[Gen-Info] Gen-Lachs in den USA gestoppt

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Sa Jun 18 00:08:06 CEST 2011


17.06.2011

Gen-Lachs in den USA gestoppt
Widerstand gegen "Frankenstein-Fisch"

Abgeordnete des US-Repräsentanten- hauses stoppten die 
Markteinführung des ersten genmanipulierten Fisches. Konzerne, die 
Millionen US-Dollar investiert haben, kämpfen weiter für die 
Durchsetzung des Gen-Lachses "AquaAdvantage" als Nahrungsmittel. Das 
gentechnische Konstrukt wäre ein Türöffner bei der Beherrschung eines 
wegen der Überfischung der Ozeane unterversorgten Welt-Marktes.

Nach Angaben der UN-Ernährungsorganisation FAO wurden 2009 mehr als 
mehr als 1,4 Millionen Tonnen Atlantischer Lachs "produziert" - fast 
vollständig in Aquakultur. Die USA sind längst nicht mehr in der 
Lage, den eigenen Bedarf zu decken. Sie importierten im vergangenen 
Jahr 176.400 Tonnen des Fisches im Wert von rund 1,4 Milliarden US-
Dollar. Während die Fangerträge in den Weltmeeren rückläufig sind, 
wächst die Nachfrage nach Fisch - ein Markt, der steigende Profite 
verspricht.

Seit Jahren kämpft der US-Konzern AquaBounty Technologies mit 
Unterstützung mächtiger Financiers für die Marktzulassung seines 
genmanipulierten Lachses "AquaAdvantage". Das lebende Konstrukt wird 
zwar nicht größer als seine natürlichen Artgenossen, wächst aber Dank 
eines eingebauten Wachstumhormons fast doppelt so schnell. Ins Erbgut 
dieses genmanipulierten Kunst-Lebewesens wurden Gene des Chinook-
Lachses aus dem Pazifik und Gene des aalähnlichen Meeresdickkopfs 
eingefügt.

Einen Antrag auf Zulassung des Gen-Lachses hat AquaBounty bereits vor 
mehr als zehn Jahren bei der US-Lebensmittelbehörde FDA gestellt. Der 
von KritikerInnen als "Frankenstein-Fisch" bezeichnete Gen-Lachs wäre 
das weltweit erste genmanipulierte tierische Lebensmittel gewesen. 
AquaBounty witterte exorbitante Profit-Raten und beabsichtigt, auch 
genmanipulierte Forellen und Barsche auf den Markt bringen.

Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete am Mittwoch einen 
Gesetzentwurf, der der Lebensmittelbehörde FDA Geld für die Zulassung 
versagt. Der Abgeordnete Don Young aus Alaska argumentierte, mit dem 
Gen-Lachs werde der wirtschaftlich wichtige Fang des Wildlachses in 
seinem Heimatstaat bedroht. Der Gesetzentwurf muß zwar noch den Senat 
passieren, doch voraussichtlich kann der heftig umstrittene Gen-Lachs 
in den USA auf absehbare Zeit nicht als Lebensmittel zugelassen 
werden. Dies würde einen herben Rückschlag für eine Milliarden-
Industrie bedeuten. Die Entscheidung der FDA wurde bis Ende dieses 
Jahres erwartet. Im Dezember 2010 hatte sie den Gen-Lachs für 
gesundheitlich unbedenklich erklärt.

Vor dem Weißen Haus in Washington fand im September 2010 eine 
Großdemonstration gegen den "Frankenstein.Fisch" statt. 
VerbraucherInnen-Verbände und Umwelt-Organisationen in den USA hatten 
sich in einem Bündnis zusammengeschlossen ("Say No To FrankenFish") 
und waren gegen den Gen-Lachs zu Felde gezogen. Sie befürcheten, die 
FDA öffne die "Büchse der Pandora". In der griechischen Mythologie 
handelt es sich bei der "Büchse der Pandora" um eine Geschenk der 
Götter, in der alles Übel der Welt eingeschlossen war. Doch die 
Neugier der Menschen setzte sich über das Gebot hinweg, die Büchse 
nicht zu öffnen. Mit der Zulassung des Gen-Lachses drohe die 
Freisetzung in den Nahrungskreislauf und in der Folge nicht 
wiedergutzumachendes Unheil.

Heise.de berichtete bereits im Herbst 2010 von Labor-Studien, in 
denen der Gen-Lachs bei Futtermangel seine natürlichen Artgenossen 
aussticht: "Gelangen nur 60 gentechnisch veränderte Lachse in die 
freie Wildbahn, könnte dies eine natürliche Population von 60.000 
Lachsen in weniger als 40 Fischgenerationen auslöschen," warnte Eric 
Hoffman von 'Friends of the Earth' unter Berufung auf eine Studie der 
National Academy of Sciences.

Die Gen-Lachse seien steril und würden in Fischfarmen an Land 
aufgezogen, sie könnten sich nicht mit wilden Lachsen paaren, 
konterte Ronald Stotish, Geschäftsführer von AquaBounty. Zugleich 
wiesen KritikerInnen auf den enormen Wasser- und Energieverbrauch bei 
Aquakulturen an Land hin.

Konkret wiesen UmweltschützerInnen auch nach, daß eine Studie, der 
die Entscheidung der FDA zugrunde lag, auf wissenschaftlichen Daten 
basiere, die von AquaBounty selbst stammten. Mitte September änderte 
die FDA ihren Kurs: die bisherigen Studien reichten nicht aus, 
weitere Studien vor der Zulassung des Gen-Lachs in den USA seien 
nötig.

Welches gigantische Profit-Potential in der Gentechnik steckt, zeigen 
die Umsätze mit genmanipulierten Pflanzen. Nach Angaben der 
industrienahen Organisation ISAAA hatten Ernten mit Gen-Mais, Gen-
Soja und Gen-Baumwolle im Jahr 2009 ein Volumen von 150 Milliarden US-
Dollar. Allerdings ist auch bekannt, daß der Anbau wegen zunehmender 
Probleme mit resistenten Unkräutern und rückläufiger Ernteerträge bei 
gleichzeitig steigendem Pestizid-Einsatz in vielen Ländern seinen 
Zenit überschritten hat.

Bei der europäischen Zulassungsbehörde EFSA wurde bislang kein Antrag 
für den Gen-Fisch gestellt. Angesichts der bei Meinungsumfragen seit 
Jahren in der gesamten EU deutlichen Ablehnung von Gentechnik in der 
Landwirtschaft, dürften genmanipulierte Tiere als Lebensmittel bei 
den europäischen VerbraucherInnen wenig Erfolg haben. In Deutschland 
etwa wird seit Jahren über die bereits zugelassene Gen-Kartoffel 
Amflora des Chemie-Konzern BASF gestritten. Sie soll nicht als 
Nahrung, sondern als Stärkelieferant in der Industrie verwendet 
werden. Doch selbst die Stärke-Industrie zeigt sich wenig an Amflora 
interessiert.

Im Gegensatz zu den USA gibt es in Europa eine EU-weite 
Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel. Dies gilt 
auch dann, wenn die genetische Veränderung im Endprodukt nicht mehr 
nachweisbar ist. Zugleich gibt es allerdings erhebliche Lücken im 
Kennzeichnungs-System: Eier, Fleisch und Milchprodukte von Tieren, 
die mit genmanipulierten Pflanzen gefüttern wurden, müssen auch in 
Europa nicht gekennzeichnet werden.


REGENBOGEN NACHRICHTEN


Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Bürgerinitiative 'Müritzregion - gentechnikfrei'
      weist Ehrung zurück / Kritik an SPD (7.06.11)

      Gen-Verunreinigung bei Saatgut
      nimmt zu (4.05.11)

      Gen-Eier zu Ostern?
      Greenpeace empfiehlt Bio (18.04.11)

      Gen-Kartoffel Amflora vor dem Aus
      BASF muß gesamte Ernte vernichten (28.02.11)

      Gen-Soja: Kippt die EU
      das geltende Reinheitsgebot? (9.02.11)

      Genmanipulierte Zuckerrüben: In den USA verboten -
      in Deutschland erlaubt? (4.02.11)

      US-amerikanischer Landwirt
      berichtet von Monsanto-Praktiken (28.01.11)

      Bundesverfassunggericht stärkt Gentechnik-GegnerInnen
      Gentechnik-Äcker bleiben öffentlich (24.11.10)

      Gen-Mais in Mexiko
      Monsanto und die Zerstörung eines Weltkulturerbes (8.09.10)

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      Illegale Verbreitung von Gen-Baumwolle
      Gentech-Konzern Monsanto zu Millionen-Geldstrafe verurteilt
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