[Gen-Streitfall] taz 8.09.03 Künast Genfood Gesetzesentwurf

Sabine altmann.tent at t-online.de
Mo Sep 8 21:41:35 CEST 2003


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: gen-info-bounces at ilpostino.jpberlin.de
[mailto:gen-info-bounces at ilpostino.jpberlin.de] Im Auftrag von Klaus
Schramm
Gesendet: Montag, 8. September 2003 21:18
An: gen-info at listi.jpberlin.de
Betreff: [Gen-Info] taz 8.09.03 Künast Genfood Gesetzesentwurf

Hallo Leute !

In der heutigen 'taz' (Kopie siehe weiter unten) legt sich Heike
Moldenhauer 
vom BUND mit Verve ins Zeug, um die Position Ministerin Künasts
glaubwürdig 
erscheinen zu lassen.
Der Kommentar wartet mit einigen interessanten Fakten auf ( die
allerdings
auch an anderer Stelle schon zu lesen waren). Über die vorliegende 
Novelle des Gentechnikgesetzes enthält sich Frau Moldenhauer jedoch
jeglicher Fakten. Ihre Argumentation folgt der Logik: Wenn Clement und
Co. gegen die Gesetzesnovelle polemisieren, folgt daraus, daß sie ganz
hervorragend und für die VerbraucherInnen gut und nützlich ist...

Ciao
   Klaus Schramm


Grüne Gentechnik in roten Zahlen

Die MinisterInnen Künast, Clement und Bulmahn streiten um gentechnisch 
veränderte Lebensmittel. Doch der Nutzen für Industrie und Beschäftigung
ist 
nicht seriös zu beziffern

Der Streit um die Grüne Gentechnik zwischen SPD und Grünen entbrennt
wieder in 
voller Schärfe.

Anlass ist diesmal die Novelle des Gentechnikgesetzes, das die
rechtlichen 
Bedingungen für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in
Deutschland 
festlegt. Verbraucherministerin Künast hat einen Entwurf vorgelegt, der
gerade 
mit den anderen Ministerien, allen voran denen für Wirtschaft und für
Forschung, abgestimmt werden muss. 

Die Konfliktlinien zwischen den Regierungsparteien: Für die SPD ist
Gentechnik 
eine Zukunftstechnologie, die Arbeitsplätze schafft und einen wichtigen
Beitrag 
zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland leistet. Bereits
jetzt 
fließen jährlich 250 Millionen aus dem Etat des Bildungs- und 
Forschungsministeriums in Biotechnologieprojekte. Die Grünen hingegen
wollen die 
Wahlfreiheit der VerbraucherInnen bewahren und die gentechnikfreie 
Landwirtschaft sichern. Die Novelle des Gentechnikgesetzes soll deshalb
"unter 
Verbrauchergesichtspunkten erfolgen", wie es auch im Koalitionsvertrag
heißt. 

Wie tief die Gräben zwischen beiden Parteien in Sachen Grüne Gentechnik
sind, 
spiegeln die über die Presse ausgetragenen Scharmützel wider. Nachdem
die im 
Künast-Ministerium formulierte Gesetzesvorlage dem Wirtschaftsressort
zugegangen 
war, warf Clement seiner Ministerkollegin vor, sie wolle mit ihren
Maßnahmen zur 
Sicherung einer gentechnikfreien Produktion "eine ganze
Zukunftstechnologie 
totmachen". Ende August appellierte deswegen auch die Deutschen 
Industrievereinigung Biotechnologie an den Basta-Schröder: Damit der
"grüne 
GenTech-Zug" nicht ohne Deutschland abfahre, müsse der Bundeskanzler die
grüne 
Ministerin in ihre Schranken weisen. 

Doch Künast tritt für das ein, was bisher eine Selbstverständlichkeit
war und 
jetzt akut bedroht ist: das Recht von 80 Millionen VerbraucherInnen und
400.000 
LandwirtInnen, ohne Gentechnik essen und produzieren zu können. Auf der
anderen 
Seite stehen SPD-MinisterInnen wie Wolfgang Clement und die für
Forschung 
zuständige Edelgard Bulmahn, denen es vor allem darum geht, Auflagen für

diejenigen zu vermeiden, die mit dem Verkauf oder Anbau transgenen
Saatguts Geld 
verdienen wollen. Warum eigentlich? 

Das Geschäft mit transgenem Saatgut ist nur auf den ersten Blick eine 
Erfolgsgeschichte. Bei einer Fläche von weltweit derzeit 60 Millionen
Hektar mit 
gentechnisch veränderten Soja-, Baumwoll-, Mais- und Rapssorten
konzentriert 
sich der Anbau lediglich auf vier Länder. Etwa zwei Drittel der
weltweiten
Anbauflächen befinden sich in den USA, ein Viertel in Argentinien,
sieben 
Prozent in Kanada und zwei Prozent in China. Auf dem Markt für
transgenes 
Saatgut - inklusive dem für an die Pflanzen angepasste Pestizide -
wurden im 
Jahr 2002 drei Milliarden US-Dollar Umsatz erzielt, das sind sieben
Prozent des
gesamten Weltmarktumsatzes für Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Keines
der 
weltweit sechs führenden Gentech-Unternehmen schreibt schwarze Zahlen.
Monsanto, 
der US-amerikanische Branchenriese mit achtzig Prozent Marktanteil,
kämpft seit 
Jahren gegen den Bankrott. 

Wie steht es mit dem sozialdemokratischen Mantra, Gentechnik schaffe 
Arbeitsplätze? Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young aus
dem Jahr 
2002 beziffert die in der deutschen Bio-Tech-Branche Beschäftigten auf
14.400 
Mitarbeiter, die in 365 zumeist kleinen Firmen jährlich rund eine
Milliarde Euro 
umsetzen. Ähnliche Zahlen nennt der zwei Jahre vorher unter Federführung
des
Forschungsministeriums erstellte "Bericht des Fachdialogs 
Beschäftigungspotenziale im Bereich Bio- und Gentechnologie". Zur Grünen

Gentechnik heißt es dort, dass sie zu den "eher weniger wichtigen
Geschäftsfeldern deutscher Biotechnologieunternehmen" zählt. Die 
Schlussfolgerung: "Größere Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden sich
hier 
aber erst zeigen, sobald dieses Feld in großem Umfang von der Forschung
in die 
Produktion ausstrahlt." Bislang ist von der viel beschworenen
Jobmaschine Grüne 
Gentechnik jedenfalls nichts zu spüren. 

Leider macht die Fixierung auf das unterstellte Arbeitsplatzpotenzial
der Grünen 
Gentechnik Wirtschaftsminister und Forschungsministerin blind für das
Hier und 
Jetzt:

Blind zum einen für die Arbeitsplätze, die in Deutschland und der EU
durch den 
Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik in Landwirtschaft und 
Lebensmittelproduktion gesichert werden oder neu entstehen
können. Weil es bisher so gut wie keinen kommerziellen Anbau von
gentechnisch 
veränderten Pflanzen in der EU gibt, verfügt die hiesige Landwirtschaft
zurzeit 
noch über einen grandiosen Wettbewerbsvorteil:
Sie kann die Nachfrage nach garantiert gentechnikfreien Produkten
befriedigen - 
und das nicht allein für den EU-Binnenmarkt von jetzt 380 Millionen 
VerbraucherInnen, die in ihrer großen Mehrheit Gen-Food ablehnen,
sondern auch 
für den asiatischen und den US-Markt. 

Blind zum anderen für die Arbeitsplätze, die auf dem Spiel stehen, wenn
in der 
deutschen Landwirtschaft US-amerikanische oder kanadische Verhältnisse
Einzug 
halten. In beiden Ländern gibt es keinerlei Regelungen zum Schutz der 
gentechnikfreien Produktion. Die Folge: Seit 1996, als erstmals
transgenes
Saatgut großflächig ausgebracht wurde, hat eine nahezu flächendeckende 
gentechnische Kontamination von konventioneller und ökologischer
Landwirtschaft 
stattgefunden. Viele Öko-Betriebe verloren daraufhin ihre Zertifizierung
und 
mussten aufgeben. Und den US-Farmern gingen Absatzmärkte verloren. Das
ist
auch der Grund, weshalb die USA die EU bei der Welthandelsorganisation
verklagt 
haben. 

In den letzten Wochen hat die SPD erkennen lassen, dass ihr selbst
rudimentäre 
Regeln für die Nutzer der Grünen Gentechnik zu weit gehen. Sie sagt nein
dazu, 
dass die Verursacher für wirtschaftliche Schäden haften, die Landwirten
oder 
Lebensmittelherstellern durch gentechnische Kontamination ihrer
Produkte entstehen. Sie will keine öffentlich zugänglichen
Standortregister, in 
denen verzeichnet ist, wo transgenes Saatgut ausgebracht wird. Und sie
lehnt 
eine Rechtsverordnung ab, die festlegt, welche Pflichten diejenigen
Bauern 
haben, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen wollen.

Bei der Novelle des Gentechnikgesetzes muss die SPD die Katze aus dem
Sack 
lassen: Setzt sie sich ein für die Partikularinteressen einer Industrie,
die mit 
gentechnisch veränderten Pflanzen ein Angebot geschaffen hat, für das es
bei 
Europas VerbraucherInnen keine Nachfrage gibt. Oder macht sie sich
gemeinsam mit den Grünen stark für ein hohes demokratisches Gut: die 
Wahlfreiheit. Wahlfreiheit beim Essen wird es nur dann weiterhin geben,
wenn die 
rechtlichen Rahmenbedingungen für den Anbau gentechnisch veränderter
Pflanzen in 
Deutschland so ausgestaltet werden, dass der Schutz der gentechnikfreien

Produktion oberste Priorität hat. 

HEIKE MOLDENHAUER

taz Nr. 7151 vom 8.9.2003, Seite 13, 241 Zeilen (Kommentar), 
HEIKE MOLDENHAUER,  taz-Debatte

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