[Grundeinkommen-Info] "Wirtschaftsweiser" Bofinger fuer Grundeinkommen

Wolfgang Strengmann-Kuhn strengmann at t-online.de
Sa Sep 16 17:42:55 CEST 2006


http://www.zeit.de/online/2006/38/bofinger-negative-einkommenssteuer

DIE ZEIT
 
Subvention für echte Arbeit

Niedriglöhner sollen brutto für netto verdienen, damit sie Jobs annehmen, 
statt Arbeitslosengeld zu kassieren, sagt der Ökonom Peter Bofinger. Und 
schlägt ein Grundeinkommen von 750 Euro vor.

Von Karsten Polke-Majewski

Peter Bonfinger hat eine Idee. Das kommt häufiger vor, und oft erntet der 
Würzburger Wirtschaftsprofessor und bekennende Keynesianer im Kreise 
seiner vier andern Wirtschaftsweisen dafür Kritik. Weshalb Bofinger sich 
beeilt zu betonen, dass das Papier, welches er an diesem Freitag im 
sächsischen Wirtschaftsministerium vorstellt, auf keinen Fall als 
Minderheitsvotum oder sogar Gegengutachten zum vergangene Woche 
veröffentlichten Kombilohnmodell der Wirtschaftsweisen verstanden werden 
soll.

Nichtsdestotrotz ist es genau das. Bofinger präsentiert eine negative 
Einkommenssteuer für Geringverdiener, angelehnt an Vorbilder in den 
Vereinigten Staaten und Großbritannien. Die Idee: Für solche 
Arbeitnehmer, die für sehr geringen Lohn und mindestens 30 Stunden in 
der Woche arbeiten, soll ein abgabefreies Grundeinkommen eingeführt 
werden. Es soll für Ledige bei 750 Euro im Monat liegen, für Verheiratete 
bei 1300 Euro. Wer einen solchen Job hat, soll zwar weiterhin Beiträge zu 
den Sozialversicherungen zahlen, bekommt dieses Geld aber vom Staat 
zurück. Er verdient also brutto für netto. Wer Kinder hat, dem soll der Staat 
zudem ein erhöhtes Kindergeld von 207 Euro zahlen, den gleichen Beitrag 
also, den Kinder von ALG-II-Empfängern erhalten. Je mehr ein 
Arbeitnehmer verdient, desto geringer soll der Zuschuss werden, bis zu 
einer Grenze von 1300 Euro bei Ledigen, 2000 Euro bei Verheirateten. Wer 
mehr verdient, zahlt Steuern und Abgaben wie bisher. Vier Milliarden Euro 
würde sein Vorhaben den Staat kosten, sagt Bofinger.

Was dieses Konzept von dem Entwurf der Wirtschaftsweisen unterscheidet, 
ist, dass es die Frage beantwortet, wie man Menschen dazu motiviert, 
reguläre Jobs zu suchen, auch wenn sie schlecht bezahlt sind. Beide 
Seiten gehen von demselben Befund aus: Der Abstand zwischen dem, was 
Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose durch reguläre Arbeit verdienen 
können zu dem, was sie als Arbeitslosengeld bekommen, ist zu gering. 
Deshalb entwickelten die Wirtschaftsweisen im Auftrag der 
Bundesregierung ein Kombilohnmodell, nach dem der Regelsatz für Hartz-
IV-Empfänger um 30 Prozent gekürzt werden sollte. Zudem sollte danach 
die Einkommensgrenze für die steuerfreien und mit pauschalen 
Sozialabgaben belegten Minijobs von 400 auf 200 Euro gesenkt werden. 
Letztlich steckt dahinter der Gedanke, man müsse das Arbeitslosendasein 
für möglichst viele Menschen möglichst unattraktiv machen, damit sie einen 
- auch schlecht bezahlten - Job annehmen. Bis zu 350.000 Stellen könnten 
auf diese Weise im Niedriglohnsektor entstehen, rechneten die 
Wirtschaftsweisen vor.

Bei den Arbeitsmarktexperten von SPD und CDU stieß dieser Plan auf 
heftige Ablehnung. Im Arbeitsministerium erwägt man immerhin, die 
Minijobs für Hartz-IV-Empfänger einzuschränken. Bofinger geht weiter. Er 
will die 400-Euro-Jobs ganz abschaffen und die dadurch freiwerdenden 
zwei Milliarden Euro in die negative Einkommenssteuer stecken. Außerdem 
sollte der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung nicht, wie bislang geplant, 
im kommenden Jahr pauschal um zwei Prozent gesenkt werden, sondern 
nur für die untersten Einkommensstufen. 

"Gegenwärtig sind reguläre Arbeitsverhältnisse das teuerste, was einem 
Arbeitgeber im Niedriglohnsektor passieren kann", sagt Bofinger. Indem 
sein Konzept Vollzeitarbeit subventioniere, würden solche 
Beschäftigungsverhältnisse wieder attraktiv. Deshalb will Bofinger auch die 
Hinzuverdienstregeln für Arbeitslose drastisch verschärfen. 85 Prozent des 
Geldes, das Hartz-IV-Empfänger auf diese Weise erwirtschaften, soll auf ihr 
Arbeitslosengeld angerechnet werden. Außerdem sollte ein Mindestlohn 
von 4,50 Euro für den Niedriglohnsektor gelten - womit jemand, der 40 
Stunden in der Woche arbeitet, wieder fast jene 750 Euro 
Grundeinkommen erreichen würde, die Bofinger vorschlägt. Außerdem, das 
zeigt das Vorbild Großbritannien, kann eine solche Regel Lohndrückerei 
verhindern.

Weil man nach diesem Modell durch reguläre Arbeit in jedem Fall mehr 
verdient, als ein Arbeitsloser zur Verfügung hat, würden wieder mehr 
Menschen motiviert, sich eine Stelle zu suchen, erwartet Bofinger. Und sie 
entkämen der Bürokratie der Arbeitsagenturen. "Nur müssen wir dafür 
sorgen, dass diejenigen, die regulär arbeiten, ihren Lebensunterhalt auch 
aus eigener Kraft bestreiten können."

Allerdings: Der Durchbruch am Arbeitsmarkt sei sein Vorschlag nicht, sagt 
Bofinger; und will sich auch nicht darauf festlegen, wie viele Menschen auf 
diese Weise wieder in Arbeit kommen könnten. Aber immerhin gebe es 
sieben Millionen geringfügig Beschäftigte in Deutschland, dazu eine nicht 
bekannte Zahl an Kurzzeitverträgen und Scheinselbstständigen. "Diesen 
Sumpf müssen wir trockenlegen." Ob sein Plan allerdings bei den 
entscheidenden Arbeitsmarktpolitikern verfangen wird, daran hat auch der 
Wirtschaftsweise einige Zweifel. Freilich regiert auch in Dresden eine 
Große Koalition. Sie hat das Gutachten in Auftrag gegeben. Insofern könnte 
es zumindest etwas frischen Wind in die Berliner Mindest-Kombilohn-
Debatte bringen.

Zudem findet die Idee einer negativen Einkommenssteuer Unterstützung 
von höchster Stelle. Schon im Januar hatte Bundespräsident Horst Köhler 
sie als "eine Art Grundeinkommen" nach US-Vorbild ins Gespräch 
gebracht. Nur zeigen Untersuchungen aus Amerika, dass eine solche 
Steuergutschrift zwar positive Impulse zur Annahme gering bezahlter Arbeit 
bringt, aber nicht als Reintegrationsinstrument für Arbeitslose wirkt. Dafür 
macht sie Löhne armutsfest, vor allem bei Haushalten, in denen Kinder 
leben. Und das wäre ja auch schon etwas.

Weitere Informationen im Internet:
Das vollständige Gutachten finden Sie hier

ZEIT online

04/2006



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     Date:  16 Sep 2006, 9:07
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