[Grundeinkommen-Info] Berlin direkt zum Grundeinkommen

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Sa Apr 21 23:38:01 CEST 2007


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Samstag 21.04.2007 [23.37 Uhr]MEZ
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Selten herrscht so viel Einigkeit: Über die Parteigrenzen hinweg sprechen
sich Politiker für ein monatliches Grundeinkommen aus. Bedingungen gibt es
keine, entfallen würden aber die Sozialleistungen. Mittlerweile plant die
Union, das Bürgergeld in ihr Grundsatzprogramm aufzunehmen. Es wird aber
immer deutlicher, dass die Modellvorschläge auch ihre Schattenseiten haben.


Für viele Menschen in Deutschland sieht der Alltag trostlos aus. Trotz des
wirtschaftlichen Aufschwungs suchen mehr als vier Millionen Menschen
Arbeit. Hartz IV sichert den meisten von ihnen das Überleben. Die
Gegenleistung an den Staat: Annahme von Ein-Euro-Jobs, Offenlegen der
finanziellen Verhältnisse und Auskunft über die eigene Wohnsituation.

Wegfall der Sozialleistungen
Hinter Sozialleistungen - wie zum Beispiel Hartz IV - steckt die Idee der
Vollbeschäftigung. Doch die gilt mittlerweile als utopisch. Seit kurzem
geistert nun ein Konzept durch die Republik, das so neu aber gar nicht ist.
Es hat mehrere Namen: Solidarisches Bürgergeld, Existenzgeld oder
idealtypisches Grundeinkommen. Dahinter verbirgt sich immer das gleiche:
Unabhängig von Einkommen soll jeder Bürger bedingungslos einen bestimmten
Betrag erhalten. Die verschiedenen Modelle sehen unterschiedliche Höhen der
Zahlungen vor.

Setzt sich das Bürgergeld durch, sollen alle übrigen Sozialleistungen
wegfallen. Der Bürger erhält weder Rente, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe,
Bafög oder Kindergeld. Stattdessen bekommt jeder - unabhängig von Verdienst
oder Bedürftigkeit - eine monatliche Summe vom Staat überwiesen. Damit
könnte ein kleiner Traum der Menschheit erfüllt werden: Die Entkopplung von
Arbeit und Einkommen würde Realität werden.

Kombilöhne durch die Hintertür?
Einiges spricht für die monatliche Überweisung auf Staatskosten. Soweit man
es absehen könnte, würde sich die Situation der Arbeitslosen verbessern und
die Position der Arbeitnehmer bei Gehaltsverhandlungen stärken. Der
Sozialstaat würde sich nicht mehr in die Lebenssituation der Menschen
einmischen. Denn wahre Freiheit würde nur das Grundeinkommen schaffen,
proklamieren die Befürworter.

Aber nicht alle sehen das Bürgergeld als Patentlösung für eine bessere
Gesellschaft. Die Gefahr bestehe, dass durch das bedingungslose
Grundeinkommen der Arbeitgeber sich nicht mehr in der Pflicht sehe,
existenzsichernde Löhne zu zahlen. Außerdem stellt sich die Frage der
sozialen Gerechtigkeit - denn warum sollten sehr gut verdienende Menschen
eine vom Staat finanzierte Grundsicherung erhalten? Zusätzlich besteht die
Befürchtung, dass die bedingungslose Grundsicherung zur Faulenzerprämie
wird und die Menschen gar nicht mehr arbeiten würden - damit wäre die Idee
nicht mehr finanzierbar. Ein weiterer Knackpunkt besteht darin, dass der
monatliche Satz des Grundeinkommens möglicherweise unter dem eines
Hartz-IV-Empfängers liegen würde.

Trennung von Arbeit und Sozialstaat
Einer, der sich für das solidarische Bürgergeld einsetzt, heißt Dieter
Althaus, CDU-Ministerpräsident in Thüringen. In seinem Modell erhielte
jeder Bürger 600 Euro monatlich, plus 200 Euro, die der Staat direkt in
eine Kranken- und Pflegeversicherung einzahlt. Das eigene Einkommen bis
1600 Euro im Monat würde dann zu 50 Prozent besteuert. Fiele das
Monatsgehalt höher aus, erhielte man lediglich 200 Euro Bürgergeld, dafür
würde der monatliche Verdienst nur zu 25 Prozent besteuert.

Der Grund für den kompletten Systemwechsel sieht Althaus darin, dass man
mittelfristig nicht mehr darum herumkomme, Arbeitsmarkt und Sozialstaat
voneinander zu trennen, damit am Arbeitsmarkt wieder mehr Möglichkeiten
entstünden. In diesem Modell soll die Finanzierung aus den heutigen
Sozialstaatsausgaben abgewickelt werden. "Wir haben ja sehr viele
Sozialstaatsausgaben, in der Summe über 700 Milliarden Euro. Zum anderen
verspreche ich mir dadurch, dass auch wieder viel mehr Einnahmen realisiert
werden, weil Beschäftigung in Bereichen entsteht, wo heute sehr stark die
Schwarzarbeit wirkt, wo ins Ausland abgewandert wird oder wo Tätigkeiten
schlicht und ergreifend nicht ausgeführt werden", sagt Althaus gegenüber
Berlin direkt.

Unabsehbare Folgen
Michael Opielka, Professor für Sozialpolitik an der FH Jena, lobt das
Modell des CDU-Ministerpräsidenten als "eine Art Kombilohn für alle". Das
Bürgergeld schaffe einen echten Arbeitsmarkt, mache Teilzeitarbeit lohnend
und sichere freiwilliges Engagement und Bildungsphasen ab, meint Opielka.
Die SPD steht der Idee kritisch gegenüber. Das solidarische Bürgergeld
werde Arbeitslose noch mehr an den Rand drängen, anstatt sie wieder aktiv
in das soziale Leben einzubinden, erklärt SPD-Generalsekretär Hubertus
Heil.

Noch stehen die verschiedenen Modelle nebeneinander. Die Folgen einer
Umwälzung der Sozialsysteme sind kaum abzusehen. Aber blickt man auf die
Entwicklungen in den Bereichen Arbeitsmarkt und Gesellschaft, wird schnell
klar, dass die Idee der Vollbeschäftigung überholt ist. Ob aber das
Bürgergeld die erhoffte Lösung bringt, ist in Politik und Gesellschaft noch
weiter zu diskutieren.




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