[Gen-Streitfall] Gen-Mais an 29 Standorten in sieben Bundesländern ausgesät (ND; MDR)
Sabine
altmann.tent at t-online.de
Mi Mai 12 21:49:32 CEST 2004
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=52976&IDC=3
Der Kommerz mit dem Gentech-Mais
Geheimanbau dient Interessen der Industrie
Von Heike Moldenhauer
»Mon 810« heißt das inkriminierte Produkt: der Gen-Mais, der vergangene
Woche an 29 Standorten in sieben Bundesländern auf insgesamt 300 Hektar
ausgesät wurde.
Von »Erprobungsanbau« sprechen jene, die mehr als ein Jahr lang die
Ausbringung der für das Insekt Maiszünsler giftigen Mais-Pflanze
propagiert haben. Sie wollen damit beweisen, wie das Nebeneinander
einer Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik gewährleistet werden kann.
Für ein wissenschaftliches Begleitprogramm wurde ebenfalls gesorgt:
Verantwortlich dafür ist das Institut für Pflanzenzüchtung und
Pflanzenschutz der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, das vor
allem die Auskreuzung per Polleneintrag in benachbarte konventionelle
Felder untersuchen soll. Dokumentiert werden sollen auch Vermischungen
konventioneller und ökologischer Kulturen mit Gen-Mais bei Ernte und
Lagerhaltung.
Warum dazu unbedingt Gen-Mais nötig ist, erschließt sich nicht sofort.
Auch konventioneller und biologischer Mais kreuzen aus, auch hier
finden Vermischungen statt. Alle Versuche, die jetzt mit den Gen-Mais
der US-Konzerne Monsanto und Pioneer-Hi-Breed sowie der
Kleinwanzlebener Saatgut-AG (KWS) durchgeführt werden sollen, sind in
der gentechnikfreien Variante ebenfalls möglich. Offenbar geht es
darum, jetzt gentechnisch veränderte Pflanzen in großem Stil auf
deutsche Äcker zu bringen.
Auch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt gehört zu den
Gentechnik-Propagandisten. Im Herbst 2003 kündigte sie eine
»Biotechnologieoffensive« an. 100 Millionen Euro stellt das Land in den
kommenden fünf Jahren für die Gentechnik-Forschung bereit. Zur
»Offensive« gehören auch die BIO Mitteldeutschland GmbH (ein
Ein-Mann-Unternehmen im Auftrag der Landesregierung und der Crème de la
Crème der Saatgut- und
Agrochemiekonzerne) sowie die Firma InnoPlanta (ein aus Mitteln des
Bundesforschungsministeriums finanzierter Verein zur Förderung der
Gentechnik in Sachsen-Anhalt, ihr Vorstandschef sitzt für die FDP im
Landtag).
Sie alle rührten kräftig die Werbetrommel, um den ersten deutschen
Großflächenversuch in Sachsen-Anhalt zu starten. Nach etlichen
gescheiterten Anläufen soll nun der Gentechnik der Weg in den
kommerziellen Anbau bereitet werden. Jetzt spielen die Bauern nicht
mit. Ausgerechnet die künftigen Kunden - jene, die transgenes Saatgut
kaufen und anbauen sollen - winken ab. Landesbauernverband und
Landvolkverband in Sachsen-Anhalt erklären unisono: Keine Beteiligung
am Erprobungsanbau.
Ihre Gründe: Zum einen sei der Maiszünsler (das mit dem gentechnisch
veränderten Mais zu bekämpfende Insekt) kein Problem für die
sachsen-anhaltische Landwirtschaft und die Aussaat von Gen-Mais deshalb
überflüssig. Zum anderen fehlt den Landwirten ein geeigneter
Rechtsrahmen. Abstandsregeln, Informationspflichten, Kontrollen und die
Haftung bei Schäden seien völlig ungeklärt.
500 Hektar Gen-Mais sollten ursprünglich in Sachsen-Anhalt besät werden,
jetzt kamen bescheidene 60 Hektar zusammen. Um wenigstens 300 Hektar zu
erreichen, mussten die Lobbyisten der BIO Mitteldeutschland und der
InnoPlanta in sechs weiteren Bundesländern vorstellig werden:
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Bayern und
Baden-Württemberg beteiligen sich an insgesamt 23 Standorten. Die
Flächen werden jedoch geheim gehalten. Möglich ist das, weil die
EU-Freisetzungsrichtlinie, die öffentliche Anbauregister vorsieht,
bisher nicht in nationales Recht umgesetzt ist. Vor dem Herbst ist das
auch nicht zu erwarten.
Was passiert, wenn der Gentech-Pollen dem Nachbar-Bauern ins Feld weht
und seine Ernte unverkäuflich macht? Für die sachsen-anhaltische
Landesregierung ist das kein Problem. Sie stellt aus Landesmitteln
Haftungsgelder von 240000 Euro bereit, 800 Euro pro Hektar. Das Geld
kommt nicht von der Industrie. Diese weigert sich selbst für den
räumlich und zeitlich befristeten Erprobungsanbau strikt und
erfolgreich, für Kontaminationsschäden aufzukommen.
Abgesehen von der Tragik, dass die Landesregierung des ärmsten deutschen
Bundeslandes Steuergelder in mehrstelliger Millionenhöhe für Produkte
ausgibt, für die es keinen Markt gibt, hat die Sache auch was Gutes:
Bauern in ganz Deutschland gründen derzeit gentechnikfreie Regionen.
Sie tun dies, weil sie wissen, dass der Wettbewerbsvorteil der
deutschen und europäischen Landwirtschaft im gentechnikfreien Anbau
liegt. Über 70 Prozent der Verbraucher in der EU lehnen Gentechnik im
Essen ab. Diese Nachfrage nicht zu bedienen, wäre auch pure Dummheit.
Heike Moldenhauer ist Gentechnikexpertin beim Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND)
(ND 12.05.04)
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http://www.mdr.de/nachrichten/schwerpunkt/1377147.html
MDR.DE | 12. Mai 2004 | 12:29
http://www.mdr.de/nachrichten/schwerpunkt/1377147.html
Streit um Genmais-Anbau
Bund: Alle Länder über Details informiert
Das Bundesamt für Verbraucherschutz hat sich in die
Debatte um den Anbau von gentechnisch verändertem Mais eingeschaltet.
Der für Gentechnik zuständige Sprecher, Buck, sagte MDR INFO, alle
betroffenen Länder seien über die genauen Anbauflächen und weitere
Details informiert. Dies sei auch notwendig, da die Überwachung und
Kontrolle der Versuchsfelder in die Zuständigkeit der Länder falle. Das
Thüringer Sozialministerium hatte sich zuvor beschwert, die Regierung
in Erfurt sei nicht darüber informiert worden, wo genau im Freistaat
Genmais angebaut wird. Ein Sprecher kritisierte, dass Sachsen-Anhalt
die Auskunft aus Furcht vor Zerstörungen verweigere. Thüringen ist eins
von sieben Bundesländern, in denen Gen-Mais angebaut wird.
Gen-Felder in sieben Bundesländern
Versuchsfelder gibt es außer im Freistaat auch in
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Bayern
und Baden-Würtemberg. Die Anbauflächen mit dem so genannten Bt-Mais
sollen insgesamt 300 Hektar umfassen. Wo genau die insgesamt 29
Anbau-Flächen sind, wird nicht öffentlich gemacht. Begründet wird dies
mit möglichen Störaktionen von Umweltschützern.
Der Anbau der genveränderten Pflanzen geht auf eine
Initiative von Sachsen-Anhalt zurück, das auch die Federführung bei dem
Großprojekt hat. Der Streit um die Geheimhaltung der Standorte hatte
neue Nahrung bekommen, nachdem Agrarministerin Wernicke am Wochenende
zugeben musste, die Anbauflächen selbst nicht zu kennen. Kritiker
werfen der Landesregierung deshalb vor, die Verbraucher zu täuschen und
die Risiken zu verharmlosen.
Bauern im Ohrekreis gründen gentechnikfreie Zone
Landwirte aus dem Ohrekreis haben unterdessen die
zweite gentechnikfreie Anbauregion in Sachsen-Anhalt ausgerufen. Nach
Angaben des Vereins "Neuland" verpflichteten sich zehn Bauern, auf
ihren Feldern keine gentechnisch veränderten Pflanzen anzubauen. Die
Zone umfasse insgesamt 3000 Hektar. Bereits Mitte April hatten 23
Agrarbetriebe in der Altmark eine gentechnikfreie Zone gebildet. Sie
ist 6500 Hektar groß und liegt zwischen Arendsee und Salzwedel.
zuletzt aktualisiert: 12. Mai 2004 | 11:59
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