[IMI-List] [0475] Bericht IMI-Kongress

IMI-JW imi at imi-online.de
Mo Nov 28 16:51:42 CET 2016




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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0475 .......... 19. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich der Bericht zum 20. Kongress der 
Informationsstelle Militarisierung: „Kein Frieden mit der Europäischen 
Union“

Der nachfolgende Bericht soll einen groben Einblick über die Beiträge 
beim IMI-Kongress vermitteln. Wer es genauer wissen – bzw. hören – 
möchte, sei auf folgende Seite verwiesen, auf der jetzt Schritt für 
Schritt die Audios des Kongresses zu finden sein werden: 
http://www.imi-online.de/2016/11/24/beitraege-des-imi-kongress-2016-als-audio-dateien/

Wir haben uns sehr über die vielen positiven Rückmeldungen gefreut und 
wollen uns auf diesem Wege auch nochmal bei allen Bedanken, die zum 
Gelingen des Kongresses beigetragen haben.


IMI-Standpunkt 2016/038
Kein Frieden mit der Europäischen Union
Bericht vom 20. Kongress der Informationsstelle Militarisierung
http://www.imi-online.de/2016/11/28/kein-frieden-mit-der-europaeischen-union/ 

IMI (28. November 2016)

Vom 18. bis zum 20. November 2016 lud die Informationsstelle 
Militarisierung (IMI) zu ihrem inzwischen zwanzigsten jährlichen 
Kongress nach Tübingen ein. Insgesamt nahmen über 150 Interessierte an 
dem Kongress mit dem Titel „Kein Frieden mit der Europäischen Union“ 
teil, der sich intensiv mit verschiedensten Aspekten der EU-Außen- und 
Militärpolitik beschäftigte. Einigkeit bestand dabei vor allem in drei 
Dingen, die gleichzeitig auch wesentliche Schlussfolgerungen des 
Kongresses darstellen: Erstens, dass sich der bevorstehende britische 
Austritt aus der EU in Kombination mit der Wahl Donald Trumps als 
Brandbeschleuniger auswirken werden, da beide Ereignisse genutzt werden 
sollen, um die Militarisierung der Europäischen Union und ihr Aufstieg 
zu einer „Supermacht“ in bislang ungekanntem Ausmaß voranzutreiben. 
Zweitens, dass eine grundsätzliche EU-Kritik auch nicht davor halt 
machen darf, die Organisation selbst in Frage zu stellen. Und 
schließlich drittens, dass alle wesentlichen linken alternativen 
Europakonzeptionen daran kranken, auf dem „Militärauge“ blind zu sein. 
Die Aufgabe der Friedens- und Antikriegsbewegung besteht deshalb 
unmittelbar auch darin, diese Lücke zu schließen und antimilitaristische 
Fragen aktiv in die linke EU-Debatte hineinzutragen.

Der Auftakt des IMI-Kongress am Freitagabend startete in bester 
Tradition im Wohnprojekt Schellingstraße, einer ehemaligen Kaserne, in 
entspannter Atmosphäre. Bei gemeinsamen Essen lud dies zu Diskussionen 
als Einstimmung auf die kommenden zwei Tage ein. Begleitet wurde der 
erste Abend von einem zumeist nicht ganz so ernst gemeinten Programm, 
das aber neben einigen scharfen Seitenhieben auch nachdenkliche Momente 
mit sich brachte: Ein Zusammenschnitt mit zahllosen prominenten 
politischen Stimmen aus dem Off zur Rolle der EU nach der Wahl von Trump 
zeigte gleich zu Beginn, zu welchem neuen Militarisierungsschub dieses 
politische Ereignis instrumentalisiert werden soll. Christoph Marischka 
führte dann in das Programm ein. Im Anschluss ging es amüsanter und 
beschaulicher mit einem Vortrag zur Ideologie Europas „auf 
Postwertzeichen unter besonderer Berücksichtigung der Michelnummer 2113“ 
durch Thomas Mickan weiter. Anhand einer bestimmten Europabriefmarke 
zeichnete er dabei die Idee Europas nach und wie diese ganz 
unterschiedlich verstanden werden kann. Vera Lebedeva offerierte dem 
Publikum einen differenzierten Blick von Russland auf die EU und den 
krönenden Abschluss lieferte ein musikalisches Duett über die „normative 
Macht EUropa“.

EUropa und die Neusortierung der Welt

Am Samstag startete der Kongress mit dem Panel „Europa und die 
Neusortierung der Welt“, wobei der erste Beitrag von Erhard Crome 
(Berlin) die Auswirkungen der Wahl von Donald Trumps zum US-Präsidenten 
auf die internationale Politik und das künftige transatlantische 
Verhältnis in den Blick nahm. Mit dessen Wahl werde deutlich, dass drei, 
viele Jahre prägende Tendenzen in den internationalen Beziehungen ihrem 
Ende zu gehen: Erstens werde durch die zunehmende Verlagerung des 
weltwirtschaftlichen Zentrums nach Ostasien die lang anhaltende 
Vorherrschaft des Westens zu einem Ende kommen. Zweitens habe sich der 
spätestens seit der Zeit Reagans und Thatchers Anfang der 1980er Jahre 
dominierende Neoliberalismus weitgehend diskreditiert: „Nichts von dem, 
was versprochen wurde, hat sich für die abhängigen Beschäftigten und die 
Armen erfüllt“, so Cromes Urteil. Und drittens sei davon auszugehen, 
dass auch die Phase der unilateralen US-Machtentfaltung, die im „Krieg 
gegen den Terror“ ihren unrühmlichen Höhepunkt fand, vorbei sei. „Die 
Kriege, die dieser Spätimperialismus geführt hat, haben nichts als 
zerstörte Städte und Länder hinterlassen.“ Unter dem Vorbehalt, dass 
sehr Vieles noch nicht sicher zu bewerten sei, formulierte Crome 
anschließend folgende wahrscheinliche Richtungen für eine Trumpsche 
Außen- und Militärpolitik: Auf der eine Seite bestehe erstens offenbar 
die Chance auf eine Entspannung mit Russland; und zweitens gäben Trumps 
wiederholte Verweise, der Menschenrechtsimperialismus vergangener Jahre 
sei ein Irrweg gewesen, Anlass zur Hoffnung auf einen Kurswechsel. Auf 
der anderen Seite sei in der Israel-Politik, angesichts des Vorhabens, 
den US-Militärapparat weiter massiv ausbauen zu wollen, mit neuen 
Verschärfungen zu rechnen. Ebenso problematisch seien die Ankündigungen, 
einen Wirtschaftskrieg gegen China zu führen. „Vieles wird anders, aber 
es wird deshalb nicht notgedrungen besser“, so Cromes abschließendes 
Fazit. Dies gelte insbesondere auch, weil sich in Deutschland und in der 
Europäischen Union unter Verweis auf Trump das Bestreben verstärke, den 
eigenen Militärapparat massiv auszubauen.

An dieser Stelle setzte auch der zweite Beitrag von Jürgen Wagner, 
geschäftsführendes IMI-Vorstandsmitglied, an. Er beschäftigte sich mit 
der „EU-Globalstrategie nach dem Brexit“, indem er zunächst auf 
Aussagen, wie u.a. der EU-Außenbeauftragen Federica Mogherini einging, 
nun, nach der Wahl Donald Trumps, bleibe der EU überhaupt nichts anderes 
mehr übrig, als massiv aufzurüsten und sich zu einer „Supermacht“ 
aufzuschwingen. Wagner verwies hier allerdings darauf, dass diese Pläne 
keineswegs neu seien. Die EU verfolge seit vielen Jahren eine Art 
„Supermacht-Strategie“, die im Kern aus zwei Elementen bestehe: Zum 
einen aus der Expansion in den erweiterten Nachbarschaftsraum und seiner 
Integration in die EUropäische Wirtschaftszone; und zum anderen aus dem 
Aufbau eines Militärapparates, um diesen imperialen Großraum notfalls 
auch gewaltsam unter Kontrolle bringen zu können. Während die EU mit dem 
ersten Ziel sehr „erfolgreich“ gewesen sei, habe sich der Aufbau einer 
schlagkräftigen Militärmaschine als schwierig erwiesen. Nun sei aber 
eine neue Situation eingetreten, so Wagner: „Der 2014 eingeleitete 
Schwenk Deutschlands zu einer militaristischen Weltmachtpolitik sorgt in 
Kombination mit der Eskalation im Verhältnis zu Russland für einen 
enormen Militarisierungsschub. Hinzu kommt nun auch noch der britische 
Austritt aus der EU und die Wahl Donald Trumps, die diesen Prozess noch 
einmal massiv beschleunigen dürften.“ Als Grund nannte Wagner die 
Tatsache, dass Großbritannien bislang nahezu jede Initiative zum Ausbau 
des EU-Militärapparates behindert habe, hierzu aber künftig nicht mehr 
in der Lage sein werde. Vor diesem Hintergrund sei unmittelbar nach dem 
britischen Referendum am 23. Juni 2016 eine neue EU-Globalstrategie 
verabschiedet worden, in der es heißt, die EU benötige „militärische 
Spitzenfähigkeiten“, weshalb ihr demzufolge „das gesamte Spektrum an 
land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der 
strategischen Grundvoraussetzungen, zur Verfügung stehen muss.“ 
Unmittelbar im Anschluss daran hätten Deutschland und Frankreich eine 
Reihe von Papieren veröffentlicht, die auf die Umsetzung langjähriger, 
aber bislang von Großbritannien behinderter Militarisierungsschritte 
abzielten. „Durch die Wahl Trumps erhalten diese Pläne zusätzlichen 
Rückenwind, sodass die Chancen für einen massiven Ausbau des 
EU-Militärapparates aktuell so ‚günstig‘ stehen, wie noch nie“, so Wagner.

Chaos und Krieg im „Nachbarschaftsraum“

Das zweite Panel „Chaos und Krieg im ‚Nachbarschaftsraum‘” wurde von 
Claudia Haydt, IMI-Vorstandsmitglied, eröffnet. Haydt sprach über die 
Strategie der EU in Osteuropa, die Russland als militärischen Aggressor 
gegen europäische Expansionspolitik sehe und daher die Sicherung ihrer 
östlichen Außengrenzen vorantreibe. Ein wenig beachtetes Beispiel der 
europäischen Eskalationspolitik sei dabei die Entwicklung in der 
Republik Moldau. 1990 habe sich Transnistrien, der östliche Teil des 
Landes, abgespalten und stehe seither politisch sowie militärisch unter 
russischer Kontrolle, während der Westen einen EU-Beitritt angestrebt 
habe. Das arme Auswanderungsland sei für die EU vor allem zur Sicherung 
der Außengrenzen nützlich; eine Taktik, die sich seit 2005 in einer 
militärischen EU-Grenzsicherungsmission (EUBAM) manifestiere, so Haydt. 
Dabei sei es das Ziel der EU-Politik gewesen, die Bürger_innen der 
Republik Moldau zu einem Teil der Konfrontation mit Russland zu machen, 
ohne ihnen jedoch die Einreise in die EU zu ermöglichen. Und auch die 
neuesten EU-Verträge brächten den Moldawier_innen nur wenig 
Erleichterung: Das 2014 implementierte Assoziierungsabkommen sichere den 
moldawischen Bürger_innen inzwischen zwar eine Visumsfreiheit für die 
Europäische Union zu, doch eine Arbeitserlaubnis bedeute dies 
selbstverständlich noch nicht; die meisten Migrierenden würden daher 
weiter illegalisiert. Diese Ungerechtigkeit habe seit zwei Jahren, so 
Haydt weiter, zu anhaltenden Protesten aus der Zivilbevölkerung gegen 
die korrupte Führung im eigenen Land und gegen die ungerechte EU-Politik 
geführt. Während Russland inzwischen die wesentlichen Handelsbeziehungen 
zur Republik gekappt habe, versuche die EU das Land immer weiter in das 
europäische Militärbündnis – nicht aber das Wirtschaftsbündnis – zu 
integrieren: Es werde eine „Konvergenz im Bereich der Außen- und 
Sicherheitspolitik” angestrebt. So sei die Republik Moldau bereits an 
der EU-Militärmission in Mali und dem NATO-Einsatz in Afghanistan 
beteiligt. „Die kleine moldawische Armee” solle damit „immer näher an 
die NATO und an die EU herangeführt” werden, so Haydt. Dass diese 
Entwicklungen bei den Bürger_innen weiter für Unmut sorgten, zeige auch 
die jüngste Präsidentschaftswahl im November: Der neue Präsident Igor 
Dodon stehe gegen eine enge EU-Bindung und für einen Eintritt in die 
Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft. Zum ersten Mal hätte dabei auch eine 
größere Anzahl von Menschen aus Transnistrien gewählt, obwohl sich alle 
Wahllokale in der westlichen Republik Moldawien befänden. Aus dem 
Protest der Moldawier_innen gegen die von der EU angestoßene 
Militarisierung und durch das bisher unentschiedene Ringen 
rivalisierender Kräfte im Land entstehe laut Haydt ein ziviler Raum von 
dem sie hoffe, dass er genutzt werde.

Anschließend stellte Christoph Marischka, Mitglied im Vorstand der 
Informationsstelle Militarisierung, die Eskalation in Mali zugespitzt 
als Folge der sich herausbildenden gemeinsamen Außen- und 
Sicherheitspolitik der EU dar. In deren Sicherheitsstrategie von 2003 
sei global schwache Staatlichkeit als Bedrohung Europas definiert 
worden, wobei darunter v.a. die mangelnde Kontrolle peripherer Räume und 
Grenzgebiete verstanden wurde. Damit sei absehbar gewesen, dass die 
Sahel-Region in den Fokus der EUropäischen Außenpolitik gerät, da die 
dortigen Staaten mit einem Vielfachen der Fläche und einem Bruchteil der 
Bevölkerung, mit spärlicher Infrastruktur und geringen Staatseinnahmen 
keine etwa mit Deutschland vergleichbare repressive Präsenz des Staates 
in der Fläche gewährleisten könnten. Die EU-Sicherheitsstrategie sei 
zugleich von einem Nexus zwischen Sicherheit und Entwicklung geprägt, 
der darauf hinauslaufe, „Staatlichkeit“ durch den Aufbau von Polizei- 
und Militärkräften zu „entwickeln“. Auch die USA seien seit 2002 im Zuge 
des Kriegs gegen den Terror verstärkt im Nordwesten Afrikas aktiv. Im 
Ergebnis sei die Region, die heute geopolitisch als „Sahel“ definiert 
wird, umfassend aufgerüstet und militarisiert worden, wobei die 
westlichen Staaten mit Ausbildungsmissionen, Programmen wie der 
Pan-Sahel-Initiative (USA) und dem Stabilitätsinstrument (EU) zugleich 
untereinander um Einflusszonen konkurriert hätten. 2010 hätte die 
Europäische Union eine Initiative zur verstärkten Präsenz des malischen 
Staates im Norden finanziert und zugleich den „Europäischen Auswärtigen 
Dienst“ aufgestellt, der 2011 als erste Regionalstrategie seine 
Sahel-Strategie entwickelte. Der Libyenkrieg und weitere Regimewechsel 
in der weiteren Region (Côte d'Ivoire, Südsudan) hätten daraufhin die 
Lage vollends destabilisiert und zum Ausbruch des Krieges in Mali 
geführt. Dort arbeite Frankreich mittlerweile eng mit sezessionistischen 
Tuareg zusammen, die zugleich die Rückkehr malischer Truppen in den 
Norden verhindern wollen. Diesen vorzubereiten und die malischen Truppen 
aufzubauen, sei jedoch erklärtes Ziel der etwa eintausend deutschen 
Soldat_innen, die dort in ihrem gegenwärtig wahrscheinlich 
gefährlichsten Einsatz stationiert seien. „Die Sahel-Region ist damit 
ein Beispiel dafür, wie wieder innerimperialistische Konflikte im 
globalen Süden innerhalb vermeintlicher Bündnisse und Allianzen als 
internationalisierte Bürgerkriege ausgefochten werden“, so Marischka.

Union in Uniform: Strukturen des Krieges

Unter dem Titel „Union in Uniform: Strukturen des Krieges“ warf Tobias 
Pflüger, IMI-Vorstand und ehemaliger EU-Parlamentarier, einen Blick auf 
die „politischen Voraussetzungen der Militärmacht EUropa“. Die zentrale 
Rechtsgrundlage sei der seit 2009 geltende Vertrag von Lissabon (EUV) 
und seine Artikel 42 bis 46, in denen sich die wesentlichen Bestimmungen 
zur EU-Militärpolitik finden ließen. Artikel 42 enthalte etwa die sog. 
„Beistandsklausel“, eine Art Beistandspflicht, die sogar härter als die 
der NATO formuliert sei. „Die EU ist damit auch ein Militärbündnis und 
das wird mit dem Vertrag von Lissabon festgeschrieben“, so Pflüger. In 
Artikel 43 würden als mögliche Einsatzszenarien u.a. „gemeinsame 
Abrüstungsmaßnahmen“, „Kampfeinsätze“ und „Operationen zur 
Stabilisierung der Lage“ sowie „die Unterstützung für Drittländer bei 
der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet“ genannt. Artikel 
43 lege fest, dass die Entscheidung über den Beginn eines EU-Einsatzes 
beim Rat der Staats- und Regierungschefs liege. Eine zentrale Rolle 
spiele hierbei dann noch das „Politische und Sicherheitspolitische 
Komitee“, in dem die Botschafter_innen der Mitgliedstaaten säßen. 
Weitere wichtige Institutionen seien in diesem Zusammenhang vor allem 
der EU-Militärausschuss und der Militärstab. Durch Artikel 44 (und 46) 
werde es mit der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ) 
möglich, dass Teile der EU-Militärpolitik auf einzelne Mitgliedstaaten 
übertragen werden könnten und der Rest dann außen vor bleibe. „Dieses im 
Vertrag angelegte militärische Kerneuropa ist zentral“, so Pflüger. 
Neben der Koordination der EU-Rüstungsprojekte habe die in Artikel 45 zu 
findende EU-Verteidigungsagentur die wesentliche Rolle, die 
militärischen Aufrüstungsbemühungen der Mitgliedsstaaten zu bewerten, 
wovon das „Recht“ zur Teilnahme an einer SSZ abhänge. Der „Europäische 
Auswärtige Dienst“, dessen Gründung ebenfalls im Lissabon-Vertrag 
angelegt war, sei dabei das „Durchführungsinstrument“, vereinige er doch 
die militärischen, geheimdienstlichen, außenpolitischen und 
entwicklungspolitischen EU-Elemente in sich. Wesentlich sei bei all dem, 
dass weder das EU-Parlament noch der Europäische Gerichtshof realen 
Einfluss auf die EU-Militärpolitik hätten, was Pflüger zu dem 
abschließenden Fazit veranlasste: „Das alles ist auf den ersten Blick 
extrem kompliziert gemacht, aber eigentlich dann auch recht einfach: Es 
wird alles so organisiert, dass die EU-Militärpolitik möglichst 
parlamentsfern und öffentlichkeitsfern ihren Lauf nehmen kann.“

Im Anschluss daran beschrieb Lühr Henken, Sprecher des Bundesausschuss 
Friedensratschlag, die wichtigsten „Komponenten des 
EU-Militärapparates“. Geleitet würden EU-Einsätze mit bis 2.000 
Soldat_innen durch ein seit 2007 existierendes Operationszentrum. 
Aktuell wieder heiß diskutierte Pläne für ein voll ausgestattetes 
Hauptquartier seien bislang gescheitert, sodass bei größeren Einsätzen 
auf nationale Kapazitäten zurückgegriffen werden müsse. 1999 sei die 
Grundsatzentscheidung zum Aufbau einer Schnellen EU-Eingreiftruppe im 
Umfang von 80.000 Soldat_innen gefallen. Ziel sei es gewesen, diese 
Truppe innerhalb von 60 Tagen zum Einsatz zu bringen und sie aus einem 
Pool von 100.000 Soldat_innen, zu dem Deutschland ein Drittel beitragen 
sollte, zusammenzustellen. Nachdem die Umsetzung dieses Ziels Probleme 
bereitet habe, sei das Konzept der seit 2007 einsatzbereiten 
Battlegroups entworfen worden, die aus zwei zwischen 1.500 bis 3.000 
Soldat_innen bestehenden Einheiten zusammengesetzt werden. Wichtige 
Einheiten seien das in Straßburg ansässige Eurokorps, dem auch die 
Deutsch-Französische Brigade angehöre. Weiter spiele das 1. 
Deutsch-Niederländische Korps mit Sitz in Münster eine wichtige Rolle. 
Im Bereich der Aufklärung sei vor allem das EU-Satellitenzentrum in 
Torrejón von Bedeutung und für die Logistik das europäische 
Lufttransportkommando. Seit 2003 führe die EU Einsätze im Rahmen der 
sog. „Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (GSVP) durch. 
Aktuell fänden zehn „zivile“ EU-Einsätze statt, die zum Teil die sechs 
laufenden EU-Militäroperationen flankieren würden. Diese sechs Einsätze 
fänden in Bosnien-Herzegowina (Althea), in Mali (EUTM Mali), in Somalia 
(EUTM SOM), am Horn von Afrika (ATALANTA), im Mittelmeer (Sophia) und in 
der Zentralafrikanischen Republik (EUTM RCA) statt. So problematisch der 
bisherige Umfang der EU-Militarisierung auch sei, verwies Henken aber 
auch darauf, dass hier mit einiger Sicherheit noch nicht das Ende der 
Fahnenstange erreicht sei. In den EU-Operationen würden aktuell „nur“ 
3.500 Soldat_innen eingesetzt, während die Mitgliedsländer insgesamt 
über 1,5 Mio. Soldat_innen verfügen würden. Ähnlich verhalte es sich bei 
den Überwasserkampfschiffen, bei denen neun von insgesamt 130 im Einsatz 
seien. „Will sagen: Da ist noch viel Platz nach oben. Und wenn nichts 
gegen die Militarisierung der EU unternommen wird, wird er genutzt 
werden“, so Henken abschließender Appell.

EUropa unter Waffen: Rüstungsprojekte und Rüstungshaushalte

Im Auftaktbeitrag zum Panel „EUropa unter Waffen“ beschrieb Andreas 
Seifert die Versuche, auf europäischer Ebene eine Rüstungsindustrie zu 
etablieren und betonte dabei die Grundvoraussetzungen der Existenz der 
Industrie auf nationaler Ebene. Er benannte mit OCCAR, EDIR und der 
European Defence Agency die derzeitigen Bemühungen, mit überstaatlichen 
Organisationen Fusionen anzuregen und den Rüstungsmarkt in EUropa zu 
strukturieren. Allerdings täten sich Staaten, die ihre nationale 
Rüstungsindustrie und ihre nationale wehrtechnische Basis als 
Grundbedingungen ihrer Handlungsfähigkeit begreifen würden, dabei 
schwer, diese Kapazitäten und Kompetenzen abzutreten. Das Beispiel der 
Fusion von Nexter und Kraus-Maffei-Wegmann wurde herangezogen, um genau 
diese „Vorbehalte“ zu illustrieren und deutlich zu machen, dass das 
oftmals mit Pathos vorgetragene Bekenntnis zu EUropa zur Hülle wird und 
sich vor allem aus Sicht der Staaten mit nennenswerter Rüstungsindustrie 
auf jene Staaten beziehen sollte, die sich den Luxus eigener Kapazitäten 
nicht leisten können. An der neuen Firma KNDS (KMW+Nexter Defense 
Systems) würde zudem deutlich werden, dass die gefundene Lösung in 
erster Linie die politischen Vorbehalte der Politik abbilde. „Fusionen 
dieser Art“, so schloss Seifert ab, „haben den Anschein, als ob es bei 
ihnen in erster Linie darum geht, ggf. strengere Exportbestimmungen in 
einem der Länder zu umgehen und damit zu einem höheren Umsatz beizutragen.“

„Ein Eurochampion wurde durch die europäischen Staaten, insbesondere 
durch Deutschland und Frankreich, in den letzten Jahrzehnten auf dem 
Feld der Luft- und Raumfahrt etabliert", so Roman Christof in seinem 
Vortrag zum Airbus-Konzern und dem Großprojekt A400M. Airbus als erster 
europäischer Rüstungskonzern müsste dabei im Kontext der Kooperation 
mitwirkender Nationalstaaten verstanden werden, bei gleichzeitig 
weiterbestehender Konkurrenz. Mit dem Auftrag der Regierungen an die 
einzelnen nationalen Luft- und Raumfahrtunternehmen und der Schaffung 
zwischenstaatlicher Rahmenbedingung für deren wirtschaftlichen Verkehr 
untereinander sei erst der Grundstein für Airbus gelegt worden. Durch 
diesen Konzern sollte „ein auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger 
Rüstungskonzern geschaffen werden, der den beteiligten Staaten mit 
Rüstungsgütern die gewünschten wehrtechnischen Fähigkeiten bereitstellen 
kann“, so der Referent weiter. Ob dies mit Produkten wie dem A400M 
wirklich erreicht wurde, bleibe fraglich. Ein Großprojekt, bei dem die 
Risse nicht nur durch den Rumpf des militärischen Transportflugzeuges 
gehen, sondern genauso durch die veranschlagten Kosten (Preissteigerung 
von mehr als 1,4 Milliarden Euro) und den Liefertermin (Verzögerung von 
mehr als 110 Monate), stelle zwar die Frage der Wirtschaftlichkeit 
solcher Großprojekte, mache aber genauso aufgrund des Festhaltens an 
diesen, die staatlichen Interessen deutlich. Die Unabhängigkeit im 
Bereich der Rüstungsindustrie von außereuropäischen Staaten stehe 
scheinbar an erster Stelle. Es gehe um die Lieferung militärischen 
Geräts, das für eine Nation wie Deutschland und die Bestrebungen einer 
zunehmenden Militarisierung der EU von höchster Bedeutung sei. Ein 
großräumiges und schnell einsetzbares Transportflugzeug sei die 
Voraussetzung für flexible Operationen in jedem Winkel der Erde und 
„damit dem neuerlich unterstrichenen Weltmachtanspruch der EU“. Damit 
leiste der Airbus-Konzern mit seiner Sparte Defence and Space einen 
wichtigen Beitrag für die europäische Staatenkonkurrenz und ihre Kriege.

In dem dritten Beitrag des Panels beschäftigte sich Marius Pletsch mit 
den Plänen mehrerer EU-Mitgliedsstaaten für die Produktion einer Drohne. 
Zunächst ging er jedoch auf das nationale Vorhaben ein, israelische 
Heron-TP Drohnen für mindestens 580 Mio. € über den Hauptauftragsnehmer 
Airbus DS Airborne Solutions zu leasen. Bevor es zum Vertragsabschluss 
komme, der für das Frühjahr 2017 geplant sei, werde noch ein laufender 
Gerichtsprozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf abgewartet. Der 
US-Amerikanische Konkurrent General Atomics, Hersteller der Drohnen 
Predator (Raubtier) und Reaper (Sensemann), hätte gegen die 
Vergabeentscheidung geklagt. Die Entscheidung für die Heron Drohne solle 
auch ein Schub für die sogenannte „Europäische Drohne“ sein, da die 
israelische Herstellerfirma Israel Aerospace Industries (IAI) 
freigiebiger mit Dokumenten sei und es so zum „Aufbau realen 
industriellen Know-hows bei europäischen Unternehmen“ komme, wie es die 
Bundesregierung formuliert habe. Die Eurodrohne solle bereits 2025 
einsatzbereit sein. An ihrer Entwicklung seien Deutschland, Frankreich, 
Italien und Spanien beteiligt, wobei Deutschland die „Führungsrolle“ 
übernehme und bei der Definitionsstudie, die insgesamt 60 Mio. € kosten 
solle, 18,6 Mio. € (31 % der Gesamtsumme) bezahlen würde. Die drei 
übrigen teilnehmenden Staaten würden sich mit je 13,8 Mio. € (je 23 %) 
beteiligen. Die Koordination des Projektes würde von OCCAR übernommen, 
eben jene Organisation, auf die bereits Seifert eingegangen war. Das 
Geschäft mit Drohnen würde in den nächsten Jahren weiterwachsen, wobei 
der militärische Markt weiterhin der dominantere bleiben werde. „Das 
Geschäft mit den Drohnen selbst macht dabei lediglich einen kleinen Teil 
aus, nicht darin enthalten sind die Sensoren, solche zur Signalerfassung 
oder hochempfindliche Kameras, sowie die Infrastruktur, die für den 
Betrieb der Drohnen nötig sei, wie z.B. Satellitenverbindungen zur 
Kommunikation oder Kryptomodule, um die Datenströme zu verschlüsseln“, 
so Pletsch. Damit Drohnen in Zukunft auch im Luftraum der EU-Staaten 
fliegen können, würden EU-Institutionen günstige Bedingungen schaffen, 
so forsche die Europäische Verteidigungsagentur an Sense-and-Avoid 
Systemen, die für eine Zulassung nötig seien.

Abschließend argumentierte Jürgen Wagner anhand der europäischen 
„Schattenhaushalte und Kriegskassen“, dass aktuell auf verschiedenen 
Wegen versucht würde, massiv EU-Gelder für den Ausbau des 
EU-Militärapparates loszueisen. Ohnehin seien die nationalen 
Militärausgaben der EU-Staaten von 193 Mrd. Euro (2005) auf 200 Mrd. 
Euro (2015) gestiegen. Im Falle Deutschlands sei dies noch ausgeprägter: 
Der Haushalt sei von 27,6 Mrd. Euro (2006) auf aktuell 34,2 Mrd. (2016) 
angewachsen und solle bis 2020 noch einmal auf 39,2 Mrd. angehoben 
werden. Daneben werde versucht, EU-Gelder zu akquirieren und das, obwohl 
Artikel 41(2) des EU-Vertrags es eigentlich verbiete, „Maßnahmen mit 
militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“ aus dem EU-Haushalt 
zu bestreiten. Dieses Verbot solle aktuell durch die geplante 
Einrichtung eines Rüstungsforschungshaushaltes unterlaufen werden. 
„Diese Entwicklung ist von enormer Tragweite“, so Wagner. „Gelingt die 
Einrichtung eines Rüstungsforschungshaushaltes, so wird dies 
Vorbildcharakter für weitere Bereiche haben. Dann dürfte künftig der 
umfassenden Verwendung von EU-Haushaltsgeldern zur Finanzierung eines 
EU-Militärapparates wenig mehr im Wege stehen.“

Migrationsbekämpfung: Die inneren und äußeren Grenzen Europas

IMI-Beirätin Jacqueline Andres referierte im ersten Panel am Sonntag 
über die aktuellen Entwicklungen entlang der vorgelagerten, äußeren und 
inneren Grenzen der EU und versuchte den Blick auf die starke Diskrepanz 
zwischen der Selbstdarstellung der EU und ihrer politischen 
Entscheidungen zu richten. Offiziell versuche die EU mit mittlerweile 
drei Militärmissionen das seit Jahrzehnten andauernde Sterben von 
Migrant_innen an der unsichtbaren EU-Außengrenze im Mittelmeer durch die 
Bekämpfung von Schmuggler_innennetzwerken einzudämmen, doch tatsächlich 
werde die Überfahrt dadurch gefährlicher. Dies habe u.a. dazu geführt, 
dass im Jahr 2016 die bisher höchsten Todeszahlen zu vermerken gewesen 
seien. Entgegen der offiziellen Aussagen der EU, bestehe kein 
politischer Wille, sich für das Wohl und die Sicherheit von 
Migrant_innen einzusetzen. Die drei Militärmissionen, an denen die 
Bundesregierung zum Teil federführend beteiligt ist, bestünden aus der 
seit Juni 2015 aktiven Operation European Naval Forces Mediterranean 
(EUNAVFOR MED), dem diesjährig begonnen NATO-Einsatz in der Ägäis sowie 
der kürzlich in Sea Guardian umbenannten NATO Mission Active Endeavour, 
welche als Bindeglied zwischen den zuvor genannten Operationen im 
gesamten Mittelmeerraum präsent sei. Zu beobachten sei in allen drei 
Operation die Instrumentalisierung der 
Schmuggler_innennetzwerksbekämpfung, welche den beteiligten Staaten das 
Anrecht auf eine permanente bzw. zumindest potenziell langjährige 
Militärpräsenz im Mittelmeer ermögliche, wodurch unter einem humanitären 
Deckmantel geopolitische und wirtschaftliche Interessen militärisch 
gesichert würden. Die Grenzvorverlagerung schreite seit der Gründung der 
europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX im Jahr 2004 kontinuierlich 
voran und habe einen bedeutsamen Schub durch den Rabat- und die 
Khartoum-Prozesse erhalten, welche jeweils in West- und Ostafrika 
umgesetzt würden. Auch in dem von der EU-Kommission im September 2016 
verabschiedeten neuen Partnerschaftsabkommen sei das Ziel die schärfere 
Einreiseeindämmung von illegalisierten Migrant_innen in den Transit- und 
Herkunftsländern und die Erhöhung der Abschiebequote bzw. der 
„Rückführungen“. Dazu würden die Ausbildung und Ausstattung lokaler 
Sicherheitsapparate verstärkt und neue Rückführungsabkommen mit 
Herkunftsstaaten abgeschlossen. Innerhalb der letzten zwei Jahre hätten 
außerdem zahlreiche EU-Mitgliedstaaten Grenzkontrollen wieder eingeführt 
und bzw. oder Grenzzäune errichtet. In Idomeni an der Grenze von 
Griechenland zu Mazedonien, in der an Frankreich angrenzenden 
italienischen Küstenstadt Ventimiglia und der nordfranzösische 
Hafenstadt Calais seien ähnliche Entwicklungen zu sehen: Die 
wiederholten Räumungen selbsterrichteter Camps zeigten, dass die 
jeweiligen politischen Entscheidungsträger_innen jegliche Form der 
Selbstorganisation verhindern wollten und gleichzeitig Solidarität 
zunehmend diffamiert werde. Die an den Grenzen blockierten Migrant_innen 
würden dazu in allen drei Fällen mit Bussen auf landesweit verstreute 
Aufnahmezentren aufgeteilt, wodurch sie einerseits weniger sichtbar 
würden und andererseits auch eine Selbstorganisation erschwert werde. 
Anschließend sprach Jacqueline Andres an, was die Friedensbewegung 
leisten sollte, um diesem Prozess der stetigen Militarisierung der 
externalisierten, internalisierten sowie der äußeren Grenzen der EU 
entgegenzuwirken: „Ein Vorschlag ist es, die Profiteure der 
Technologisierung und Militarisierung des Grenzregimes zu lokalisieren, 
um sie als sichtbare Orte des potenziellen Protests zu etablieren.“

Entzivilisierung: Die Innenräume der Militarisierung

Das zweite Panel am Sonntag „Entzivilisierung: Die Innenräume der 
Militarisierung” behandelte drei Aspekte der EU-Militarisierung ziviler 
Räume. Den Anfang machte Martin Kirsch, der über die Militarisierung der 
EU-Polizeien mit Fokus auf die Entwicklung in Deutschland sprach. Seit 
dem Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo Anfang 2015 sei es, so 
Kirsch, das selbsterklärte Ziel der deutschen Polizei „Waffengleichheit” 
im Kampf gegen den Terrorismus zu erlangen – ein Wettrüsten mit 
Terrorist_innen also. Dieser Anspruch führe zum einen zu einer 
erheblichen Aufstockung der Spezialeinheiten, wie beispielsweise der 
BFE+-Einheit der Bundespolizei, die nach einer Ausbildung durch die GSG 
9-Einheit mit militärischer Bewaffnung und Radpanzern ausgerüstet werden 
solle. Zum anderen würden auch die Dienstwagen der Streifenpolizei mit 
einem „Anti-Terror-Paket” bestückt. Eine solche Aufrüstung, so Kirsch, 
führe zu einer zunehmenden Distanzierung der Polizei von den 
Bürger_innen. Die Ordnungsmacht wirke damit zunehmend einschüchternd und 
eskalierend. Die Militarisierung der deutschen Polizei stehe laut Kirsch 
den Bestrebungen gegenüber, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen – so 
ergebe sich ein Kompetenzgerangel zwischen Militär und Polizei. Auf 
kurze Sicht solle hierbei allerdings eine Einigung stattfinden, für 
Februar 2017 sei bereits eine gemeinsame Anti-Terror-Großübung geplant. 
Im europäischen Kontext seien die Spezialeinheiten der Polizeien im 
Atlas-Verbund organisiert, dem die EU-Staaten, Norwegen sowie die 
Schweiz angehörten und der von EU-Geldern finanziert werde. Für die 
Einsetzbarkeit der Spezialeinheiten innerhalb der EU sorge die 
Solidaritätsklausel des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen 
Union, die einzelnen Staaten in Bedrohungslagen wie Terroranschlägen die 
Hilfe mit allen verfügbaren Mitteln der anderen Mitgliedsstaaten zusichere.
Im zweiten Beitrag sprach Thomas Gruber über die Positionierung der 
Europäischen Union im Cyberraum. Während der Cyberraum im Rahmen des 
Internets oder privaten Kommunikationsnetzen ein vorwiegend zivil 
genutzter Raum sei, versuchten militärische Akteur_innen seit einigen 
Jahren ihre Position im Cyberraum zu stärken. Die Bundeswehr habe den 
virtuellen Raum neben Land, Luft, Wasser und All zum fünften 
Schlachtfeld erklärt und baue inzwischen einen eigenen 
Organisationsbereich zum Cyber- und Informationsraum auf, so Gruber. 
Auch Militärbündnisse wie die NATO rüsteten ihre Cyberwaffen und 
-kapazitäten immer weiter auf. Die EU habe sich laut Gruber dagegen auf 
einige administrative Aufgaben im Cyberkrieg zurückgezogen: Erstens 
sollten Mitgliedsstaaten in Abkommen wie dem „Cyber Defence Policy 
Framework” zur Aufrüstung verpflichtet werden. Zweitens solle die EU 
durch vertragliche Vereinbarungen wie die Solidaritätsklausel einen 
fruchtbaren Boden für militärische Aktionen als Antwort auf 
nicht-militärische Cyberangriffe bieten. Drittens solle die 
Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen der IT-Sicherheitsbranche durch 
„Private Public Partnerships” (PPPs) gefördert und ihnen damit lukrative 
Aufträge zugeschanzt werden. Viertens würde die EU anhand plakativer 
Manöver zur Cyberkriegsführung wie der „Multi Layer” Trainingsmission 
oder der Übung „Cyber Europe” zur Bedrohungshaltung der EU gegen die 
Nachbarstaaten im Osten beitragen.
Der dritte Beitrag von Christopher Schwitanski behandelte die Haltung 
und Arbeitsweise der EU zur „Strategischen Kommunikation" (StratCom). 
Die Strategische Kommunikation, so Schwitanski, ließe sich im 
klassischen Sinne wohl passender als „Propaganda" bezeichnen, in den 
militärischen und staatlichen Publikationen habe sich aber der 
Euphemismus durchgesetzt. Das Ziel der StratCom sei im militärischen 
Kontext meist der Feindpropaganda entgegenzuwirken – in Militärsprache 
der Umgang mit „Desinformationskampagnen" – und dabei Netzwerke mit der 
Zivilgesellschaft des Einsatzlandes und umfassende Pressekontakte 
aufzubauen. Gerade die NATO sei hierbei mit einem eigenen 
Kompetenzzentrum und passenden Konferenzen Vorreiterin. Seit kurzem sei 
allerdings auch die EU in ihren Bemühungen zur Strategischen 
Kommunikation sehr aktiv, so Schwitanski. Inzwischen existiere das 
„Syria Strategic Communication Advisory Team“, die „StratCom Task Force 
South“ im Aufbau, ein Expertisenetzwerk Terrorbekämpfung und das „EU 
Eastern StratCom Team“. Letzteres werde begleitet von Aktivitäten des 
Rundfunksenders „Deutsche Welle“ oder des Europäischen Demokratiefonds 
unter anderem gegenüber Russland als Propagandainstrument genutzt. Als 
Ausblick sollten wir uns, so Schwitanski, vor allem auf eine 
Intensivierung der Strategischen Kommunikation auf EU-Ebene einstellen, 
eine Entwicklung, der wir eine kritische Perspektive entgegenstellen 
sollten.

Linke Europakonzeptionen

Zum Abschluss des Kongresses sprachen Malte Lühmann und Tobias Pflüger 
unter dem Titel „Reform? Neugründung? Widerstand? Linke 
Europakonzeptionen und Ansatzpunkte für konkretes Handeln“ über die in 
den letzten Jahren deutlich lebhafter gewordenen linken Debatten zum 
Thema EU und Europa. Zum Einstieg skizzierte Malte Lühmann aktuelle 
europapolitische Herausforderungen jenseits der Militarisierung. 
Zunächst machte er deutlich, dass die Entwicklung der EU in Richtung 
eines zunehmend autoritären Neoliberalismus nach dem Ende der 
Troika-Politik keineswegs an Fahrt verliere. Aktuell würden sowohl aus 
Brüssel, mit dem 5-Präsidenten-Report zur Vertiefung der 
wettbewerbsorientierten Integration, als auch aus Berlin, mit Schäubles 
Initiative zur Umwandlung des ESM in einen Europäischen Währungsfonds 
mit weitreichenden Kompetenzen zur Disziplinierung der EU-Peripherie, 
Pläne in diese  Richtung verfolgt. Gleichzeitig warnte Lühmann vor dem 
weiteren Anwachsen rechtsextremer und rechtspopulistischer Bewegungen in 
zahlreichen EU-Ländern von Deutschland (AfD) über Frankreich (Front 
National) bis hin zu Ungarn (Jobbik), Finnland (Die Finnen) und vielen 
anderen. Auch diese „falschen Feinde der EU“ stellten eine ernste 
Herausforderung für die Linke dar, so Lühmann. Anschließend präsentierte 
er fünf linke Positionen aus der aktuellen europapolitischen Debatte in 
Deutschland. Als erstes ging es um die Initiative „Europa neu 
begründen“, die im Umfeld der Gewerkschaften entstanden sei und auf eine 
Weiterentwicklung der EU in Richtung Sozialunion abziele. Lühmann 
charakterisierte die Initiative u.a. aufgrund ihrer Unterstützer_innen 
als mögliche Grundlage Rot-Rot-Grüner Europapolitik nach der 
Bundestagswahl 2017. Als zweites sprach er über das Bündnis „Plan B“, in 
dem vor allem Akteure europäischer Linksparteien zusammen gekommen 
seien. Sie suchten als Antwort auf die „Syriza-Falle“ in Griechenland 
nach einem glaubwürdigen linken Plan B als Alternative zum Euro, um die 
Kontrolle über nationale Wirtschaftspolitiken wieder zu erlangen. Eine 
dritte Perspektive biete die maßgeblich von Yanis Varoufakis, dem 
ehemaligen griechischen Finanzminister, gegründete Bewegung DiEM25. 
Lühmann stellte DiEM25 als europäische Bewegung mit auffallenden 
Parallelen zu Attac dar, die sich vor allem um eine Demokratisierung und 
mehr Transparenz der EU-Institutionen bemühe. Mit Blockupy stellte 
Lühmann viertens ein Projekt radikaler, linker Vernetzung vor, das vor 
allem im Protest gegen die EU-Krisenpolitik bei der EZB in Frankfurt in 
Erscheinung getreten sei. Aktuell würde hier die Schaffung einer 
„ultraeuropäischen“ radikalen Bewegung diskutiert und betrieben. In 
gewisser Nähe zu Blockupy sah Lühmann schließlich Positionen, die 
strategisch auf die Organisation von Alltagskämpfen in lokalen 
Stadtteil-, Soli-, und Selbsthilfeinitiativen in vielen europäischen 
Ländern und darüber hinaus setzten.

Tobias Pflüger nahm den Ball an dieser Stelle auf und ordnete die 
dargestellten Strömungen aus antimilitaristischer Perspektive ein. Er 
wies darauf hin, dass zumindest die ersten drei Positionen (insbesondere 
„Europa neu begründen“, „Plan B“ aber auch „DIEM25“) immer noch von der 
grundlegenden Reformierbarkeit der bestehenden Institutionen der EU und 
der EU an sich ausgingen. Spätestens nach dem Inkrafttreten des 
Lissabon-Vertrages sei aber genau das völlig unrealistisch, da in den 
EU-Verträgen nicht nur die innerinstitutionelle Zusammenarbeit und die 
Zusammenarbeit zwischen den Einzelstaaten der EU geregelt sei, sondern 
auch inhaltlich-politische Festlegungen vorgenommen worden wären. So sei 
der wirtschaftspolitische Kurs der EU-Institutionen und der EU an sich 
klar neoliberal ausgerichtet, was sich durch den gesamten geltenden 
EU-Vertrag ziehe. Es würden sogar Einzelmaßnahmen, wie z.B. 
Kapitalverkehrskontrollen, im geltenden EU-Vertrag explizit 
ausgeschlossen. Zentral sei zudem, dass die EU mit dem Inkrafttreten des 
Lissabon-Vertrages auch ein explizites Militärbündnis (geworden) sei. So 
wären sicher graduelle (!) Verbesserungen hin zu sozialerer Politik (mit 
der Begrenzung der inhaltlichen Festlegungen der Verträge) immanent 
möglich, die EU würde aber ihren Charakter als Militärbündnis 
beibehalten. Außer durch einen grundlegenden Bruch mit den oder durch 
die Rücknahme der bestehenden EU-Verträge sei somit realistisch eine 
„Reform“ der EU ausgeschlossen. Deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit 
antimilitaristischen Positionen sah Pflüger bei solchen Strömungen, die 
auf den Aufbau von Alternativen und Gegenmacht außerhalb der und gegen 
die EU-Institutionen und ihre Politik setzten. Auffällig sei bei der 
„europapolitischen“ Debatte von links, dass bisher alle Konzeptionen 
zudem daran krankten, antimilitaristische Fragen komplett auszublenden, 
was eine große Schwäche der aktuellen Debatte darstelle. Weder bei 
„Europa neu begründen“, noch bei „Plan B“ oder „DIEM25“, oder auch sehr 
wenig bei Ansätzen von unten wäre der militärische Charakter der EU Thema.

Pflüger plädierte zudem dafür, die „Ideologie Europa“ noch deutlicher 
einerseits herauszuarbeiten, andererseits zu kritisieren und zu 
entlarven. Durch diese „Ideologie Europa“ werde Akzeptanz für 
Institutionen der EU und die Politik dieser Institutionen erzeugt, die 
diese aufgrund ihres neoliberalen und militaristischen Charakters „nicht 
verdient“ hätten. In der anschließenden lebhaften Diskussion wurden die 
dargestellten Punkte mehrfach aufgegriffen und um wichtige Aspekte 
erweitert. Gegen die Darstellung eines „Europas der (Alltags-)Kämpfe“ 
wurde eingewandt, dass hier die herrschende Konstruktion von Europa als 
Referenzrahmen aufgenommen würde. Diese Grenzziehung gegenüber 
Bewegungen, die außerhalb Europas kämpften, dürfe nicht unhinterfragt 
bleiben, da sie den Blick auf gemeinsame Widerstandspraxen, wertvolle 
Erfahrungen und mögliche Bündnisse über Europa hinaus verstelle. 
Schließlich wurde angemerkt, dass die Entstehung linker EU-kritischer 
Bewegungen und die Debatte um linke Europakonzeptionen trotz aller 
Diskrepanzen eine erfreuliche Entwicklung im Vergleich zu früheren 
Jahren sei. Das Fehlen antimilitaristischer Positionen in dieser Debatte 
zeige vor allem die Notwendigkeit aktiv zu werden und den 
Antimilitarismus – verbunden mit einer Kritik des europäischen 
Imperialismus – in diesem Kontext zu stärken.




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