[Gen-Info] Polen geht auf Konfrontationskurs zur EU-Kommission (fwd)

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Do Aug 17 16:18:41 CEST 2006


Hallo Leute!

Die Politik der polnischen Regierung (aus welchen Motiven auch immer)
beweist einmal mehr, daß "Rot-Grün" sich sieben Jahre mit ihrer
Pro-Gentech-Politik nur hinter der EU versteckt hat. Künast spielte
mit Fischler (EU-Kommissar) und Co. nur ein Theaterstück mit
verteilten Rollen...

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net

Polen lehnt Gentech-Pflanzen ab

Brigitte Zarzer 10.08.2006

Nach dem Verbot von Gentech-Saatgut bläst nun auch den Importeuren von 
Gentech-Futtermitteln ein scharfer Wind entgegen
Bereits im Mai dieses Jahres beschloss das polnische Parlament ein Verbot des 
Handels mit gentechnisch verändertem Saatgut. Präsident Lech Kaczynski 
unterzeichnete das Gesetz. Kürzlich erfolgte der nächste Streich. Innerhalb von 
zwei Jahren sollen Hersteller beziehungsweise Importeure von GV-Futtermitteln 
deren Unbedenklichkeit für Mensch, Tier und Umwelt beweisen. Andernfalls droht 
ein Importstopp. Damit geht ein großes europäisches Agrarland auf 
Konfrontationskurs mit der EU-Kommission. Wer die Gentech-Ablehnung als bloßen 
Ausdruck der neuen EU-kritischen Regierung Polens deutet, greift allerdings zu 
kurz. Bereits seit einigen Jahren machte sich in dem Land Widerstand breit.
    
Die EU-Kommission, deren Mitglieder mehrheitlich einen Pro-Gentech-Kurs 
vorantreiben, sieht sich nach mehr oder minder gewichtigen Widerständen in 
EU-Staaten wie Österreich, Griechenland, Ungarn oder Italien nun mit einer 
massiven Blockade eines großen Agrarlandes konfrontiert. Bereits im Mai dieses 
Jahres verabschiedete Polen ein Gesetz, wonach gentechnisch verändertes 
(GV-)Saatgut nicht mehr ins nationale Saatgutregister aufgenommen werden darf. 
Das polnische Europa-Ministerium sieht darin einen Verstoß gegen die europäische 
Gesetzeslage. Denn ein generelles Verbot für Gentechpflanzen (GVP), die von der 
EU bereits genehmigt sind, duldet die Kommission nicht. 

Dennoch gelang es Polen - unter Ausnutzung der bestehenden Gesetzgebung -, der 
EU-Kommission sogar die Absegnung eines bereits erlassenen Verbots von 16 
Gentech-Maissorten abzuringen. Möglich wurde dies, da Polen insgesamt 700 
Maissorten - darunter auch GV-Mais - aufgrund ihrer Ungeeignetheit für die 
polnischen Klimabedingungen verbot. Ein solches Vorgehen ist laut EU-Richtlinie 
2002/53 
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32002L0053:DE:HTML 
möglich, auch wenn Sorten im gemeinsamen EU-Register für landwirtschaftliche 
Nutzpflanzensorten enthalten sind und in der gesamten EU vermarktet werden 
dürfen. 

Doch das war erst der Anfang. Jetzt geht es in Polen um einen Markt, der derzeit 
den größten Anteil von GVOs ausmacht: GVP für den Futtermittelbereich. Denn 
während die Lebensmittelbranche - übrigens weltweit - GVP in der 
Nahrungsmittelproduktion meidet, blüht der Handel mit GV-Futtermittel auch in 
Europa. Allen voran wird Gentech-Soja importiert, aber auch GV-Mais wandert in 
die Futtertröge. 

Am 22. Juli beschloss das polnische Parlament eine Regelung, die Importeuren nun 
zwei Jahre Zeit gibt, die Unbedenklichkeit von Gentech-Futter für Mensch, Tier 
und Umwelt zu beweisen. Laut dem gentech-kritischen Infoportal Gmwatch 
http://www.gmwatch.org/ sind davon große Importeure wie Cargill, Smithfield 
Foods, Danisch Crown und andere Konzerne betroffen. Gentech-kritische NGOs 
wittern Morgenluft. Das Nachrichten-Portal von Gmwatch.org zitiert Marek Kryda, 
den polnischen Direktor des Animal Welfare Instituts (AWI) mit Hauptsitz in 
Washington DC, in einer Mitteilung. Er beglückwünschte Premier Jaroslaw 
Kaczynski zu der Entscheidung http://www.gmwatch.org/archive2.asp?arcid=6802 . 
Damit wäre ein wichtiger Schritt zugunsten der kleinen unabhängigen Bauern in 
Polen gesetzt worden. 

--
 On Thursday, Prime Minister Jaroslaw Kaczynski promised to act in the interest 
of small, independent farmers. Only one day later we have the passage of this 
bill. After years of corrupt governments pillaging and selling out rural Poland, 
we seem -- at last -- to have a government that puts the interests of rural 
Poles ahead of the interests of multinational giants. 
Marek Kryda 

Auch die in Polen ansässige, äußerst umtriebige International Coalition for 
Protection of the Polish Countryside (ICPPC http://www.icppc.pl/eng/index.php ) 
applaudierte kräftig und betonte, dass sich Polen mit dieser Entscheidung als 
ein führender Produzent gentechfreier Ware profilieren könne. Außerdem sei das 
Land ohnehin fähig, ausreichend Futter bereit zu stellen und bräuchte sich nicht 
auf Importe zu stützen. In einem Email-Rundschreiben heißt es: 

--
Poland is more than capable of producing all the fodder required to maintain 
current livestock levels and to be self sufficient in indigenous, traditional 
(non soy) animal feeds. Food quality and counsumer health will benefit through 
being protected from the residual effects of ffeding animals on GM products, 
giving Poland a leading position as a GMO free food producer. 

Misstrauen gegen EU-Zulassungspraxis 

Unklar scheint allerdings, welche Kriterien für den Beweis der Unbedenklichkeit 
angewandt werden sollen. Klar ist hingegen, dass Polen mit dieser Entscheidung 
den Zulassungsbehörden in Brüssel das Misstrauen ausspricht. Die polnische 
Regierung trifft damit einen wunden Punkt der Brüsseler Bürokratie. Denn die 
zuständige Behörde, die European Food Safety Authority (EFSA 
http://www.efsa.europa.eu/en.html ), ist wegen ihrer durchwegs positiven 
Bescheide umstritten. Sogar der derzeitige EU-Umweltkommissar Stavros Dimas übte 
erst im Frühjahr dieses Jahres Kritik an der gängigen EU-Zulassungspraxis. So 
wurden bisher nur die von den Herstellerfirmen zur Verfügung gestellten 
Unterlagen zur Beurteilung der Unbedenklichkeit von GVP herangezogen. 
Unabhängige Tests gibt es kaum, ebenso wie einheitliche methodische Standards 
und Langzeitfütterungsversuche fehlen. 

Das Misstrauen gegen Gentechnik am Acker oder in Futtertrögen kam in Polen nicht 
erst mit der neuen national-konservativen Regierung auf. Bereits einige Jahre 
zuvor war bekannt geworden, dass sich Gentech-Pflanzen in dem Land 
unkontrolliert ausbreiten könnten. So warfen im Jahr 2004 NGOs Gentech-Konzernen 
vor, die ehemaligen Ostblockländer als "Trojanische Pferde" zu benutzen, um GVOs 
in den Wirtschaftskreislauf der EU einzuschleusen. Ein diesbezüglicher Artikel 
im britischen Guardian (vgl. Geht die Gen-Saat im Osten auf? 
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18042/1.html ) schreckte die polnischen 
Behörden auf. Das Ergebnis einer Stichprobenkontrolle bestätigte schließlich, 
dass praktisch eher Chaos denn Überschaubarkeit herrschte. 85 Unternehmen, die 
Soja oder Mais einführten und verarbeiteten - im Jahr 2003 immerhin rund 170.000 
Tonnen - wurden dabei stichprobenartig untersucht. Bei der Ankunft in Polen 
waren 99 Prozent dieser Produkte als GMO gekennzeichnet. Zwar gaben zahlreiche 
Firmen diese Information an die Verbrauche!
 r weiter, allerdings oft sehr missverständlich. 34 der untersuchten 85 
Unternehmen verkauften ihre Ware schließlich als GMO-freie Produkte. 

Als Land, das ganz stark auf Lebensmittelexporte in den Westen setzt, zeigte man 
sich alarmiert. Denn im Westen lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung "Genfood" ab. 
Mit unkontrollierter Ausbreitung oder Verunreinigung würde ein Riesenabsatzmarkt 
für Polen einbrechen. Rasch vernetzten sich diverse NGOs und Bauernverbände. 
Eine Mehrheit der Regionen deklarierte sich bis 2005 als gentechnikfrei. Mit 
Erfolg konnten die Gentech-Kritiker jetzt auch die politische Praxis in ihrem 
Sinne beeinflussen. Dass sie hier mit einem nicht unproblematischen Politpartner 
kooperieren, wird übrigens nicht explizit thematisiert. 

Polens Staatspräsident Lech Kaczynski hatte seinen Zwillingsbruder Jaroslaw zum 
neuen Premier ernannt und damit eine - wie Kritiker meinen - "historisch bisher 
nie da gewesene Machtkonzentration" geschaffen (Zwei Ämter, ein Gesicht 
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23082/1.html ). Das Brüderpaar und deren 
nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sorgt für zunehmende 
Besorgnis in Deutschland und der EU. 

Abgesehen davon wird die Reaktion der EU auf die jüngsten Entwicklungen in der 
Gentech-Frage spannend werden. Österreich, das sich nach Wünschen der 
Bevölkerungsmehrheit am liebsten ganz als gentech-freies Land etablieren würde, 
wurde nie sonderlich Ernst genommen. Einzelne Verbote in anderen EU-Ländern 
werden von der EU-Kommission bekämpft. Mit dem Anti-Gentech-Kurs in Polen hat 
sich die EU jetzt aber Widerstand einer anderen Dimension eingehandelt. Denn 
Polen ist zum einen ein großes und wichtiges Agrarland, das in Richtung auf ein 
de facto Moratorium auf allen Ebenen schreitet, zum anderen wird sich zeigen, ob 
es sich die EU-Kommission leisten kann, immer wieder gegen die 
Bevölkerungsmehrheit in Grundfragen wie Ernährung und Versorgung zu entscheiden.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23298/1.html




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