[IMI-List] [0575] Studie: Auto und Krieg / Drohnenbewaffnung: Kommentare

IMI-JW imi at imi-online.de
Mi Okt 7 12:05:49 CEST 2020




----------------------------------------------------------
Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0575 .......... 23. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
----------------------------------------------------------

Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich

1.) der Hinweis auf die neue IMI-Studie „Auto und Krieg“;

2.) erste Kurzeinschätzungen zur gestrigen Debatte um die Bewaffnung von 
Kampfdrohnen der Bundeswehr.


1.) Studie: Auto und Krieg

IMI-Studie 2020/06
Auto und Krieg
Historische und aktuelle Verbindungen zwischen Automobil- und 
Rüstungsindustrie
http://www.imi-online.de/2020/10/01/auto-und-krieg/
Jule Steinert (1. Oktober 2020)

Aus der Einleitung:
Geschichtlich, insbesondere während des Zweiten Weltkriegs, hat die 
Automobilbranche mit der Produktion von Militärfahrzeugen, 
Schwertransportern für die Mobilisierung von Kriegstechnik an die 
Fronten und Motoren für den Bau von Kriegsschiffen und -flugzeugen die 
industrielle Hauptbasis deutscher Aufrüstung gebildet. Nun drängt sich 
die Frage auf, ob sie hierfür bis heute einen wichtigen Bestandteil 
verkörpert oder sich seither mit der Elektrisierung, Digitalisierung, 
Automatisierung und Spezialisierung weiter von der Rüstungsindustrie 
entfernt hat. Was steckt wirklich hinter der vermehrten Abspaltung 
einzelner Produktionssparten der Automobilität von der Rüstung im 
engeren Sinne: Findet tatsächlich eine industrielle Trennung der 
Branchen voneinander statt oder werden durch Anteilseignung, 
Zulieferketten und personelle Überlappungen weiterhin Verbindungen 
erhalten, die schnell zu Wiedereingliederungen in die Rüstung genutzt 
werden könnten?
Dieser Fragestellung möchte der folgende Text nachgehen, indem zunächst 
die aktuelle wirtschaftliche Relevanz der Automobil- und 
Rüstungsindustrie sowie ihre historische Verknüpfung miteinander während 
des Zweiten Weltkrieges kurz nachgezeichnet wird. Vor diesem Hintergrund 
soll ein erster überblicksartiger Eindruck der aktuellen 
Verbindungspunkte von Unternehmen der Automobilindustrie zur 
Rüstungsherstellung vermittelt, anhand von Beispielen vertieft und 
schließlich ausgewertet werden. Dabei verweist die Leitfrage weiter auf 
eine grundlegende kritische Reflexion der Bedeutung der 
Automobilindustrie in Deutschland und deren vielbetontes 
Wirtschaftsprimat, welches gerade im Kontext der Sorge um Gewinneinbußen 
während der Covid-19 Pandemie in der Forderung nach gezielten 
Konjunkturförderungen für den Automobilmarkt wieder deutlich wurde. 
Lässt sich die politische Gewichtung und Unterstützung der 
Automobilindustrie in Deutschland vor dem Hintergrund ihrer Rolle im 
Zweiten Weltkrieg möglicherweise sogar auch als Investition in die 
Aufrechterhaltung einer RTIB deuten?

Gesamte Studie zum herunterladen: 
https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2020-06-Automotive.pdf

INHALTSVERZEICHNIS
Hinführung
-Die Förderung von Automobil- und Rüstungsindustrie
-Die Automobilindustrie als Rüstungsmotor des Zweiten Weltkriegs

Überblick: Fahrzeughersteller der Bundeswehr
-KASTEN: Mercedes-Benz AG
-Betriebsgeschichtliche Wurzeln in den Rüstungskonzernen der NS-Zeit
-Aktuelle Rüstungsgeschäfte deutscher Automobilproduzenten
-KASTEN: Rüstung aus dem Ausland

Branchenüberlappungen zwischen Automobil- und Rüstungsindustrie
-Methode
-Zuordnung zur Rüstungsbranche
-Zuordnung zur Automobilbranche
-Weitere Merkmale
-Ergebnisse
-Hersteller
-Zulieferer ohne sichtbaren Rüstungsbezug
-Auf Militärprodukte spezialisierte Zulieferer
-Sonderkategorie: Kerngeschäft Rüstung
-KASTEN: Personelle Überschneidungen
-Die Robert Bosch AG – Ein Beispiel außer der Reihe

Fazit

Gesamte Studie zum herunterladen: 
https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2020-06-Automotive.pdf


2.) Dronenbewaffnung: Kommentare

IMI-Standpunkt 2020/052 - in: junge Welt, 7.10.2020
SPD in Gefechtsstellung
Beschaffung von Kampfdrohnen
http://www.imi-online.de/2020/10/07/spd-in-gefechtsstellung/
Marius Pletsch (7. Oktober 2020)

Die Entscheidung über die Bewaffnung der bereits geleasten 
»G-Heron-TP«-Bundeswehr-Drohnen rückt näher. Bislang fliegen die Drohnen 
der Bundeswehr ohne Raketen und Bomben. Jedoch war man an den oft 
völkerrechtswidrigen Drohneneinsätzen befreundeter Staaten beteiligt, 
etwa durch die Weitergabe von Informationen. Die Bundesregierung hat mit 
einer deutlicheren Abgrenzung und öffentlichen Kritik an der Praxis der 
»gezielten Tötungen« von USA, Großbritannien und Frankreich so lange 
gewartet, bis die Bewaffnung der bundeswehreigenen Drohnen in greifbare 
Nähe rückte. Nun steht eine grundsätzliche Weichenstellung an, ob 
Deutschland über diese Waffensysteme und die Möglichkeiten, die diese 
mitbringen, verfügen soll.

Nach mehreren Veranstaltungen des Bundesverteidigungsministeriums fand 
am Montag eine Sachverständigenanhörung im Verteidigungsausschuss des 
Bundestages statt. Das zentrale Argument der Befürworter ist und bleibt 
der Schutz der eigenen Soldaten. Doch der Einsatz zur sogenannten 
Luftnahunterstützung ist bislang kaum Praxis, und die Bundesregierung 
konnte keine Fälle benennen, wo bewaffnete Drohnen von Partnernationen 
zu diesem Zwecke in Afghanistan für die Unterstützung von deutschen 
Streitkräften angefordert oder eingesetzt wurden.

Die SPD formulierte Ende Juni 2020 »strenge Bedingungen«, unter denen 
sie die Drohnenbewaffnung mittragen könne. Die meisten Kriterien der SPD 
stellen keine großen Hürden für das Verteidigungsministerium und die 
Bundeswehr dar. Die Fachpolitiker der Fraktion positionieren sich nun 
nach der Anhörung deutlicher, liebäugeln mit der Zustimmung. Der 
Abgeordnete Fritz Felgentreu sagte, wenn der Schutz der Soldaten zur 
»Grundlage einer Beschaffung wird, dann können wir uns auch vorstellen, 
einer Beschaffung zuzustimmen«. Lange wird man mit einer Entscheidung 
nicht warten wollen, im Bundestagswahlkampf soll die Frage kein Thema 
werden.

Einen Konsens gibt es in der Fraktion nicht: »Kampfdrohnen sind das 
Gegenteil von sozialdemokratischer Außen- und Friedenspolitik«, sagt 
Hilde Mattheis vom Forum Demokratische Linke 21. Anfang des Jahres 
versuchte der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich in der Frage der 
»Tornado«-Nachfolge und der nuklearen Teilhabe friedenspolitische 
Akzente zu setzen. Mit dem Schritt des Einstiegs in die Kriegführung mit 
Drohnen würde sich die Partei in die entgegengesetzte Richtung bewegen. 
Nach der Anhörung bleiben wichtige Fragen offen. Unpräzise 
Formulierungen in den Einsatzgrundsätzen des Verteidigungsministeriums 
bieten keinen ausreichenden Schutz vor einem Einsatz dieser Waffen.


IMI-Standpunkt 2020/051
Keine bewaffneten Drohnen – die Drohnendebatte war eine Scheindebatte
http://www.imi-online.de/2020/10/06/keine-bewaffneten-drohnen-die-drohnendebatte-war-eine-scheindebatte/ 

Tobias Pflüger (6. Oktober 2020)

Annegret Kramp-Karrenbauer hat bei der Haushaltsdebatte im Bundestag 
keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Entscheidung für bewaffnete 
Drohnen jetzt durchdrücken will. Die geplante Bewaffnung der Heron TP 
ist nur der Anfang. Wenn diese Drohne bewaffnet wird, dann wird die 
anvisierte Eurodrohne erst recht bewaffnet. Eine entsprechende 
Beschaffungsvorlage hat die Ministerin ja angekündigt. Die 
Bundesregierung bereitet den deutschen Einstieg in den Drohnenkrieg vor, 
als gäbe es in Corona-Zeiten nichts Dringenderes als neue 
Rüstungsprojekte. Die Bewaffnung von Drohnen ist kategorisch abzulehnen, 
weil das eine falsche Grundsatzentscheidung ist. Die Kriegsführung, der 
Einsatz von Sprengmitteln wird damit niederschwelliger, der Trend zur 
Automatisierung des Krieges ist wird damit gestartet.

Diese Sorge bestätigte kürzlich auch eine neue Studie der 
Regierungsberater von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP), in 
der es hieß: „Sollte die Heron TP bewaffnet werden, wäre dies der erste 
Schritt zur Beschaffung wei­terer deutscher Kampfdrohnen. Dazu gehö­ren 
die oben erwähnte Eurodrohne wie auch das Future Combat Air System 
(FCAS). [M]it der Bewaffnung ferngesteuerter Drohnen [ist] auch ein 
Trend zu autonomen Fähigkeiten verbunden […]. Technische Entwicklungen 
von Hard- und Software ermöglichen eine eigenständige Navigation und 
Steuerung. Langfristig wird das System auch imstande sein, in komplexen 
Lagen dynamische Ziele auszuwählen und zu bekämpfen.“

Die insbesondere vom Verteidigungsministerium veranstaltete sogenannte 
Drohnendebatte 2020 war von Anfang an ein großer Bluff. Intern hat die 
Bundeswehr die Vorbereitungen für Kampfdrohnen längst getroffen. Es 
braucht nur noch ein Ja des Bundestages, dann wird die Heron TP sofort 
mit Waffen ausgestattet. Dementsprechend einseitig war auch die 
organisierte Debatte: Drohnenopfer wurden nicht gehört, auch keine 
ehemaligen Drohnenpiloten, die ihren Einsatz heute teilweise sehr 
kritisch sehen. Bei jeder Debatte wurde akribisch darauf geachtet, dass 
diejenigen, die die Drohnen-Bewaffnung befürworten, deutlich 
ausführlicher zu Wort kommen. Selbst aus den Reihen der Bundeswehr war 
keine Kritik zugelassen.


Mehr Informationen über die Mailingliste IMI-List