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<DIV>Lesetipp:<BR>    <BR><A 
href="http://freitag.de/2009/02/09020601.php">http://freitag.de/2009/02/09020601.php</A> 
<BR><BR>Wolfgang Storz im freitag 2/ 2009<BR><BR>Schön 
praktisch<BR><BR>Mindestlohn, Grundeinkommen und sozial-ökologische 
Infrastruktur - das<BR>müssten die Themen der deutschen Linken im Wahljahr 
sein<BR><BR>Was hat die Finanzmärkte und die produzierende Wirtschaft so 
tief<BR>erschüttert? Wie kann die Doppelkrise gedeutet werden? 
Gewerkschafter,<BR>Manager und Politiker haben jeder für sich klare Antworten 
auf diese<BR>Fragen. Aber keine davon ist bisher so stark, dass sie "herrscht" 
und<BR>die öffentliche Debatte prägt.<BR><BR>Die einen sagen: Wir haben es mit 
einer Zeitenwende zu tun. Erst ist der<BR>Realsozialismus untergegangen und nun 
der Marktradikalismus; der eine<BR>ist an der Frage der Demokratie und der 
andere an der sozialen Frage<BR>gescheitert. Die anderen sagen: Wir haben es im 
Kern mit einer<BR>klassischen Überproduktionskrise zu tun. Marktradikale zucken 
lakonisch<BR>mit den Schultern und sagen, das wird sich wieder einrenken. 
Geschulte<BR>Marxisten sehen Verwerfungen voraus. Dazwischen liegen viele 
Varianten.<BR>Der Kampf um die Deutungshoheit ist noch lange nicht 
entschieden.<BR><BR>Was macht diese doppelte Krise aus? Sie ist jedenfalls mehr 
als eine<BR>Wirtschaftskrise. Der Marktradikalismus der letzten Jahrzehnte hat 
nicht<BR>nur die ökonomischen Regeln auf den Kopf gestellt, er hat auch die 
Köpfe<BR>vieler Menschen erobert. Es wurde nicht gewirtschaftet, um Gewinn 
zu<BR>erzielen. Es wurde vorher eine Maximal-Rendite festgelegt und dann 
so<BR>gewirtschaftet, dass sie erreicht wird. Der republikanische 
Bürger<BR>verschwand nach und nach in der Figur des Unternehmers, des Kunden 
und<BR>des Konkurrenten. Politik wurde zum Vollstrecker 
von<BR>betriebswirtschaftlichen Sachzwängen, Demokratie zur Bürokratie. 
Der<BR>Marktradikalismus, der sich bisher nur blamiert und noch nicht 
abgedankt<BR>hat, war und ist also mehr als eine verwerfliche Art von 
Wirtschaften,<BR>er ist eine Lebens- und Denkform. Mit einer Unbeirrbarkeit 
durchgesetzt<BR>von wirtschaftlichen und politischen Eliten, die denen von 
fanatischen<BR>Glaubenskriegern gleichkommt. Insofern haben jene recht, die 
diese Krise<BR>als eine im Kern geistige Krise charakterisieren. Zu ihrer 
Bewältigung<BR>gehören mehr als nur Investitionen und neue Eigenkapitalquoten 
für Banken.<BR><BR>Die gegenwärtige Krise kann als Folge anhaltender 
Ungerechtigkeiten<BR>gedeutet werden. Mit der (Teil-)Privatisierung der 
Sozialsysteme,<BR>Renditewahn und Steuersenkungen einerseits und der Zunahme von 
Dumping-<BR>und Niedriglöhnen andererseits floss immer weniger Geld in 
öffentliche<BR>und immer mehr Geld in wenige private Hände, von dort an die 
Börsen, wo<BR>es rentierliche Anlagen suchte und zunehmend keine fand, weshalb 
neue<BR>riskante Finanzprodukte erfunden wurden. Wenn das die Ursache ist, 
dann<BR>ist die Wiederherstellung von materieller Gerechtigkeit das 
beste<BR>Krisenmanagement. Und wenn Gerechtigkeit die Antwort ist, dann steht 
das<BR>Ziel fest: Es geht um eine Politik der Rückverteilung; von oben 
nach<BR>unten, von den privaten in die öffentlichen Hände.<BR><BR>Besteuerte man 
Millionäre mit einem Prozent höher, dann würden pro Jahr<BR>knapp 20 Milliarden 
Euro mehr in die öffentlichen Kassen fließen. Wäre<BR>das die Sofortmaßnahme, um 
die Schäden der jetzigen Krise von den<BR>Richtigen und nicht von der Mehrheit 
bezahlen zu lassen, so böte das von<BR>Attac und der Gewerkschaft Verdi vor 
Jahren ausgearbeitete Konzept der<BR>solidarischen Einfachsteuer die Grundlage 
für ein künftiges gerechtes<BR>Steuersystem.<BR><BR>Die Doppelkrise weist jedoch 
noch eine Besonderheit auf. In ihrem<BR>schrillen Licht glänzen die aktuellen 
(Krisen-)Instrumente nicht, die<BR>bei den Linken so beliebt sind. Vielmehr 
wirken sie matt und stumpf.<BR>Daran ändert sich auch nichts, wenn heute 
überwältigende Mehrheiten,<BR>einschließlich der vereinigten Marktradikalen von 
Gerhard Schröder bis<BR>Josef Ackermann, für Konsumgutscheine, 
Investitionsprogramme,<BR>Verschrottungsprämien und vieles mehr plädieren. Zu 
groß ist die Gefahr,<BR>damit große Enttäuschungen zu produzieren. Was ist, wenn 
der Staat alle<BR>Vorschläge umsetzt - und alles weniger wirkt als erhofft? Dann 
sind die<BR>Marktradikalen wieder fein raus und die Anhänger von Staat und 
Keynes<BR>kauern im tiefen Glaubwürdigkeitsloch.<BR><BR>Deshalb sollte die Linke 
- ob Anhänger der Linkspartei, der Grünen, der<BR>SPD, der Gewerkschaften, von 
sozialen Verbänden, der christlichen<BR>Soziallehre - um ihrer Glaubwürdigkeit 
willen offen über die engen<BR>Grenzen dieser Strategie reden.<BR><BR>Grenze 
eins: Wird eine solche Politik nationalstaatlich organisiert,<BR>dann wirkt sie 
viel weniger als noch vor zwei Jahrzehnten. Das heißt,<BR>sie entwickelt nur 
ihre Kraft, wenn sie mindestens im Rahmen der<BR>Europäischen Union umgesetzt 
würde.<BR><BR>Grenze zwei: Es dürfen nur die Investitionen und 
Konsumausgaben<BR>gefördert werden, die zugleich die andere Krise, die 
Klimakatastrophe,<BR>nicht mehren, sondern mildern. Die Zeiten, in denen 
Investitionen in<BR>Beton und Asphalt per se als Lösung und nicht als Problem 
galten, sind<BR>vorbei. Es trägt nicht weit, wenn bedeutende Teile der Linken 
-<BR>beispielsweise die IG Metall und ihr verbundene Politiker - für 
eine<BR>Subventionierung der Automobilindustrie fechten, die längst 
zum<BR>Dinosaurier der Industriegesellschaft geworden ist. 
Öffentliche<BR>Finanzmittel sollten strikt nur in Investitionen und Konsum 
fließen, die<BR>unzweideutig den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft 
befördern.<BR><BR>Grenze drei: Wir haben es in den hochproduktiven 
Industriestaaten im<BR>Kern mit einer klassischen Überproduktionskrise zu tun. 
Einerseits sind<BR>viele Menschen zu arm, als dass sie auch mit Hilfe des 
Staates<BR>nennenswert mehr konsumieren können. Andererseits besitzt die 
obere<BR>Hälfte der Gesellschaften alles. Anders gesagt: Wenn weltweit 
die<BR>Produktionskapazitäten der Autoherstellung halbiert werden, dann 
haben<BR>viele hunderttausende Menschen ihren Arbeitsplatz verloren; aber 
kein<BR>Bedürfnis bleibt deshalb unbefriedigt.<BR><BR>Angesichts dieser Fesseln 
und Grenzen rückt zwangsläufig eine vergessene<BR>Idee nach vorn: kürzere 
Arbeitszeiten, das Arbeitsvolumen umverteilen.<BR>Das wiederum führt zu der 
Frage, wie sich ein solches Instrument so mit<BR>der sozialen Absicherung 
koppeln lässt, dass es auch leb- und<BR>finanzierbar wird? Die Periode, in denen 
kürzere Arbeitszeiten bei<BR>vollem Lohnausgleich gefordert werden, ist vorbei. 
Außerdem erzwingt die<BR>neue Arbeitswelt andere Formen der sozialen Sicherung, 
das traditionelle<BR>Normalarbeitsverhältnis ist unter jüngeren Menschen bereits 
eine<BR>Rarität, prekäre Jobs nehmen zu. So landen wir bei dem Konzept 
des<BR>Grundeinkommens, das ebenso viele Vorteile bietet, wie es 
grundsätzliche<BR>Vorbehalte überall, aber vor allem auch in der Linken 
hervorruft.<BR><BR>Ist das Modell - zum Beispiel 750 Euro für jeden Erwachsenen, 
250 Euro<BR>für jedes Kind - deshalb der falsche Weg? Nein. Fest verbunden mit 
einem<BR>Mindestlohn kann die Gefahr des Lohndumpings ausgeschlossen werden. 
Die<BR>Gesetze der Erwerbsgesellschaft bleiben in Kraft, wenn es mit 
der<BR>negativen Einkommenssteuer kombiniert wird. Wer arbeitet, verdient 
mehr<BR>als jene, die "nur" von Grundeinkommen leben. Je nach Höhe 
des<BR>Einkommens wird der Betrag der Grundsicherung nach und 
nach<BR>"weg-besteuert". So wird das Konzept finanzierbar, erhält doch nur 
eine<BR>Minderheit den vollen Betrag.<BR><BR>Was bietet die Idee mehr als andere 
Systeme? Mit ihr lässt die<BR>Gesellschaft endlich die enge Vorstellung von 
Arbeit als reiner<BR>Erwerbsarbeit hinter sich. Erstmals würden alle Tätigkeiten 
honoriert<BR>und respektiert - auch Erziehung, Pflege, Familienarbeit. Da 
diese<BR>Arbeiten meist von Frauen geleistet werden, rückte die Gesellschaft 
mit<BR>dem Grundeinkommen auch der Gleichberechtigung einen 
Riesenschritt<BR>näher. Der Zwang, jeden dreckigen Job anzunehmen, wird 
beträchtlich<BR>gemildert. Es würde ohne entwürdigende Prüfungen 
ausbezahlt.<BR><BR>Das Grundeinkommen wäre eine Antwort auf die neuen 
Unsicherheiten des<BR>Arbeitsmarktes: Teilzeitarbeit, befristete Jobs, 
Projektarbeiten. Die<BR>Übergänge von einer Lebensphase in die andere ließen 
sich mit weniger<BR>Verletzungen bewerkstelligen. Das Austarieren von Familie 
und Beruf wäre<BR>für Paare und Alleinerzieher viel leichter möglich. Zahlreiche 
Varianten<BR>von verkürzten Erwerbsarbeitszeiten wären für viele Arbeitnehmer 
auf<BR>diese Weise überhaupt erst finanzierbar. Mit anderen Worten: Diese 
Art<BR>von Grundsicherung könnte kombinieren, was bisher 
gegeneinander<BR>ausgespielt wurde. Sie stärkt die Freiheit des Einzelnen und 
zugleich<BR>den Gedanken der gesellschaftlichen Solidarität. Wer allerdings 
dem<BR>Menschen nur Faulheit und Schlechtes unterstellt, wer denkt, der 
jeweils<BR>andere funktioniert nur unter Druck und Zwang, der muss strikt 
dagegen<BR>sein. Aus dieser Spannung rührt wohl das Charisma dieser Idee: Sie 
ist<BR>so schön praktisch, zugleich grundsätzlich und so entwaffnend naiv 
dem<BR>Menschen zugewandt.<BR><BR>Gerechtigkeit als moralische und 
wirtschaftlich wirksame Antwort auf die<BR>Krise. Mindestlohn plus sicheres 
Grundeinkommen plus soziale und<BR>ökologische öffentliche Infrastruktur - das 
könnte im Wahljahr 2009 der<BR>Stoff für eine Themen-Koalition der deutschen 
Linken sein. Einer Linken,<BR>der es wichtiger ist, die Idee einer neuen Politik 
für ein gerechtes<BR>Leben zu entwickeln, denn auf überholte Parteigrenzen zu 
achten.<BR><BR>Zuletzt veröffentlichte Wolfgang Storz mit Hans-Jürgen Arlt und 
Wolfgang<BR>Kessler: Alles Merkel? Schwarze Risiken. Bunte 
Revolutionen.<BR>Publik-Forum Verlag, 253 S., 15,80 
Euro.<BR></DIV></FONT></BODY></HTML>