[Gen-Info] EU-Bio-Verordnung

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Mo Dez 18 00:02:11 CET 2006


Hallo Leute!

Hier ein sehr interessanter Artikel von Klaus Faißner.

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


Brüsseler Anschlag auf "Bio"

Am kommenden Dienstag, den 19. Dezember, wird beim EU-Ministerrat über eine neue 
EU-Bio-Verordnung abgestimmt - ohne Zustimmung des EU-Parlamentes soll "Bio" 
verwässert und Gentechnik-Verschmutzung durch Pollenflug offiziell zugelassen 
werden.
 
"Bio" ist gefragt wie nie zuvor. Noch nie haben so viele Verbraucher zu 
Lebensmitteln aus ökologischem Anbau gegriffen, die Umsatzzuwächse bewegen sich 
im zweistelligen Bereich. Nicht zuletzt die strengen Bio-Kontrollsysteme in 
Österreich und Deutschland mit ihren klaren Richtlinien haben dazu beigetragen, 
dass die Verbraucher hohes Vertrauen in Bio-Produkte haben. 

Doch dieses Vertrauen könnte durch die Novelle zur EU-Bio-Verordnung, die am 
Dienstag, den 19. Dezember, im EU-Agrarministerrat beschlossen wird, nachhaltig 
erschüttert werden. Bereits beschlossen wurden im "Sonderausschuss 
Landwirtschaft" die (WTO-konformen) Importregelungen für Bio-Produkte aus 
Nicht-EU-Staaten. Hier wird es am Dienstag zu einer "Abstimmung ohne Diskussion 
kommen", wie es aus dem österreichischen Landwirtschaftsministerium heißt. 
Namhafte Vertreter deutscher Bio-Verbände warnten bis zum Schluss vor "einer 
Verschlechterung für die Verbraucher". Grund: Die Kompetenz für die Kontrollen 
soll von den Nationalstaaten hin zur EU-Kommission wandern, die aber zu wenig 
Kapazitäten haben dürften, dies zu überprüfen.

0,9 Prozent Gentechnik in Bio-Produkten?
Noch weitreichendere Folgen dürfte aber der zweite Teil der Tagesordnung haben: 
Über die EU-Bio-Verordnung soll eine politische Einigung erzielt werden, ohne 
eine Stellungnahme des EU-Parlaments abzuwarten. Dies war bisher erst einmal bei 
der Zuckermarktreform der Fall, was zu heftigen Protesten des EU-Parlamentes 
geführt hat. Der strittigste Punkt ist die offizielle Angleichung des 
Gentechnik-Kennzeichnungs-Grenzwertes für Bio-Produkte an konventionelle 
Produkte. Konkret heißt das, dass Bio-Ware bis zu 0,9 Prozent mit gentechnisch 
veränderten Organismen (GVO) kontaminiert sein darf, ohne dies kennzeichnen zu 
müssen. Zwar gilt dieser Grenzwert "nur" für eine "zufällige und technisch nicht 
vermeidbare" Kontamination von außen - etwa durch Pollenflug - und dürfen 
Bio-Bauern und Bio-Verarbeiter weiter keine GVO selbst verwenden. Aber der 
Konsument wird künftig im Dunklen gelassen. Die Gewissheit, garantiert 
gentechnikfreie Produkte (in Österreich galt bisher der Grenzwert an der 
Nachweisgrenze von 0,1 Prozent) einzukaufen, würde somit wegfallen. 0,9 Prozent 
"Verschmutzungserlaubnis" in Bio-Produkten würde natürlich auch der Gentechnik 
in der Landwirtschaft Tür und Tor öffnen - denn sobald GVO freigesetzt werden, 
kommt es zur Gentechnik-Kontamination, wie zahllose Studien belegen. In 
Österreich wurden bespielsweise noch nie GVO freigesetzt.

Verwunderlich stimmt daher die Stellungnahme von Bio-Austria, dem Dachverband 
der österreichischen Bio-Verbände: "Wir sind unter bestimmten Bedingungen 
bereit, diesen gemeinsamen Kennzeichnungs- und Vermarktungs-Grenzwert mit 
konventionellen Produkten mitzutragen", erklärt Thomas Fertl, der von Bio 
Austria vor kurzem für die Koordination der agrarpolitischen Arbeit verpflichtet 
wurde. Die Bedingungen lauten: Das Saatgut muss sauber bleiben und jede 
Gentechnik-Verunreinigung beispielsweise durch Pollenflug, die vermeidbar 
gewesen wäre, muss als illegal geahndet werden. Eine derartige Regelung müsste 
aber in anderen EU-Gesetzestexten erfolgen und ist sicher nicht in allernächster 
Zeit zu erwarten.

EU-Logo wird Pflicht
Außerdem soll das bislang unbekannte EU-Logo verpflichtend auf alle 
Bio-Erzeugnisse kommen. Zwar konnten Interventionen zahlreicher Mitgliedsstaaten 
verhindern, dass die nationalen Logos nicht mehr verwendet werden dürfen, im 
Falle eines Bio-Skandals im Zusammenhang mit dem EU-Logo wären aber alle 
Bio-Erzeuger in ganz Europa betroffen und könnten sich nicht mehr vom EU-Logo 
lösen. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer strittiger Punkte, die aufgrund des 
Zeitdrucks, den die EU-Kommission und die finnische Präsidentschaft machten, 
nicht mehr ausverhandelt werden können. Am Dienstag geht es um die Ablehnung 
oder Annahme der neuen EU-Bio-Verordnung. "Österreichs Linie ist noch offen. Der 
Minister ist sehr kritisch, vor allem was die Gentechnik anbelangt", heißt es 
aus dem Ministerium. 

Bio-Verbände als "Handelshemmnisse"
Wie sehr diese EU-Bio-Verordnung an allen Betroffenen und vor allem an der 
Bevölkerung von Anfang an hätte vorbeigeschwindelt werden sollen, zeigt die 
Beurteilung des Bioland-Präsidenten Thomas Dosch zum ursprünglichen Vorschlag 
der EU-Kommission vom 21. Dezember 2005: "Dieser glich einer feindlichen 
Übernahme." Nach diesem Vorschlag wären die Bio-Verbände, die privat über 
Jahrzehnte die biologische Landwirtschaft aufgebaut hatten, völlig entrechtet 
worden. Begründung der EU-Kommission: Sie seien "Handelshemmnisse".

Gentechnik mit allen Mitteln
Die Bio-Verordnung ist nur eines von mehreren Hilfsmitteln, wie die Gentechnik 
nun offensichtlich mit Hochdruck - gegen den Willen der Bevölkerung - in die 
österreichische und europäische Landwirtschaft gebracht werden soll: Bereits am 
Montag, den 18. Dezember, werden die EU-Mitgliedsstaaten auf Geheiß der 
EU-Kommission wahrscheinlich die österreichischen Genmais-Importverbote aufheben 
- gegen den Willen Österreichs. Zusätzlich will eine Initiative im 
EU-Agrarausschuss der Gentechnik freien Lauf lassen und wird die EU-Kommission 
im Frühjahr ihre Biotechnologie-Initiative vorstellen. 


Klaus Faißner




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