[Gen-Streitfall] Sachsen-Anhalt: Bauern verweigern Gen-Mais - erster deutscher Großversuch vor dem Aus?

Sabine altmann.tent at t-online.de
Mo Nov 10 22:29:33 CET 2003


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Bauern verweigern den Gen-Mais

Sachsen-Anhalt setzt auf die Grüne Gentechnik. Schon nächstes Jahr
sollen dort die ersten Gen-Samen im Großversuch sprießen. Der
Unterstützung der Landwirte glaubte sich die Magdeburger Regierung so
sicher - bis zum letzten Freitag aus Magdeburg WOLFGANG LÖHR

Sachsen-Anhalts Fortschrittsinitiative zur Grünen Gentechnik ist
überraschend ins Straucheln geraten. Die Magdeburger Landesregierung
wollte Fakten schaffen, den umstrittenen Anbau von Genpflanzen zusammen
mit Saatgutkonzernen, Pflanzenzüchtern und Bauernverbänden im großen
Maßstab erproben. Doch als Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) und
Landwirtschaftsministerin Petra Wernicke (CDU) am Freitag noch
vollmundig versprachen, "wir werden die Vorreiterrolle übernehmen",
hatten sie ihre wichtigsten Partner, die Landwirte, bereits verloren.

Schon seit Monaten liefen die Vorbereitungen. Die großen
Biotechkonzerne, Pflanzenzüchter und die in Sachsen-Anhalt ansässigen
Landwirtschaftsorganisationen wurden angeschrieben und um Unterstützung
für das Genprojekt gebeten. Der Feldversuch soll das "Mit- und
Nebeneinander" der verschiedenen Anbaumethoden klären, er soll
Erkenntnisse darüber liefern, wie Genkontaminationen von Nachbarfeldern
einzudämmen sind. Dann, letzten Freitag, sollte der große Augenblick
sein: Das Magdeburger
Wirtschafts- und das Agrarministerium hatten zur Pressekonferenz
geladen, auf der eine von 16 Unterzeichnern getragene Absichtserklärung
für den Einstieg in den großflächigen Gentech-Anbau bekannt gegeben
werden sollte.

Doch daraus wurde nichts. Ohne klare Regeln für die Koexistenz von
Gentech-Anbau, konventioneller Landwirtschaft und Ökobetrieben werde es
keine Zustimmung zu dem Projekt geben, ließen die Verbände der Landwirte
schon im Vorfeld verlauten. Auch müssten für mögliche Schadensfälle
Haftungsregeln aufgestellt werden. "Verwundert" und "mit großer Sorge"
nahmen etwa der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Landesbauernverband
Sachsen-Anhalt die Anbauinitiative zur Kenntnis. Der Landesverband, der
eigentlich zu den angekündigten 16 Unterzeichnern gehörte, verweigerte
denn auch die Unterschrift. Er begründete das mit dem "fehlenden
Rechtsrahmen für die Landwirte".

"Höchst verärgert" zeigte sich auch der Landvolkverband Sachsen-Anhalt.
"Die Einladung war nicht mit uns abgestimmt", kritisierte deren
Hauptgeschäftsführer Jochen Dettmer gegenüber der taz. Den
Koexistenzversuchen könne nur zugestimmt werden, wenn vorab vereinbart
werde, welche Abstände eingehalten werden müssten, wie Haftung,
Informationspflicht und Kontrollen aussähen. Dettmer: "Das haben wir
vorab auch deutlich gemacht."

Minister Rehberger und Wernicke mussten auf der Pressekonferenz
eingestehen, dass die Bauern ihnen die Unterstütung verweigern. Sechs
von ursprünglich 16 Unterzeichnern sind ihnen geblieben. Allesamt
Unternehmen, die seit langem darauf drängen, ihre Gentech-Pflanzen auf
den Markt bringen zu können: Pioneer Hi-bred, Syngenta, Monsanto, Bayer
CropScience, BASF und die Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS).

An dem großflächigen Versuchsanbau, der im nächsten Jahr schon mit
insektenresistentem Bt-Mais von Pioneer beginnnen soll, wollen die
beiden Minister aber festhalten: Das Memorandum wurde kurzerhand zu
einer Diskussionsgrundlage für weitere Verhandlungen mit den
Landwirtschaftsverbänden erklärt. Schwierigkeiten könnte der
Versuchsanbau aber auch durch das Bundeslandwirtschaftsministerium in
Berlin bekommen. Agrarministerin Renate Künast (Grüne) fragte schon
einmal vorsorglich in Magdeburg nach, auf welcher Rechtsgrundlage das
Genprojekt eigentlich basiere. Schließlich gebe es in Deutschland noch
keine Gensorte, die für den großflächigen Anbau zugelassen sei.

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Genmais in die EU?

Die EU-Kommission will schon lange, dass das seit fünf Jahren geltende
De-facto-Moratorium für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen
gekippt wird. Heute geht es um die Position der Mitgliedsstaaten: Sie
stimmen im ständigen Lebensmittelausschuss über die Zulassung einer
herbizidresistenten und gegen Insektenfraß geschützten Maissorte von
Syngenta ab. Der wissenschaftliche Ausschuss votierte bereits 2002
dafür. Spekuliert wird, dass auch die Mitgliedsländer zustimmen, um den
USA, die ein Klage gegen das EU-Moratorium bei der WTO eingereicht
haben, "guten Willen" zu signalisieren. WLF


taz Nr. 7204 vom 10.11.2003, Seite 9
http://www.taz.de/pt/2003/11/10/a0085.nf/text
http://www.taz.de/pt/2003/11/10/a0086.nf/text



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