[Gen-Info] Bundesverfassunggericht stärkt Gentechnik-GegnerInnen

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Do Nov 25 23:36:17 CET 2010


24.11.2010

Bundesverfassunggericht stärkt Gentechnik-GegnerInnen

Gentechnik-Äcker bleiben öffentlich

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Urteil zur Gentechnik in 
der Landwirtschaft die Seite der Gentechnik-GegnerInnen gestärkt. In 
einem heute in Karlsruhe verkündeten Urteil setzt das Gericht der 
Gentechnik enge Grenzen. So bleibt entgegen einer Klage der 
Gentechnik-Lobby das Register zur Veröffentlichung von Flurstücken, 
auf denen genmanipulierte Pflanzen angebaut werden, öffentlich.

Die Vorschriften des Gentechnik-Gesetzes zum Anbau genmanipulierter 
Pflanzen seien legitim und verhältnismäßig, erklärten die 
RichterInnen in Karlsruhe. Zudem seien die Regelungen mit der 
Berufsfreiheit, der Eigentumsgarantie und dem Gleichheitssatz 
vereinbar. Die Gesetzgebung des Bundes müsse das Gentechnik-Recht 
umfassend regeln, da die Gentechnik in die "elementaren Strukturen 
des Lebens" eingreife und die langfristigen Folgen noch nicht 
abschließend geklärt seien. Damit blieb die Klage des Landes Sachsen-
Anhalt erfolglos.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Urteil zum Gentechnik-
Gesetz den Schutz der Umwelt gestärkt, was von Umweltverbänden wie 
dem Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem World Wide Fund 
For Nature (WWF) sowie der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche 
Landwirtschaft (AGBL) begrüßt wird. Der BUND sieht im Urteil eine 
"Abmahnung für die Befürworter einer genmanipulierten 
Landwirtschaft".

Die "schwarz-rote" Landesregierung von Sachsen-Anhalt hatte vor dem 
höchsten deutschen Gericht geklagt, weil es die im Gesetz 
formulierten strengen Auflagen für den Anbau gentechnisch veränderter 
Pflanzen für verfassungswidrig hielt. Kritisiert wurden etwa die 
Vorschriften zum für die Öffentlichkeit zugänglichen Standortregister 
und zur Haftung der LandwirtInnen. Hinter der 2005 eingereichten 
Verfassungsklage stand damals eine "schwarz-gelbe" Landesregierung. 
Die Klage wurde jedoch mit der Regierungsbeteiligung der "S"PD 2007 
nicht in Frage gestellt, obwohl bekannt wurde, daß diese vorrangig im 
Interesse des Chemie- und Agro-Konzerns Monsanto formuliert worden 
war. Der BUND kritisiert, daß sich die PolitikerInnen damit "zum 
wiederholten Mal zu Lobbyisten bestimmter Industriezweige gemacht" 
hätten.

Der Vize-Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof 
sagte bei der Urteilsverkündung: Zwar werde durch das 
Standortregister das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung 
sowie in die Berufs-, Eigentums- und Wissenschaftsfreiheit 
eingeschränkt,. dies sei "jedoch durch legitime Gemeinwohlziele 
hinreichend gerechtfertigt". Auch die strengen Regelungen der 
Berufsausübung der LandwirtInnen seien mit Blick auf die Rechte 
Dritter und den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Umwelt 
legitim, so Kirchhof.

Das Urteil bringe Planungssicherheit für Politik und Landwirtschaft, 
heißt es in einer Stellungnahme der Landesregierung Sachsen-Anhalt. 
Für Deutschland bedeuteten die jetzt bestätigten strengen Regelungen 
des Gesetzes jedoch einen Standortnachteil. Der Gentechnik-
Branchenverband "BIO Mitteldeutschland" nahm das Urteil mit 
Enttäuschung auf. Eine Entscheidung zugunsten der Klage wäre ein 
wichtiges Signal für die Branche gewesen, weil damit eine 
überproportionale Belastung der Anbauwilligen bei der Haftung 
anerkannt worden wäre, sagte deren Geschäftsführer Jens Katzek. Viele 
LandwirtInnen und ForscherInnen wollten und könnten sich nach eigenen 
Angaben unter den Bedingungen des geltenden Gesetzes nicht bei der 
pflanzlichen "Biotechnologie" engagieren. Dem Verband gehören etwa 15 
Firmen und Institutionen der "grünen" und auch "roten" Gentechnik an.

Der Deutsche Bauernverband, der durch das Übergewicht industriell 
orientierter LandwirtInnen pro Gentechnik orientierte, erklärte, 
angesichts der Karlsruher Entscheidung zur Haftungsfrage könne er den 
LandwirtInnenen weiterhin nur vom Anbau gentechnisch veränderter 
Pflanzen abraten. Die verschuldensunabhängige Haftungsregelung berge 
für LandwirtInnen, die genmanipulietre Pflanzen anbauen, trotz 
gesetzeskonformen Verhaltens unkalkulierbare und nicht versicherbare 
Risiken.

Offen bleibt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht die Frage, 
ob die sogenannte Koexistenz zwischen industriell-chemischer 
Landwirtschaft auf der einen Seite und gentech-freier konventioneller 
und biologischer Landwirtschaft auf der anderen Seite auf die Dauer 
möglich ist, ohne daß letztere durch schleichende Gen-Kontamination 
am Ende unmöglich gemacht wird.

In Umfragen zeigt sich seit Jahren eine stabile Mehrheit der 
Deutschen von 70 bis 80 Prozent gegen den Einsatz der Gentechnik in 
der Landwirtschaft und bei der Lebensmittelproduktion.

 
REGENBOGEN NACHRICHTEN
 

Anmerkungen

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