[Gen-Streitfall] WG: [gvo-info-mr] Wird das Gentechnik-Gesetz gekippt?

Sabine Altmann Sabine.Altmann at Wagner-Solartechnik.De
Do Aug 5 09:59:03 CEST 2004


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Günter Reinhard [mailto:Reinharg at staff.uni-marburg.de]

Liebe GVO-Interessierte,

wer gedacht hat, mit dem neuen Gentechnik-Gesetz der Bundesregierung wäre
dem kommerziellen GVO-Anbau in Deutschland ein Riegel vorgeschoben, der hat
die Rechnung ohne die EU-Kommission gemacht:

   B r ü s s e l   v e r l a n g t   e i n e   Ü b e r a r b e i t u n g

   d e s   d e u t s c h e n   G e n t e c h n i k - G e s e t z e s ! ! !

Die Eurokraten behaupten, das Gentechnik-Gesetz verstoße gegen EU-Recht.
Unter anderem wird dabei die Haftungsregelung aber auch Schwellenwerte und
Zulassungsverfahren angeprangert. Damit droht ein Verfahren vor dem
Europäischen Gerichtshof.
Somit wird wieder einmal offensichtlich, dass unser Leben mehr und mehr von
undemokratisch agierenden Institutionen wie WTO und EU bestimmt wird!
Ein von http://www.biosicherheit.de/forum/ veröffentlichter Bericht findet
sich unten.


-------------------------------------------
Aktualisierter Einkaufsratgeber erschienen!
-------------------------------------------

Kürzlich ist die 5. Auflage des Ratgebers "Essen ohne Gentechnik" von
Greenpeace erschienen. Der Ratgeber kann in beliebiger Menge kostenlos bei
Greenpeace bestellt werden (www.greenpeace.de/einkaufsnetz).


----------------------
Achtung Gesetzeslücke!
----------------------

Da Verbraucher nicht erkennen können, ob bei der Herstellung von Fleisch-
oder Milchprodukten GVO-Tierfutter verwendet wurde, ist diesbezüglich die
Wahlfreiheit spürbar eingeschränkt. Immer mehr Menschen fordern daher von
der EU eine Gesetzesänderung hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht.
Für eine Unterschriftenaktion hierzu wird derzeit von Greenpeace geworben:
http://www.greenpeace.org/multimedia/download/1/534601/0/Unterschriftenliste
.pdf.



GVO-freie Grüße

Günter



-------------------------------
EU-Kommission zum deutschen Gentechnik-Gesetz

Brüssel verlangt Überarbeitung



(30.07.) In einer offiziellen Stellungnahme hat die EU-Kommission das von
der Bundesregierung vorgelegte Gentechnik-Gesetz gerügt. In seiner jetzigen
Form verstoße es mehrfach gegen EU-Recht. Nun ist die Bundesregierung
aufgefordert, das Gentechnik-Gesetz zu überarbeiten und der EU-Kommission
erneut zur Überprüfung vorzulegen. Kommt Deutschland dieser Aufforderung
nicht nach, hat die Kommission bereits ein formelles Mahnverfahren
angekündigt.



Haftung auch bei guter fachlicher Praxis? Die im Gentechnik-Gesetz
vorgesehenen Haftungsregelungen führen zu einem hohen und nicht
vorhersehbaren Risiko für GVO-Landwirte, kritisiert die EU-Kommission.


 Grundsätzlich werden alle in einem Mitgliedstaat erlassenen
Rechtsvorschriften der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt. Dabei wird
geprüft, ob sie mit EU-Recht und den Verträgen der Gemeinschaft vereinbar
sind. Noch ist das Gentechnik-Gesetz nicht rechtskräftig beschlossen und
eine formelle Notifizierung daher noch nicht möglich. Vorab hat die
EU-Kommission ihre Bedenken an der aktuellen Version des deutschen
Gentechnik- Gesetzes in einer "ausführlichen Stellungnahme" niedergelegt.
Deutschland ist nun aufgefordert, diese noch in das Gesetz einzuarbeiten.
Das endgültig beschlossene Gentechnik-Gesetz wird dann von der EU-Kommission
formell notifiziert.
 Deutschland auf nationalen Sonderwegen. In ihrer Stellungnahme vom 26. Juli
2004 kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass der Regierungsentwurf des
Gentechnik-Gesetzes mehrere EU Rechtsvorschriften sowie allgemeine
Grundsätze des EG-Vertrages verletzt.


Zum einen kritisiert sie die "nicht ordnungsgemäße Umsetzung" von
EU-Vorschriften durch das Gentechnik-Gesetz. Zum anderen wolle Deutschland
verbindliche und bereits rechtskräftig beschlossene EU-Normen
unzulässigerweise durch eigene nationale Vorschriften untergraben.
  Anlass für die Neubearbeitung des Gentechnik-Gesetzes war die überfällige
Umsetzung von EU-Vorschriften  wie der Freisetzungs-Richtlinie (2001/18) in
deutsches Recht.
 Die Kommission listet zahlreiche Einzelvorschriften des Gentechnik-Gesetzes
auf, bei denen die Bestimmungen der Freisetzungs-Richtlinie nicht oder nur
unzureichend umgesetzt werden, etwa die im Gentechnik-Gesetz vorgesehenen
Regelungen zur Unterrichtung der Öffentlichkeit oder zur Kennzeichnung von
GVOs.
  Seit April sind die beiden EU-Verordnungen zu gentechnisch veränderten
Futter- und Lebensmitteln (1829/2003) und zur Rückverfolgbarkeit (1830/2003)
rechtswirksam. Sie gelten unmittelbar in allen EU-Ländern und müssen nicht
in nationales Recht umgesetzt werden. In solchen Fällen werden eigene
nationale Durchführungsbestimmungen nach der Rechtssprechung des
Europäischen Gerichtshofs als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht
betrachtet.
 Nach Auffassung der Kommission trifft das auf Teile des rot-grünen
Gentechnik-Gesetzes zu. An verschiedenen Stellen übernimmt es nicht die
beschlossenen und in allen übrigen EU-Ländern gültigen Vorschriften, sondern
führt "durch die Hintertür" eigene Normen ein. Würde das deutsche
Gentechnik-Gesetz in dieser Form rechtskräftig, beständen insbesondere für
die Landwirtschaft in Deutschland andere Rahmenbedingungen als in den
übrigen EU-Ländern.

 Kommission kritisiert deutsche Koexistenzregeln. Gerade die auch in
Deutschland heftig umstrittene Bestimmungen des Gentechnik- Gesetzes zu
Haftung und Koexistenz zwischen GVO- und GVO-freiem Anbau in der
Landwirtschaft werden von der Kommission als Verstöße gegen EU-Recht
gewertet.
  Deutscher Schwellenwert? Kommt es durch Auskreuzungen und andere zufällige
Vermischungen in der Ernte eines konventionellen Landwirtes zu
GVO-Einträgen, so sind die daraus folgenden wirtschaftlichen Schäden
entschädigungspflichtig. Ein solcher Schaden liegt dann vor, wenn der
GVO-Eintrag den in den EU-Vorschriften festgelegten Schwellenwert von 0,9%
übersteigt  und damit eine Kenzeichnungspflicht auslöst.
 Das Deutsche Gentechnik-Gesetz sieht jedoch eine Entschädigungspflicht auch
bei GVO-Einträgen unterhalb dieses Schwellenwerts vor - wenn etwa ein
Landwirt mit seinen Abnehmern strengere Werte vereinbart hat. Die Kommission
wertet  das als "zusätzliche nationale Kennzeichnungsanforderungen" und eine
unzulässige Einführung nationaler Schwellenwerte.
  Haftung: Einseitige Risiken. Auch das im Gentechnik-Gesetz vorgesehene
Konzept der gesamtschuldnerischen, verschuldensunabhängigen Haftung wird von
der Kommission in deutlichen Worten kritisiert. In Deutschland soll ein
GVO-Landwirt künftig auch dann haften, wenn er die noch festzulegenden
Regeln der "guten landwirtschaftlichen Praxis" einhält. Zudem sollen alle
GVO-Landwirte einer Region zur Haftung bei wirtschaftlichen Schäden durch
GVO-Enträge herangezogen werden.
 Die EU-Kommission kritisiert, dass GVO-Landwirte für Schäden haftbar
gemacht werden, unabhängig davon, ob sie die Regeln guter fachlicher Praxis
beachten oder nicht. Dies sei "nicht akzeptabel." Zudem müssten Landwirte
unter Umständen auch für Folgen haften, für die sie nicht verantwortlich
sind - etwa wenn bereits das Saatgut zu hohe GVO-Anteile enthielt oder ein
konventioneller Landwirt gegen die gute landwirtschaftliche Praxis verstößt.
Ingesamt bemängelt die Kommission, dass die im Gentechnik-Gesetz
vorgesehenen Haftungsregelungen "zu einem hohen und nicht vorhersehbaren
Risiko für GVO-Landwirte führen."
  EU-Zulassungen: auch in Deutschland. Kern der EU-Vorschriften zur
Gentechnik sind EU-weite Zulassungsverfahren, die eine fundierte
wissenschaftliche Sicherheitsbewertung einschließen. Für jede genehmigte
gv-Pflanze werden spezifische Maßnahmen festgelegt, die bei Anbau und
Vermarktung zu beachten und EU-weit verbindlich sind. Die Kommission
bemängelt, dass einige Regelungen des deutschen Gentechnik-Gesetzes als
zusätzliche, zum Teil nicht angemessene Maßnahmen aufzufassen sind, die zu
anderen Rahmenbedingungen führen als in den übrigen EU-Ländern. Zudem
verlange das Gentechnik-Gesetz Vorsorgemaßnahmen selbst dann, wenn diese
nicht erforderlich seien.

 Bundesländer sehen sich bestätigt. Die Mehrheit der deutschen Bundesländer
sieht sich mit der Stellungnahme der EU-Kommission in ihrer Kritik am
rot-grünen Gentechnik-Gesetz bestätigt. Am 9. Juli hatten sie es im
Bundesrat abgelehnt und den Vermittlungsausschuss angerufen.
Auch wenn die rot-grüne Regierungskoalition ihr Gentechnik-Gesetz am Ende im
Bundestag durchsetzen kann - in dem nach der Sommerpause beginnenden
Vermittlungsverfahren könnte das Gentechnik-Gesetz noch einmal überarbeitet
werden. Bleibt Berlin jedoch bei der eingeschlagenen Linie, scheint ein
Konflikt mit der Kommission und am Ende ein Verfahren vor dem Europäischen
Gerichtshof unausweichlich.

_______________________________________________
Webseite: http://attac.de/marburg/?id=Thema.GVO
gvo-info-mr Mailingliste
JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider
gvo-info-mr at listen.attac.de
http://ilpostino.jpberlin.de/mailman/listinfo/gvo-info-mr



Mehr Informationen über die Mailingliste Gen-Streitfall