[Grundeinkommen-Info] Cottbus: Globale Soziale Rechte
rblaschke at aol.com
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Do Okt 18 11:31:34 CEST 2007
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2. Sozialforum in
Deutschland
► attac ► Netzwerk Euromärsche ► IG
Metall FB Grundsatzfragen ► kein mensch ist illegal ► medico
international
Einladung zur Konferenz GLOBALE
SOZIALE
RECHTE
Stadthalle Cottbus, Freitag, der
19. Oktober, 14:30 – 16: 30 Uhr
Es sprechen: Thomas Seibert (medico international), Kai Burmeister
(IG Metall FB Grundsatzfragen), Hagen Kopp (kein mensch ist illegal), Angela
Klein (Netzwerk Euromärsche)
Der bloße Verweis auf die Globalisierung
genügt nicht mehr, um neoliberale Reformen als alternativlos darzustellen und
durchzusetzen. Die herrschende Politik und ihre Medien entdecken ihr „soziales
Gewissen“ und wollen Globalisierung endlich auch „sozial gestalten“. Das ist
auch den Protesten von Seattle, Genua und Heiligendamm zu verdanken. Doch noch
ist die Opposition zersplittert, beschränken sich soziale Bewegungen,
Gewerkschaften und NGOs zu sehr auf den eigenen Bereich und das eigene Klientel.
Dem entspricht, dass die zentralen Losungen der Jahre nach Seattle – „Eine
andere Welt ist möglich!“ und „Fragend schreiten wir voran!“ – an
provokatorischer Kraft verloren haben: Nicht, weil sie falsch geworden wären,
sondern weil der Stand der Bewegungen und Kämpfe wie die Dringlichkeit der ihnen
gestellten Probleme mehr verlangt.
Dabei zieht sich durch von einander
scheinbar unabhängige, jedenfalls getrennt ausgetragene Auseinandersetzungen ein
roter Faden, der sie untergründig miteinander verbindet und vielleicht das
Potenzial eines gemeinsamen Projektes birgt: Geht es doch in ganz verschiedenen
Initiativen nicht nur auf den ersten Blick darum, der Globalisierung des
Kapitals, der Märkte und der Waren mit einer Globalisierung der Sozialen Rechte
zu begegnen.
1
So diskutieren entwicklungspolitische
NGOs die Forderung nach einem universellen Mindesteinkommen, mit dem sich jeder
Mensch am Ort seines Lebens täglich drei Mahlzeiten kaufen kann. Sie schlagen
damit eine heute schon mögliche Lösung für den augenfälligsten Skandal des
Globalisierungsprozesses vor, den Skandal, dass in einer Welt, die
Nahrungsmittel nachweislich im Überfluss produziert, fast eine Milliarde
Menschen vom Hungertod bedroht sind. Indem diese NGOs ein solches universelles
Mindesteinkommen in der Form einer jedem Menschen zustehenden Zahlung
einfordern, artikulieren sie einen Globalen Sozialen Rechtsanspruch auf eine –
nur im Rahmen eines Ressourcentransfers vom Norden in den Süden einzulösende –
weltgesellschaftliche Garantie des individuellen Überlebens aller. Derselbe
Anspruch wird auch mit anderen Forderungen wie der nach einem rechtlich
garantierten weltweit gleichen und freien Zugang aller zu Gesundheit erhoben. In
der Konfrontation mit einem besonderen Problem entwerfen sie derart das Bild
einer möglichen Welt, die im Verhältnis zur heute bestehenden nicht nur für die
unmittelbar Betroffenen eine ganz andere Welt wäre.
2
Unter den Bedingungen einer
strukturellen Massenarbeitslosigkeit und der beständigen Erpressung durch
transnational operierende Konzerne sehen sich heute noch national organisierte
Gewerkschaften zunehmend genötigt, ihr betriebliches und politisches Handeln auf
internationaler und globaler Ebene abzustimmen. In länderübergreifenden
Kooperationen versuchen sie deshalb, gemeinsame Standards als konzernweit
bindende Vereinbarungen durchzusetzen. Sie wollen so eine strategische Antwort
auf den Umstand finden, dass sich die global entfesselte Konkurrenz der Kapitale
bisher zwangsläufig in eine Konkurrenz der nationalen Interessenvertretungen von
ArbeiterInnen und Angestellten übersetzen musste. Indem sie die sozialen Rechte
der Lohnabhängigen als zuletzt nur noch global durchzusetzende soziale Rechte
artikulieren, tragen sie aus ihrer Perspektive zu einem umfassenden Prozess der
Globalisierung der Sozialen Rechte aller bei.
3
Globale Soziale Rechte setzt aber auch
der Anspruch der MigrantInnen auf weltweite Bewegungs- und
Niederlassungsfreiheit auf die Tagesordnung. Das stellt nicht nur Grenzen und
soziale Hierarchien, sondern sämtliche nationalstaatlich-protektionistischen und
noch die auf den europäischen Raum erweiterten Politikkonzeptionen in Frage. Die
Widersprüche unter den Lohnabhängigen spitzen sich im Verhältnis zum
Rechtsanspruch der MigrantInnen noch einmal zu. Das ist kein Zufall, weil sich
die Ambivalenzen des Globalisierungsprozesses in der Figur der MigrantIn und den
Strategien der selektiven Ein- und Ausgrenzung verdichtet, der sie unterworfen
werden soll.
4
Die Komplexität eines Projektes für
Globale Soziale Rechte scheint sich nochmals zu vervielfachen, sobald die
unumgänglichen ökologischen Fragen einbezogen werden. Was bedeutet Globale
Ökologische Gerechtigkeit, wenn die klassischen Industrieländer die historische
Schuld (nicht nur) für den Klimawandel tragen, einige Schwellenländer
mittlerweile an der Schraube mitdrehen und vor allem die armen Länder von den
Konsequenzen betroffen sind? Hinzu kommt die zeitliche Brisanz: Gelingt es
nicht, den globalen Trend der ansteigenden CO2 Emissionen in den nächsten 10 –
15 Jahren zu brechen, drohen unkontrollierbare und unumkehrbare
Folgen.
5
Soll das Potenzial der unterschiedlichen
Initiativen für eine Globalisierung Sozialer Rechte wirklich freigesetzt werden,
kann es nicht um das freihändige Erstellen eines Katalogs der Wünschbarkeiten
gehen, sondern nur um einen offenen Austausch über die inneren Widersprüche der
AkteurInnen einer solchen „Globalisierung von unten“. Es ginge dann, um mit der
Ökologie zu beginnen, um die Frage, wie Entwicklung und Wachstum aus
unterschiedlichen Blickwinkeln definiert und zu den ökologischen Grenzen ins
Verhältnis gesetzt werden können. Zur Disposition gestellt wird dann ein
Lebensstil, der aus ökologischer Verantwortung nicht globalisierbar ist, obwohl
global nach ihm gestrebt wird. Um ein Beispiel zu geben: das Recht auf globale
Mobilität lässt sich über die Vervielfachung der dominanten Verkehrsformen (vom
Auto bis zum Flugzeug) auch dann nur um den Preis einer ökologischen Katastrophe
umsetzen, wenn weitere technologische Fortschritte unterstellt werden. Sollen
Individualverkehr und Reisen aber nicht das Privileg einer begüterten Minderheit
bleiben, scheint eine Lösung nur im Verzicht zu liegen, der faktisch von den
globalen Mittelklassen, also von uns zu leisten wäre. Oder suchen und setzen wir
auf „die ganze Bäckerei“, auf gänzlich neue Verhältnisse, in denen wir das gute
Leben mit einem global verträglichen Ressourcen- und Energieverbrauch neu
erfinden können und müssen?
„Win-Win“-Situationen stellen sich
jedenfalls selten automatisch her. Im Gegenteil: Die vorherrschende
Standortlogik setzt auf Konkurrenz und gegenseitiges Ausspielen zugunsten
höherer Ausbeutungsraten, und das nicht nur zwischen globalem Süden und Norden,
sondern auch zwischen Betrieben, die zum gleichen Firmenimperium gehören und oft
sogar im gleichen Land angesiedelt sind. Werden dabei fest angestellte
Lohnabhängige gegen Leih- und ZeitarbeiterInnen und natürlich gegen die schon
Erwerbslosen in Konkurrenz gesetzt, verschärft sich das System der Spaltungen
noch einmal im Verhältnis der „einheimischen“ Lohnabhängigen zu den
migrantischen ArbeiterInnen. Außer Sicht gerät dabei, dass die MigrantInnen aus
der berechtigten Suche nach einem besseren Leben gegen ein absichtsvoll
konstruiertes Lohngefälle und ein Grenz- und Visaregime wandern, das sie nötigt,
sich „illegal“ und nahezu rechtlos in genau den Niedriglohnsektoren
durchzuschlagen, in die zugleich die Zeit- und LeiharbeiterInnen und natürlich
auch die Erwerbslosen hineingezwungen werden.
6
Soll der Widerstand gegen diese
Spaltungen nicht nur auf die abstrakte Einsicht gegründet werden, dass alle
ArbeiterInnen und Angestellte trotz der sie trennenden Status-, Landes- bzw.
Staatsgrenzen Glieder der Verwertungskette ein und desselben transnational
operierenden Kapitals sind, muss in der alltäglichen Gewerkschaftsarbeit
erfahrbar werden, dass es nicht die migrantischen, nicht die Leih- und
Zeitarbeiter und nicht die Erwerbslosen sind, die für das Vorliegen solcher
Arbeitsverhältnisse und deren Effekte auf dem weiteren Arbeitsmarkt
verantwortlich sind. Deshalb kommt den inner- wie außergewerkschaftlichen
Ansätzen große Bedeutung zu, in denen sich Menschen mit und ohne Erwerbsarbeit
oder ArbeiterInnen mit und ohne Papiere jeweils gemeinsam für ihre Rechte
organisieren. Dass einerseits Flucht und Migration zu einem wachsenden Anteil
mit ökologischen Verwüstungen im globalen Süden zusammenhängen und dass
andererseits eine gerechte Verteilung der Ressourcen vielen Menschen im Süden
ein „Recht zu bleiben“ ermöglichen würde, deutet dann auf weitere Verknüpfungen
und potenzielle Gemeinsamkeiten vermeintlich partikularer Interessen hin. Es
entspricht allerdings der Tiefe und Schärfe der materiellen und symbolischen
Trennungen, dass die Kommunikation nicht nur zwischen den unmittelbar
Betroffenen, sondern auch zwischen ihren Organisationen bzw. Repräsentationen
erst noch zu stiften oder jedenfalls zu vertiefen sind: zwischen verschiedenen
(meist noch) national organisierten Gewerkschaften, Selbstorganisationen der
prekär Beschäftigten, der Erwerbslosen und der MigrantInnen, Netzwerken der
antirassistischen Solidarität und entwicklungspolitischen sowie ökologisch
orientierten NGOs. Ein Medium solcher Kommunikation sind dabei die Sozialforen
der globalisierungskritischen Bewegung.
7
Die Diskussion über die
unterschiedlichen Eigenlogiken der Handlungsfelder von AktivistInnen sozialer
Bewegungen, MitarbeiterInnen von NGOs und GewerkschafterInnen ist ein erster
Schritt, um gemeinsame Interessen und unter ihnen das besondere Interesse an
einer gemeinsamen Politik Globaler Sozialer Rechte zu definieren. Für einen
solchen Anfang im Prozess der „Bewegung der Bewegungen“ ist viel gewonnen, wenn
verständlich wird, dass und wie es allen Beteiligten bei allen Unterschieden und
Widersprüchen um die unabweisliche Notwendigkeit geht, soziale Rechte nicht mehr
nur in nationalen Grenzen, sondern in weltweiter Geltung zu erstreiten.
Weltweit, sofern sie zuletzt überall, und weltweit, sofern sie dann in jedem
einzelnen Land für alle gelten werden.
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