[Gen-Info] Für Deutschland ist es noch nicht zu spät
Klaus Schramm
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Mi Sep 24 22:01:13 CEST 2008
'junge welt'
24.09.2008 / Ansichten / Seite 8
»Für Deutschland ist es noch nicht zu spät«
Agrarmulti zwingt Bauern in Abhängigkeit von seinen Genpflanzen.
Kanadischer Farmer aktiv gegen Monsanto.
Ein Gespräch mit Percy Schmeiser
Interview: Tobias Fabinger/Petra Wilkins
Unser Gesprächspartner
Percy Schmeiser (77) ist Träger des Alternativen Nobelpreises und kämpft seit
zehn Jahren gegen den Saatguthersteller Monsanto - mit beachtlichem Erfolg
(siehe auch jW vom 23.3.08). Dieser Tage war er Teilnehmer einer von Bauern- und
Umweltorganisationen veranstalteten Podiumsdiskussion in Hamm
Sie sind weltweit bekannt geworden, weil Sie dem Saatgutmulti Monsanto die Stirn
geboten haben. Obwohl Sie der Geschädigte waren, wurden Sie von Monsanto
verklagt - wegen unbefugten Anbaus von Genraps. Wie kam es dazu?
1998 verklagte mich Monsanto zum ersten Mal wegen der angeblich fehlenden Lizenz
zum Anbau ihres patentierten Saatgutes. Genmanipulierte Samen waren von einem
Nachbarfeld auf meine Äcker gelangt und keimten dort. In einem ersten
Rechtsstreit kam das Gericht mir insoweit entgegen, daß ich den geforderten
Schadensersatz in Höhe von 100000 Dollar nicht zahlen mußte. Monsanto wurden
allerdings die Eigentumsrechte am Saatgut zuerkannt. 2005 fand ich erneut
Rapspflanzen auf meiner Senfanbaufläche. Da drehte ich den Spieß um und
verklagte Monsanto. Ich wollte nicht meine aus 50 Jahren Züchtung
hervorgegangenen Sorten zerstören lassen. Ich forderte den Konzern auf, sein
Eigentum zu entfernen. Monsanto weigerte sich. Statt dessen sollte ich einen
Vertrag unterzeichnen und Kunde werden, andernfalls drohte man erneut mit einer
Klage.
Was genau sollten Sie unterzeichnen?
Ich hätte mich unter anderem verpflichtet, Monsanto nie wieder zu verklagen. Ich
wollte mich aber nicht erpressen lassen und zog zusammen mit meinen Nachbarn
jede einzelne Pflanze heraus. Sie bekamen 400 Euro dafür, und diese Rechnung
schickte ich Monsanto. Da sie nicht zahlen wollten, kam es zum Prozeß. Die
letzte Runde endete im März mit einem Sieg für mich und meine Frau. Es ist auch
ein Sieg für alle Farmer, die durch Genpflanzen geschädigt wurden, ohne je einen
Vertrag unterzeichnet zu haben. Sie können nun die Konzerne für Schäden haftbar
machen.
Können auch Bauern etwas tun, die sich bereits auf Jahre hinaus verpflichtet
haben, das lizensierte Saatgut und die Pestizide der Firma zu kaufen?
Für sie ist es sehr schwer, da rauszu- kommen. Sie müssen jedes Jahr erneut
Saatgut und das Totalherbizid Roundup im Doppelpack kaufen, zusätzlich eine
Lizenzgebühr von 50 Dollar je Hektar. Noch drei Jahre nach Vertragsende hat
Monsanto das Recht, durch Detektive zu kontrollieren, ob weiterhin illegal
Gensaatgut eingesetzt wird. Auch, wenn ein Bauer von den Leistungen des Saatguts
enttäuscht ist und sich von Monsanto lösen will, hat er es nicht leicht. Wenn
Samen aus dem Vorjahr aufkeimen, kann Monsanto weiter seine Rechte an den
Pflanzen geltend machen. Die Bauern werden dann durch Klagen und Konfiszierungen
ruiniert. Der Konzern fordert seine Vertragsbauern dazu auf, einander zu
denunzieren. Dadurch macht sich eine Atmosphäre des Mißtrauens und der Angst
breit und zerstört den sozialen Zusammenhalt.
Warum sind die Bauern enttäuscht vom Gensaatgut?
1996 versprach man den Farmern mit Genpflanzen höhere Ernten und die massive
Einsparung von Spritzmitteln. Doch die Ernten gingen bei Raps um zehn, bei Soja
um 15 Prozent zurück. Der Nährstoffgehalt der Pflanzen ging sogar um 50 Prozent
runter. Der Pestizideinsatz ist sogar gestiegen, und die verwendeten Mittel sind
viermal giftiger als vor der Einführung der Genpflanzen. Durch Resistenzen
entstehen Superunkräuter, die man nur mit dem stärksten Gift Roundup vernichten
kann. Es ging Monsanto nie um die Einhaltung von Versprechen, sondern um die
Kontrolle über die Nahrungserzeugung.
Gibt es inzwischen internationale Bauernorganisationen, die sich gegen die
Strategie der Agrarkonzerne stellen?
Oh ja, eine regelrechte Anti-Gentechnik-Bewegung ist entstanden, auch aufgrund
der vielfältigen Schäden für die Landwirtschaft. In ganz Kanada und den USA gibt
es keinen Raps und kein Soja mehr, die nicht kontaminiert sind. Es gibt eben
keine Koexistenz von Genpflanzen und konventionellen Züchtungen. Wissenschaftler
haben auch belegt, daß das Bienensterben mit der genetischen Veränderung der
Rapspflanzen zusammenhängt.
Ich kann deutsche Bauern nur vor dem Einsatz von Gentechnik warnen, denn einmal
verwendet, gibt es kein Zurück mehr. Für Deutschland ist es noch nicht zu spät.
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