die Kommission auf deutliche Hinweise gestoßen, dass „zwischen dem
    Beginn des Aufstandes(!) und dem Tag des Interviews [im Juli 2011]
    etwa 20 Flüge militärisches Material, einschließlich französischer
    Panzerabwehrwaffen vom Typ MILAN, von Katar an die Revolutionäre in
    Libyen geliefert hätten.“ U.a. die Lieferung von 2009 an Katar
    verkaufter Munition des Schweizer Herstellers RUAG Ammotec seien
    mittlerweile von Vertretern Katars bestätigt worden. Medienberichte
    und vor Ort gesammelte Informationen hätten auch auf die Präsenz
    militärischen Personals aus Katar hingewiesen. Zunächst habe sich
    Katar geweigert, hierzu weitere Informationen bereitzustellen und
    habe lediglich betont, dass seine Unterstützung im Einklang mit der
    UN-Resolution 1973 und unter der Koordination der NATO erfolgt sei.
    Erst nachdem die Regierung mit den bislang gesammelten Beweisen
    konfrontiert worden sei, habe sie eingeräumt, dass „Katar eine
    begrenzte Zahl militärischen Personals nach Libyen entsandt hätte,
    um die Revolutionäre mit militärischer Beratung zu unterstützen,
    libysche Zivilisten zu verteidigen und Hilfskonvois zu schützen und
    dass dieses militärische Personal mit begrenzter Ausrüstung und
    Munition zur Selbstverteidigung ausgestattet worden sei“. Den
    Vorwurf, die libyschen „Revolutionäre“ mit Waffen und Munition
    beliefert zu haben, habe Katar jedoch weiterhin zurückgewiesen.<br>
    <br>
    Der Bericht weist noch auf weitere Verstöße von Staaten hin, die
    keine entsprechenden Notifikationen an den UN-Generalsekretär
    gerichtet hätten, nennt hierfür jedoch nur zwei Beispiele, da die
    Untersuchungen hierzu noch nicht abgeschlossen seien. Demnach hätten
    mehrere Flüge zwischen Tirana (Albanien) und Bengasi am 10., 11. und
    12. September 2011 militärisches Material transportiert. Außerdem
    habe der Verteidigungsminister des Nationalen Übergangsrates im Juli
    2011 angegeben, dass der Sudan militärisches Material,
    einschließlich Kleinwaffen und Raketenwerfer, an die Aufständischen
    liefere, was auch der sudanesische Präsident bestätigt habe. Obwohl
    die Kommission keine genaueren Informationen hierzu erhalten konnte,
    geht sie davon aus, dass es sich um mindestens zwei Flugzeugladungen
    gehandelt habe.<br>
    <br>
    An dieser Stelle soll nun doch ein Kommentar erlaubt sein, der daran
    erinnert, dass der Großteil der Waffenlieferungen per Flugzeug aus
    Katar, Albanien und den Sudan während der Durchsetzung einer
    Flugverbotszone durch die NATO und damit mit großer Sicherheit auch
    mit deren Einverständnis stattfand, die zugleich – jedenfalls nach
    Aussage Thabo Mbekis – die Landung einer Vermittlergruppe der
    Afrikanischen Union verhinderte. Auf die angedeutete
    Koordinationsrolle der NATO bei der Bewaffnung der Aufständischen
    (man beachte das übereinstimmende Datum der britischen,
    französischen und italienischen Notifikation, die rückwirkend diese
    Lieferungen bekannt machten, ohne ein Datum zu nennen) wird in Bezug
    auf die Flugverbotszone nicht weiter eingegangen, jedoch die
    dominierende Rolle der NATO bei Lieferungen von See:<br>
    <br>
    Seeseitig hätten die Marine-Streitkräfte der NATO alle Boote, die in
    Libyen anlegen wollten, „inspiziert“, um die Lieferung von Waffen
    für das Gaddafi-Regime zu unterbinden. Unter einer Inspektion ist
    hierbei nicht die Durchsuchung zu verstehen, die lediglich in 300
    Fällen stattfand, sondern die Identifikation und das „Profiling“ der
    Schiffe. Insgesamt habe die NATO mit 3.100 Schiffen diesbezüglich
    Kontakt aufgenommen, elf sei der Zugang zu libyschen Häfen verwehrt
    worden. Über den konkreten Umgang mit den Booten hätten die
    NATO-Marine-Kommandeure von Fall zu Fall ohne Rücksprache mit
    Dritten entschieden, „wodurch sie bestimmen konnten, welcher Art von
    Gütern der Zugang zu Libyen erlaubt wurde“. Verstöße gegen das
    Waffenembargo habe die NATO jedoch keinen einzigen gemeldet.<br>
    <br>
    Proliferation und Destabilisierung der Nachbarstaaten<br>
    <br>
    Was den Transfer militärischer Ausrüstung aus Libyen heraus angeht,
    weist der Bericht darauf hin, dass er viele ihm zugegangene
    Informationen nicht öffentlich machen wolle, die beschriebenen Fälle
    jedoch ein adäquates Bild der beteiligten Akteure liefern würden:
    Diese bestünden v.a. aus ins Ausland geflohenen Mitarbeitern des
    alten Regimes, zurückkehrenden Soldaten, die aus Drittstaaten
    stammten, und kriminellen Waffenhändlern. Die Verfügbarkeit von
    Waffen werde sich u.a. deshalb nicht auf Libyen beschränken, da die
    Region von durchlässigen Grenzen und weiten entlegenen Gebieten
    geprägt sei, die mit begrenzten Mitteln kontrolliert werden müssten
    und bereits vor der Krise kriminelle Schmuggel-Netzwerke
    existierten. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis interessant,
    dass offensichtlich selbst die UN-Expertenkommission mit
    Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, in den Norden Malis und des Nigers
    zu reisen, um u.a. den mutmaßlichen Einsatz von Söldnern im
    Libyenkonflikt zu untersuchen. Ein Großteil der hierzu vorliegenden
    Informationen stamme von diesen Regierungen selbst und könnte damit
    noch nicht als Anzeichen dafür aufgefasst werden, welchen Umfang und
    welche Ausmaße die Proliferation von Waffen aus Libyen tatsächlich
    habe. Aufgrund der genannten Umstände sei es wahrscheinlich, dass
    „viele weitere Konvois Waffen aus Libyen unentdeckt in andere Länder
    gebracht haben“.<br>
    <br>
    Beispielhaft wird von einem Konvoi berichtet, der sich am 12. Juli
    80km nordöstlich von Arlit Gefechte mit der nigrischen Armee
    geliefert hätte: „Der Einsatz forderte mehrere Tote und resultierte
    in der Beschlagnahmung eines Fahrzeugs, das 40 Kisten mit je 16kg
    Semtex [Plastiksprengstoff] – insgesamt 640 kg –, 335 Zünder und
    90.000 US$ enthielt.“ Zwei weitere Fahrzeuge seien den Gefechten
    entkommen. Drei Tage später jedoch habe sich ein nigrischer
    Staatsbürger gestellt, der bereits zuvor des Drogen- und
    Autoschmuggels verdächtigt worden sei, mit einem dieser beiden
    Fahrzeuge, wobei weiterer Sprengstoff und Zünder beschlagnahmt
    worden seien, die angeblich für Al Kaida im islamischen Maghreb
    (AQIM) in Mali bestimmt gewesen wären.<br>
    <br>
    Zu einem weiteren Gefecht sei es am 6. November 2011 gekommen, an
    dem zehn Fahrzeuge aus Libyen und nigrische Sicherheitskräfte
    beteiligt gewesen seien. Auch hier sei es zu einer nicht näher
    genannten Zahl von Toten, dreizehn Verhaftungen und der
    Beschlagnahmung von sechs der zehn Fahrzeuge mitsamt 33 leichten und
    6 schweren Feuerwaffen gekommen. Die restlichen vier Fahrzeuge seien
    vermutlich mit weiteren Personen, Waffen und Munition nach Mali
    weitergefahren. Bei den Verhören mit den Gefangenen hätten sich
    Hinweise auf einen ähnlichen Konvoi ergeben, der bereits zuvor Mali
    erreicht hätte. Die Schätzungen über die Zahl der Kämpfer, die
    insgesamt aus Libyen nach Mali zurückgekehrt seien, variierten nach
    Angaben der Kommission „zwischen mehreren hundert und viertausend“.
    Die Behörden des Niger sähen die Rückkehr von Kämpfern nicht als
    „primäre Sorge“ oder „unmittelbare Bedrohung“ und konnten ebenfalls
    keine präzisen Zahlen hierzu vorlegen. Große Unklarheit herrsche
    auch über den Umfang der Waffen, die Kämpfer aus Darfur nach
    „glaubwürdigen Berichten“ zwischen dem 15. und dem 25. September aus
    Libyen in den Sudan gebracht hätten.<br>
    <br>
    Zwischen dem 4. und dem 11. September seien zudem mehrere, teilweise
    hochrangige Angehörige des Gaddafi-Regimes in den Niger geflohen.
    Der Bericht nennt drei solcher Vorfälle, bei denen jeweils kleinere
    Mengen von Handfeuerwaffen und drei Raketenwerfer durch die
    nigrischen Behörden beschlagnahmt worden seien. Die Kommission habe
    bei ihrem Besuch in Niger weder Zugang zu diesen Waffen erhalten,
    noch seien ihnen Bilder vorgelegt worden.<br>
    <br>
    Neben den großen Konvois hätten v.a. Ägypten und Tunesien von einen
    zunehmenden „Ameisen-Handel“ berichtet, also den langanhaltenden
    Schmuggel kleinerer Mengen an Waffen und Munition, die oft für die
    gleichen Zwischenhändler oder Endverbraucher gedacht sind. Die
    ägyptischen Behörden hätten bis Ende Januar den Schmuggel von 567
    Waffen und Munition im Umfang von einer Millionen Schuss auf diesem
    Wege verhindert. Das tunesische Verteidigungsministerium habe
    hingegen die Beschlagnahmung von 50 Kleinwaffen und 14kg
    Plastiksprengstoff gemeldet und habe auf laufende Ermittlungen
    verwiesen, deren Ergebnis es nach Abschluss der Kommission mitteilen
    würde.<br>
    <br>
    Die Einschätzungen der Nachbarstaaten hinsichtlich der Folgen des
    Libyen-Krieges seien „gemischt“. Beispielhaft wird hierzu die
    Einschätzung der sudanesischen Regierung vorgetragen, wonach zwar
    einige Oppositionsgruppen in Darfur über deutlich mehr Waffen
    verfügen würden, mit Gaddafi jedoch langfristig einer ihrer
    (potentiellen) Unterstützer weggefallen wäre, was mittelfristig die
    Aussichten auf eine Verhandlungslösung verbessere. V.a. Mali und
    Niger, aber auch Mauretanien und Tschad wären durch eine große Zahl
    von Rückkehrern, den Verlust von Rücküberweisungen der Gastarbeiter,
    die größere Verfügbarkeit von Waffen und einem Rückgang
    internationaler Hilfe im Zuge der gestiegenen Unsicherheit massiv
    betroffen. „Während der genaue Einfluss der Libyen-Krise auf die
    Nachbarstaaten schwer zu bestimmen ist, deuten die Untersuchungen
    der Expertenkommission darauf hin, dass die bewaffnete Unsicherheit
    in Nachbarstaaten wie dem nördlichen Mali und dem nördlichen Niger
    in jüngster Zeit mit einer Zunahme an Waffenhandel, bewaffneten
    Überfällen, terroristischen Aktivitäten und der Reaktivierung von
    Aufstandsbewegungen zugenommen haben.“<br>
    <br>
    Bürgerkriegsgefahr in Libyen<br>
    <br>
    Auch die Aussichten für Libyen selbst bewertet der Bericht kritisch.
    Außerhalb des Nationalen Übergangsrates hätten sich mittlerweile
    zwei größere Koalitionen herausgebildet, die „Barqa Front“ im Osten
    sowie eine Föderation von Milizen im Westen. Mit Verweis auf die
    Gefechte konkurrierender Milizen am 3. Januar in Tripolis, am 14.
    Januar bei Gharyan (ca. 80 km südlich von Tripolis) und in Bani
    Walid am 24. Januar zitiert der Bericht die Warnung des Vorsitzenden
    des Nationalen Übergangsrates, wonach diese Ereignisse die Gefahr
    eines Bürgerkrieges bergen würden. Obgleich die Kommission ihrer
    Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage durch die für Juni 2012
    geplanten Wahlen Ausdruck verleiht, verweist sie darauf, dass die
    Macht und Autonomie der Milizen in den vergangenen Monaten gewachsen
    und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der
    Proliferation gesunken sei. Wie bereits während des Bürgerkrieges
    selbst führe die Kontrolle über die Waffendepots zu Spannungen
    zwischen den Milizen, da deren „militärische Fähigkeiten,
    einschließlich der Größe ihrer Waffenbestände, ihren politischen
    Einfluss erhöhen und es unwahrscheinlich ist, dass sie angesichts
    der unklaren Zukunft des Landes bereit sind, die Kontrolle über ihre
    Bestände aufzugeben“.<br>
    <br>
    Anmerkung <br>
    (1) Final report of the Panel of Experts in accordance with
    paragraph 24 (d) of resolution 1973 (2011) (S/2012/163),
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2012/163">http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2012/163</a><br>
    <br>
    <br>
    <u>2) Neue Texte auf der IMI-Homepage</u><br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2012/026 - in: junge Welt, 27.04.2012<br>
    Für friedliche Forschung<br>
    An immer mehr Universitäten gründen sich Initiativen gegen
    Militärprojekte. Bundesweit gut vernetzte Bewegung macht mit
    Aktionen Anfang Mai für eine Zivilklausel mobil<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/27/fur-friedliche-forschung/">http://www.imi-online.de/2012/04/27/fur-friedliche-forschung/</a> <br>
    27. April 2012, Michael Schulze von Glaßer<br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2012/025<br>
    Auslandseinsätze der Bundeswehr – Parlamentsvorbehalt von
    SPD-Vorsitzendem in Frage gestellt<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/25/spd-parlamentsvorbehalt/">http://www.imi-online.de/2012/04/25/spd-parlamentsvorbehalt/</a> <br>
    25. April 2012, René Jokisch<br>
    <br>
    Dokumentation: Radio Z (Nürnberg)<br>
    Die Bundeswehr zieht in Somalia in den Krieg<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/24/die-bundeswehr-zieht-in-somalia-in-den-krieg/">http://www.imi-online.de/2012/04/24/die-bundeswehr-zieht-in-somalia-in-den-krieg/</a>
    <br>
    24. April 2012, Christoph Marischka<br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2012/024, gekürzt in: ak (analyse&kritik) 571<br>
    Die Militarisierung der Sahara<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/24/die-militarisierung-der-sahara/">http://www.imi-online.de/2012/04/24/die-militarisierung-der-sahara/</a>
    <br>
    24. April 2012, Christoph Marischka<br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2012/023 (update 18.4.2012)<br>
    SIPRI-Rüstungsbericht<br>
    Trotz Krise Stagnation auf hohem Niveau<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/17/sipri-rustungsbericht/">http://www.imi-online.de/2012/04/17/sipri-rustungsbericht/</a> <br>
    17. April 2012, Jürgen Wagner<br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2012/022 – erschienen in FIfF-Kommunikation 1/2012<br>
    Interaktiver Rüstungsatlas<br>
    Eine Projektinitiative der IMI<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/17/interaktiver-rustungsatlas/">http://www.imi-online.de/2012/04/17/interaktiver-rustungsatlas/</a> <br>
    17. April 2012, Andreas Seifert<br>
    <br>
    IMI-Standpunkt 2012/021<br>
    Bürgerkriegspatenschaft?<br>
    Adopt a Revolution muss zur Gewaltfrage Farbe bekennen<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/05/burgerkriegspatenschaft/">http://www.imi-online.de/2012/04/05/burgerkriegspatenschaft/</a> <br>
    5. April 2012, Jürgen Wagner und Christoph Marischka<br>
    <br>
    <br>
  </body>
</html>