[Gen-Streitfall] FW: Ein Ihnen empfohlener Artikel aus der jungen Welt vom 06.04.2004

Hanni Gramann hannigramann at t-online.de
Di Apr 6 19:52:52 CEST 2004



Betreff: Ein Ihnen empfohlener Artikel aus der jungen Welt vom 06.04.2004



Vor Dammbruch
Genmanipulation bedroht Europas konventionelle Landwirtschaft. Noch haelt
das britische Moratorium
                           klaus Schramm

Am 25. Maerz lehnte der Umweltminister von Wales, Carwyn Jones, einen Antrag
auf Zulassung der genmanipulierten Maissorte "Chardon LL" ab. Da Wales ein
Vetorecht bei der Genehmigung neuer Sorten besitzt, wird dadurch der Anbau
von Genmais in ganz Grossbritannien blockiert. Und damit bleibt ­ vorlaeufig
­ das Genmoratorium in Grossbritannien bestehen.



Seit Premierminister Antony Blair im Oktober 2003 das britische
Genmoratorium vergeblich zu kippen versuchte, gab es einiges Hin und Her:
Nach den spektakulaeren Ergebnissen einer von der britischen Regierung an
die Royal Society vergebenen Studie, die immerhin 8,6 Millionen Euro teuer
war, wurde das Genmoratorium im Vereinigten Koenigreich zunaechst auf
unbestimmte Zeit verlaengert. Der Koordinator der Studie, Les Firbank, hatte
gegenueber BBC erklaerte, dass angesichts der gewonnene Erkenntnisse aus der
Untersuchung das Genmoratorium erhalten bleiben solle.



Da jedoch die Ergebnisse der Studie im Fall von genmanipuliertem Mais nicht
so eindeutig negativ wie bei Genraps und gentechnisch veraenderten
Zuckerrueben ausgefallen waren, versuchte Blair, das gesamte Moratorium
durch die einseitige Zulassung von gentechnisch veraendertem Mais zu
sprengen. "Chardon LL", eine Genmaissorte des deutschen Bayer-Konzerns,
sollte auf britischen Feldern spriessen duerfen. Dies verhinderte zunaechst
Anfang Maerz der Umweltausschuss des britischen Parlaments. Doch nur
voruebergehend: Blairs Kabinett setzte sich darueber hinweg und erteilte die
Genehmigung. Diesmal jedoch hatte Blair die Rechnung ohne Wales gemacht, das
nunmehr die Notbremse zog. Der Ausgang dieser fuer die gesamte Natur Europas
entscheidenden Auseinandersetzung bleibt also weiterhin offen. Britanniens
Regierungschef ist bekannt fuer seine Zaehigkeit, die er im Falle der
Kelly-Affaere und bei der Aufdeckung der Irak-Kriegsluegen beeindruckend
unter Beweis gestellt hat.



"Nach und nach werden immer mehr Risiken von ðChardon LLÐ bekannt",
berichtet Brian John von der Waliser Umweltorganisation GM Free Cymru. "Die
Wissenschaftler, die die Zulassung von ðChardon LLÐ vorangetrieben haben,
kann man nur als korrumpiert bezeichnen." Nach Angaben der Organisation
folgt allerdings aus dem Veto der Waliser, dass der Anbau von Genmais
mindestens bis zum Oktober 2006 verboten bleibt.



Die Entscheidung wird von Beobachtern als Schuss vor den Bug der Regierung
gewertet. Blairs Kabinett sei uneingeschraenkt den Wuenschen der
Gentechlobby gefolgt, als es die Zulassung von "Chardon LL" gegen das Votum
des Umweltausschusses erteilte, kritisierten Gegner der Gentechnik.



Bereits im Februar lehnte die belgische Regierung die Zulassung von
genmanipuliertem Raps von Bayer ab. Die Entscheidungen in Wales und Belgien
setzen auch die deutsche "gruene" Ministerin Renate Kuenast unter Zugzwang.
Ihr liegen mehrere Antraege von Bayer auf Anbau genmanipulierter Pflanzen
vor. Nach Ansicht von Umweltverbaenden schuetzt der vorliegende deutsche
Gesetzentwurf von Kuenast die Produkte der konventionellen und oekologischen
Landwirtschaft nicht ausreichend vor Verunreinigungen durch Genpflanzen.



Tritt aber das deutsche Gentechnikgesetz, das zur Zeit im Bundesrat
behandelt und von den Laendervertetern weiter verwaessert wird, in Kraft,
werden die vorliegenden Antraege von Kuenast positiv beschieden.
"Koexistenz" wird dann nur auf dem Papier existieren, da laengst bewiesen
ist, dass ein Nebeneinander zwischen gentechnischer Landwirtschaft und
konventionellen Anbaumethoden weder in den USA noch in Kanada moeglich war.
Gerade im Falle der kleinraeumigen europaeischen Landwirtschaft ist
Koexistenz nicht realisierbar. Pollenflug und Auskreuzungen lassen sich auch
mit noch so strengen gesetzlichen Auflagen nicht verhindern. Ueber
Entschaedigungen wegen Kontamination durch gentechnisch veraenderte
Pflanzensorten wird erfahrungsgemaess jahrelang vor den Gerichten gestritten
werden, denn die Konzerne verfuegen ueber Heerscharen von Hausjuristen.
Bevor die ersten Gelder fliessen wuerden, haetten konventionelle und
Biolandwirte laengst ihre finanziellen Reserven aufgebraucht.



Entscheidend dafuer, ob es zum gentechnischen GAU in Europa kommt, wird also
auch sein, ob in Deutschland eine breiten Front fuer den Erhalt des
Genmoratoriums aufgebaut werden kann. Voraussetzung waere allerdings, dass
die grossen deutschen Umweltverbaende ihre Illusionen in Hinblick auf ein
sicheres Gentechnik-Gesetz endlich ueber Bord werfen.


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http://www.jungewelt.de/2004/04-06/008.php

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