[Gen-Info] Interview mit Michael Grolm
klausjschramm at t-online.de
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Mo Apr 20 21:55:21 CEST 2009
Hallo Leute!
Hier ein Interview mit Michael Grolm in 'telepolis'.
Ciao
Klaus Schramm
20.04.2009
"Feldbefreiung": Sachbeschädigung oder Gefahrenabwehr?
Autorin: Birgit v. Criegern
Ein Gentechnik-Gegner wird demnächst ins Gefängnis gehen, weil er MON
810-Mais ausgerissen hat. Der Imker Michael Grolm über Bienen und
Bundesgesetze
Es wäre keine politische Entscheidung, sondern eine fachliche,
beschied Agrarministerin Aigner am Dienstag, als sie Pflanzung und
Vertrieb von genmanipuliertem Monsanto-Mais, Sorte MON 810 verbot und
sich auf neue Studien berief. Demnach hätten nicht die 72 Prozent der
bayrischen Landwirte, die den Gen-Mais ablehnen, ihre Rolle bei dem
Beschluss gespielt, sondern Expertengutachten. Rund 70 Prozent der
Landwirte sind es bundesweit, laut Greenpeace, die die gentechnische
Lebensmittelwirtschaft nicht wollen.
Quasi in letzter Minute kam das Verbot, denn die Zeit der Aussaat
wäre zum Ende April wieder fällig gewesen. Spricht das
Agrarministerium nun offiziell von Gefahren, die von MON 810 auf die
Umwelt ausgehen könnten, so bleibt das eigenmächtige Ausreißen der
Maiskolben aus dem Boden dennoch strafbar. Ein Berufsimker aus der
Initiative Gendreck weg!, der im Juli 2007 eine sogenannte
"Feldbefreiung" durchführte, also einen Acker mit MON 810-
Maispflanzen betrat und diese ausriss, wurde am Donnerstag in einem
Prozess am Landgericht Frankfurt/Oder zu einer Geldstrafe verurteilt.
Aigners Verbot brachte Uneinigkeit in der Fraktion und ließ
Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) von einer "Verteufelung
der Gentechnik-Forschung" sprechen. Paradoxe Verhältnisse sind nichts
Neues, seit es Monsantos Maissorten in Deutschland und die Debatte um
ihre Zulassung gibt, also seit 2005: Uneinig mit der Gentechnik-
fördernden CDU waren BUND, Greenpeace und der Bund Ökologische
Lebensmittelwirtschaft seit Jahren und erstellten Berichte über
schädliche Auswirkungen von Freiland-Pflanzungen mit Gensaaten. Der
frühere Landwirtschaftsminister Seehofer war offenbar mit sich selbst
uneins - er hatte im Frühjahr 2007 den Vertrieb von MON 810
untersagt, kurz nachdem er ausgesät war. Auf circa 2600 Hektar wuchs
dann verbotener Gen-Mais - derselbe, von dem einige Hektar Pflanzen
der genannten "Feldbefreiung" von "Gendreck-weg!" zum Opfer fielen.
Bei dem ständigen Gerangel um MON 810 hierzulande - in fünf anderen
Ländern wurde er im Verlauf der letzten Jahre verboten - sann
Seehofers Verbraucherschutzkabinett auf eine spezielle Lösung: ein
Monitoring, das Monsanto seit 2007 zu den Maispflanzungen durchführen
sollte, um Fakten über die Folgen zu liefern. Der Monitoring-Bericht
des Konzerns, der Ende März erschien, rief wiederum den Protest von
Umweltschutzorganisationen auf den Plan.
Laut Stephanie Töwe von Greenpeace sei er "voller Wissenslücken. Er
sagt nichts Präzises darüber aus, wie viel BT-Gift von den Maiskolben
abgegeben wird, wie es sich auf den Boden auswirkt, und welche Folgen
es auf Wasserorganismen und Insekten wie Schlupfwespe und Marienkäfer
hat". Schließlich äußerte auch Ministerin Aigner Kritik an dem
Monsanto-Bericht, und verordnete den Stop für MON 810.
Indessen wurde Michael Grolm von der Initiative "Gendreck weg!" am
Donnerstag zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er MON 810-Mais auf
dem Acker eines Landwirtes ausgerissen hatte, und will die Strafe im
Gefängnis absitzen. Telepolis sprach mit dem Diplom-Agraringenieur
und Berufsimker.
"Feldbefreiung" als Notstand, da vom Bt-Mais eine Gefahr ausging
Warum bezahlen Sie Ihre Strafe nicht einfach, sondern gehen in den
Bau?
Michael Grolm: Es geht mir ums Prinzip. Ich weigere mich
grundsätzlich, die Tätigkeit der Gentech-Industrie anzuerkennen, also
weigere ich mich auch, diese Geldstrafe zu zahlen.
Ministerin Aigner spricht nun offiziell von möglichen Gefahren von
MON 810 für die Umwelt. Hatte das Auswirkungen auf Ihren
Gerichtsprozess?
Michael Grolm: Nein, obwohl der Richter mir einen gewissen
persönlichen Zuspruch für mein politisches Engagement gab. Er äußerte
sogar, er sähe ein, dass die Imker bei der gegebenen Entwicklung der
Agro-Gentechnik schlechte Karten hätten. Also das Verfahren verlief
ziemlich locker, muss ich sagen. Aber die Strafe, zu der ich schon
früher verurteilt wurde, wurde in diesem Berufungsprozess bestätigt:
zwanzig Tagessätze à achtzehn Euro, weil ich im Juli 2007 auf dem
Acker eines Landwirtes im Oderbruch MON 810-Mais ausriss. Damals
waren wir, mehr als sechzig Personen, nach unserem Sommercamp gegen
Gentechnik auf den Acker gegangen. Es war eine von vielen Aktionen,
die "Gendreck weg!" seit fünf Jahren gegen die genveränderten Saaten
in der Landwirtschaft durchführten. Wegen dieser Aktion hat es auch
siebzehn weitere Verurteilungen gegeben.
Wie argumentierte Ihr Anwalt?
Michael Grolm: Ich hatte keinen Anwalt, die kennen sich ja ohnehin
alle nicht aus mit Gentechnik...Ich habe mich selbst verteidigt und
Paragraph 34 des Strafgesetzbuches auf meine Aktion angewendet - das
heißt: Notstand, weil von dem betreffenden Mais eine Gefahr für mich
und andere ausging, denn der Mais, obwohl ihn Seehofer, reichlich
spät, verboten hatte, war ja nun mal gepflanzt. Doch das wurde von
dem Richter nicht anerkannt, der mich wegen Sachbeschädigung
verurteilte - übrigens hatten wir keinen großen Sachschaden
angerichtet, nur etwa für 20 Euro.
Welche Gefahren gehen denn von dem Mais MON 810 nach Ihrer Ansicht
aus?
Das BT-Gift, das in den Maiskolben produziert wird, soll den
Schädling Maiszünsler abwehren. Abgesehen von der Frage, warum der
Schädling nicht auf andere Weise bekämpft werden soll - das ist
eigentlich keine Frage, Monsanto hat ein Interesse daran, sich eigene
Patente auf diese Schädlingsbekämpfung zu sichern und den Landwirten
später seine eigenen Spritzmittel gegen resistente Schädlinge zu
verkaufen -, wirkt das BT-Gift zugleich auch aggressiv gegen andere
Insekten und bedroht die Artenvielfalt. Zudem werden sich die Pollen
von dem Genmais über kurz oder lang verbreiten, da helfen die 150
Meter Abstand zwischen den Feldern gar nichts. Diese sogenannte
Sicherheitsmaßnahme von Seehofer war nur ein Witz. Es kann keine
"Koexistenz" von Genmaisfeldern und naturbelassenen Feldern geben.
Beispielsweise fliegen Bienen in großem Ausmaß auch auf Maisfelder
und befördern deren Pollen weiter. Für die Imker heißt das, dass sie
keinen gentechnikfreien Honig mehr garantieren können.
Offenbar hatte das Gericht aber einen anderen Begriff von Notstand
als Sie...
Man argumentierte mir gegenüber, ich hätte den Weg milderer Mittel,
wie Demonstrationen, gehabt. Doch das ist nach meiner Ansicht nicht
der Fall: Eine Demonstration war nicht geeignet, um diese Gefahr
abzuwenden, die ich gegeben sah. Das ist schon paradox: Als Imker
mache ich mich strafbar, wenn mehr genveränderte Organismen (GVO) in
meinem Honig landen, als die Kennzeichnung nach gesetzlicher
Bestimmung - 0,9 Prozent - vorsieht. Dagegen, dass Bienen GVO in den
Honig tragen, kann ich nichts ausrichten. Ich mache mich auch
strafbar, wenn ich wachsenden Genmais auf den Äckern ausreiße. Doch
dabei kann ich wenigstens selbst aktiv werden gegen die Verbreitung
von GVO. Da muss ich nicht lange überlegen, welche Option mir bleibt.
Geht es der Initiative "Gendreck-weg!" denn nur um unmittelbare
Gefahrenabwehr?
Michael Grolm: Nein, die "Feldbefreiungen" sind ja auch politisch zu
verstehen, und wir führen ja auch Demonstrationen durch. Wir hatten
außerdem in 2007 gegen Seehofer wegen seines verspäteten Verbots von
MON 810 Strafanzeige gestellt. Die Ermittlungen wurden dann aber
eingestellt. Wir handeln auf mehreren Ebenen, um die Gesetzgebung
gegen Agro-Gentechnik voranzubringen. Das sagte ich auch dem Richter
während meiner Verhandlung: Ich finde es schizophren, wenn
justizielle Amtsträger zwar eine Berechtigung an unserer politischen
Tätigkeit sehen, aber "Feldbefreiungen" wie eine gewöhnliche
Sachbeschädigung verurteilen. Wir brauchen Initiativen von Bürgern,
auch von Juristen, die selbst Protest gegen die Gentechnik-Lobby
einlegen, denn auf solchem Weg werden die besten Gesetze gemacht. Das
Verbot, das Ministerin Aigner jetzt eingelegt hat, zeigt das
deutlich.
Sie glauben nicht, dass die neuesten Studien ihren Beschluss
veranlasst haben?
Michael Grolm: Ach was, Studien von Naturschutzorganisationen zu den
schädlichen Auswirkungen von Gentechnik in der Landwirtschaft gibt es
schon [extern] seit langem. Aigner möchte ins EU-Parlament einziehen,
sie muss Glaubwürdigkeit demonstrieren. Der Einbruch von CSU-Wählern
bei den Bauern, bei der letzten Landtagswahl, hat eben doch seine
Folgen. Vor vier Jahren haben unsere Proteste noch niemanden
interessiert, aber mit der Zeit sind mehr Einzelheiten über Agro-
Gentechnik bekannt geworden, was vor allem den Basisinitiativen zu
verdanken ist.
Dann dürfte die gegenwärtige Entwicklung ihr Gutes für Sie haben -
auch wenn Sie irgendwann in den nächsten Monaten in den Bau gehen.
Michael Grolm: Es gibt ja trotzdem noch weiterhin die Betätigungen
deutscher Konzerne mit der kommerziellen Verbreitung von GVO, wie
Bayer und BASF, ihre Freiversuche etwa mit Gengerste und -kartoffel,
gegen die wir protestieren müssen. Agro-Business wird ja nicht nur
von Monsanto betrieben, uns bleibt noch viel zu tun.
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