[Gen-Info] Gen-Kartoffel verharmlost

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Mo Apr 23 00:45:43 CEST 2007


18.04.2007 

                 Gen-Kartoffel von BASF 
                  wird von EU-Bürokratie verharmlost 

             Kritik der Europäischen Arzneimittelagentur
             beiseite gewischt 

             Die genmanipulierte Kartoffel des Chemie-Konzerns
             BASF soll für die industrielle Stärke-Produktion
             eingesetzt werden. Der Zulassungs-Antrag liegt derzeit
             bei der EU-Kommission.1 Das Zulassungsverfahren
             mußte wegen Kritik, die auch von der Europäischen
             Arzneimittelagentur (EMEA) in London geteilt wurde,
             zwischenzeitlich gestoppt werden.2 

             Zum einen wurde in der Gen-Kartoffel 'Amflora' ein Gen
             "ausgeschaltet", damit ihre Stärke für die Industrie
             besser nutzbar ist. Zum anderen enthält sie zugleich ein
             Marker-Gen - gewissermaßen ein Produktionsrückstand.
             Schon der Begriff "ausgeschaltet" suggeriert eine
             inzwischen veraltete Sichtweise des Zusammenspiels
             zwischen Genen, der Produktion von Eiweißen und den
             Abläufen des gesamten Stoffwechsels. Längst ist
             erwiesen, daß die Funktionsweise der Gene nicht nach
             dem simplen Schema von "Bauanleitungen" oder
             "Ein-Aus-Knöpfchen" erklärt werden kann. 

             Bei dieser Gen-Kartoffel von BASF wird ein essentieller
             Teil des Stoffwechsels der Pflanze blockiert, so daß eine
             der üblicherweise zwei Kartoffelstärken - und zwar die
             Amylose - nicht gebildet wird. Die Frage, was die Pflanze
             stattdessen mit den Stoffen macht, die eigentlich in
             Amylose umgewandelt würden, und ob die Blockade
             auch andere Stoffwechselwege blockiert, die zum
             Beispiel unter Stressbedingungen aktiviert werden,
             wurde bisher schlicht und einfach nicht untersucht. Die
             von BASF mit dem Zulassungsantrag vorgelegten
             Studien sind äußerst lückenhaft und unterbieten die
             sonst schon mangelhaften Standards bei der EU. Die
             immer wiederkehrenden Behauptungen, nichts würde so
             streng untersucht wie Gen-Pflanzen bei ihrer Zulassung,
             ist nichts als Propaganda. 

             Die BASF-Kartoffel enthält das Antibiotikaresistenz-Gen
             "nptII" als Marker-Gen. Marker-Gene dienen im Labor
             dazu, frühzeitig die gentechnisch veränderten Zellen zu
             identifizieren. Als Technik ist das Nutzen von
             Antibiotikaresistenzen hierfür inzwischen veraltet und -
             wichtiger noch - in der EU ausdrücklich verboten. Laut
             der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 dürfen seit 2005
             praktisch keine Gen-Pflanzen mit Antibiotika-Resistenz
             mehr angebaut werden. Dennoch hatte die EFSA, die
             Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, den
             BASF-Antrag bereits im Dezember 2006 positiv
             beschieden. 

             BASF und die EFSA scheint das
             Antibiotikaresistenz-Gen wenig zu kümmern. Die EFSA
             bescheinigt dieser Antibiotikaresistenz einfach
             Unbedenklichkeit, da die betroffenen Antibiotika nur in
             geringem Umfang in der Human- und Tiermedizin
             eingesetzt würden. Das Marker-Gen bewirkt eine
             Resistenz gegen Aminoglykosid-Antibiotika. Zu dieser
             Gruppe von Antibiotika gehören Neomcyin und
             Kanamycin. Neomycin wird in einigen EU-Ländern sehr
             wohl noch in der Human- und/oder Veterinärmedizin
             eingesetzt. Bedenklich ist aber vor allem die Resistenz
             gegen Kanamycin. Dieses Antibiotikum wird in der
             WHO-Liste der wichtigsten Medikamente als
             Reserveantibiotikum gegen mehrfach-resistente
             Tuberkulose aufgeführt. 

             Wegen der Kritik an dem in die Gen-Kartoffel
             eingeschleusten Antibiotikaresistenz-Gen hatte sich die
             Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) in London
             eingeschaltet. Die EFSA wurde daraufhin von der
             EU-Kommission zu einer Stellungnahme aufgefordert.
             Seit dem 20. Februar stockte das Zulassungsverfahren.
             In beachtlichem Tempo wurde inzwischen ein
             Unbedenklichkeits-Gutachten vorgelegt. Die Zulassung
             soll offenbar mit aller Kraft noch rechtzeitig vor dem
             Ende der aktuellen Anbausaison bei der BASF eintreffen
             - also noch vor Ende Mai. 

             In der EFSA-Stellungnahme wird nun das in der
             BASF-Kartoffel enthaltene Marker-Gen als ungefährlich
             für die Gesundheit von Tieren und Menschen bezeichnet.
             Die EFSDA schätzt die Wahrscheinlichkeit eines
             Gentransfers auf Bakterien als extrem gering ein. Im
             Labor sei ein solcher Transfer unter bestimmten
             Bedingungen schon beobachtet worden, in der Natur
             dagegen noch nie, heißt es in der Expertise. Mit dieser
             Argumentation könnte allerdings die gesamte
             EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 als unbegründet
             aufgehoben werden. 

             Als nächste Station im Zulassungsverfahren muß der
             EU-Agrar-MinisterInnen-Rat über die Gen-Kartoffel
             befinden. Sollte dort keine Mehrheit für oder gegen den
             Antrag zustandekommen, wird die EU-Kommission
             entscheiden. BASF ist hoffnungsfroh, denn die
             EU-Kommission ist nach allen Erfahrungen äußerst
             gentechnik-freundlich. Zudem hatte sie bereits zu Beginn
             des Zulassungsverfahrens eine Empfehlung zugunsten
             von 'Amflora' ausgesprochen. 

             Wie in Deutschland mittlerweile üblich läuft eine Vorstufe
             des Anbaus unter der Bezeichnung "Feldversuche",
             obwohl diese zur Begründung des Zulassungsantrags
             bei der EU bereits durchgeführt wurden und
             abgeschlossen waren. BASF hat parallel einen Antrag
             gestellt, im Rahmen von Feldversuchen "Pflanzgut für
             das nächste Jahr" produzieren zu dürfen. In
             Deutschland soll dies laut BASF auf 160 Hektar in
             Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erfolgen.
             Dies sind bereits 10 Hektar mehr als BASF für den
             kommerziellen Anbau Mitte Januar in die
             Standort-Register in Brandenburg und
             Mecklenburg-Vorpommern hatte eintragen lassen. "Mit
             der hierzulande für Feldversuche erforderlichen
             Genehmigung vom Bundesamt für Verbraucherschutz
             und Lebensmittelsicherheit in Berlin rechnen wir in
             Kürze", erklärt BASF-Sprecherin Susanne Benner. 

             Ob sich die Gen-Kartoffel allerdings als Stärke-Lieferantin
             auf dem Markt durchsetzen kann, ist noch keineswegs
             ausgemacht. Die Stärkeindustrie gibt sich zurückhaltend.
             Südstärke, der drittgrößte Produzent Deutschlands, hat
             offenbar kein Interesse daran, 'Amflora' einzusetzen. "Als
             maßgeblicher Lieferant für die Nahrungsmittelindustrie
             wird von uns erwartet, daß unsere Produkte
             gentechnikfrei sind", sagt Geschäftsführer Richard Lenk.
             Der technische Aufwand, der nötig ist, um eine
             Vermischung bei der Produktion auszuschließen, sei zu
             hoch. 

             Sein Kollege Hubert Eilting vom deutschen Marktführer
             Emsland Stärke will sich noch nicht festlegen: "Wenn
             unsere Kunden Vorteile in dieser Stärke sehen, haben
             wir technisch kein Problem damit, sie herzustellen." Er
             gibt jedoch zu bedenken, daß die Gentechnik bislang als
             Nachteil wahrgenommen wird. Eilting fragt: "Warum
             sollte man sich ein Problem aufhalsen, wenn es sich
             vermeiden läßt?" 

             Wenn die Zulassung der Gen-Kartoffel trotz dieser
             absehbaren Absatzschwierigkeiten durchgepeitscht
             werden soll, hat dies vermutlich einen anderen Grund. In
             der EU wurden seit Anfang 1998 keine genmanipulierten
             Pflanzen mehr für den kommerziellen Anbau zugelassen.
             Mit einem positiven Bescheid würde das bereits
             durchlöcherte Gen-Moratorium auf EU-Ebene endgültig
             zu Fall gebracht. 

               

             Anmerkungen 

             1 Siehe auch unseren Beitrag: 

                   BASF will Gen-Kartoffel anbauen 
                   Fällt nun das europäische Gen-Moratorium? (9.02.07) 

             2 Siehe auch unseren Beitrag: 

                   Entscheidung über Gen-Kartoffel vertagt 
                   Europäisches Gen-Moratorium hängt am seidenen
                   Faden (24.02.07) 

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