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---------------------------------------------------------- <br>
Online-Zeitschrift "IMI-List" <br>
Nummer 0372 .......... 16. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563 <br>
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. <br>
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner <br>
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<br>
<br>
Liebe Freundinnen und Freunde, <br>
<br>
in dieser IMI-List findet sich<br>
<br>
1) Ein Artikel zum UN-Bericht zu Ablauf und Folgen des
Libyen-Krieges<br>
<br>
2) Ein Überblick über die neuen Texte auf der IMI-Homepage<br>
<br>
<br>
1) Ein Artikel zum UN-Bericht zu Ablauf und Folgen des
Libyen-Krieges<br>
<br>
IMI-Standpunkt 2012/027<br>
Proliferation, Destabilisierung und der Schutz der Zivilbevölkerung<br>
UN-Bericht zu Ablauf und Folgen des Libyen-Krieges<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/05/02/un-bericht_libyen/">http://www.imi-online.de/2012/05/02/un-bericht_libyen/</a> <br>
2. Mai 2012, Christoph Marischka <br>
<br>
Während die ganze Welt nach Syrien schaut und die Bewaffnung der
dortigen Opposition in vollem Gange ist, legte die UN dem
Sicherheitsrat bereits am 17. Februar 2012 einen Bericht zu Ablauf
und Folgen des Libyen-Krieges vor (1). Obwohl der Bericht einer
Expertenkommission in der Resolution 1973 ausdrücklich vorgesehen
war, stößt er auf sehr geringes Interesse, gerade auch bei denen,
die sich bereits hinsichtlich Libyens und nun auch bezüglich Syriens
für die „Wahrnehmung der Schutzverantwortung“ durch die
„internationale Gemeinschaft“ ausgesprochen haben. Der Bericht
belegt von höchster Stelle, dass frühzeitig Waffen an die
Aufständischen in Libyen geliefert und dass diese durch
„Militärberater“ unterstützt wurden, wobei die NATO offenbar
flankierend zu ihren Luftangriffen eine dubiose Koordinationsrolle
hierbei übernommen hat. Er gibt auch eine Ahnung davon, wie sehr der
Libyen-Krieg und die Bewaffnung der Aufständischen die gesamte
Region von Mauretanien bis zum Sudan zu destabilisieren droht. Dabei
geht er auf die unmittelbarsten Folgen - die Sezessionsbewegung im
Norden Malis, den daraus resultierenden Putsch und die nun
möglicherweise bevorstehenden Militärmissionen der ECOWAS in Mali
und der EU im benachbarten Niger - noch nicht einmal ein. Im
Folgenden soll der erste Teil dieses Berichts, der sich mit der
Lieferung und Verbreitung von Waffen beschäftigt, (bis auf eine
Ausnahme) unkommentiert zusammengefasst werden.<br>
<br>
Bereits in der Einleitung kommt der Bericht zu einem alarmierenden
Fazit: „Der Konflikt in Libyen offenbarte den Verlust nationaler
Kontrolle über militärische Ausrüstung und eine vollständige
Umverteilung der Verfügbarkeit von Waffen im Land. Die Verteilung
von Waffen an Zivilisten und die Aneignung der Bestände aus den
Depots durch Individuen und Milizen führten, verbunden mit
zusätzlicher militärischer Ausrüstung, die von außerhalb nach Libyen
gebracht wurde, zur unkontrollierten Zirkulation sehr großer Mengen
von Waffen und Munition während des Konfliktes. Vier Monate später
verfügen Individuen und Milizen über einen Großteil der Waffen. Das
Fehlen einer einheitlichen Kommandostruktur und regulärer und
funktionsfähiger Sicherheitssysteme bleibt die primäre
Herausforderung bei der Sicherung militärischer Ausrüstung und der
Verhinderung ihrer unkontrollierten Zirkulation.“<br>
<br>
Die Waffen und Söldner des Regimes<br>
<br>
Bereits die vor Beginn des Konflikts vorhandenen „Waffenbestände“ in
Libyen hätten sich nicht nur durch ihren Umfang, sondern auch
hinsichtlich ihrer Vielfalt als „sehr groß“ erwiesen, sie reichten
von Kleinwaffen bis zu schweren Waffen und entsprechender Munition.
Ein großer Teil stamme von Einkäufen in den 70er und 80er Jahren in
der UDSSR, sei aber ab 2003 durch massive Einkäufe aus
westeuropäischen Staaten und ehemaligen Teilen der Sowjetunion
ergänzt worden. „Zusätzliches Material wurde während des Konfliktes
aus dem Ausland geliefert, wobei offensichtlich keine angemessenen
Maßnahmen zur Nachverfolgung ihrer Verteilung im Feld getroffen
wurden.“<br>
<br>
Große Teile des Berichts handeln davon, wie diese Waffen ins Land
gelangten. Zwar gäbe es Hinweise auf Versuche des Gaddafi-Regimes,
nach Beginn des Konfliktes Waffen und Söldner zu beschaffen. Bislang
könne jedoch – und das wird mehrfach betont – noch nicht
festgestellt werden, ob eine Verletzung des Waffenembargos von
dieser Seite stattgefunden habe.<br>
<br>
U.a. gäbe es Hinweise, dass Sicherheitsbeamte des Gaddafi-Regimes
den Kontakt zu Waffenherstellern und -händlern gesucht und im Juli
2011 China besucht hätten. Die chinesische Regierung hätte daraufhin
„Kontakte“ eingeräumt, zugleich aber unterstrichen, dass weder
Verträge dabei zu Stande gekommen, noch irgendwelche Waffen
geliefert worden seien. Nähere Informationen hierzu hätten die
chinesischen Behörden der Expertenkommission jedoch nicht zugänglich
gemacht. Außerdem verweist die Kommission auf eine Lieferung von
1.500 Zelten und 12.000 Uniformen einer pakistanischen Textilfirma,
die mutmaßlich für das Gaddafi-Regime bestimmt gewesen, von
maltesischen Behörden jedoch zurückgehalten worden seien.<br>
<br>
Erstaunlich vage bleibt der Bericht auch hinsichtlich des Einsatzes
von Söldnern auf Seiten des Gaddafi-Regimes – v.a. angesichts der
Tatsache, dass dieser als Grund für die Maßnahmen nach Kapitel VII
in den entsprechenden Resolutionen ausdrücklich genannt wird. Er
verweist diesbezüglich lediglich darauf, dass als Söldner nur gelte,
wer nicht bereits vor Beginn des Konfliktes im Territorium einer
Konfliktpartei gelebt habe oder deren Staatsbürger gewesen sei und
dies im libyschen Kontext aufgrund eines wenig ausgeprägten
Meldewesens und umfassender Einbürgerungsprogramme schwer im
Einzelfall feststellbar sei. Hinsichtlich des Einsatzes von Söldnern
stehe insbesondere der Tschad im Verdacht, dessen Regierung sich
aber bislang wenig kooperationsbereit gezeigt habe. Berichten
zufolge sollen auch südafrikanische Sicherheitsfirmen an Versuchen
beteiligt gewesen sein, Gaddafi und Angehörige seiner Familie außer
Landes zu bringen. Einzig ein in Kanada lebender Australier habe
bislang bestätigt, Saadi Gadaffi bei der Flucht geholfen zu haben.
Einsätze wie die Operation Pegasus der Bundeswehr, mit der Deutsche
und Drittstaatenangehörige bewaffnet aus Libyen evakuiert wurden,
finden hingegen gar keine Erwähnung.<br>
<br>
Waffenlieferungen und „Militärberater“ für die Aufständischen<br>
<br>
Die Bereitstellung militärischer Ausrüstung für die Aufständischen
wird im Expertenbericht in drei Kategorien eingeteilt: Lieferungen,
die in Einklang mit der Resolution 1973 stehen und ordnungsgemäß
deklariert wurden, mangelhafte Deklarationen über entsprechende
Lieferungen und Lieferungen, die überhaupt nicht deklariert wurden
und damit klar der Resolution 1973 widersprechen.<br>
<br>
Eindeutig heißt es im Bericht, dass „die ausländische militärische
Unterstützung, einschließlich der Lieferungen militärischer
Ausrüstung, entscheidend“ für den Ausgang des Konfliktes gewesen
seien. Bemerkenswert ist, dass die Lieferungen von Waffen nach der
Resolution 1973 (Ziffer 4 „Schutz der Zivilbevölkerung“) durchaus
zulässig waren. Darin werden die „Mitgliedstaaten, die eine
Notifizierung an den Generalsekretär gerichtet haben“ ermächtigt,
„alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, ungeachtet der Ziffer 9
der Resolution 1970 (2011), um von Angriffen bedrohte Zivilpersonen
und von der Zivilbevölkerung bewohnte Gebiete in der Libysch-
Arabischen Dschamahirija, einschließlich Bengasis, zu schützen“. Die
explizit erwähnte Ziffer 9 war jedoch die Grundlage des
Waffenembargos gegen Libyen, das somit unter dem Vorwand der
Schutzverantwortung für Lieferungen an die Aufständischen aufgehoben
wurde – wohlgemerkt unter der Bedingung, dass der Generalsekretär
zuvor unterrichtet wird. Der Bericht stellt jedoch auch fest, dass
das bloße Vorliegen einer entsprechenden Notifikation nicht
zwangsläufig bedeute, dass keine Verletzung des Waffenembargos
vorliege. Insgesamt 14 Staaten hätten dem Generalsekretär ihre
Absicht angezeigt, militärisch zum Schutz der Zivilbevölkerung
(Ziffer 4) oder zur Durchsetzung des Flugverbots (Ziffer 8 ) aktiv
zu werden, wovon vier (Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich
und USA) die Absicht geäußert hätten, den Aufständischen
militärische Ausrüstung oder militärisches Personal zur Verfügung zu
stellen.<br>
<br>
So habe Frankreich den Generalsekretär am 26. April 2011 informiert,
dass es ein Team von Militärberatern in Libyen stationiert hätte, um
den Nationalen Übergangsrat mit Rat und Tat bei der „Organisation
der Inneren Struktur, dem Ressourcenmanagement und der Verbesserung
der Kommunikation“ zu unterstützen. Am 30. Juni sei dem
Generalsekretär von französischer Seite mitgeteilt worden, dass über
Libyen mehrfach „Waffen zur Selbstverteidigung für die zivile
Bevölkerung“ abgeworfen worden seien. Auf Bitte der
Expertenkommission habe Frankreich später genauere Angaben über die
Zahl und Art der Waffen gemacht (welche die Expertenkommission
„vertraulich“ behandelt), der Aufforderung, ihre konkreten Baureihen
und Seriennummern zu benennen, sei Frankreich jedoch nicht
nachgekommen.<br>
<br>
Auch Italien hatte 10 Militärberater u.a. ins Hauptquartier des
Nationalen Übergangsrates entsandt und diesem „persönliche
Schutzausrüstungen“ zur Verfügung gestellt, wie es dem
UN-Generalsekretär ebenfalls am 26.4.2011 berichtet worden sei. Auf
Rückfrage der Expertenkommission habe Italien die „persönlichen
Schutzausrüstungen“ als 10.000 Uniformen, 5.400 Helme und 2.800
Stiefel spezifiziert.<br>
<br>
Auch das Vereinigte Königreich habe am 26.4.2011 über seine Absicht
berichtet, Militärberater und „Schutzausrüstung“ nach Libyen zu
entsenden. Auf Nachfrage der Expertenkommission handelte es sich bei
der Schutzausrüstung um 6.000 schusssichere Westen und um „nicht
mehr als 20“ Militärberater. Die USA hätten den Generalsekretär erst
am 16.6. über die Lieferung „nicht-letaler“ militärischer Ausrüstung
informiert, wobei es sich um 8.000 Uniformen, 8.000 Stiefel, 5.825
Kampfanzüge, 2.850 schusssichere Westen, 1.975 Helme und nicht näher
spezifizierte mobile Barrieren gehandelt haben soll.<br>
<br>
Die Vereinigten Arabischen Emirate hätten dem Generalsekretär zwar
ihre Beteiligung an den militärischen Maßnahmen „zum Schutz der
Zivilbevölkerung“ und zur Durchsetzung der Flugverbotszone
angezeigt, aber lediglich die Lieferung humanitären Materials
angekündigt. Auf die Frage der Expertenkommission, wie viele
Soldaten die VAE nach Libyen entsandt und welche „Art von Waffen,
Munition und anderer militärischer Ausrüstung“ sie geliefert hätten,
hätten die VAE jedoch auf die NATO verwiesen, welche diese
Lieferungen koordiniert hätte, über entsprechende Listen verfüge und
gebeten hätte, diesbezügliche Anfragen an die NATO weiterzuleiten!
Darüber hinaus hätte die Expertenkommission bislang weder von den
VAE, noch von der NATO Informationen erhalten, obwohl entsprechende
Fragen eingegangen seien. Die Kommission betont in ihrem Bericht,
dass sie Informationen habe, wonach die VAE militärische Ausrüstung
geliefert haben könnte, diese aber noch vertraulich behandeln müsse,
da die Untersuchungen anhielten.<br>
<br>
Die zentrale Rolle bei der Bewaffnung der Aufständischen scheint
jedoch Katar gespielt zu haben. Bei Untersuchungen in Bengasi sei
die Kommission auf deutliche Hinweise gestoßen, dass „zwischen dem
Beginn des Aufstandes(!) und dem Tag des Interviews [im Juli 2011]
etwa 20 Flüge militärisches Material, einschließlich französischer
Panzerabwehrwaffen vom Typ MILAN, von Katar an die Revolutionäre in
Libyen geliefert hätten.“ U.a. die Lieferung von 2009 an Katar
verkaufter Munition des Schweizer Herstellers RUAG Ammotec seien
mittlerweile von Vertretern Katars bestätigt worden. Medienberichte
und vor Ort gesammelte Informationen hätten auch auf die Präsenz
militärischen Personals aus Katar hingewiesen. Zunächst habe sich
Katar geweigert, hierzu weitere Informationen bereitzustellen und
habe lediglich betont, dass seine Unterstützung im Einklang mit der
UN-Resolution 1973 und unter der Koordination der NATO erfolgt sei.
Erst nachdem die Regierung mit den bislang gesammelten Beweisen
konfrontiert worden sei, habe sie eingeräumt, dass „Katar eine
begrenzte Zahl militärischen Personals nach Libyen entsandt hätte,
um die Revolutionäre mit militärischer Beratung zu unterstützen,
libysche Zivilisten zu verteidigen und Hilfskonvois zu schützen und
dass dieses militärische Personal mit begrenzter Ausrüstung und
Munition zur Selbstverteidigung ausgestattet worden sei“. Den
Vorwurf, die libyschen „Revolutionäre“ mit Waffen und Munition
beliefert zu haben, habe Katar jedoch weiterhin zurückgewiesen.<br>
<br>
Der Bericht weist noch auf weitere Verstöße von Staaten hin, die
keine entsprechenden Notifikationen an den UN-Generalsekretär
gerichtet hätten, nennt hierfür jedoch nur zwei Beispiele, da die
Untersuchungen hierzu noch nicht abgeschlossen seien. Demnach hätten
mehrere Flüge zwischen Tirana (Albanien) und Bengasi am 10., 11. und
12. September 2011 militärisches Material transportiert. Außerdem
habe der Verteidigungsminister des Nationalen Übergangsrates im Juli
2011 angegeben, dass der Sudan militärisches Material,
einschließlich Kleinwaffen und Raketenwerfer, an die Aufständischen
liefere, was auch der sudanesische Präsident bestätigt habe. Obwohl
die Kommission keine genaueren Informationen hierzu erhalten konnte,
geht sie davon aus, dass es sich um mindestens zwei Flugzeugladungen
gehandelt habe.<br>
<br>
An dieser Stelle soll nun doch ein Kommentar erlaubt sein, der daran
erinnert, dass der Großteil der Waffenlieferungen per Flugzeug aus
Katar, Albanien und den Sudan während der Durchsetzung einer
Flugverbotszone durch die NATO und damit mit großer Sicherheit auch
mit deren Einverständnis stattfand, die zugleich – jedenfalls nach
Aussage Thabo Mbekis – die Landung einer Vermittlergruppe der
Afrikanischen Union verhinderte. Auf die angedeutete
Koordinationsrolle der NATO bei der Bewaffnung der Aufständischen
(man beachte das übereinstimmende Datum der britischen,
französischen und italienischen Notifikation, die rückwirkend diese
Lieferungen bekannt machten, ohne ein Datum zu nennen) wird in Bezug
auf die Flugverbotszone nicht weiter eingegangen, jedoch die
dominierende Rolle der NATO bei Lieferungen von See:<br>
<br>
Seeseitig hätten die Marine-Streitkräfte der NATO alle Boote, die in
Libyen anlegen wollten, „inspiziert“, um die Lieferung von Waffen
für das Gaddafi-Regime zu unterbinden. Unter einer Inspektion ist
hierbei nicht die Durchsuchung zu verstehen, die lediglich in 300
Fällen stattfand, sondern die Identifikation und das „Profiling“ der
Schiffe. Insgesamt habe die NATO mit 3.100 Schiffen diesbezüglich
Kontakt aufgenommen, elf sei der Zugang zu libyschen Häfen verwehrt
worden. Über den konkreten Umgang mit den Booten hätten die
NATO-Marine-Kommandeure von Fall zu Fall ohne Rücksprache mit
Dritten entschieden, „wodurch sie bestimmen konnten, welcher Art von
Gütern der Zugang zu Libyen erlaubt wurde“. Verstöße gegen das
Waffenembargo habe die NATO jedoch keinen einzigen gemeldet.<br>
<br>
Proliferation und Destabilisierung der Nachbarstaaten<br>
<br>
Was den Transfer militärischer Ausrüstung aus Libyen heraus angeht,
weist der Bericht darauf hin, dass er viele ihm zugegangene
Informationen nicht öffentlich machen wolle, die beschriebenen Fälle
jedoch ein adäquates Bild der beteiligten Akteure liefern würden:
Diese bestünden v.a. aus ins Ausland geflohenen Mitarbeitern des
alten Regimes, zurückkehrenden Soldaten, die aus Drittstaaten
stammten, und kriminellen Waffenhändlern. Die Verfügbarkeit von
Waffen werde sich u.a. deshalb nicht auf Libyen beschränken, da die
Region von durchlässigen Grenzen und weiten entlegenen Gebieten
geprägt sei, die mit begrenzten Mitteln kontrolliert werden müssten
und bereits vor der Krise kriminelle Schmuggel-Netzwerke
existierten. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis interessant,
dass offensichtlich selbst die UN-Expertenkommission mit
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, in den Norden Malis und des Nigers
zu reisen, um u.a. den mutmaßlichen Einsatz von Söldnern im
Libyenkonflikt zu untersuchen. Ein Großteil der hierzu vorliegenden
Informationen stamme von diesen Regierungen selbst und könnte damit
noch nicht als Anzeichen dafür aufgefasst werden, welchen Umfang und
welche Ausmaße die Proliferation von Waffen aus Libyen tatsächlich
habe. Aufgrund der genannten Umstände sei es wahrscheinlich, dass
„viele weitere Konvois Waffen aus Libyen unentdeckt in andere Länder
gebracht haben“.<br>
<br>
Beispielhaft wird von einem Konvoi berichtet, der sich am 12. Juli
80km nordöstlich von Arlit Gefechte mit der nigrischen Armee
geliefert hätte: „Der Einsatz forderte mehrere Tote und resultierte
in der Beschlagnahmung eines Fahrzeugs, das 40 Kisten mit je 16kg
Semtex [Plastiksprengstoff] – insgesamt 640 kg –, 335 Zünder und
90.000 US$ enthielt.“ Zwei weitere Fahrzeuge seien den Gefechten
entkommen. Drei Tage später jedoch habe sich ein nigrischer
Staatsbürger gestellt, der bereits zuvor des Drogen- und
Autoschmuggels verdächtigt worden sei, mit einem dieser beiden
Fahrzeuge, wobei weiterer Sprengstoff und Zünder beschlagnahmt
worden seien, die angeblich für Al Kaida im islamischen Maghreb
(AQIM) in Mali bestimmt gewesen wären.<br>
<br>
Zu einem weiteren Gefecht sei es am 6. November 2011 gekommen, an
dem zehn Fahrzeuge aus Libyen und nigrische Sicherheitskräfte
beteiligt gewesen seien. Auch hier sei es zu einer nicht näher
genannten Zahl von Toten, dreizehn Verhaftungen und der
Beschlagnahmung von sechs der zehn Fahrzeuge mitsamt 33 leichten und
6 schweren Feuerwaffen gekommen. Die restlichen vier Fahrzeuge seien
vermutlich mit weiteren Personen, Waffen und Munition nach Mali
weitergefahren. Bei den Verhören mit den Gefangenen hätten sich
Hinweise auf einen ähnlichen Konvoi ergeben, der bereits zuvor Mali
erreicht hätte. Die Schätzungen über die Zahl der Kämpfer, die
insgesamt aus Libyen nach Mali zurückgekehrt seien, variierten nach
Angaben der Kommission „zwischen mehreren hundert und viertausend“.
Die Behörden des Niger sähen die Rückkehr von Kämpfern nicht als
„primäre Sorge“ oder „unmittelbare Bedrohung“ und konnten ebenfalls
keine präzisen Zahlen hierzu vorlegen. Große Unklarheit herrsche
auch über den Umfang der Waffen, die Kämpfer aus Darfur nach
„glaubwürdigen Berichten“ zwischen dem 15. und dem 25. September aus
Libyen in den Sudan gebracht hätten.<br>
<br>
Zwischen dem 4. und dem 11. September seien zudem mehrere, teilweise
hochrangige Angehörige des Gaddafi-Regimes in den Niger geflohen.
Der Bericht nennt drei solcher Vorfälle, bei denen jeweils kleinere
Mengen von Handfeuerwaffen und drei Raketenwerfer durch die
nigrischen Behörden beschlagnahmt worden seien. Die Kommission habe
bei ihrem Besuch in Niger weder Zugang zu diesen Waffen erhalten,
noch seien ihnen Bilder vorgelegt worden.<br>
<br>
Neben den großen Konvois hätten v.a. Ägypten und Tunesien von einen
zunehmenden „Ameisen-Handel“ berichtet, also den langanhaltenden
Schmuggel kleinerer Mengen an Waffen und Munition, die oft für die
gleichen Zwischenhändler oder Endverbraucher gedacht sind. Die
ägyptischen Behörden hätten bis Ende Januar den Schmuggel von 567
Waffen und Munition im Umfang von einer Millionen Schuss auf diesem
Wege verhindert. Das tunesische Verteidigungsministerium habe
hingegen die Beschlagnahmung von 50 Kleinwaffen und 14kg
Plastiksprengstoff gemeldet und habe auf laufende Ermittlungen
verwiesen, deren Ergebnis es nach Abschluss der Kommission mitteilen
würde.<br>
<br>
Die Einschätzungen der Nachbarstaaten hinsichtlich der Folgen des
Libyen-Krieges seien „gemischt“. Beispielhaft wird hierzu die
Einschätzung der sudanesischen Regierung vorgetragen, wonach zwar
einige Oppositionsgruppen in Darfur über deutlich mehr Waffen
verfügen würden, mit Gaddafi jedoch langfristig einer ihrer
(potentiellen) Unterstützer weggefallen wäre, was mittelfristig die
Aussichten auf eine Verhandlungslösung verbessere. V.a. Mali und
Niger, aber auch Mauretanien und Tschad wären durch eine große Zahl
von Rückkehrern, den Verlust von Rücküberweisungen der Gastarbeiter,
die größere Verfügbarkeit von Waffen und einem Rückgang
internationaler Hilfe im Zuge der gestiegenen Unsicherheit massiv
betroffen. „Während der genaue Einfluss der Libyen-Krise auf die
Nachbarstaaten schwer zu bestimmen ist, deuten die Untersuchungen
der Expertenkommission darauf hin, dass die bewaffnete Unsicherheit
in Nachbarstaaten wie dem nördlichen Mali und dem nördlichen Niger
in jüngster Zeit mit einer Zunahme an Waffenhandel, bewaffneten
Überfällen, terroristischen Aktivitäten und der Reaktivierung von
Aufstandsbewegungen zugenommen haben.“<br>
<br>
Bürgerkriegsgefahr in Libyen<br>
<br>
Auch die Aussichten für Libyen selbst bewertet der Bericht kritisch.
Außerhalb des Nationalen Übergangsrates hätten sich mittlerweile
zwei größere Koalitionen herausgebildet, die „Barqa Front“ im Osten
sowie eine Föderation von Milizen im Westen. Mit Verweis auf die
Gefechte konkurrierender Milizen am 3. Januar in Tripolis, am 14.
Januar bei Gharyan (ca. 80 km südlich von Tripolis) und in Bani
Walid am 24. Januar zitiert der Bericht die Warnung des Vorsitzenden
des Nationalen Übergangsrates, wonach diese Ereignisse die Gefahr
eines Bürgerkrieges bergen würden. Obgleich die Kommission ihrer
Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage durch die für Juni 2012
geplanten Wahlen Ausdruck verleiht, verweist sie darauf, dass die
Macht und Autonomie der Milizen in den vergangenen Monaten gewachsen
und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der
Proliferation gesunken sei. Wie bereits während des Bürgerkrieges
selbst führe die Kontrolle über die Waffendepots zu Spannungen
zwischen den Milizen, da deren „militärische Fähigkeiten,
einschließlich der Größe ihrer Waffenbestände, ihren politischen
Einfluss erhöhen und es unwahrscheinlich ist, dass sie angesichts
der unklaren Zukunft des Landes bereit sind, die Kontrolle über ihre
Bestände aufzugeben“.<br>
<br>
Anmerkung <br>
(1) Final report of the Panel of Experts in accordance with
paragraph 24 (d) of resolution 1973 (2011) (S/2012/163),
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2012/163">http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2012/163</a><br>
<br>
<br>
<u>2) Neue Texte auf der IMI-Homepage</u><br>
<br>
IMI-Standpunkt 2012/026 - in: junge Welt, 27.04.2012<br>
Für friedliche Forschung<br>
An immer mehr Universitäten gründen sich Initiativen gegen
Militärprojekte. Bundesweit gut vernetzte Bewegung macht mit
Aktionen Anfang Mai für eine Zivilklausel mobil<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/27/fur-friedliche-forschung/">http://www.imi-online.de/2012/04/27/fur-friedliche-forschung/</a> <br>
27. April 2012, Michael Schulze von Glaßer<br>
<br>
IMI-Standpunkt 2012/025<br>
Auslandseinsätze der Bundeswehr – Parlamentsvorbehalt von
SPD-Vorsitzendem in Frage gestellt<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/25/spd-parlamentsvorbehalt/">http://www.imi-online.de/2012/04/25/spd-parlamentsvorbehalt/</a> <br>
25. April 2012, René Jokisch<br>
<br>
Dokumentation: Radio Z (Nürnberg)<br>
Die Bundeswehr zieht in Somalia in den Krieg<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/24/die-bundeswehr-zieht-in-somalia-in-den-krieg/">http://www.imi-online.de/2012/04/24/die-bundeswehr-zieht-in-somalia-in-den-krieg/</a>
<br>
24. April 2012, Christoph Marischka<br>
<br>
IMI-Standpunkt 2012/024, gekürzt in: ak (analyse&kritik) 571<br>
Die Militarisierung der Sahara<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/24/die-militarisierung-der-sahara/">http://www.imi-online.de/2012/04/24/die-militarisierung-der-sahara/</a>
<br>
24. April 2012, Christoph Marischka<br>
<br>
IMI-Standpunkt 2012/023 (update 18.4.2012)<br>
SIPRI-Rüstungsbericht<br>
Trotz Krise Stagnation auf hohem Niveau<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/17/sipri-rustungsbericht/">http://www.imi-online.de/2012/04/17/sipri-rustungsbericht/</a> <br>
17. April 2012, Jürgen Wagner<br>
<br>
IMI-Standpunkt 2012/022 – erschienen in FIfF-Kommunikation 1/2012<br>
Interaktiver Rüstungsatlas<br>
Eine Projektinitiative der IMI<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/17/interaktiver-rustungsatlas/">http://www.imi-online.de/2012/04/17/interaktiver-rustungsatlas/</a> <br>
17. April 2012, Andreas Seifert<br>
<br>
IMI-Standpunkt 2012/021<br>
Bürgerkriegspatenschaft?<br>
Adopt a Revolution muss zur Gewaltfrage Farbe bekennen<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2012/04/05/burgerkriegspatenschaft/">http://www.imi-online.de/2012/04/05/burgerkriegspatenschaft/</a> <br>
5. April 2012, Jürgen Wagner und Christoph Marischka<br>
<br>
<br>
</body>
</html>