[Gen-Streitfall] EU untersagt gentechnikfreie Zonen in Oberösterreich

Wiebke Herding wiebke.herding at bund.net
Mi Sep 3 19:05:10 CEST 2003


Der Standard, 2.9.03
http://derstandard.at/?id=1407740

>> EU untersagt gentechnikfreie Zonen in Oberösterreich

Hauptbegründung der Kommission: Österreich legte keine neuen
Erkenntnisse über Umweltprobleme vor

Brüssel - Die EU-Kommission hat den Antrag des Landes Oberösterreich,
das gesamte Bundesland zur gentechnikfreien Zone zu erklären,
abgelehnt. Österreich habe weder neue wissenschaftliche Erkenntnisse
über Umweltprobleme durch die Technologie vorlegen, noch
landesspezifische Probleme durch die Verwendung gentechnisch
veränderter Pflanzen nachweisen können, heißt es in einer
Pressemitteilung der EU-Kommission dazu.

Empfehlung der Lebensmittelbehörde gefolgt

Die EU-Kommission erinnert daran, dass auch die Wissenschafter der
EU-Lebensmittelbehörde im Juli keine Grundlage für ein
Gentechnikverbot im ganzen Bundesland gesehen hätten.
EU-Umweltkommissarin Margot Wallström weist darauf hin, dass die
rechtliche Lage eindeutig sei. Die EU-Kommission habe als Hüterin des
EU-Rechts keine andere Möglichkeit gehabt, als die von Österreich
beantragte Ausnahme abzulehnen.

Umweltkommissarin Wallström: Koexistenz-Problem EU-weit zu lösen 

Wallström hat aber "kein Problem anzuerkennen, dass die Koexistenz
(von Gentechnik und klassischer Landwirtschaft, Anm.) eine wichtige
noch offene Frage ist". Dies sei aber ein Problem, das sich in vielen
Regionen in der EU stelle und auf das im Rahmen des EU-Rechts
Antworten zu finden seien.

Oberösterreich hatte eine Ausnahme beantragt, um den Anbau
gentechnisch veränderten Saatgutes für drei Jahre zu verbieten. Damit
sollten Biolandbau und traditionelle Landwirtschaft vor einer
Vermischung ihres Saatgutes mit Gentech-Produkten geschützt werden.
EU-Recht erlaube eine solche Ausnahme aber nur, wenn neue
wissenschaftliche Erkenntnisse über Umweltschäden oder Gefahren für
Menschen vorgelegt werden oder wenn eine besonderes Problem für eine
Region nachgewiesen werden kann. Beides sei aber nicht geschehen,
meint die EU-Kommission.

Die Republik Österreich hatte die Ausnahme am 13. März beantragt. Am
11. Juli hatte die Lebensmittelbehörde ihre Stellungnahme
veröffentlicht, wonach von Österreich keine neuen Informationen über
das Umweltrisiko und das Risiko für Menschen vorgelegt worden seien.
Am 23. Juli hat die EU-Kommission ihre Empfehlungen für die Koexistenz
traditioneller und gentechnisch veränderter Agrarprodukte vorgelegt.
Darin spricht sie sich für kleinräumige Schutzzonen auf Ebene
einzelner Betriebe aus. Auf regionalem Niveau seien Gegenmaßnahmen nur
dann zulässig, wenn sie verhältnismäßig seien und kein anderer Schutz
möglich wäre.

Landeshauptmann Pühringer: Oberösterreich legt Nichtigkeitsklage beim
Europäischen Gerichtshof ein

Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (V) hatte am
Dienstag schon bei der Eröffnung der Landwirtschaftsmesse in Ried im
Innkreis mit dem negativen Entscheid in Brüssel gerechnet und
festgestellt, Oberösterreich werde Nichtigkeitsklage beim Europäischen
Gerichtshof einlegen. "Die Vorschläge von Brüssel zum Genbereich mögen
für große Agrarindustrien geeignet sein, sicherlich nicht für die
kleinstrukturierte oberösterreichische Landwirtschaft", stellte
Pühringer fest.

Sein Stellvertreter Erich Haider (S) sprach von einer
"Fehlentscheidung" in Brüssel und einem "Kniefall" vor den USA. Für
ihn sei es unerklärlich, dass die EU gesunde Lebensmittel wolle, aber
nicht gentechnikfreie. Auch er trat dafür ein, den Europäischen
Gerichtshof anzurufen, vor allem sollte aber das EU-Recht geändert
werden.

Grüne: "Skandalös" 

Als "skandalös und unverantwortlich" bezeichneten der Grüne
Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber sowie der Klubobmann der
Grünen Oberösterreichs, Rudi Anschober, die Ablehnung des
oberösterreichischen Antrags. Oberösterreich müsse "in dieser
Situation hart bleiben und es auf eine Klage der EU ankommen lassen",
so Anschober. Landeshauptmann Josef Pühringer und
Landwirtschaftsminister Josef Pröll (beide ÖVP) hätten zu lange
zugewartet und bisher keine weitergehenden Initiativen unternommen,
"die oberösterreichische Position konsequent gegenüber Brüssel zu
vertreten", kritisierte Pirklhuber.

Die Grünen fordern daher eine österreichische Initiative, um die Frage
der Koexistenz und die Möglichkeit der Schaffung gentechnikfreier
Regionen auf EU-Ebene einheitlich zu regeln. Pröll müsse eine
"Lebensmittelvorsorge-Konferenz" initieren und alle Mittel zu
Sicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich ergreifen.
Dazu zähle vor allem die "EU-konforme" - so die Grünen -
verpflichtende Verwendung von gentechnikfreiem Saatgut im Rahmen des
österreichischen Programms für eine umweltorientierte Landwirtschaft
(ÖPUL).

GLOBAL 2000: Biobauern geopfert

Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 erklärte, die EU-Kommission
habe die Interessen der Biobauern geopfert, "um den WTO-Streit mit den
USA zu gewinnen". Um eine US-Klage gegen das Gentechnik-Moratorium
abzuwenden, arbeite die EU-Kommission mit Hochdruck an dessen
Aufhebung, sagte der GLOBAL 2000-Gentechnik-Experte Werner Müller. Das
Verbot der gentechnikfreien Zone Oberösterreich sei "ein Puzzlestein
in der EU-Strategie."

Greenpeace will "Aktionspaket gegen Gentech-Verschmutzung"

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte die Bundesregierung
und die Länder auf, gemeinsam ein "Aktionspaket gegen
Gentech-Verschmutzung" zu schnüren. Der Bund solle im Rahmen der
anstehenden Gentechnik-Gesetzesnovelle ein Bundesrahmengesetz zum
Schutz vor Gentech-Verunreinigungen verabschieden und die Bundesländer
entsprechende Ausführungsgesetze beschließen. Spätestens seit der
heutigen Entscheidung der EU-Kommission gegen das Konzept der
Gentechnik-freien Zone Oberösterreich sei klar, dass dies nicht ohne
Konflikt mit der EU geschehen kann, hieß es in einer Aussendung. Die
kommenden Monate würden "zur Nagelprobe für die österreichische
Politik in Sachen Umsetzung des Gentechnik-Volksbegehrens.", sagte der
Gentechnik-Experte von Greenpeace, Thomas Fertl. (APA)


-- 
 Wiebke Herding
 
 Bundesjugendsprecherin
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