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Online-Zeitschrift "IMI-List" <br>
Nummer 0340 .......... 15. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563 <br>
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. <br>
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner <br>
Abo (kostenlos)..
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<br>
Liebe Freundinnen und Freunde, <br>
<br>
<br>
in dieser IMI-List findet sich <br>
<br>
1) Eine IMI-Analyse zur Militarisierung der Länder rund um den Golf
von Aden<br>
<br>
Nachdem Entwicklungsminister Niebel vergangene Woche die
autokratische Regierung des Jemen besucht hatte, die mit deutschem
Geld Piraten am Horn von Afrika jagt und anschließend vor Gericht
stellt, wo ihnen die Todesstrafe droht, reiste er weiter nach
Äthiopien, einer der schlimmsten Militärdiktaturen weltweit und
trotzdem einer der größten Empfänger deutscher Entwicklungshilfe.
Niebel hat bei dieser Gelegenheit den äthiopischen Premierminister
Meles Zenawi zur Teilnahme an der Münchener Sicherheitskonferenz
eingeladen, die Anfang Februar stattfinden wird. Dort will Zenawi
mit der NATO und anderen internationalen Vertretern für ein
entschlosseneres Vorgehen gegenüber Somalia werben. <br>
<br>
Schon jetzt erhält er umfassende Militärhilfen aus Deutschland und
anderen NATO-Staaten, um die somalische Übergangsregierung zu
unterstützen. Diese jedoch wird von der somalischen Bevölkerung mit
ähnlich überwiegender Mehrheit abgelehnt, wie die dauerhaften
Interventionen Äthiopiens in Somalia, die tatsächlich eine
destabilisierende Wirkung in der Region entfalten. Somalia erhebt
bis heute Gebietsansprüche gegenüber Äthiopien, die bereits 1977 zum
Ogadenkrieg geführt haben, wo bis heute eine große somalische
Minderheit wohnt, die von massiven Repressionen durch die
äthiopische Regierung betroffen ist. Es ist daher davon auszugehen,
dass auf der Münchener Sicherheitskonferenz weitere Hilfen für
Äthiopien und eine weitere Eskalation am Horn von Afrika
abgesprochen werden, die geeignet sind, die gesamte Region weiter zu
destabilisieren. Einen Überblick über das gegenwärtige Engagement
der Internationalen Gemeinschaft am Horn von Afrika liefert die neue
IMI-Analyse „Schlechte Rezepte für den Golf von Aden“<br>
<br>
<br>
IMI-Analyse 2011/001<br>
Schlechte Rezepte für den Golf von Aden<br>
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2011.php?id=2229">http://www.imi-online.de/2011.php?id=2229</a> <br>
20.1.2011, Christoph Marischka<br>
<br>
<br>
Kurz bevor im Bundestag Ende 2010 die Abstimmung über eine
Verlängerung der deutschen Beteiligung am EU-Marineeinsatz ATALANTA
am Horn von Afrika anstand, richtete sich ein ungewöhnlich breites
Bündnis von entwicklungspolitischen Gruppen und
Menschenrechtsorganisationen mit einem Positionspapier an die
Abgeordneten. Die „Verteidigung der maritimen Handelsinteressen“
durch ATALANTA geschehe in einer „Art und Weise, die aufgrund der
bisherigen Erfahrungen berechtigten Anlass zu der Vermutung gibt,
dass [sie] die Gesamtlage noch verschlechtert“.[1] Trotzdem
verlängerte der Bundestag mit 487 zu 68 Stimmen bei 12 Enthaltungen
die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission zur
Pirateriebekämpfung. Zahlreiche andere Maßnahmen Deutschlands und
der EU, die zu einer weiteren Militarisierung und Destabilisierung
der Region beitragen, sind hingegen der Öffentlichkeit kaum bekannt
und entziehen sich auch der parlamentarischen Kontrolle. Im
Mittelpunkt steht dabei die Aufrüstung des Jemen, Äthiopiens,
Ugandas und Kenias, welche jeweils eigene Interessen in Somalia
verfolgen.<br>
<br>
<br>
AMISOM – Bodentruppen der internationalen Gemeinschaft?<br>
<br>
Das u.a. von Amnesty International und dem Evangelischen
Entwicklungsdienst (eed) eingebrachte Positionspapier übte auch
scharfe Kritik am Vorgehen der „internationalen Gemeinschaft“
gegenüber Somalia selbst: Die „Ausrüstungs- und Ausbildungsprogramme
für bewaffnete Kräfte der [Übergangsregierung] TFG steigern in der
derzeitigen Lage in nicht kontrollierbarer Weise das Gewaltpotenzial
im Land... Die internationale, aber auch die deutsche Strategie ist
dabei vorrangig auf die Unterstützung der TFG ausgerichtet. Dieser
Ansatz ignoriert jedoch alle Erfahrungen aus einer 19-jährigen
Geschichte von Interventionen und verkennt die Realität in
Somalia“.[2]<br>
<br>
Hinsichtlich der Truppen der AU-Mission AMISOM, welche Teile der
somalischen Hauptstadt Mogadischu kontrollieren und quasi als der
Fuß der internationalen Gemeinschaft in der Tür zum somalischen
Bürgerkrieg fungieren, heißt es vorsichtig, diese „sollten
nachdrücklich dazu angehalten werden, internationales Humanitäres
Völkerrecht und die Menschenrechte zu beachten.“[3] Was sich
dahinter verbirgt, machte wenige Tage später der humanitäre
Nachrichtendienst der UN, IRIN, deutlich. Nahezu täglich würden die
AMISOM-Truppen Wohnviertel und den wichtigsten Markt der Hauptstadt
mit Mörsergranaten beschießen.[4] Dass sie dabei nicht zwischen
zivilen und militärischen Zielen unterscheiden, wie es das
humanitäre Völkerrecht vorschreibt, war zuvor schon von Human Rights
Watch[5], dem UNHCR und Amnesty International[6] kritisiert worden.
Dies ist v.a. deshalb brisant, weil der Einsatz der AMISOM
überwiegend von Deutschland und der EU finanziert wird, die
zusätzlich noch weitere Konfliktparteien im somalischen Bürgerkrieg
ausrüsten und unterstützen.<br>
<br>
<br>
Die Aufrüstung des Bürgerkrieges<br>
<br>
Auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hin musste die
Bundesregierung einräumen, dass die Europäische Union bislang 142
Mio. Euro alleine aus dem Europäischen Entwicklungsfonds für den
Bürgerkrieg in Somalia bereitgestellt hat.[7] Hinzu kommen
bilaterale Beiträge der Mitgliedsstaaten. Ein Großteil der Gelder
fließt an die Einheiten der AMISOM, die formal von der Afrikanischen
Union koordiniert werden. Diese wird wiederum zu einem Viertel (72
Mio. Euro) von der EU finanziert. Obwohl der Bundesregierung bekannt
ist, dass diese Einheiten häufig keinen Sold erhalten oder diesen
erst verspätet ausbezahlt bekommen, schwere
Menschenrechtsverletzungen begehen und gegen das Kriegsvölkerrecht
verstoßen, übt sie keine Kritik an deren Finanzierung, sondern
verweist sie lediglich darauf, dass der militärische Gegner ebenso
rücksichtslos vorginge.[8] Deutschland trägt alleine ein Fünftel der
EU-Beiträge zur Unterstützung der AMISOM.<br>
<br>
<br>
Militärhilfe für Äthiopien<br>
<br>
Hinzu kommt die massive Unterstützung des Nachbarstaates Äthiopien
durch Deutschland. Äthiopien ist nicht nur für die Eskalation des
Bürgerkrieges in Somalia seit dessen Einmarsch im Winter 2006/2007
verantwortlich, sondern geht auch in seinem Inneren äußerst
repressiv gegen jegliche Opposition vor. Human Rights Watch belegte
kürzlich in dem Bericht „Entwicklung ohne Freiheit“, wie dort
westliche Entwicklungshilfegelder für die brutale Unterdrückung der
eigenen Bevölkerung verwendet werden.[9] Auch das ARD-Magazin FAKT
kritisierte die enge Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der
Militärdiktatur in Äthiopien.[10]<br>
<br>
Dennoch gilt Äthiopien – so die Bundesregierung in ihrer Antwort auf
die Kleine Anfrage – in Deutschland als „grundsätzlich
förderungswürdiger Staat“. Dementsprechend erhält es von Deutschland
militärische Ausstattungshilfe und wird durch eine „Beratergruppe“
der Bundeswehr unterstützt. Seit 1998 wurden 73 höherrangige
äthiopische Soldaten an Einrichtungen der Bundeswehr
fortgebildet,[11] für 2011 bot die Bundesregierung dem äthiopischen
Militär erstmals ein „bilaterales Kooperationsprogramm“ an.[12] Ende
Oktober nahm ein deutscher Stabsoffizier an einer von der EU
finanzierten Militärübung in der Hauptstadt Addis Abeba teil, in dem
ein AU-Einsatz auf einer fiktiven Insel vor Somalia trainiert
wurde.[13] Kurz zuvor hatte der EU-Militärstab Addis Abeba besucht
und Gespräche mit dem äthiopischen Verteidigungsminister
geführt.[14] Die äthiopischen Streitkräfte hatten zuvor finanziert
vom Auswärtigen Amt fast 1.000 somalische „Polizisten“ (tatsächlich
handelte es sich dabei um Soldaten) ausgebildet, über deren
anschließenden Verbleib die Bundesregierung zunächst keine Angaben
machen konnte. Zuletzt gab sie als Aufenthaltsort der „Polizisten“
das Gebiet Gedo im Südwesten Somalias an, wo mit Äthiopien
verbündete Milizen operieren und es Ende Oktober zu schweren
Gefechten kam, vor denen bis zu 60.000 Menschen flohen.[15] Kenia
verstärkte daraufhin seine militärische Präsenz an der nahe
gelegenen Grenze. In der Antwort auf eine schriftliche Frage der
Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen konnte Werner Hoyer,
Staatssekretär im Auswärtigen Amt, nicht ausschließen, dass die mit
deutscher Hilfe ausgebildeten „Polizisten“ an den Gefechten
beteiligt waren und bestätigte, dass weiterhin unklar ist, wer deren
Sold bezahlt.[16] Anschließende Recherchen des in Nairobi tätigen
Journalisten Marc Engelhardt brachten schließlich ans Licht, dass
„die für Somalias Verhältnisse hervorragend ausgebildeten
Sicherheitskräfte“ hierbei sogar eine entscheidende Rolle gespielt
haben. Ziel der mit der Übergangsregierung verbündeten Miliz des
Warlords und Parlamentsabgeordneten Barre Aden Hiirale sei es, im
Kampf gegen die Aufständischen „eine zweite Front im Süden [zu]
eröffnen“.[17] Ein gefährliches Unterfangen angesichts der Lage im
Grenzgebiet zu Äthiopien und Kenia, die beide Konfliktparteien im
somalischen Bürgerkrieg sind und leicht durch einen (erneuten)
Einmarsch eine weitere Eskalation des Bürgerkrieges auslösen
könnten. Vielleicht besteht jedoch auch genau darin die Strategie
Deutschlands und der Europäischen Union. Die UN Monitoring Group on
Somalia hatte zumindest schon im Frühjahr 2010 darauf hingewiesen,
dass bis zu 80% der im Ausland ausgebildeten Sicherheitskräfte sich
mitsamt Ausrüstung anderen Milizen anschließen oder desertieren
würden und es auf absehbare Zeit keine Perspektive gäbe, dass die
Übergangsregierung ohne eine massive Intervention von außen ihre
Kontrolle über Somalia ausweiten könnte.[18]<br>
<br>
<br>
Nordic Battlegroup startbereit?<br>
<br>
Vor diesem Hintergrund erhält die Teilnahme einer kenianische
Eingreiftruppe, die zu einem großen Teil aus Kenianern somalischer
Herkunft bestehen soll, an einer Übung der Nordic Battlegroup der EU
im September 2010 in Schweden besondere Brisanz.[19] In Ihrer
Antwort auf eine Kleine Anfrage leugnete die Bundesregierung jede
Kenntnis über Inhalt der Übung und Sinn der kenianischen
Beteiligung. Kenia erhält u.a. Unterstützung aus dem
EU-Stabilitätsinstrument, seit es sich bereit erklärt hatte,
somalischen Piraterieverdächtigen, die im Rahmen der EU-Mission
Atalanta festgenommen wurden, den Prozess zu machen. Kenia
beherbergt zudem das ebenfalls von der EU finanzierte International
Peace Support Training Centre, an dem das Personal der AMISOM mit
deutscher und britischer Unterstützung ausgebildet und ausgerüstet
wird, bevor es in Somalia zum Einsatz kommt.[20] In der kenianischen
Hauptstadt befindet sich zudem das Somalia-Büro der USA, über
welches die Rekrutierung und Bezahlung der Truppen der somalischen
Übergangsregierung koordiniert wird.<br>
<br>
<br>
Uganda, Ausweitung der Kampfzone<br>
<br>
Größter Truppensteller der AMISOM ist jedoch Uganda, das im Juli den
Gipfel der Afrikanischen Union ausrichtete und sich für eine massive
Ausweitung des AMISOM-Einsatzes auf 20.000 Soldaten stark macht.
Kurz zuvor war die ugandische Hauptstadt während des Endspiels der
Fußball-Weltmeisterschaft der Männer von Bombenanschlägen
erschüttert worden, die somalischen Rebellen zugerechnet werden. Die
Bundesregierung vermutet zwar dahinter das Interesse, Uganda „zur
Beendigung von AMISOM zu zwingen“, sieht jedoch „keine Hinweise“ für
einen Zusammenhang mit der EU-Militärmission EUTM Somalia.[21] Bei
dieser „Ausbildungsmission“ werden in Uganda und gemeinsam mit
dessen Streitkräften Soldaten für die somalische Übergangsregierung
– u.a. im Häuserkampf – ausgebildet.[22] Deutschland beteiligt sich
an diesem Einsatz mit bis zu zwanzig Bundeswehrsoldaten und durch
die Beteiligung an den gemeinsamen Kosten der Mission. Dass in
diesem Rahmen auch Minderjährige für den anschließenden Kampfeinsatz
in Mogadischu ausgebildet werden, kann die Bundesregierung jedoch
bis heute nicht ausschließen und verweist auf die Verantwortung der
AMISOM, des Somalia-Büros der USA in Nairobi und der somalischen
Übergangsregierung.[23] Letzterer wurde jedoch vom
UN-Generalsekretär, zuletzt in seinem Bericht über Kinder in
bewaffneten Konflikten vom 9.11.2010, vorgeworfen, Kindersoldaten zu
rekrutieren und mit Milizen zusammenzuarbeiten, die bis zur Hälfte
aus Kindersoldaten bestehen.[24] Auch Hinweise, wonach Rekruten für
die EUTM in Flüchtlingslagern geworben wurden, ist die
Bundesregierung nicht nachgegangen.<br>
<br>
Obwohl mittlerweile die ersten knapp 1.000 Soldaten im Rahmen der
EUTM ausgebildet wurden, ist nach wie vor unklar, wie diese in die
Truppen der Übergangsregierung integriert und bezahlt werden sollen.
De facto handelt es sich bei den Soldaten der Übergangsregierung um
die Angehörigen verschiedener Milizen, die sich bis heute auch
gelegentlich untereinander bekämpfen und ihren Unterhalt u.a. durch
Plünderungen und die „Zuteilung“ internationaler Hilfslieferungen
verdienen. Als Zwischenlösung wird gegenwärtig in Mogadischu von der
Europäischen Union der Bau eines „Reintegrationslagers“ („Al Jazeera
Camp“) finanziert, in dem die von EU und Bundeswehr ausgebildeten
Rekruten zunächst der AMISOM unterstellt werden sollen, da die
Truppen der Übergangsregierung zunächst noch eine Befehlskette
„etablieren“ müssten. Es ist davon auszugehen: Sie werden mitsamt
ihren Waffen verschwinden oder überlaufen, auf jeden Fall aber zu
einer Eskalation beitragen.<br>
<br>
<br>
Terrorbekämpfung im Jemen<br>
<br>
Auch im Jemen an der gegenüberliegenden Küste des Golf von Aden
unterstützt die internationale Gemeinschaft eine hochgradig korrupte
Regierung auf Kosten der Bevölkerung. Der Jemen lebt fast
ausschließlich von Erdöl- und Erdgasreserven, die bald versiegen
werden. Die Regierung hat kaum Versuche unternommen, andere
Einkommensquellen zu erschließen und die Landwirtschaft nahezu zum
Erliegen gebracht. Das von Nahrungsmittelimporten abhängige Land
wurde nicht nur von der globalen Teuerung von Nahrungsmitteln 2008
stark betroffen, sondern auch von den sinkenden Preisen für Öl und
Gas im Zuge der anschließenden Weltwirtschaftskrise. Die Lage der
Bevölkerung hat sich massiv verschlechtert, was wiederum zwei sehr
unterschiedlichen Aufständen – der Houthi-Rebellion im Norden und
der tw. sezessionistische „Süd-Bewegung“ – neuen Auftrieb gab. Die
„internationale Gemeinschaft“, die eigens eine Gruppe „Freunde des
Jemens“ einrichtete, um ihre Unterstützung für die Regierung zu
organisieren, interessiert sich jedoch nahezu ausschließlich für die
angebliche Gefahr, die von der Al-Kaida-Gruppe auf der arabischen
Halbinsel ausgeht.[25] „Damit verschärft sie die Tendenz der
jemenitischen Regierung, Menschenrechte Sicherheitsinteressen
unterzuordnen“, kritisierte Amnesty International in einem Bericht
vom August 2010: Viele der unter dem Applaus der internationalen
Gemeinschaft eingeführten Anti-Terror-Maßnahmen würden sich in
Wirklichkeit gegen die Zivilbevölkerung und die Aufstände
richten.[26]<br>
<br>
Die USA haben unmittelbar nach dem gescheiterten Anschlag auf einem
Flug nach Detroit Ende 2009 die Rüstungsfirma Northrop Grumman
beauftragt, für 550 Mio. US$ saudische Spezialeinheiten auszubilden
und für Anti-Terrormaßnahmen u.a. im Jemen auszurüsten. Deutschland
hingegen leistet der jemenitischen Küstenwache militärische
Amtshilfe, da sie sich hiervon eine „Verbesserung der maritimen
Sicherheit im Golf von Aden“ erhofft.[27] Tatsächlich werden die von
der jemenitischen Küstenwache festgenommenen mutmaßlichen Piraten im
Jemen aber regelmäßig zum Tode verurteilt. Zudem hat die Zeitschrift
Foreign Policy im November 2010 aufgedeckt, dass der Jemen Schiffe
und Soldaten seiner Küstenwache für je 55.000 US$ an Reedereien
vermietet, um sichere Schiffspassagen zu garantieren: frische
Einkünfte für den Krieg gegen den Terror.[28]<br>
<br>
<br>
Mehr Geiseln als je zuvor<br>
<br>
Massiv angestiegen war die Piraterie am Horn von Afrika erst im
zweiten Halbjahr 2008. Die Zahl der gemeldeten Vorfälle stieg von 10
im Jahr 2006 und 13 im Jahr 2007 im ersten Halbjahr 2008 auf 19 und
dann sprunghaft auf 73 im zweiten Halbjahr 2008 bzw. 100 im ersten
Halbjahr 2009. Vor allem nahm im Jahr 2008 der Einsatz von
Schusswaffen und Raketenwerfern durch die Piraten massiv zu und
damit auch die Anzahl der getöteten und verwundeten Seeleute.[29]
Einige der Waffen stammen von der MV Faina, die im September 2008
Panzer, Flaks und containerweise Kleinwaffen mit Unterstützung der
USA über Kenia an den Südsudan liefern sollte, vor der Küste
Somalias jedoch gekapert wurde. Die Kleinwaffen schafften die
Piraten von Bord, die Panzer wurden später in Mombasa entladen.[30]
Im Januar 2011 meldete das International Maritime Bureau, dass 2010
mehr Seeleute von Piraten als Geiseln genommen wurden, als je zuvor.<br>
<br>
<br>
Weiter so?<br>
<br>
Die militärische Pirateriebekämpfung ist also erfolglos. Auch eine
Studie des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an
der Universität Hamburg mit dem bezeichnenden Titel „Somalia und
Piraterie: keine Lösung in Sicht, weder zu Wasser noch zu Land“
stellt fest, dass sie v.a. zur Professionalisierung der Piraten und
einer Ausdehnung ihres Operationsgebietes geführt hat.[31] Dennoch
ist mit der Fortsetzung des ATALANTA-Einsatzes zu rechnen. Erstens
liefert dieser wichtige Erfahrungen für den Kampf gegen illegale
Migration und andere asymmetrische Konfliktkonstellationen, bei
denen sich die militärische Aufklärung auf einzelne Individuen
fokussiert. Dies gilt auch für die Terrorbekämpfung, welche
schleichend Teil des ATALANTA-Einsatzes wird, da auch terroristische
Gruppen in Jemen oder Somalia die maritime Sicherheit am Golf von
Aden bedrohen könnten. Zuletzt ist fraglich, ob EU und NATO ihre
militärische Präsenz an diesem Nadelöhr des Welthandels unter
geopolitischen Gesichtspunkten überhaupt noch drastisch reduzieren
können oder wollen, nachdem auch konkurrierende Mächte wie China und
Indien unter dem Vorwand der Pirateriebekämpfung ihre
Seestreitkräfte dort stationiert haben.<br>
<br>
Auch für Jemen und Somalia sieht die Zukunft düster aus: Das
internationale Engagement läuft auf eine weitere Militarisierung
beider Staaten und der gesamten Region hinaus. Es fördert
Regierungsformen, die auf militärisch gestützter Repression
einschließlich gezielter Tötungen basieren und ihrerseits geeignet
sind, Aufstände und Terrorismus zu fördern und die Konflikte zu
internationalisieren. Viel mehr noch als Saudi-Arabien ein Interesse
an einem schwachen, aber repressiven Jemen hat, ist für Äthiopien
ein starkes und stabiles Somalia ein Alptraum. Dieses würde
zweifelsfrei Territorialansprüche gegenüber Äthiopien geltend
machen. Dass gerade Saudi-Arabien und Äthiopien von USA und EU als
Stellvertreter bei ihren Stabilisierungsversuchen am Golf von Aden
genutzt werden, lässt Schlimmes erahnen.<br>
<br>
<br>
Anmerkungen:<br>
<br>
[1] Amnesty International, Evangelischer Entwicklungsdienst,
Gesellschaft für bedrohte Völker, Save the Children Deutschland,
World Vision: „Somalia: Deutsches Engagement für eine politische
Lösung notwendig“, gemeinsames Positionspapier vom November 2010. <br>
[2] Ebd.<br>
<br>
[3] Ebd.<br>
<br>
[4] IRIN: Somalia - Accusations traded over rising casualties at
Mogadishu market, Meldung vom 2.12.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportID=91267">http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportID=91267</a> <br>
<br>
[5] Human Rights Watch: Harsh War, Harsh Peace - Abuses by
al-Shabaab, the Transitional Federal Government, and AMISOM in
Somalia, Bericht vom 19.4.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.hrw.org/en/reports/2010/04/19/harsh-war-harsh-peace">http://www.hrw.org/en/reports/2010/04/19/harsh-war-harsh-peace</a> <br>
<br>
[6] Amnesty International: Somalia - Allegations of AU force firing
on civilians need investigating, Meldung vom 5.2.2009:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.unhcr.org/refworld/docid/498fe0671e.html">http://www.unhcr.org/refworld/docid/498fe0671e.html</a> <br>
<br>
[7] Bundestags-Drucksache 17/3784:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/037/1703784.pdf">http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/037/1703784.pdf</a> <br>
<br>
[8] Ebd.<br>
<br>
[9] Human Rights Watch: Development without Freedom - How Aid
Underwrites Repression in Ethiopia, Bericht vom 19.10.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.hrw.org/node/93605">http://www.hrw.org/node/93605</a> <br>
<br>
[10] Afrika-Politik - Wirtschaftliche Interessen haben Vorrang,
Beitrag in der Sendung FAKT im ARD vom 13.9.2010, Manuskript unter:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.mdr.de/DL/7667541.PDF">http://www.mdr.de/DL/7667541.PDF</a> <br>
<br>
[11] Bundestags-Drucksache 17/3784.<br>
<br>
[12] German-foreign-policy.com: Diktatorenhilfe, Meldung vom
4.10.2010.<br>
<br>
[13] Bundestags-Drucksache 17/3784.<br>
<br>
[14] Rat der Europäischen Union: EU Security and Defence news,
Ausgabe #25 vom 8.10.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/116985.pdf">http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/116985.pdf</a>
<br>
<br>
[15] Dominic Johnson: An der somalischen Bürgerkriegsfront, Beitrag
in der tageszeitung vom 13.8.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/polizisten-wieder-aufgetaucht">http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/polizisten-wieder-aufgetaucht</a>
<br>
<br>
[16] Bundestags-Drucksache 17/3565:
dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/035/1703565.pdf <br>
<br>
[17] Marc Engelhardt: Fit für den Krieg mit deutschem Geld, Beitrag
in der tageszeitung vom 25.11.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/fit-fuer-den-krieg-mit-deutschem-geld">http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/fit-fuer-den-krieg-mit-deutschem-geld</a>
<br>
<br>
[18] Report of the Monitoring Group on Somalia pursuant to Security
Council resolution 1853 vom 26.2.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2010/91">http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2010/91</a> <br>
<br>
[19] Rat der Europäischen Union: EU Security and Defence news,
Ausgabe #26 vom 15.10.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/117103.pdf">http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/117103.pdf</a>
<br>
<br>
[20] Bundestags-Drucksache 17/3784:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/037/1703784.pdf">http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/037/1703784.pdf</a> <br>
<br>
[21] Ebd.<br>
<br>
[22] Ein sehr entlarvendes Video hierzu, das von der EU selbst
stammt, findet sich unter folgender URL:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.youtube.com/user/eusecurityanddefence#p/a/u/0/wxVsHsuxWXs">http://www.youtube.com/user/eusecurityanddefence#p/a/u/0/wxVsHsuxWXs</a>
<br>
<br>
[23] Bundestags-Drucksache 17/2615:
(<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/026/1702615.pdf">http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/026/1702615.pdf</a> <br>
<br>
[24] UN-Generalversammlung: Children and armed conflict, Bericht des
Generalsekretärs vom 13.4.2010.<br>
<br>
[25] Christoph Marischka: Al-Kaida in Ostafrika - Wie
internationales „Krisenmanagement“ einen Mythos Realität werden
lässt, in: AUSDRUCK (das IMI-Magazin) Oktober 2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/download/CM-AUSDRUCK-10-2010.pdf">http://www.imi-online.de/download/CM-AUSDRUCK-10-2010.pdf</a> <br>
<br>
[26] Amnesty International: Yemen – Cracking down under pressure,
Bericht vom 31.10.2010:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE31/010/2010/en">http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE31/010/2010/en</a> <br>
<br>
[27] Bundestags-Drucksache 17/2060.<br>
<br>
[28] Ellen Knickmeyer: The Privateers of Yemen, Meldung vom
17.11.2010 auf <a class="moz-txt-link-abbreviated" href="http://www.foreignpolicy.com">www.foreignpolicy.com</a> <br>
<br>
[29] Christoph Marischka: Schuss vor den Bug oder Schlag ins Wasser?
Eskalation am Golf von Aden, in: AUSDRUCK August 2009:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://imi-online.de/download/CM-Piraterie-4-09.pdf">http://imi-online.de/download/CM-Piraterie-4-09.pdf</a> <br>
<br>
[30] ARD: Das Geheimnis des Waffenschiffes Faina, Radiofeature von
Rainer Kahrs, Manuskript unter der URL:
web.ard.de/media/pdf/radio/radiofeature/waffenschiff_faina.pdf <br>
<br>
[31] Kerstin Petretto: Somalia und Piraterie - keine Lösung in
Sicht, weder zu Wasser noch zu Land, Hamburger Informationen zur
Friedensforschung und Sicherheitspolitik Ausgabe 49/2010.<br>
<br>
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