[IMI-List] [0564] Corona: Bundeswehr-Großeinsatz? / Analysen: Tornado – EUTM – Guterres-Rede

IMI-JW imi at imi-online.de
Fr Mär 27 15:26:44 CET 2020




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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0564 .......... 23. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

derzeit überschlagen sich die Ereignisse ein wenig: Heute wurde 
gemeldet, ein – verfassungsbrechender - Bundeswehr-Corona-Großeinsatz 
stehe möglicherweise kurz bevor – dazu findet sich eine erste Analyse am 
Ende dieser Mail.

Gestern wurde zudem über eine milliardenschwere Vorentscheidung in 
Sachen Tornado-Nachfolge entschieden und Anfang der Woche wurde das 
Mandat der militärischen EU-Trainingsmission EUTM Mali noch einmal 
gefährlich ausgeweitet. Zu beiden Themen haben wir bereits Analysen 
erstellt, auf die in dieser IMI-List verwiesen wird.

Und weil das alles reichlich düster ist, wollen wir hier noch einmal 
nachdrücklich auf die großartige, ebenfalls in dieser Woche gehaltene 
Rede von UN-Generalsekretär António Guterres für einen weltweiten 
Waffenstillstand in Zeiten der Corona-Krise hinweisen, die aus unserer 
Sicht im Rahmen der Ostermärsche als Kernforderung Verbreitung finden 
sollte, auch wenn keine Demonstrationen stattfinden werden.

IMI-Mitteilung
Aufruf: Für einen weltweiten Waffenstillstand – Stoppt die 
Auslandseinsätze und die Rüstungsproduktion!
Für den Aufbau eines globalen, widerstandsfähigen und solidarischen 
Gesundheitssystems!
http://www.imi-online.de/2020/03/26/aufruf-fuer-einen-weltweiten-waffenstillstand-stoppt-die-auslandseinsaetze-und-die-ruestungsproduktion/ 

IMI (26. März 2020)

IMI-Analyse 2020/17
Fauler Tornado-Kompromiss
Milliardenteure Anschaffung von Eurofighter und F-18
http://www.imi-online.de/2020/03/26/fauler-tornado-kompromiss/
Jürgen Wagner (26. März 2020)

IMI-Analyse 2020/16
EU-Mandat ausgeweitet, Zweck unklar
Das Geflecht militärischer Interessen und Akteure in Mali mutiert weiter.
http://www.imi-online.de/2020/03/25/eu-mandat-ausgeweitet-zweck-unklar/
Christoph Marischka (25. März 2020)

IMI-Mitteilung
Antimilitaristischer Podcast Ausgabe 20
http://www.imi-online.de/2020/03/20/antimilitaristischer-podcast-ausgabe-20/ 

(20. März 2020)

Dokumentation - in: junge Welt, 20.3.2020
»Müssen zivile Organisationen deutlich stärken«
http://www.imi-online.de/2020/03/20/muessen-zivile-organisationen-deutlich-staerken/ 

Michael Schulze von Glasser (20. März 2020)


1.) IMI-Artikel: Bundeswehr-Corona-Großeinsatz

IMI-Standpunkt 2020/010
Verfassungsbruch in Vorbereitung
Bundeswehr plant Mobilisierung von 15.000 Soldat*innen für den 
Inlandseinsatz
http://www.imi-online.de/2020/03/27/verfassungsbruch-in-vorbereitung/
Martin Kirsch (27. März 2020)

Bisher liefen die Vorbereitungen für einen großen Inlandseinsatz der 
Bundeswehr in kleinen Schritten. Am 14. März forderte Bayerns 
Ministerpräsident Söder einen flächendeckenden Inlandseinsatz der 
Bundeswehr. In der Bundespressekonferenz am 19. März präsentierte die 
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die Strategie der Bundeswehr 
für ihren Einsatz gegen die Corona-Pandemie. Dabei brachte sie auch den 
Einsatz von Soldat*innen für den Objektschutz von Kritischer 
Infrastruktur in Deutschland ins Gespräch. Generalinspekteur Zorn 
beschwichtigte noch, indem er behauptete, die Bundeswehr werde nicht 
Streife fahren oder „Corona-Partys“ auflösen. Durch einen Bericht der 
Stuttgarter Zeitung am gestrigen 26. März wurde bekannt, dass das 
Innenministerium von Baden-Württemberg mit der Bundeswehr im Gespräch 
ist, ob nicht Soldat*innen, die wegen einem hohen Krankenstand 
geschwächte Polizei unterstützen könnte. Damit stehen auch gemeinsame 
Patrouillen von Polizist*innen und bewaffneten Soldat*innen in der 
Öffentlichkeit im Raum.

Am heutigen 27. März übertraf ein Bericht des Spiegels alle 
Befürchtungen: Die Bundeswehr macht mobil. Bis zum 3. April sollen 
15.000 Soldat*innen für den Einsatz im Inland bereitstehen.
Nach den aktuellen Plänen sollen in einer Woche 6.000 Soldat*innen für 
die nicht weiter definierte "Unterstützung der Bevölkerung", 2500 
Logistiksoldat*innen mit 500 Lastwagen für "Lagerung, Transport, 
Umschlag" und 18 Dekontaminationsgruppen mit etwa 250 Soldat*innen der 
ABC-Abwehr für Desinfektionsaufgaben zur Verfügung stehen. Darüber 
hinaus sollen allerdings auch über 6.000 Soldat*innen, 5.500 für 
"Absicherung/Schutz" und 600 Militärpolizist*innen der Feldjäger für 
"Ordnungs-/Verkehrsdienst" einsatzbereit gemacht werden.

Um diesen, in der bisherigen Geschichte der BRD nicht gekannten 
Großeinsatz der Bundeswehr zu führen werden Generalleutnant Martin 
Schelleis, dem Nationalen Territorialen Befehlshaber der Bundeswehr, 
vier regionale Stäbe unterstellt. Dabei handelt es sich allerdings nicht 
um die bisher in Katastropheneinsätzen, wie bei Hochwasser und extremen 
Schneefällen, erprobten Strukturen der 
Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit. Stattdessen werden die 
Führungsstrukturen der Kampftruppen der Bundeswehr aktuell als regionale 
militärische Führungsstrukturen vorbereitet.
So soll das Marinekommando in Rostock für Mecklenburg-Vorpommern, 
Schleswig-Holstein und Hamburg und das Luftwaffen-Kommando in Berlin für 
Berlin und Brandenburg zuständig sein.
Die 1. Panzerdivision des Heeres in Oldenburg soll die Soldat*innen in 
Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen führen und 
die 10. Panzerdivision im bayerischen Veitshöchheim das Kommando für 
Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz 
und das Saarland übernehmen.

In den bisher bekannten Berichten über diese Mobilmachung ist von einer 
Rechtsgrundlage gar nicht erst die Rede. Die Bereitschaft von knapp 
9.000 Soldat*innen für „Unterstützung der Bevölkerung“, Logistik und 
ABC-Abwehr lässt sich, unabhängig von weiterer Kritik, mit dem Artikel 
35 im Grundgesetz (Amts- und Katastrophenhilfe) juristisch 
rechtfertigen. Wie der Einsatz von über 6.000 Soldat*innen und 
Feldjäger*innen für Polizei(ähnliche) exekutive Aufgaben im Inland 
allerdings mit der bestehenden Verfassung in Einklang gebracht werden 
soll, ist völlig offen. Alle bisherigen Auslegungen des Paragraphen 35 
geben diese Einsatzoptionen nicht her. Exekutive Aufgaben blieben damit, 
auch angesichts einer Pandemie, eine ausschließliche Funktion der 
Polizei. Eine bestehende Option für bewaffnete Einsätze der Bundeswehr 
im Inland sieht das Grundgesetz in Artikel 87a, dem sogenannten Inneren 
Notstand vor, der ausschließlich greift, wenn der Bund, ein Land, oder 
die Verfassungsordnung durch militärisch organisierte und bewaffnete 
Unruhen bedroht wären. Die zweite Option ist der Spannungs- und 
Verteidigungsfall (Artikel 115a), also der Moment in denen die Regierung 
die Kriegsvorbereitung, oder den Kriegseintritt Deutschlands erklärt. 
Beide Optionen sind damit für den aktuellen Fall offensichtlich 
ausgeschlossen.

Damit bleibt nur eine Schlussfolgerung: Verteidigungsministerium, 
Bundeswehr und die beteiligten Innenministerien, z.b. Baden-Württemberg, 
bereiten aktuell mit Ansage einen offensiven Verfassungsbruch vor. Dass 
es in der aktuellen Corona-Pandemie für Innenminister Seehofer nicht so 
wichtig ist, was das (Grund)gesetz sagt, bewies er bereits in der 
Pressekonferenz zur Ankündigung von Grenzschließungen am 15. März. Auf 
die Frage eines Reporters nach der Rechtsgrundlage der Grenzschließungen 
antwortete er: „Da gibt’s den Artikel 28 des Schengener Grenzkodex. Aber 
jetzt muss ich ihnen ganz ehrlich mal sagen; Es ist schön, wenn man so 
eine Grundlage hat, aber im Moment geht mir der Gesundheitsschutz der 
Bevölkerung über alles. Es gibt auch Notsituationen, wo ein Staat, 
selbst wenn so ein Artikel nicht vorhanden wäre, handeln müsste.“ Damit 
spielte Seehofer bereits vor knapp zwei Wochen mit der Rechtsfigur des 
‚übergesetzlichen Notstands‘ und damit mit der Option die Verfassung 
angesichts der aktuellen Lage bewusst und offensiv zu brechen.

Was den Einsatz der Bundeswehr in Inland angeht ist jetzt der Punkt 
gekommen, wo sich auf diesen Verfassungsbruch aktiv vorbereitet wird. 
Ist dieser Geist erst einmal aus der Flasche, wird er dahin so schnell 
nicht zurückkehren. Damit ist auch der Punkt gekommen, wo sich 
Zivilgesellschaft, Friedens-, Bürgerrechts- und Antifaschistische 
Bewegung aktiv gegen diesen autoritären Schritt wehren müssen. Über die 
Welt nach der Corona-Pandemie wird jetzt entschieden!



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