[Gen-Info] "Koexistenz" stellt sich immer klarer als Illusion heraus

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Sa Jul 15 16:13:48 CEST 2006


Hallo Leute!

Hier noch ein Artikel nachträglich, den ich vor einer Woche zu versenden
vergaß.

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


"Koexistenz" stellt sich immer klarer als Illusion heraus
Gen-Moratorium gefordert

Jüngst sorgte CSU-Generalsekretär Markus Söder für Aufregung in den Reihen der 
Gentechnik-Lobby. Er hatte sich in einem Gastbeitrag im Berliner 'Tagesspiegel' 
für ein "Moratorium bei der grünen Gentechnik" ausgesprochen. So schrieb er: 
"Doch noch sind rund 80 Prozent der Menschen gegen gentechnisch veränderte 
Lebensmittel. Ohne breite Akzeptanz jedoch wird grüne Gentechnik nicht 
funktionieren. (...) Als Vorbild könnte hier die Schweiz dienen, die einen 
fünfjährigen Aufschub für Gentechnik in der Landwirtschaft beschlossen hat." 
Söders Vorschlag hat jedoch einen Pferdefuß: So soll der Anbau genmanipulierter 
Pflanzen "zu wissenschaftlichen Zwecken" nach seinen Vorstellungen weiterhin 
erlaubt sein. Was jedoch alles als zu "wissenschaftlichen Forschungszwecken" 
deklariert werden kann, zeigt sich beispielsweise an den Fangquoten isländischer 
und japanischer Walfang-Flotten.

Genfood in der Defensive

Bemerkenswert ist an diesem und ähnlichen Vorstößen der letzten Wochen, daß die 
Befürworter der Gentechnik, zu denen Söder erkennbar weiterhin zählt, in die 
Defensive geraten sind. Immer mehr Fakten sind nun auch in Mainstream-Medien 
veröffentlicht worden, die klar erkennen lassen, daß eine sogenannte Koexistenz 
zwischen Gentech-Landwirtschaft auf dem einen Feld und herkömmlicher 
Landwirtschaft auf dem anderen, eine gefährliche Illusion ist.

Verbreitung von Gen-Mais durch Landmaschinen

Am 28. Juni erschien in der 'Frankfurter Rundschau' ein Artikel, in dem 
offengelegt wurde, wie problematisch die gemeinsame Nutzung beispielsweise von 
Mähdreschern bei der Ernte von Gen-Mais und herkömmlich angebautem Mais - sei es 
mit Pestiziden oder in Bio-Anbau - ist. Trotz ständiger Reinigungen ist eine 
Vermischung nicht zu vermeiden. Darüber hinaus sind die nötigen Reinigungen 
unpraktikabel und verteuern die Ernte in eklatanter Weise. Die im Artikel 
genannten Kosten von bis zu 2000 Euro pro Reinigung werden in der Bauernschaft 
für Gesprächsstoff sorgen. Und selbst mit aufwendigen Reinigungen zwischen den 
Ernteeinsätzen kann die Verschleppung von Gen-Mais nicht völlig vermieden 
werden. Allenfalls ein Gen-Mais-Anteil unter 0,9 Prozent könne so garantiert 
werden. Lebensmittelverarbeiter und Mühlen jedoch akzeptieren Mais jedoch nur 
dann als Bio-Mais und sind bereit höhere Preise zu zahlen, wenn die 
Gen-Verunreinigung unter einem jeweiligen Schwellenwert von 0,1 Prozent oder 0,3 
Prozent liegt. Solche Werte sind jedoch selbst bei zweistündigen Reinigungen von 
Mähdreschern nicht zu erzielen. Und selbst bei einer Schnellreinigung steigen 
die Erntekosten um rund 150 Prozent. Dabei bleibt auf Grund der vagen 
Bestimmungen des geltenden Gentechnik-Rechts offen, wer für diese zusätzlichen 
Kosten aufzukommen hat. In Deutschland werden 80 bis 90 Prozent der Felder von 
gemeinsam genutzten Mähdreschern abgeerntet.

Kennern der landwirtschaftlichen Praxis war bereits seit Jahren klar, daß ein 
Nebeneinander von Gentech-Landwirtschaft und herkömmlicher Landwirtschaft 
niemals funktionieren würde. Die Mitinitiatorin der Unterschriften Kampage 'Pro 
Gen-Moratorium' (www.gen-moratorium.de), Ute Daniels, wies bereits in einem 
Artikel am 18.06.2003 darauf hin, daß die sogenannte Koexistenz zu 
unüberwindlichen Problemen bei der Nutzung von Erntemaschinen führt: "Wie 
BBC-online vermeldet, ist inzwischen nachgewiesen, daß sich Gen-Pflanzen auch 
durch Anhaftungen von Samen an landwirtschaftlichen Maschinen über weite 
Strecken verbreiten können. Laut einer französischen Studie ist diese 
unkontrollierte Verbreitung sogar gravierender als die durch Pollenflug, dessen 
Auswirkung in einer deutschen Risiko-Studie untersucht wurde. Sowohl mit dieser 
als auch der neueren Studie von WissenschaftlerInnen der Universität Lille, die 
eine Ausbreitung genmanipulierter Pflanzen über mehr als 1,5 Kilometern vom 
ursprünglichen Feld entfernt nachweisen konnte, wird die bislang von der Politik 
vertretene Philosophie der Sicherheitsabstände vollends obsolet."

Pollenflug und Verbreitung durch Bienen

Ebenfalls in jüngster Zeit wurde eine Untersuchung des Umweltinstituts München 
bekannt laut der genmanipulierter Mais gentechnikfreie Pflanzen "weitaus stärker 
und über wesentlich größere Distanzen als bislang propagiert" verunreinigt. Der 
bayerische Landwirtschaftminister Miller mußte diese Ergebnisse im Juni in 
Freising bekannt geben. Wissenschaftler äußerten bereits die Hoffnung auf ein 
Umdenken innerhalb der CSU.

Tatsächlich hatte der Bericht bereits im Frühjahr veröffentlicht werden sollen, 
war aber nach Darstellung des Umweltinstituts "auf Grund der brisanten 
Ergebnisse monatelang zurückgehalten worden". Die bayerische Staatsregierung 
müsse nun einräumen, daß Kontamination über Pollenflug in einem viel weiteren 
Radius stattfände "als Gentechnik-Befürworter in Industrie und Politik bislang 
zugeben wollten".

"Zu der Erkenntnis, daß Pollen weiter fliegen, hätte man auch kommen können, 
ohne die Umwelt mit transgenem Material zu verschmutzen", kritisiert Andreas 
Bauer vom Umweltinstitut München. "Aber wenigstens gibt es jetzt einen Beweis 
dafür, daß die angestrebte Koexistenz insbesondere für unsere bäuerliche 
Landwirtschaft nicht möglich ist." Es gehe nicht darum, ob der 
Sicherheitsabstand 20, 200 oder 2000 Meter betrage, so Bauer. "Die CSU muß ihren 
Eiertanz jetzt beenden und für alle Zeiten aus der Genmanipulation aussteigen."

Ergebnisse des "Erprobungsanbaus" haben außerdem auch gezeigt, "daß Honig und 
Pollen in weit höherem Maß Maispollen enthalten als bisher vermutet". In 35 von 
36 Proben hätten Maispollen nachgewiesen werden können. Zwei Pollenproben hatten 
sogar die Kennzeichnungsschwelle überschritten und waren zu 5 Prozent mit 
genverändertem Material belastet.

Walter Haefeker, Berufsimkers vom Vorstand des Deutschen Berufs- und 
Erwerbsimkerbundes erklärte zu diesen Ergebnissen: "Die wenigen Studien über die 
Gefährlichkeit von Gen-Pflanzen für Bienen zeigen, daß die Tiere geschädigt 
werden und die Zukunft der Imkerei somit bedroht ist. Die Aussagen der 
bayerischen Staatsregierung, eine Schädigung von Bienen sei wissenschaftlich 
widerlegt, sind eine Farce." Haefeker konstatiert: "Politik und Industrie haben 
die Ergebnisse einfach uminterpretiert."

Zweckdienliche Illusionen

Offenbar wurde die Illusion, "Koexistenz" sei praktikabel, mit dem Zweck 
verbreitet, um so Akzeptanz für die "grünen Gentechnik" zu fördern. Inzwischen 
distanzieren sich auch die "Grünen" im Bundestag von dieser zwischen 1998 und 
2005 maßgeblich von der damaligen Ministerin Künast betriebenen Politik. Ende 
Juni reichte die "grüne" Bundestagsfraktion einen Antrag ein, der das von 
CSU-Generalsekretär Söder ventilierte 5-jährige Gen-Moratoriums aufgreift.

Weiter Informationen:
www.gen-moratorium.de

Klaus Schramm




Mehr Informationen über die Mailingliste Gen-Info