[Gen-Info] Massnbewegung in Bayern
klausjschramm at t-online.de
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So Feb 22 13:37:42 CET 2009
Süddeutsche Zeitung
Freitag, 20. Februar 2009
Hintergrund Bayern Seite 33
"Agrarkonzerne dürfen nicht über unsere Heimat bestimmen"
Der Bauernfänger
*Christoph Fischer mischt mit seinem Bündnis gegen Gentechnik das
Land von unten auf -- so viel Volksnähe schafft die CSU nicht mehr *
Von Christian Sebald
*Rosenheim *-- Die Inntalhalle in Rosenheim ist an diesem Abend
randvoll besetzt. Und trotzdem ist es mucksmäuschenstill. Oben auf
der Tribüne steht Christoph Fischer am Rednerpult und hat das Volk im
Griff. "Leit", sagt er, "des geht um unsa Heimat", und plötzlich
nimmt seine Stimme einen sehr eindringlichen Ton an. "Mia derfen ned
einfach kopflos in a Richtung laufa, die uns andere zurechtgelegt
habn. Die Gentechnik, des hat mit a normalen Züchtung nix zu tun.
Wenn die mal draußen is in der Natur, da holen wir die nicht mehr
zurück", sagt er. "Nie wieder." Da brandet lauter Beifall auf.
Aus dem ganzen Oberland, aber auch aus Niederbayern und bis aus dem
Bayerischen Wald sind 3500 Bauern nach Rosenheim gekommen. Sie wollen
Fischer reden hören. Und seinen Gast. Die indische Bürgerrechtlerin
und Umweltaktivistin Vandana Shiva wird noch sprechen. Es ist ein
außergewöhnlicher Abend. Viele Besucher halten grüne Tafeln hoch.
"Agro-gentechnikfreier Landkreis" prangt in weiß-roten Lettern
darauf. Und dazu die emphatische Aufforderung: "Gib dein Ja!" Dann
spielt die Blasmusik den Defiliermarsch für die Umweltaktivistin aus
Indien. Dieser Abend ist ein Triumph für Christoph Fischer.
*"Wir geben keine Ruhe" *
Der Protest gegen die Agro-Gentechnik ist mitten im Volk angekommen.
Wann kommen schon 3500 Bauern zusammen, um ein so mächtiges Zeichen
zu setzen? Vor einem Jahr hätte das keiner für möglich gehalten. Am
allerwenigsten die CSU, die bisher wohl am entschiedensten für die
Agro-Gentechnik stritt. Christoph Fischer, 49 Jahre alt, hat
geschafft, was kein Umweltverband, keine
Verbraucherschutzorganisation und erst recht nicht die Grünen jemals
schaffen könnten: Er hat ein Bündnis geschmiedet, das die CSU und
alle anderen Befürworter der Agro-Gentechnik in diesen Tagen das
Fürchten lehrt.
In Fischers "Zivilcourage Rosenheim" haben sich die Gegner der
Gentechnik zusammengeschlossen. Aber es sind nicht nur Bauern.
Sondern auch Trachtler, Gebirgsschützen, Gartler, Pfarrgemeinderäte
und alle möglichen anderen Leute vom Land, die bislang als ureigenste
Klientel der CSU galten. Sie haben sich alle geschworen, "nicht eher
Ruhe zu geben, bis wir ein komplettes Anbauverbot für gentechnisch
manipulierte Pflanzen und ein Fütterungsverbot für gentechnisch
verändertes Soja durchgesetzt haben", wie Fischer den Zuhörern an
diesem Abend einschärft.
Es ist eine eigentümliche Sache mit der Agro-Gentechnik in Bayern.
Tatsächlich spielt sie hier kaum eine Rolle. Nur in Unterfranken säen
einige wenige Bauern jedes Jahr auf ein paar Hektar Ackerland die
Genmaissorte Mon 810 an. Doch die Ängste und die Ablehnung bei den
Verbrauchern und den Landwirten sind massiv. Nicht nur, dass die
übergroße Mehrheit die Diktatur einiger weniger Agrarkonzerne
befürchtet. Ihrer festen Überzeugung nach sind die Risiken der Agro-
Gentechnik nicht minder gering als die der Atomenergie. Bis vor
kurzem brauchte das die CSU und Konzerne wie Monsanto freilich nicht
weiter zu scheren. Die Umweltverbände und Verbraucherorganisationen,
die Grünen und andere Kritiker der Gentechnik hatten viel zu wenig
Rückhalt in der Bevölkerung.
Dann kam Christoph Fischer. Einer, der Massenkundgebungen wie in
Rosenheim auf die Beine stellen kann. Einer, der mit Vandana Shiva
die Galionsfigur der internationalen Bewegung gegen die Agro-
Gentechnik in die bayerische Provinz holt. Christoph Fischer kann
das.
Das hat zwei Gründe. Fischer hat den Bauern klargemacht, dass es in
dem Streit um Gentechnik um nichts weniger geht als um "den Erhalt
unserer Heimat". Und Fischer ist einer von ihnen. Der Gartenbauer und
freiberufliche Agrarberater stammt aus einer Bauernfamilie aus
Söchtenau im Chiemgau. Auch wenn er zwischenzeitlich weit gereist
ist, lebt er nach wie vor in dem Dorf und war immer fest in die
Ortsgemeinschaft integriert. Und wie für die meisten im Chiemgau und
anderswo war Fischers Ablehnung der Agro-Gentechnik lange Zeit eher
ein diffuses Gefühl. Auf einer Studienreise in Japan begriff er, was
ihn störte: "Agrarkonzerne dürfen nicht über unsere Heimat
bestimmen." Natürlich half es ihm, dass er als Agrarberater das
Vertrauen der Bauern hat und gleichsam einer der ihren ist. "Man muss
seine Sachen in die Hände nehmen und anpacken", sagt er. "Ganz gleich
ob es um die Milch geht, den Weizenanbau oder eben die Gentechnik."
So denken auch andere Bauern. Am 14. Januar 2006 war es so weit. Mit
40 Landwirten gründete Fischer im Gasthof Sießlbräu in Halfing das
Bündnis "Zivilcourage Rosenheim".
Seither ist nichts mehr, wie es war. "Zivilcourage" hat einen Zulauf,
wie ihn früher nur die CSU hatte. Nicht nur, dass Fischer mühelos
Bierzelte und Festhallen füllt. Die Bauern sind sich einig wie nie
zuvor. Ob sie biologisch oder konventionell arbeiten, bei Fischers
Bündnis sitzen sie Seite an Seite. Und sosehr Bauernverband und
Bundesverband Deutscher Milchviehhalter zerstritten sind, in der
"Zivilcourage" ziehen ihre Anhänger an einem Strang. Plötzlich
diskutieren auch Trachtler mit Naturschützern und Kirchenleute mit
Gewerkschaftern. Und längst reicht die Bewegung weit über das
Alpenvorland hinaus. Rund um Landshut, aber auch bei Altötting und im
Rottal sieht man an den Landstraßen immer öfter ihre großen grünen
Tafeln stehen. Nun will Fischer Unterfranken erobern.
*Ilse Aigner wird nervös *
Derweil werden in der CSU die Absetzbewegungen von der Agrar-
Gentechnik immer verzweifelter. Inzwischen reichen sie sogar bis
hinauf nach Berlin. Erst diese Woche hat Bundesagrarministerin Ilse
Aigner (CSU) verkündet, sie lasse ein Anbauverbot für die
Genmaissorte Mon 810 prüfen. Das hat sicher weniger damit zu tun,
dass Aigner wie Fischer im Kreis Rosenheim zu Hause ist. Sondern vor
allem damit, dass "Zivilcourage" längst die CSU frontal angeht. Wie
jetzt, an diesem Abend in Rosenheim. "Wir brauchen keinen Genmais auf
den Feldern und kein Gensoja in den Ställen", ruft Fischer unter
donnerndem Applaus den wenigen CSU-Politikern in der Inntalhalle zu.
*Die Gentechnik *
Bei der Gentechnik unterscheidet man drei Bereiche. Die grüne oder
Agro-Gentechnik schafft mittels gezielter Eingriffe ins Erbgut von
Pflanzen neue Nutzpflanzen. Die Genmaissorte Mon810 etwa ist
resistent gegen den Schädling Maiszünsler. Daneben gibt es die rote
und die weiße Gentechnik. Ziel der roten Gentechnik sind medizinische
Anwendungen und Diagnoseverfahren. Die weiße Gentechnik umfasst den
industriellen Bereich, zum Beispiel die Herstellung von Medikamenten,
Chemikalien und Lebensmittelzusätzen durch gentechnisch veränderte
Organismen.
Für ihn ziehen die Bauern ihre beste Tracht an: Bei seinem Auftritt
in Rosenheim spricht Christoph Fischer vor 3500 Landwirten über die
Gefahren der Agro-Gentechnik. 2006 hat der Agrarberater das Bündnis
"Zivilcourage Rosenheim" gegründet. Wenn er heute öffentlich
auftritt, sind die Bierzelte und Stadthallen voll. Die CSU fürchtet
den charismatischen Gegner der Gentechnik.
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