[Gen-Streitfall] Presseschau 11.7. - 17.7.03

Wiebke Herding mail at wiebkeherding.de
Do Jul 17 12:31:46 CEST 2003


Offenbar Dissens in Bundesregierung über Gentechnik-Gesetz
Künast: Verbraucher können Gentechnik verhindern
Bayer verweigert Haftung für Genpflanzen
Chirac erlässt Gentechnik-Gegner Bové vier Monate Haft


Dienstag 15. Juli 2003, 17:52 Uhr

>> Offenbar Dissens in Bundesregierung über Gentechnik-Gesetz

- Von Elke Pickartz -

Berlin (Reuters) - Gegensätzliche Positionen in der Bundesregierung
zur Neuregelung des Gentechnik-Gesetzes könnten den Anbau gentechnisch
veränderter Pflanzen (GVO) in Deutschland weiter verzögern.

Hauptstreitpunkt in der laufenden Ressortabstimmung sind
Koalitionskreisen zufolge die Haftungsregeln für den Anbau von
Gen-Pflanzen. Der Reuters vorliegende Gesetzentwurf sieht bislang vor,
dass die GVO-Anbauer für eventuelle Schäden aufkommen sollen, wenn
ihre Gen-Pflanzen auf GVO-freie Anbauflächen anderer Landwirte
übergreifen und diesen Ertragseinbußen verursachen. Während
Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) auf dem Verursacherprinzip
im Gesetz bestehe, sei das Justizministerium gegen eine solche
Festlegung, hieß es in den Kreisen. "Da gibt es zwischen den Ressorts
einen Dissens. Der muss jetzt ausgetragen werden", hieß es weiter.

Bislang war den Kreisen zufolge geplant, das Gesetz Ende August im
Kabinett zu verabschieden. Ein Streit um die Haftungsregeln könnte
eine Regelung, auf die die GVO- orienierte Biotech-Branche seit langem
dringt, jedoch weiter verzögern. Ein Sprecher des Agrarministeriums
sagte lediglich, die Novelle sei derzeit in der Ressortabstimmung. Zu
Details wolle er sich nicht äußern. Eine Sprecherin des
Justizministeriums sagte, interne Ressortabstimmungen würden
grundsätzlich nicht kommentiert.

BIOTECH-BRANCHE FÜRCHTET, ANSCHLUSS ZU VERLIEREN

In der Europäischen Union (EU) gilt seit 1998 ein De-Facto-Verbot für
gentechnisch veränderte Pflanzen. In diesem Jahr soll das Verbot
jedoch durch Neuregelungen auf Ebene der EU und in ihren
Mitgliedstaaten aufgehoben werden. Das Europäische Parlament
verabschiedete Anfang Juli in einem ersten Schritt eine Regelung, die
die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel vorschreibt.

Die USA dringen auf eine Öffnung des EU-Markts für Gen-Produkte und
haben bei der Welthandelsorganisation Beschwerde eingelegt. Auch die
Biotech- Branche in Deutschland, zu der Branchenriesen wie Bayer
CropScience und BASF (Xetra: 515100.DE - Nachrichten - Forum) zählen,
fordert eine Aufhebung des Moratoriums. Die Branche hält die geltenden
zivilrechtlichen Haftungsregeln für die Koexistenz von GVO-Anbau und
GVO-freiem Anbau für ausreichend. Neue Regeln seien nicht erforderlich
und hätten zudem nichts in einem Gentechnik-Gesetz zu suchen, sagte
eine Expertin des Industrieverband Agrar. Es bestehe die Gefahr, dass
Deutschland mit einem Streit um Haftungsregeln den Anschluss an die
internationale Entwicklung bei GVO verliere.

Außerhalb der EU steigt der GVO-Anbau stark an. Derzeit werden 60
Millionen Hektar gentechnisch veränderter Pflanzen angebaut, davon
rund die Hälfte in den USA. Auch Länder wie China und Indien suchen
den Anschluss. China hat als weltweit größter Baumwollproduzent
bereits mehr als die Hälfte seines Anbaus umgestellt. Auf einer
Fläche, die zweimal so groß ist wie Belgien, wächst schon
insektenresistente GVO-Baumwolle, die den Schädlingsbefall eindämmen
und die Ernte verbessern soll.

epi/tin

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Montag 14. Juli 2003, 16:07 Uhr
>> Künast: Verbraucher können Gentechnik verhindern

Pinneberg (AP) Gentechnisch veränderte Produkte werden sich nach
Ansicht von Verbraucherschutzministerin Renate Künast auf dem
deutschen Markt vorerst nicht durchsetzen. «Ich gehe davon aus, dass
der Handel sehr vorsichtig operieren wird», sagte die
Grünen-Politikerin am Montag auf einer Pressekonferenz in Pinneberg
bei Hamburg. Die Verbraucher wünschten diese Produkte nicht, betonte
Künast. Deshalb habe auch nicht die Politik, sondern der Markt die
Macht, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel auf lange Sicht zu
verhindern.

Ausdrücklich unterstützte die Ministerin das gleichzeitig von Edeka
Nord vorgestellte Programm, wonach in norddeutschen Verbrauchermärkten
dieser Kette künftig nur gentechnik-frei produziertes Schweinefleisch
der Marke Gutfleisch verkauft werden soll. «Indem der Verbraucher
dieses Fleisch kauft, macht er deutlich, dass er keine Gentechnik
wünscht», hob Künast hervor.

Zurzeit sei bei deutschem Schweinefleisch davon auszugehen, dass viele
Tiere mit genmanipuliertem Soja gefüttert wurden, erklärte die
Ministerin. «Die Frage, ob Gentechnik drin ist oder nicht, bleibt
offen.» Bislang sei es bei dem aus Südamerika gelieferten Futter-Soja
sehr schwierig gewesen, genau zurückzuverfolgen, ob es sich um
genmanipulierte Pflanzen handele. Die jetzt durchgesetzte
Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte gelte zwar
bei direkt betroffenen Futter- und Lebensmitteln, nicht aber bei
Fleisch, wo Gentechnik nur indirekt über das Futter eine Rolle spiele.

«Rund 99 Prozent aller Schweine in Deutschland fressen
genmanipuliertes Futter», schätzt Gentechnik-Experte Christoph Then
von Greenpeace. Das Ausnahmen seien Biobetriebe, spezielle
Erzeugergemeinschaft und die jetzt beschlossene Kooperation von
Edeka-Nord, bei der auch Greenpeace mitgearbeitet habe.

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Freitag 11. Juli 2003, 11:48 Uhr
>> Bayer verweigert Haftung für Genpflanzen

Perth (pte) - Heftige Kritik an der Haltung des Saatgutherstellers
Bayer CropScience äußern australische Bauern. Das Network of Concerned
Farmers (NFC) http://www.non-gm-farmers.com fordert in einem offenen
Brief von Bayer die Übernahme aller Folgekosten, die sich aus dem
Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ergeben. Bisher waren
gentechnisch veränderte Nahrungsmittel in der australischen
Landwirtschaft verboten. Bayer drängt aber auf Zulassung von genetisch
verändertem Raps.Die Kritik der NFC richtet sich vor allem gegen die
aufwändigen Testverfahren, die Bauern, die keine
gentechnisch-veränderten Saaten anbauen, dazu zwingen die Reinheit
ihrer Produkte zu belegen. In einer Stellungnahme weigerte sich Bayer
der Forderung nachzukommen. Außerdem würde der fünfte Kontinent seinen
Status als "Gentechnik-Frei" verlieren, argumentieren die Bauern."Wenn
die Verantwortlichen bei Bayer sicher sind, dass der Anbau von
Gen-Raps keine Probleme verursacht, dann sollen sie auch die Haftung
und alle Folgekosten übernehmen", erklärt Julie Newman, Sprecherin der
NFC. Ärger herrscht darüber, dass die Konzerne offenbar planen, die
Kosten, die sich bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen
ergeben, den Gentechnik-frei arbeitenden Landwirten aufzubürden.
Newman betont, dass die Bauern, die sich weigern genetisch-veränderte
Saaten anzubauen, nicht bereit sind Unternehmen wie Bayer und Monsanto
zu subventionieren. Unterstützung erhalten die australischen
Gentechnik-Kritiker von Bauern aus Kanada, die vor den Folgen
genetisch-veränderter Pflanzen warnen. "Zuerst kommen große
Versprechungen, dann kommt die Realität der genetischen Verunreinigung
und Kontamination, höhere Kosten für Samen, Markteinbrüche und
Superunkräuter", warnt Lyle Wright, kanadische Sprecherin der
kanadischen National Farmers Union (NFU) sowohl die australischen als
auch die britischen Bauern. Newman will Bayer dazu bringen die volle
Verantwortung für die Produkte zu übernehmen. "Die Kosten von
Gentechnik-frei arbeitender Landwirte für Tests und Aussortierung
gentechnischer Verunreinigungen liegen bei zehn bis 20 Prozent des
Verkaufspreises", so Newman. Das NFC argumentiert auch damit, dass
wichtige Importeure wie China und die EU nur Gentechnik-freien Raps
kaufen und daher diese Märkte verloren gehen werden. Präsident George
Bush drängt mit dem Argument, dass gentechnisch veränderte Pflanzen
die Welt satt machen werden, auf die Aufhebung des Import-Verbots von
genetisch veränderten Pflanzen. Der US-Regierung wird auch vorgeworfen
mit großen Saatgutkonzernen eng verbunden zu sein.
Umweltorganisationen sehen hingegen ihre Angst vor einer genetischen
Verunreinigung herkömmlicher Pflanzen bestätigt: Untersuchungen in
Kanada haben nämlich ergeben, dass 95 Prozent des von Öko-Bauern
angebauten Raps mit Fremdgenen kontaminiert waren.

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Donnerstag 10. Juli 2003, 12:52 Uhr
Chirac erlässt Gentechnik-Gegner Bové vier Monate Haft

(AFP) Der französische Präsident Jacques Chirac hat dem populären
Gentechnik-Gegner und Bauernführer José Bové vier Monate Haft
erlassen. Zum Nationalfeiertag am 14. Juli habe Chirac einen
Gnadenerlass unterzeichnet, mit dem Bovés zehnmonatige Haftstrafe um
insgesamt vier Monate verkürzt werde, teilte das Pariser Präsidialamt
am Donnerstag mit. Zwei Monate Hafterlass erfolgten im Zuge der
alljährlich üblichen kollektiven Verringerung von Haftstrafen, zwei
weitere Monate habe Chirac speziell für Bové bewilligt. Der
Globalisierungsgegner war am 22. Juni inhaftiert worden. Er war 1998
zu acht Monaten Gefängnis auf Bewährung und 2001 zu weiteren sechs
Monaten verurteilt worden. Die Justizbehörden hatten entschieden, die
Urteile zu einer Haftstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung zu
addieren.





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