[Gen-Info] Koexistenz? Kanada zeigt uns, wohin das führt

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Di Jul 11 22:37:38 CEST 2006


Hallo Leute!

Hier ein Interview aus der aktuellen 'Schrot&Korn', Heft 7/06, einer 
Kundenzeitschrift der Naturkostläden. Ich bedanke mich hier bei
Leo Frühschütz für die freundliche Erlaubnis zur Nachveröffentlichung. 
Alle Rechte liegen beim Autor Leo Frühschütz.

Zentraler Punkt des Interviews:
"Die wichtigste Lektion ist: Es gibt keine Koexistenz, keinen
Sicherheitsabstand. Die Ausbreitung genmanipulierter 
Organismen (GMO) lässt sich nicht kontrollieren. Die Wahlfreiheit ist 
verloren, wenn GMO eingeführt werden."

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


Interview

                    "Gen-Raps ist außer Kontrolle" 

                    Der kanadische Bauer Percy Schmeiser ist
                    dem Streit mit dem Konzern Monsanto nicht
                    ausgewichen und hat teuer dafür bezahlt.
                    Doch er kämpft weiter gegen Gentechnik auf
                    den Feldern. Weil er weiß, was sie anrichtet.

Percy, Sie haben vor dem Menschenrechtsausschuss
der Vereinten Nationen in Genf die kanadische
Regierung beschuldigt, Menschenrechte der
Verbraucher und Landwirte zu verletzen. Was 
werfen Sie ihr konkret vor? 

Kanada hat vor zehn Jahren den Anbau von
genmanipuliertem Raps und Soja erlaubt. Mit 
der Einführung dieser Genpflanzen haben die 
kanadischen Bauern jegliche Selbstbestimmung 
verloren. Ihr Land wird mit Gen-Raps
und Gen-Soja kontaminiert, mit allen negativen 
Konsequenzen: zerstörte Ernten, zerstörte Existenzen. 

Gibt es dafür konkrete Beispiele? 

Viele. Ein Beispiel bin ich selbst. Meine Frau und ich haben 
über 40 Jahre lang Raps angebaut und gezüchtet. Wir hatten Sorten 
entwickelt, die speziell an die regionalen Bedingungen angepasst 
waren. 1998 stellte sich heraus, dass unsere Rapsfelder und damit 
unser Saatgut mit Gen-Raps von Monsanto verunreinigt waren. Die 
Arbeit von über 40 Jahren war zerstört. 

Hat Monsanto den Schaden ersetzt? 

Von wegen. Monsanto hat uns vorgeworfen, ihr Saatgut illegal 
angebaut zu haben und uns vor Gericht auf Patentzahlungen verklagt. 
Die ersten zwei Instanzen gaben Monsanto Recht. Sie entschieden, 
dass es egal ist, wie der Gen-Raps auf unsere Felder gelangte. 
Der Raps sei das Eigentum von Monsanto. Wir mussten Monsanto 
unser gesamtes Saatgut ausliefern. Das bedeutet, du kannst als 
Bauer über Nacht deine gesamte Ernte und dein Saatgut verlieren, 
weil der Wind deine Felder mit Gen-Pflanzen kontaminiert, die du 
gar nicht haben willst. 

Und die dritte Instanz? 

Der oberste Gerichtshof von Kanada bestätigte 2004 die Eigentumsrechte
von Monsanto, entschied aber, dass wir keinen Cent an Monsanto zahlenmüssen. 
Der Konzern wollte eine Million kanadische Dollar, das sind etwa
700.000 Euro. Das wäre das Ende unserer Farm gewesen. Allerdings
mussten wir unsere Gerichtskosten selbst tragen. Die beliefen sich 
auf 400.000 Dollar. 

Wie haben Sie das finanziert? 

Wir haben unser Land verpfändet und einen Teil unserer Rücklagen für den
Ruhestand aufgebraucht. Außerdem hatten wir viele Unterstützer aus der
ganzen Welt. Alleine hätten wir es nicht geschafft. 

Viele kanadische Farmer haben verunreinigte Felder. Warum hat Monsanto
ausgerechnet Sie verklagt? 

Monsanto hat damals gezielt Saatgut-Züchter ausgesucht. Außerdem war
ich als Bürgermeister und früherer Abgeordneter gut bekannt. Monsanto
selbst hat das als Testfall bezeichnet. Sie wollten wohl ausprobieren, 
wie weit sie mit ihrer Macht gegen die Rechte der Farmer vorgehen konnten. 

Was sagten die anderen Farmer dazu? 

Ich bekam sehr viel Unterstützung. Aber viele Farmer hatten Angst, sich
öffentlich zu äußern. Monsanto drohte den Bauern, wenn ihr euch hinter
Schmeiser stellt, dann seid ihr dran. Monsanto hat konzern-eigene
Privatdetektive. Sie marschieren ohne Erlaubnis über die Felder und 
stehlen dort Saatgut oder Pflanzen, um sie auf Monsanto-Gene untersuchen 
zu lassen. Wenn ein Farmer sie erwischt und mit dem Gericht 
droht, dann lachen sie nur und sagen: "Verklag´ uns doch. Wenn wir mit 
dir vor Gericht fertig sind, hast du keine Farm mehr." 

Dürfen die das? 

Monsanto ist sehr mächtig. Die kanadische Regierung unterstützt die
Gentechnik-Industrie bedingungslos. Monsanto arbeitet mit den zuständigen
Behörden Hand in Hand. Wenn Bauern hören, was mich mein Prozess
gekostet hat und wie lange das Verfahren dauerte, dann geben sie lieber
klein bei. Für einen kleinen Bürger gibt es gegen einen Milliarden-Konzern
keine Gerechtigkeit. 

Welche wirtschaftlichen Folgen hatte der Anbau von Gen-Raps und
Gen-Soja in Kanada? 

Die Landwirte haben Exportprobleme bei Raps und Soja, weil viele Länder
genmanipulierte Produkte ablehnen. In Kanada gibt es kein gentechnikfreies
Raps- und Sojasaatgut mehr. Auch die Imkerei ist zerstört, weil der gesamte
kanadische Honig mit genmanipuliertem Erbgut kontaminiert ist. Aber noch
schlimmer sind die sozialen Folgen. 

Was meinen Sie damit? 

Ich erzähle Ihnen ein Beispiel. Monsanto druckt Anzeigen, in denen Farmer
eine Belohnung bekommen, wenn sie dem Konzern Nachbarn melden, die
illegal Gen-Raps oder Gen-Soja anbauen. Der denunzierte Bauer bekommt
Besuch von zwei Detektiven. Die sagen, "wir haben Informationen, dass Sie
illegal Saatgut von Monsanto anbauen. Entweder Sie unterzeichnen diese
Erklärung oder wir sehen uns vor Gericht wieder und dann sind Sie Ihre
Farm los". In der Erklärung müsste er sich verpflichten zu zahlen und 
über die ganze Angelegenheit nicht zu reden. Dann gehen die Detektive, 
und der Farmer sitzt da und überlegt, welcher Nachbar ihn verpfiffen 
hat. Das Ergebnis solcher Methoden ist, dass das Misstrauen rapide 
wächst und der soziale Zusammenhalt im ländlichen Raum zerbricht. Meine 
Großeltern kamen 1890 aus Bayern über die USA nach Kanada. Sie mussten 
mit den Nachbarn zusammenarbeiten, um Straßen, Schulen, die ganze 
Infrastruktur aufzubauen. Dieser Zusammenhalt ist zerstört. 

Was können die EU und Deutschland aus den kanadischen Erfahrungen
lernen? 

Die wichtigste Lektion ist: Es gibt keine Koexistenz, keinen
Sicherheitsabstand. Die Ausbreitung genmanipulierter Organismen (GMO)
lässt sich nicht kontrollieren. Die Wahlfreiheit ist verloren, wenn GMO
eingeführt werden. Ich höre hier dieselben Argumente, die uns 1996 erzählt
wurden: hohe Ernten, weniger Chemikalien, Bekämpfung des Hungers.
Nichts davon ist wahr. Nach zwei Jahren sanken die Erträge um 15 Prozent
bei Soja und um 7 Prozent bei Raps. Die Qualität ist nur noch halb so gut.
Hinzu kommt, dass die Getreide-Bauern jetzt dreimal so viel Pestizidebrauchen, 
weil sich der pestizidresistente Raps ihrer Nachbarn als Super-Unkraut in 
Getreidefeldern ausbreitet. 

Ist es nicht schon zu spät, den Siegeszug der Gentechnik zu verhindern? 

Ich habe in den letzten Jahren über 50 Länder besucht, die meisten
mehrfach. Überall wächst der Widerstand. In Kanada sind seit zehn Jahrenkeine 
neuen GMO mehr eingeführt worden. Wir haben den Einsatz der
Terminator-Gene verhindern können. Aber ich weiß auch, dass wir nicht
aufhören dürfen zu kämpfen, denn die Konzerne werden weiterhin und mit
allen Mitteln versuchen, Gentechnik durchzusetzen. 

Sie sind 75. Was gibt Ihnen die Kraft, weiterzukämpfen? 

Natürlich wäre es viel einfacher, jetzt daheim zu sein, die 15 Enkelkinder zu
besuchen, mit ihnen fischen zu gehen oder Baseball anzuschauen. Es ist hart,
immer so lange von der Familie weg zu sein. Aber die Sache ist wichtig. Wir
wollen unseren Enkeln eine Welt mit sauberen Lebensmitteln, Wasser,
Boden und Luft hinterlassen. Außerdem habe ich mich immer für die Bauern
eingesetzt. Meine Frau Louise und ich haben uns geschworen: So lange wir
am Leben sind, werden wir für das Recht der Farmer auf der ganzen Welt 
kämpfen, ihr eigenes Saatgut anzubauen. Louise hat eine sehr starke
Persönlichkeit. Ohne ihre Unterstützung hätte ich das nicht geschafft. 


Unermüdlich warnt Percy Schmeiser vor den Gefahren der 
Gentechnik. Hier im Gespäch mit dem Dokumentarfilmer Bertram Verhaag ("Leben 
außer Kontrolle") und einer Bio-Bäuerin 

 "Der Gen-Raps in Kanada
 ist außer Kontrolle",
 berichtet Percy Schmeiser.
 Jetzt planen
 Gentechnik-Firmen den
 Anbau in
 Mecklenburg-Vorpommern.


Mehr über den Fall Schmeiser 

Percy Schmeiser hat alle Dokumente über seinen Streit mit
Monsanto unter www.percyschmeiser.com ins Internet 
gestellt.
Die deutsche Übersetzung eines Vortrages von ihm hat das
Umweltinstitut München veröffentlicht. 

Percy schildert seinen Fall auch in dem Buch "Gefahr
Gentechnik" von Manfred Grössler, Concordverlag, ISBN
3-9501887-1; 24,90 Euro.

David gegen Goliath: Schmeiser versus Monsanto 

Percy Schmeiser: Bauer und Saatgutzüchter, wohnt in Bruno
in der westkanadischen Provinz Saskatchewan und besitzt 
eine 600 Hektar große Farm. Er war lange Bürgermeister und 
auch einige Jahre Abgeordneter im Parlament der Provinz. 
Percy ist seit über 50 Jahren mit seiner Frau Louise verheiratet, 
die beiden haben fünf Kinder und 15 Enkel. 

Monsanto: Agrarchemie- und Gentechnik-Konzern,
Aktiengesellschaft mit Hauptsitz in Saint Louis, USA.
Gegründet 1901, Umsatz 2005: 6,3 Milliarden US-Dollar, 
255 Millionen US-Dollar Nettogewinn, 13.700 Mitarbeiter,
Vorstandsvorsitzender Hugh Grant. Monsanto hat in den
letzten sieben Jahren für 13 Milliarden Dollar 
Saatgutfirmen aufgekauft und ist nun der weltweit größte Anbieter. 
Bei Gentechnik-Saatgut hat der Konzern 90 Prozent 
Marktanteil.

http://www.schrotundkorn.de/2006/200607b01.html




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