[Grundeinkommen-Info] Pilotprojekt Namibia

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Di Aug 5 14:16:31 CEST 2008


http://www.augustin.or.at/index.php?art_id=1084

Würde und Wellblech

Otjivero, Namibia: Erstes Grundeinkommen weltweit

/Für den herkömmlichen Journalismus sind Informationen aus Afrika nur
dann interessant, wenn sie Katastrophen, Kriege und Machtmissbrauch
betreffen. Eine Inflation von Bildern weißer Retter, umringt von
schwarzen Geretteten, komplettiert das Afrika-Image, das die Medien
erzeugen. Dass die BewohnerInnen von Otjivero, Namibia, seit Jänner 
2008
ein Grundeinkommen in der Höhe von monatlich umgerechnet 8 Euro
ausbezahlt bekommen, langweilt den Mainstream-Sensationsjournalismus.
Von ihm wird man kaum erfahren, wie vielversprechend die ersten
Erfahrungen sind. Rev. Dr. Claudia Haarmann, Koordinatorin der dahinter
stehenden Basic Income Grant Coalition und Mitarbeiterin des Desk for
Social Development der Evangelischen Lutherischen Kirche, sprach in
Windhoek mit dem Augustin./

Markus Schallhas 07/2008


*Ihr zahlt an 1200 BewohnerInnen einer typischen ländlichen Siedlung
zwei Jahre lang monatlich 100 Namibische Dollar. Euer Ziel ist es, der
Regierung mit dem Pilotprojekt zu zeigen, dass ein bedingungsloses
Grundeinkommen Sinn macht. Wie schaut das konkret aus? *

Das System funktioniert so, dass jeder zwischen 0 und 59 das Geld
bekommt. Ab 60 gibt es eine staatliche universale Rente. Kinder unter 
21
kriegen das Geld über einen Primary Care Giver. Das ist meistens die
Mutter. Die Auszahlung erfolgt einmal im Monat.

*Ihr, die Basic Income Grant 
Coalition, seid ein Zusammenschluss vieler
wichtiger Gewerkschaften, Kirchen und NGOs ...*

Es stimmt, es sind alle wichtigen Dachverbände dabei. Es ist die größte
zivilgesellschaftliche Koalition gegen Armut seit den Apartheidszeiten.

*Was sind eure ersten Erfahrungen? *

Es ist sehr viel passiert. Die Erwartungen wurden total überschritten.
Das meiste Geld wird für die Grundversorgung ausgegeben. Hunger und
Unterernährung sind ein Riesenproblem. Die Krankenschwester der Klinik
hat gesagt, dass sie vorher regelmäßig, zwei-, dreimal pro Monat Kinder
ins nächste Krankenhaus bringen musste, einfach wegen Unterernährung,
und seit Januar gibt es das nicht mehr. Sie hat keinen einzigen Fall 
von
Unterernährung mehr gehabt, der so schlimm war, dass das Kind ins
Hospital aufgenommen werden musste. Die Durchfallerkrankungen sind
deutlich zurückgegangen. Ein wichtiger Teil der Koalition sind die
Aidsorganisationen. Voriges Jahr waren es drei Leute, die die
Medikamente gekriegt haben, jetzt sind es 36. Und das zeigt, dass der
Bedarf da war und die Leute es sich einfach nicht leisten konnten. 
Damit
die Medikamente wirken, braucht man auch ausreichend zu essen.
Die Schule hat gesagt, dass doppelt so viele Eltern bezahlt hätten. Sie
haben jetzt zum ersten Mal genug Geld, um Papier und Toner für die
Kopiermaschine zu kaufen. Man muss hier einen relativ niedrigen Betrag
für die Schule bezahlen. Das zeigt, wie wichtig es den Leuten ist, 
daf
ür
das Geld auszugeben. Man sieht auch, dass die Leute ökonomisch aktiv
werden. Es haben sich zwei neue Geschäfte gebildet, die
Grundnahrungsmittel verkaufen. Oder Leute backen Brötchen und verkaufen
diese. Auch ein Haarsaloon hat aufgemacht. Das Monopol des bisherigen
Geschäftsbesitzers wurde aufgebrochen, was für die Preise nur gut war.
Das Wichtigste für mich ist, dass den Leuten die Würde zurückgegeben
wurde, dass sie das Gefühl haben, nicht mehr nur Bettler zu sein. Das
merkt man, wenn jemand zu einem kommt und sagt „Ich hab mir eine neue
Hose gekauft. Ich kann jetzt wieder unter Menschen gehen.“ Also, dass
die Leute das Gefühl haben, dass sie sich nicht verstecken müssen, weil
sie nichts wert sind und weil jeder denkt, , dass, wenn sie zum 
Nachbarn
gehen, nur kommen, um Essen zu erbetteln. Leute, die in absoluter Armut
leben, sind von anderen Menschen abhängig, von der Gemeinschaft, von 
der
Regierung. Aber wenn man eine gewisse Einkommenssicherheit hat, dann
hört diese Abhängigkeit auf und sie fühlen sich befreit.
Die Schwesternzeitung des Augustin in Namibia „The Big Issue“ berichtet
auch, dass die meisten Hüttendächer aus Plastik durch solche aus
Wellblech ersetzt wurden.

*Ihr fordert also ein bedingungsloses Grundeinkommen. Kannst du uns
erzählen, wie es dazu kam? *

Die Idee ist in Südafrika intensiv untersucht worden und kommt von den
Gewerkschaften. Nach der
 Apartheid haben diese bei den Verhandlungen 
für
die Verfassung 1993/1994 gesagt, es müsse so etwas wie ein Social
Security System geben. Das vorherige sehr ungleiche System müsse
ausgedehnt werden. Es gab insbesondere eine sehr lange Diskussion über
die Kinderunterstützung, die hauptsächlich auf Weiße und Coloureds
ausgelegt und so hoch war, dass man sie nicht hätte ausweiten können.
Daraus ist der Child Support Grant entstanden. Im Prinzip hat diese
Diskussion in Südafrika gezeigt, wie wichtig die sozialen
Unterstützungen sind. Die Pensionen, der Child Support Grant und auch
die Behindertenrente. Wir [mein Mann Dirk und ich] haben dann
verschiedene soziale Unterstützungssysteme getestet – ein
Haushaltseinkommen, eine Arbeitslosenunterstützung, eine Ausweitung der
Kinderunterstützung und den Basic Income Grant. Und da hat sich 
gezeigt,
wenn man das modelliert, dass der Basic Income Grant zum einen die
billigste Lösung und zum anderen die meisten Leute abdeckt und dadurch
die Armut am besten angreift. Also das war die Diskussion in Südafrika.

*Und in Namibia? *

In Namibia ist es so gelaufen, dass es 2002 eine Steuerkommission gab,
die von der Regierung eingerichtet worden ist. Sie sollte prüfen, wie
man das Steuersystem verändern kann, damit es wirtschaftliches Wachstum
gibt. Die Kommission war der Meinung, dass Armut und Ungleichheit so
groß sind, dass sie wirtschaftlich keinen Sinn machen. Die beste 
Me
thode
sie anzugreifen wäre ein universales Einkommen. Sie haben auch
ausgerechnet, dass Namibia sich ein solches leisten könnte. Die
Regierung hat darauf aber nicht reagiert. Unsere Kirche hat das dann
aufgenommen. Wir haben Umfragen gemacht, was die Bevölkerung denkt.
Dabei ist herausgekommen, dass Einkommenssicherheit ein sehr wichtiger
Faktor ist. Die Kirche hat dann die anderen Organisationen angesprochen.

*Auf welche Widerstände seid ihr gestoßen? *

Die Regierung ist sehr zögerlich. Die Hauptargumente sind, dass es zu
teuer sei und dass es Abhängigkeiten schaffen würde. Der IMF
(Internationale Währungsfonds) hatte die Regierung dabei beraten. Sie
mussten allerdings in der Folge zugeben, dass sie falsch gerechnet 
haben.

*Braucht Ihr Unterstützung? *

Ja, wir brauchen noch Geld. Wobei das Fundraising eigentlich recht
positiv angelaufen ist. Also das muss man jetzt schon sagen, dass aus
sehr unterschiedlichen Stellen große Unterstützung kommt. Wir sammeln
allerdings nur für die Ausbezahlung und die damit verbundenen Kosten.
Das ist alles, es geht um nichts anderes.


*Mehr zum Pilotprojekt:*

Die offizielle Site der BIG Coalition mit Hintergrundmaterial.
http://www.bignam.org

Das weltweite und das österreichische Netzwerk für ein Grundeinkommen
ebenso.
http://www.basicincome.org/bien/news.html
http://www.grundeinkommen.at/

Auch die meisten namibischen Zeitungen berichten und können online
gelesen werden. „Allgemeine=2
0Zeitung“, „The Namibian“, „New Era“ u. a.

Die Seite von Rev. Dr. Claudia und Rev. Dr. Dirk Haarmann
vom Desk for Social Development der ELCRN:
http://www.cdhaarmann.com/

Bitte unterstützen sie das Projekt. Alle Gelder werden für die
Auszahlung verwendet.

Konto: Blumhardt-Gemeinde HD-Kirchheim
Zweck: BIG Namibia
H+G Bank Heidelberg
Konto-Nummer: 100 027 61
BLZ: 672 901 00
BIC: GENODE 61 HD 3
IBAN: DE66 6729 0100 0010 0027 61



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