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    Online-Zeitschrift "IMI-List" <br>
    Nummer 0340 .......... 15. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563 <br>
    Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. <br>
    Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner <br>
    Abo (kostenlos)..
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    Archiv: ....... <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/mailingliste.php3">http://www.imi-online.de/mailingliste.php3</a> <br>
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    <br>
    <br>
    Liebe Freundinnen und Freunde, <br>
    <br>
    <br>
    in dieser IMI-List findet sich <br>
    <br>
    1) Eine IMI-Analyse zur Militarisierung der Länder rund um den Golf
    von Aden<br>
    <br>
    Nachdem Entwicklungsminister Niebel vergangene Woche die
    autokratische Regierung des Jemen besucht hatte, die mit deutschem
    Geld Piraten am Horn von Afrika jagt und anschließend vor Gericht
    stellt, wo ihnen die Todesstrafe droht, reiste er weiter nach
    Äthiopien, einer der schlimmsten Militärdiktaturen weltweit und
    trotzdem einer der größten Empfänger deutscher Entwicklungshilfe.
    Niebel hat bei dieser Gelegenheit den äthiopischen Premierminister
    Meles Zenawi zur Teilnahme an der Münchener Sicherheitskonferenz
    eingeladen, die Anfang Februar stattfinden wird. Dort will Zenawi
    mit der NATO und anderen internationalen Vertretern für ein
    entschlosseneres Vorgehen gegenüber Somalia werben. <br>
    <br>
    Schon jetzt erhält er umfassende Militärhilfen aus Deutschland und
    anderen NATO-Staaten, um die somalische Übergangsregierung zu
    unterstützen. Diese jedoch wird von der somalischen Bevölkerung mit
    ähnlich überwiegender Mehrheit abgelehnt, wie die dauerhaften
    Interventionen Äthiopiens in Somalia, die tatsächlich eine
    destabilisierende Wirkung in der Region entfalten. Somalia erhebt
    bis heute Gebietsansprüche gegenüber Äthiopien, die bereits 1977 zum
    Ogadenkrieg geführt haben, wo bis heute eine große somalische
    Minderheit wohnt, die von massiven Repressionen durch die
    äthiopische Regierung betroffen ist. Es ist daher davon auszugehen,
    dass auf der Münchener Sicherheitskonferenz weitere Hilfen für
    Äthiopien und eine weitere Eskalation am Horn von Afrika
    abgesprochen werden, die geeignet sind, die gesamte Region weiter zu
    destabilisieren. Einen Überblick über das gegenwärtige Engagement
    der Internationalen Gemeinschaft am Horn von Afrika liefert die neue
    IMI-Analyse &#8222;Schlechte Rezepte für den Golf von Aden&#8220;<br>
    <br>
    <br>
    IMI-Analyse 2011/001<br>
    Schlechte Rezepte für den Golf von Aden<br>
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/2011.php?id=2229">http://www.imi-online.de/2011.php?id=2229</a> <br>
    20.1.2011, Christoph Marischka<br>
    <br>
    <br>
    Kurz bevor im Bundestag Ende 2010 die Abstimmung über eine
    Verlängerung der deutschen Beteiligung am EU-Marineeinsatz ATALANTA
    am Horn von Afrika anstand, richtete sich ein ungewöhnlich breites
    Bündnis von entwicklungspolitischen Gruppen und
    Menschenrechtsorganisationen mit einem Positionspapier an die
    Abgeordneten. Die &#8222;Verteidigung der maritimen Handelsinteressen&#8220;
    durch ATALANTA geschehe in einer &#8222;Art und Weise, die aufgrund der
    bisherigen Erfahrungen berechtigten Anlass zu der Vermutung gibt,
    dass [sie] die Gesamtlage noch verschlechtert&#8220;.[1] Trotzdem
    verlängerte der Bundestag mit 487 zu 68 Stimmen bei 12 Enthaltungen
    die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission zur
    Pirateriebekämpfung. Zahlreiche andere Maßnahmen Deutschlands und
    der EU, die zu einer weiteren Militarisierung und Destabilisierung
    der Region beitragen, sind hingegen der Öffentlichkeit kaum bekannt
    und entziehen sich auch der parlamentarischen Kontrolle. Im
    Mittelpunkt steht dabei die Aufrüstung des Jemen, Äthiopiens,
    Ugandas und Kenias, welche jeweils eigene Interessen in Somalia
    verfolgen.<br>
    <br>
    <br>
    AMISOM &#8211; Bodentruppen der internationalen Gemeinschaft?<br>
    <br>
    Das u.a. von Amnesty International und dem Evangelischen
    Entwicklungsdienst (eed) eingebrachte Positionspapier übte auch
    scharfe Kritik am Vorgehen der &#8222;internationalen Gemeinschaft&#8220;
    gegenüber Somalia selbst: Die &#8222;Ausrüstungs- und Ausbildungsprogramme
    für bewaffnete Kräfte der [Übergangsregierung] TFG steigern in der
    derzeitigen Lage in nicht kontrollierbarer Weise das Gewaltpotenzial
    im Land... Die internationale, aber auch die deutsche Strategie ist
    dabei vorrangig auf die Unterstützung der TFG ausgerichtet. Dieser
    Ansatz ignoriert jedoch alle Erfahrungen aus einer 19-jährigen
    Geschichte von Interventionen und verkennt die Realität in
    Somalia&#8220;.[2]<br>
    <br>
    Hinsichtlich der Truppen der AU-Mission AMISOM, welche Teile der
    somalischen Hauptstadt Mogadischu kontrollieren und quasi als der
    Fuß der internationalen Gemeinschaft in der Tür zum somalischen
    Bürgerkrieg fungieren, heißt es vorsichtig, diese &#8222;sollten
    nachdrücklich dazu angehalten werden, internationales Humanitäres
    Völkerrecht und die Menschenrechte zu beachten.&#8220;[3] Was sich
    dahinter verbirgt, machte wenige Tage später der humanitäre
    Nachrichtendienst der UN, IRIN, deutlich. Nahezu täglich würden die
    AMISOM-Truppen Wohnviertel und den wichtigsten Markt der Hauptstadt
    mit Mörsergranaten beschießen.[4] Dass sie dabei nicht zwischen
    zivilen und militärischen Zielen unterscheiden, wie es das
    humanitäre Völkerrecht vorschreibt, war zuvor schon von Human Rights
    Watch[5], dem UNHCR und Amnesty International[6] kritisiert worden.
    Dies ist v.a. deshalb brisant, weil der Einsatz der AMISOM
    überwiegend von Deutschland und der EU finanziert wird, die
    zusätzlich noch weitere Konfliktparteien im somalischen Bürgerkrieg
    ausrüsten und unterstützen.<br>
    <br>
     <br>
    Die Aufrüstung des Bürgerkrieges<br>
    <br>
    Auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hin musste die
    Bundesregierung einräumen, dass die Europäische Union bislang 142
    Mio. Euro alleine aus dem Europäischen Entwicklungsfonds für den
    Bürgerkrieg in Somalia bereitgestellt hat.[7] Hinzu kommen
    bilaterale Beiträge der Mitgliedsstaaten. Ein Großteil der Gelder
    fließt an die Einheiten der AMISOM, die formal von der Afrikanischen
    Union koordiniert werden. Diese wird wiederum zu einem Viertel (72
    Mio. Euro) von der EU finanziert. Obwohl der Bundesregierung bekannt
    ist, dass diese Einheiten häufig keinen Sold erhalten oder diesen
    erst verspätet ausbezahlt bekommen, schwere
    Menschenrechtsverletzungen begehen und gegen das Kriegsvölkerrecht
    verstoßen, übt sie keine Kritik an deren Finanzierung, sondern
    verweist sie lediglich darauf, dass der militärische Gegner ebenso
    rücksichtslos vorginge.[8] Deutschland trägt alleine ein Fünftel der
    EU-Beiträge zur Unterstützung der AMISOM.<br>
    <br>
     <br>
    Militärhilfe für Äthiopien<br>
    <br>
    Hinzu kommt die massive Unterstützung des Nachbarstaates Äthiopien
    durch Deutschland. Äthiopien ist nicht nur für die Eskalation des
    Bürgerkrieges in Somalia seit dessen Einmarsch im Winter 2006/2007
    verantwortlich, sondern geht auch in seinem Inneren äußerst
    repressiv gegen jegliche Opposition vor. Human Rights Watch belegte
    kürzlich in dem Bericht &#8222;Entwicklung ohne Freiheit&#8220;, wie dort
    westliche Entwicklungshilfegelder für die brutale Unterdrückung der
    eigenen Bevölkerung verwendet werden.[9] Auch das ARD-Magazin FAKT
    kritisierte die enge Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der
    Militärdiktatur in Äthiopien.[10]<br>
    <br>
    Dennoch gilt Äthiopien &#8211; so die Bundesregierung in ihrer Antwort auf
    die Kleine Anfrage &#8211; in Deutschland als &#8222;grundsätzlich
    förderungswürdiger Staat&#8220;. Dementsprechend erhält es von Deutschland
    militärische Ausstattungshilfe und wird durch eine &#8222;Beratergruppe&#8220;
    der Bundeswehr unterstützt. Seit 1998 wurden 73 höherrangige
    äthiopische Soldaten an Einrichtungen der Bundeswehr
    fortgebildet,[11] für 2011 bot die Bundesregierung dem äthiopischen
    Militär erstmals ein &#8222;bilaterales Kooperationsprogramm&#8220; an.[12] Ende
    Oktober nahm ein deutscher Stabsoffizier an einer von der EU
    finanzierten Militärübung in der Hauptstadt Addis Abeba teil, in dem
    ein AU-Einsatz auf einer fiktiven Insel vor Somalia trainiert
    wurde.[13] Kurz zuvor hatte der EU-Militärstab Addis Abeba besucht
    und Gespräche mit dem äthiopischen Verteidigungsminister
    geführt.[14] Die äthiopischen Streitkräfte hatten zuvor finanziert
    vom Auswärtigen Amt fast 1.000 somalische &#8222;Polizisten&#8220; (tatsächlich
    handelte es sich dabei um Soldaten) ausgebildet, über deren
    anschließenden Verbleib die Bundesregierung zunächst keine Angaben
    machen konnte. Zuletzt gab sie als Aufenthaltsort der &#8222;Polizisten&#8220;
    das Gebiet Gedo im Südwesten Somalias an, wo mit Äthiopien
    verbündete Milizen operieren und es Ende Oktober zu schweren
    Gefechten kam, vor denen bis zu 60.000 Menschen flohen.[15] Kenia
    verstärkte daraufhin seine militärische Präsenz an der nahe
    gelegenen Grenze. In der Antwort auf eine schriftliche Frage der
    Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen konnte Werner Hoyer,
    Staatssekretär im Auswärtigen Amt, nicht ausschließen, dass die mit
    deutscher Hilfe ausgebildeten &#8222;Polizisten&#8220; an den Gefechten
    beteiligt waren und bestätigte, dass weiterhin unklar ist, wer deren
    Sold bezahlt.[16] Anschließende Recherchen des in Nairobi tätigen
    Journalisten Marc Engelhardt brachten schließlich ans Licht, dass
    &#8222;die für Somalias Verhältnisse hervorragend ausgebildeten
    Sicherheitskräfte&#8220; hierbei sogar eine entscheidende Rolle gespielt
    haben. Ziel der mit der Übergangsregierung verbündeten Miliz des
    Warlords und Parlamentsabgeordneten Barre Aden Hiirale sei es, im
    Kampf gegen die Aufständischen &#8222;eine zweite Front im Süden [zu]
    eröffnen&#8220;.[17] Ein gefährliches Unterfangen angesichts der Lage im
    Grenzgebiet zu Äthiopien und Kenia, die beide Konfliktparteien im
    somalischen Bürgerkrieg sind und leicht durch einen (erneuten)
    Einmarsch eine weitere Eskalation des Bürgerkrieges auslösen
    könnten. Vielleicht besteht jedoch auch genau darin die Strategie
    Deutschlands und der Europäischen Union. Die UN Monitoring Group on
    Somalia hatte zumindest schon im Frühjahr 2010 darauf hingewiesen,
    dass bis zu 80% der im Ausland ausgebildeten Sicherheitskräfte sich
    mitsamt Ausrüstung anderen Milizen anschließen oder desertieren
    würden und es auf absehbare Zeit keine Perspektive gäbe, dass die
    Übergangsregierung ohne eine massive Intervention von außen ihre
    Kontrolle über Somalia ausweiten könnte.[18]<br>
    <br>
    <br>
    Nordic Battlegroup startbereit?<br>
    <br>
    Vor diesem Hintergrund erhält die Teilnahme einer kenianische
    Eingreiftruppe, die zu einem großen Teil aus Kenianern somalischer
    Herkunft bestehen soll, an einer Übung der Nordic Battlegroup der EU
    im September 2010 in Schweden besondere Brisanz.[19] In Ihrer
    Antwort auf eine Kleine Anfrage leugnete die Bundesregierung jede
    Kenntnis über Inhalt der Übung und Sinn der kenianischen
    Beteiligung. Kenia erhält u.a. Unterstützung aus dem
    EU-Stabilitätsinstrument, seit es sich bereit erklärt hatte,
    somalischen Piraterieverdächtigen, die im Rahmen der EU-Mission
    Atalanta festgenommen wurden, den Prozess zu machen. Kenia
    beherbergt zudem das ebenfalls von der EU finanzierte International
    Peace Support Training Centre, an dem das Personal der AMISOM mit
    deutscher und britischer Unterstützung ausgebildet und ausgerüstet
    wird, bevor es in Somalia zum Einsatz kommt.[20] In der kenianischen
    Hauptstadt befindet sich zudem das Somalia-Büro der USA, über
    welches die Rekrutierung und Bezahlung der Truppen der somalischen
    Übergangsregierung koordiniert wird.<br>
     <br>
    <br>
    Uganda, Ausweitung der Kampfzone<br>
    <br>
    Größter Truppensteller der AMISOM ist jedoch Uganda, das im Juli den
    Gipfel der Afrikanischen Union ausrichtete und sich für eine massive
    Ausweitung des AMISOM-Einsatzes auf 20.000 Soldaten stark macht.
    Kurz zuvor war die ugandische Hauptstadt während des Endspiels der
    Fußball-Weltmeisterschaft der Männer von Bombenanschlägen
    erschüttert worden, die somalischen Rebellen zugerechnet werden. Die
    Bundesregierung vermutet zwar dahinter das Interesse, Uganda &#8222;zur
    Beendigung von AMISOM zu zwingen&#8220;, sieht jedoch &#8222;keine Hinweise&#8220; für
    einen Zusammenhang mit der EU-Militärmission EUTM Somalia.[21] Bei
    dieser &#8222;Ausbildungsmission&#8220; werden in Uganda und gemeinsam mit
    dessen Streitkräften Soldaten für die somalische Übergangsregierung
    &#8211; u.a. im Häuserkampf &#8211; ausgebildet.[22] Deutschland beteiligt sich
    an diesem Einsatz mit bis zu zwanzig Bundeswehrsoldaten und durch
    die Beteiligung an den gemeinsamen Kosten der Mission. Dass in
    diesem Rahmen auch Minderjährige für den anschließenden Kampfeinsatz
    in Mogadischu ausgebildet werden, kann die Bundesregierung jedoch
    bis heute nicht ausschließen und verweist auf die Verantwortung der
    AMISOM, des Somalia-Büros der USA in Nairobi und der somalischen
    Übergangsregierung.[23] Letzterer wurde jedoch vom
    UN-Generalsekretär, zuletzt in seinem Bericht über Kinder in
    bewaffneten Konflikten vom 9.11.2010, vorgeworfen, Kindersoldaten zu
    rekrutieren und mit Milizen zusammenzuarbeiten, die bis zur Hälfte
    aus Kindersoldaten bestehen.[24] Auch Hinweise, wonach Rekruten für
    die EUTM in Flüchtlingslagern geworben wurden, ist die
    Bundesregierung nicht nachgegangen.<br>
    <br>
    Obwohl mittlerweile die ersten knapp 1.000 Soldaten im Rahmen der
    EUTM ausgebildet wurden, ist nach wie vor unklar, wie diese in die
    Truppen der Übergangsregierung integriert und bezahlt werden sollen.
    De facto handelt es sich bei den Soldaten der Übergangsregierung um
    die Angehörigen verschiedener Milizen, die sich bis heute auch
    gelegentlich untereinander bekämpfen und ihren Unterhalt u.a. durch
    Plünderungen und die &#8222;Zuteilung&#8220; internationaler Hilfslieferungen
    verdienen. Als Zwischenlösung wird gegenwärtig in Mogadischu von der
    Europäischen Union der Bau eines &#8222;Reintegrationslagers&#8220; (&#8222;Al Jazeera
    Camp&#8220;) finanziert, in dem die von EU und Bundeswehr ausgebildeten
    Rekruten zunächst der AMISOM unterstellt werden sollen, da die
    Truppen der Übergangsregierung zunächst noch eine Befehlskette
    &#8222;etablieren&#8220; müssten. Es ist davon auszugehen: Sie werden mitsamt
    ihren Waffen verschwinden oder überlaufen, auf jeden Fall aber zu
    einer Eskalation beitragen.<br>
     <br>
    <br>
    Terrorbekämpfung im Jemen<br>
    <br>
    Auch im Jemen an der gegenüberliegenden Küste des Golf von Aden
    unterstützt die internationale Gemeinschaft eine hochgradig korrupte
    Regierung auf Kosten der Bevölkerung. Der Jemen lebt fast
    ausschließlich von Erdöl- und Erdgasreserven, die bald versiegen
    werden. Die Regierung hat kaum Versuche unternommen, andere
    Einkommensquellen zu erschließen und die Landwirtschaft nahezu zum
    Erliegen gebracht. Das von Nahrungsmittelimporten abhängige Land
    wurde nicht nur von der globalen Teuerung von Nahrungsmitteln 2008
    stark betroffen, sondern auch von den sinkenden Preisen für Öl und
    Gas im Zuge der anschließenden Weltwirtschaftskrise. Die Lage der
    Bevölkerung hat sich massiv verschlechtert, was wiederum zwei sehr
    unterschiedlichen Aufständen &#8211; der Houthi-Rebellion im Norden und
    der tw. sezessionistische &#8222;Süd-Bewegung&#8220; &#8211; neuen Auftrieb gab. Die
    &#8222;internationale Gemeinschaft&#8220;, die eigens eine Gruppe &#8222;Freunde des
    Jemens&#8220; einrichtete, um ihre Unterstützung für die Regierung zu
    organisieren, interessiert sich jedoch nahezu ausschließlich für die
    angebliche Gefahr, die von der Al-Kaida-Gruppe auf der arabischen
    Halbinsel ausgeht.[25] &#8222;Damit verschärft sie die Tendenz der
    jemenitischen Regierung, Menschenrechte Sicherheitsinteressen
    unterzuordnen&#8220;, kritisierte Amnesty International in einem Bericht
    vom August 2010: Viele der unter dem Applaus der internationalen
    Gemeinschaft eingeführten Anti-Terror-Maßnahmen würden sich in
    Wirklichkeit gegen die Zivilbevölkerung und die Aufstände
    richten.[26]<br>
    <br>
    Die USA haben unmittelbar nach dem gescheiterten Anschlag auf einem
    Flug nach Detroit Ende 2009 die Rüstungsfirma Northrop Grumman
    beauftragt, für 550 Mio. US$ saudische Spezialeinheiten auszubilden
    und für Anti-Terrormaßnahmen u.a. im Jemen auszurüsten. Deutschland
    hingegen leistet der jemenitischen Küstenwache militärische
    Amtshilfe, da sie sich hiervon eine &#8222;Verbesserung der maritimen
    Sicherheit im Golf von Aden&#8220; erhofft.[27] Tatsächlich werden die von
    der jemenitischen Küstenwache festgenommenen mutmaßlichen Piraten im
    Jemen aber regelmäßig zum Tode verurteilt. Zudem hat die Zeitschrift
    Foreign Policy im November 2010 aufgedeckt, dass der Jemen Schiffe
    und Soldaten seiner Küstenwache für je 55.000 US$ an Reedereien
    vermietet, um sichere Schiffspassagen zu garantieren: frische
    Einkünfte für den Krieg gegen den Terror.[28]<br>
    <br>
     <br>
    Mehr Geiseln als je zuvor<br>
    <br>
    Massiv angestiegen war die Piraterie am Horn von Afrika erst im
    zweiten Halbjahr 2008. Die Zahl der gemeldeten Vorfälle stieg von 10
    im Jahr 2006 und 13 im Jahr 2007 im ersten Halbjahr 2008 auf 19 und
    dann sprunghaft auf 73 im zweiten Halbjahr 2008 bzw. 100 im ersten
    Halbjahr 2009. Vor allem nahm im Jahr 2008 der Einsatz von
    Schusswaffen und Raketenwerfern durch die Piraten massiv zu und
    damit auch die Anzahl der getöteten und verwundeten Seeleute.[29]
    Einige der Waffen stammen von der MV Faina, die im September 2008
    Panzer, Flaks und containerweise Kleinwaffen mit Unterstützung der
    USA über Kenia an den Südsudan liefern sollte, vor der Küste
    Somalias jedoch gekapert wurde. Die Kleinwaffen schafften die
    Piraten von Bord, die Panzer wurden später in Mombasa entladen.[30]
    Im Januar 2011 meldete das International Maritime Bureau, dass 2010
    mehr Seeleute von Piraten als Geiseln genommen wurden, als je zuvor.<br>
    <br>
    <br>
    Weiter so?<br>
    <br>
    Die militärische Pirateriebekämpfung ist also erfolglos. Auch eine
    Studie des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an
    der Universität Hamburg mit dem bezeichnenden Titel &#8222;Somalia und
    Piraterie: keine Lösung in Sicht, weder zu Wasser noch zu Land&#8220;
    stellt fest, dass sie v.a. zur Professionalisierung der Piraten und
    einer Ausdehnung ihres Operationsgebietes geführt hat.[31] Dennoch
    ist mit der Fortsetzung des ATALANTA-Einsatzes zu rechnen. Erstens
    liefert dieser wichtige Erfahrungen für den Kampf gegen illegale
    Migration und andere asymmetrische Konfliktkonstellationen, bei
    denen sich die militärische Aufklärung auf einzelne Individuen
    fokussiert. Dies gilt auch für die Terrorbekämpfung, welche
    schleichend Teil des ATALANTA-Einsatzes wird, da auch terroristische
    Gruppen in Jemen oder Somalia die maritime Sicherheit am Golf von
    Aden bedrohen könnten. Zuletzt ist fraglich, ob EU und NATO ihre
    militärische Präsenz an diesem Nadelöhr des Welthandels unter
    geopolitischen Gesichtspunkten überhaupt noch drastisch reduzieren
    können oder wollen, nachdem auch konkurrierende Mächte wie China und
    Indien unter dem Vorwand der Pirateriebekämpfung ihre
    Seestreitkräfte dort stationiert haben.<br>
    <br>
    Auch für Jemen und Somalia sieht die Zukunft düster aus: Das
    internationale Engagement läuft auf eine weitere Militarisierung
    beider Staaten und der gesamten Region hinaus. Es fördert
    Regierungsformen, die auf militärisch gestützter Repression
    einschließlich gezielter Tötungen basieren und ihrerseits geeignet
    sind, Aufstände und Terrorismus zu fördern und die Konflikte zu
    internationalisieren. Viel mehr noch als Saudi-Arabien ein Interesse
    an einem schwachen, aber repressiven Jemen hat, ist für Äthiopien
    ein starkes und stabiles Somalia ein Alptraum. Dieses würde
    zweifelsfrei Territorialansprüche gegenüber Äthiopien geltend
    machen. Dass gerade Saudi-Arabien und Äthiopien von USA und EU als
    Stellvertreter bei ihren Stabilisierungsversuchen am Golf von Aden
    genutzt werden, lässt Schlimmes erahnen.<br>
     <br>
    <br>
    Anmerkungen:<br>
    <br>
    [1] Amnesty International, Evangelischer Entwicklungsdienst,
    Gesellschaft für bedrohte Völker, Save the Children Deutschland,
    World Vision: &#8222;Somalia: Deutsches Engagement für eine politische
    Lösung notwendig&#8220;, gemeinsames Positionspapier vom November 2010. <br>
    [2] Ebd.<br>
    <br>
    [3] Ebd.<br>
    <br>
    [4] IRIN: Somalia - Accusations traded over rising casualties at
    Mogadishu market, Meldung vom 2.12.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportID=91267">http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportID=91267</a> <br>
    <br>
    [5] Human Rights Watch: Harsh War, Harsh Peace - Abuses by
    al-Shabaab, the Transitional Federal Government, and AMISOM in
    Somalia, Bericht vom 19.4.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.hrw.org/en/reports/2010/04/19/harsh-war-harsh-peace">http://www.hrw.org/en/reports/2010/04/19/harsh-war-harsh-peace</a> <br>
    <br>
    [6] Amnesty International: Somalia - Allegations of AU force firing
    on civilians need investigating, Meldung vom 5.2.2009:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.unhcr.org/refworld/docid/498fe0671e.html">http://www.unhcr.org/refworld/docid/498fe0671e.html</a> <br>
    <br>
    [7] Bundestags-Drucksache 17/3784:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/037/1703784.pdf">http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/037/1703784.pdf</a> <br>
    <br>
    [8] Ebd.<br>
    <br>
    [9] Human Rights Watch: Development without Freedom - How Aid
    Underwrites Repression in Ethiopia, Bericht vom 19.10.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.hrw.org/node/93605">http://www.hrw.org/node/93605</a> <br>
    <br>
    [10] Afrika-Politik - Wirtschaftliche Interessen haben Vorrang,
    Beitrag in der Sendung FAKT im ARD vom 13.9.2010, Manuskript unter:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.mdr.de/DL/7667541.PDF">http://www.mdr.de/DL/7667541.PDF</a> <br>
    <br>
    [11] Bundestags-Drucksache 17/3784.<br>
    <br>
    [12] German-foreign-policy.com: Diktatorenhilfe, Meldung vom
    4.10.2010.<br>
    <br>
    [13] Bundestags-Drucksache 17/3784.<br>
    <br>
    [14] Rat der Europäischen Union: EU Security and Defence news,
    Ausgabe #25 vom 8.10.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/116985.pdf">http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/116985.pdf</a>
    <br>
    <br>
    [15] Dominic Johnson: An der somalischen Bürgerkriegsfront, Beitrag
    in der tageszeitung vom 13.8.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/polizisten-wieder-aufgetaucht">http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/polizisten-wieder-aufgetaucht</a>
    <br>
    <br>
    [16] Bundestags-Drucksache 17/3565:
    dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/035/1703565.pdf <br>
    <br>
    [17] Marc Engelhardt: Fit für den Krieg mit deutschem Geld, Beitrag
    in der tageszeitung vom 25.11.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/fit-fuer-den-krieg-mit-deutschem-geld">http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/fit-fuer-den-krieg-mit-deutschem-geld</a>
    <br>
    <br>
    [18] Report of the Monitoring Group on Somalia pursuant to Security
    Council resolution 1853 vom 26.2.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2010/91">http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2010/91</a> <br>
    <br>
    [19] Rat der Europäischen Union: EU Security and Defence news,
    Ausgabe #26 vom 15.10.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/117103.pdf">http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/117103.pdf</a>
    <br>
    <br>
    [20] Bundestags-Drucksache 17/3784:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/037/1703784.pdf">http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/037/1703784.pdf</a> <br>
    <br>
    [21] Ebd.<br>
    <br>
    [22] Ein sehr entlarvendes Video hierzu, das von der EU selbst
    stammt, findet sich unter folgender URL:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.youtube.com/user/eusecurityanddefence#p/a/u/0/wxVsHsuxWXs">http://www.youtube.com/user/eusecurityanddefence#p/a/u/0/wxVsHsuxWXs</a>
    <br>
    <br>
    [23] Bundestags-Drucksache 17/2615:
    (<a class="moz-txt-link-freetext" href="http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/026/1702615.pdf">http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/026/1702615.pdf</a> <br>
    <br>
    [24] UN-Generalversammlung: Children and armed conflict, Bericht des
    Generalsekretärs vom 13.4.2010.<br>
    <br>
    [25] Christoph Marischka: Al-Kaida in Ostafrika - Wie
    internationales &#8222;Krisenmanagement&#8220; einen Mythos Realität werden
    lässt, in: AUSDRUCK (das IMI-Magazin) Oktober 2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.imi-online.de/download/CM-AUSDRUCK-10-2010.pdf">http://www.imi-online.de/download/CM-AUSDRUCK-10-2010.pdf</a> <br>
    <br>
    [26] Amnesty International: Yemen &#8211; Cracking down under pressure,
    Bericht vom 31.10.2010:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE31/010/2010/en">http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE31/010/2010/en</a> <br>
    <br>
    [27] Bundestags-Drucksache 17/2060.<br>
    <br>
    [28] Ellen Knickmeyer: The Privateers of Yemen, Meldung vom
    17.11.2010 auf <a class="moz-txt-link-abbreviated" href="http://www.foreignpolicy.com">www.foreignpolicy.com</a> <br>
    <br>
    [29] Christoph Marischka: Schuss vor den Bug oder Schlag ins Wasser?
    Eskalation am Golf von Aden, in: AUSDRUCK August 2009:
    <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://imi-online.de/download/CM-Piraterie-4-09.pdf">http://imi-online.de/download/CM-Piraterie-4-09.pdf</a> <br>
    <br>
    [30] ARD: Das Geheimnis des Waffenschiffes Faina, Radiofeature von
    Rainer Kahrs, Manuskript unter der URL:
    web.ard.de/media/pdf/radio/radiofeature/waffenschiff_faina.pdf <br>
    <br>
    [31] Kerstin Petretto: Somalia und Piraterie - keine Lösung in
    Sicht, weder zu Wasser noch zu Land, Hamburger Informationen zur
    Friedensforschung und Sicherheitspolitik Ausgabe 49/2010.<br>
    <br>
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