[Gen-Info] "Moratorium" Thema in WAMS

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Fr Jul 14 21:20:49 CEST 2006


Hallo Leute!

Wenn schon in der WAMS nun plötzlich der Begriff Gen-Moratorium
auftaucht, ist offenbar einiges in Bewegung geraten. Deutlich ist
das auch daran zu erkennen, daß die Gentech-Lobby in den letzten
Tagen massiv Propaganda-Artikel in anderen Medien lanciert. Auf
ganz schlichte Gemüter scheint ein Artikel in der FAZ vom 12. Juli
abgestellt zu sein. Um die vermeintliche Schärfe der von Ministerin
Künast ins Feld geführten Haftungsregelung zu verdeutlichen, wird
ein Vergleich mit dem emotional besetzten Thema Auto zurecht
geblechnert:

"So haften Landwirte, die genveränderte Pflanzen anbauen, auch ohne eigenes 
Verschulden für wirtschaftliche "Schäden" auf benachbarten Feldern, auch 
wenn sie die Regeln der guten fachlichen Praxis eingehalten haben. 
Kommen mehrere Landwirte als Verursacher in Betracht, verzichtet das 
Gesetz auf den Nachweis individueller Verursachung. Statt dessen kann 
jeder für die Haftung in Betracht kommende Landwirt für die gesamte 
Schadenssumme in Anspruch genommen werden. Das wäre so, als ob die 
gesamte Autoindustrie für Verkehrsunfälle zahlen müßte. Diese strenge, 
ja unverhältnismäßige Haftung führt dazu, daß die meisten Landwirte auf 
den Anbau genveränderter Pflanzen verzichten, weil das Risiko für sie 
nicht kalkulierbar ist."

Was will da noch Satire?

Doch hier - weiter unten einkopiert - der Artikel aus der WAMS.

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


Unübersehbare Risiken
Skepsis in der Bevölkerung, neue Untersuchungsergebnisse, ungeklärte Haftung: 
Die CSU wechselt ihren Kurs bei der grünen Gentechnik. Sogar 
Landwirtschaftsminister Josef Miller rät Bauern vom Genmais ab

von Peter Issig

Der plötzliche Kurswechsel habe ganz banale Gründe, heißt es in der CSU. Die 
Frau des Generalsekretärs Markus Söder habe kategorisch erklärt, daß sie den 
Kindern keine Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Zutaten auf den Tisch 
stellen werde. Andere Parteifreunde bescheinigen Söder "halt ein besonders 
schnelles Gespür für Stimmungen".

Wo auch immer die Motive liegen, die CSU rudert bei der Einschätzung der 
sogenannten grünen Gentechnik in der Landwirtschaft jedenfalls zurück. 
Fortschrittsglaube weicht skeptischen Einwänden - juristischer, ökonomischer 
sowie parteitaktischer Art.

Die Wendemarke setzte der Generalsekretär mit einem Gastbeitrag für den Berliner 
"Tagesspiegel": "Wir brauchen ein Moratorium bei der grünen Gentechnik." Wenige 
Tage später stellte Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller prompt 
beunruhigende Untersuchungsergebnisse beim Erprobungsanbau in Bayern vor. Es 
wurde festgestellt, daß Pollen aus gentechnisch verändertem Mais weiter fliegen 
und damit mehr benachbarte Pflanzen verunreinigen können, als bisher angenommen.

Söder fordert nun, eine fünfjährige Pause bei der kommerziellen Nutzung von 
Gentechnik in der Landwirtschaft einzulegen, um der Forschung mehr Zeit zu 
lassen. Den CSU-Politiker bewegen aber auch andere Überlegungen, denn in 
Umfragen sprechen sich 80 Prozent gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel 
aus. Diese Bedenken müßten ernst genommen werden, sagt Söder: "Ohne breite 
Akzeptanz wird grüne Gentechnik nicht funktionieren." Die Opposition sagt das 
allerdings schon lange.

Bedenken gab es aber auch schon früher in der CSU. Fast zur selben Zeit, als die 
Staatsregierung ein ermunterndes Zehn-Punkte-Programm zur grünen Gentechnik 
verabschiedete, formulierten jüngere CSU-Politiker auf dem CSU-Parteitag 2004 
ihre leisen Zweifel. Zu ihnen gehörte auch Tierarzt Marcel Huber, der inzwischen 
im Landtag sitzt und in der CSU-Fraktion die Arbeitsgemeinschaft Gentechnik 
leitet. Er sieht sich jetzt bestätigt. "Der Riß, der bei dieser Frage durch die 
Bevölkerung geht, wird in die Partei getragen. Die CSU mußte sich hier 
positionieren", sagt er.

Pragmatisch nähere sich die CSU jetzt dem Thema, sagt Huber. Von einer 
"prinzipiellen Trendwende" will er deswegen nicht sprechen. Es sei vielmehr "ein 
entschiedenes Ja, aber ..." Daß man sich dabei grünen Positionen annähert, weiß 
Huber. Schließlich fordert auch Grünen Fraktionschef Sepp Dürr das fünfjährige 
Moratorium. Von der "ideologischen, absoluten Ächtung" der Gentechnik durch die 
Grünen unterscheide sich die CSU aber: "Wir wollen an der Forschung dran bleiben 
und halten uns die kommerzielle Nutzung offen."

Abwartend verhält sich auch Horst Seehofer. Der Bundeslandwirtschaftsminister 
war bei Protestveranstaltungen als "Horst Genhofer" bezeichnet worden. Jetzt hat 
er die für Sommer angekündigte Novellierung des Gentechnikgesetzes auf Herbst 
verschoben. Er plädiert für eine verstärkte Forschung, andererseits aber auch  
gegen Widerstände aus der Schwesterpartei CDU - für neue Sicherheitsstandards 
bei der Freilandnutzung.

Seehofer weiß um die Brisanz des Themas: "Ich will keinen Krieg in den Dörfern 
und auf den Feldern", sagt er und schlägt 150 Meter Sicherheitsabstand zwischen 
Feldern mit Genmais und Äckern mit konventionellem oder Ökoanbau vor. Marcel 
Huber ist sogar für 300 Meter, was in der kleinräumigen bayerischen 
Landwirtschaft faktisch den Anbau von Gen-Pflanzen unmöglich machen würde.

Landwirtschaftsminister Miller unterstützt größere Sicherheitsabstände, 
bestreitet aber einen Kurswechsel: "Die Staatsregierung hat ihre Haltung nicht 
geändert. Wir setzen auf Koexistenz. Die Landwirte müssen selbst wählen können, 
für welche Art des Anbaus sie sich entscheiden", sagte Miller der "Welt am 
Sonntag". Dies habe für ihn immer Vorrang gehabt.

Ernüchternd ist allerdings seine betriebswirtschaftlichen Beurteilung: "Die 
zugelassenen gentechnisch veränderten Maissorten haben für die Landwirte bisher 
nur geringen Nutzen gebracht. Im landwirtschaftlichen Bereich haben die 
gentechnisch veränderten Organismen ihre Überlegenheit noch nicht bewiesen. Die 
Erwartungen wurden noch nicht erfüllt."

Miller warnt die Bauern zudem vor unabsehbaren wirtschaftlichen Risiken. "Daher 
rate ich den Landwirten von Anbau ab", sagt Miller. Denn noch ist nicht geklärt, 
wer haftet, wenn beispielsweise der Ökobauer plötzlich gentechnisch veränderte 
Organismen in seinen Produkten findet. "Die von uns vorgeschlagene 
Haftungsregelung sieht vor, daß derjenige, der durch die Nichteinhaltung der 
sogenannten guten fachlichen Praxis quasi fahrlässig eine Beeinträchtigung von 
Nachbarflächen verursacht, dafür haften muß."

Ein Haftungsfonds soll demnach greifen, wenn Schäden durch Verunreinigungen 
auftreten, obwohl die Regeln der sogenannten guten fachlichen Praxis eingehalten 
wurden. "Die Anwender der grünen Gentechnik und die beteiligten Wirtschaftzweige 
sollen in ihn einbezahlen und so kollektive Verantwortung übernehmen", sagt 
Miller.

Allerdings haben bisher weder die Angesprochenen noch dieVersicherungswirtschaft 
großes Interesse an diesem Fonds gezeigt. Auch deswegen müsse weiter geforscht 
werden: "Die Versprechungen der Befürworter und die Befürchtungen der Kritiker 
der grünen Gentechnik lassen sich nur durch wissenschaftliche Versuche von 
unabhängigen Stellen glaubwürdig entkräften oder bestätigen", sagt der 
Landwirtschaftsminister.

Artikel erschienen am 9. Juli 2006
http://www.wams.de/data/2006/07/09/951314.html




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