[Gen-Info] Oekolandwirtschaft und Gentechnik
Klaus Schramm
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So Jun 12 23:58:39 CEST 2005
10.06.2005
Öko-Landwirtschaft
- von "Rot-Grün" verraten
und von "Schwarz-Gelb" bekämpft
Ausgebremst und Schutz gegen Gentechnik
verweigert
Mit der deutschen Landwirtschaft insgesamt geht es in
zunehmendem Tempo bergab: 15.700 Bauernhöfe
mußten im Jahr 2004 aufgeben werden und die
landwirtschaftliche Fläche nahm um 8.100 Hektar ab.
Während dessen verzeichnet die Öko-Landwirtschaft ein
- im europäischen Vergleich jedoch schwächliches -
Wachstum. Mit lediglich rund fünf Prozent Zuwachs
gegenüber 15 bis 22 Prozent in den Vorjahren fiel die
Wachstumsrate der Öko-Landwirtschaft in den letzten
Jahren auf den Stand von 1995 zurück. Zugleich wuchs
der Markt für Öko-Lebensmittel im Jahr 2004 um nahezu
12 Prozent. In den letzten zehn Jahren entstanden nach
Angaben des 'Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft'
(BÖLW) in Erzeugung, Verarbeitung und Handel
ökologischer Lebensmittel rund 75.000 neue
Arbeitsplätze. Dennoch muß festgestellt werden - wie
auch der BÖLW bestätigt - , daß nach wie vor auch unter
"Rot-Grün" die Öko-Betriebe im Durchschnitt weniger
Förderung erhalten als konventionelle.
Während in den Mainstream-Medien das Bild gezeichnet
wird, von "Rot-Grün" werde einerseits die
"Agrar-Wende" vorangetrieben, andererseits
Agro-Gentechnik "behindert" und "Innovation"
gehemmt, dürfen Jahr für Jahr größere Flächen mit
Gen-Mais angebaut werden.1 Und mit Inkrafttreten des
von Ministerin Künast vorgelegten Gentechnik-Gesetzes
wäre das de facto noch bestehende europäische
Gen-Moratorium in Deutschland zu Fall gebracht worden.
Genmanipulierte Nutzpflanzen könnten dann auf immer
größeren Flächen angebaut werden und in Folge
unvermeidbarer Gen-Kontamination wäre dann bereits in
wenigen Jahren in Deutschland keine
Öko-Landwirtschaft mehr möglich. Die Beispiele USA,
Kanada und Argentinien lassen grüßen. In Kanada kann
inzwischen kein gentechnik-freier Raps mehr angebaut
werden. Und in den USA und Argentinien ist längst
nachgewiesen, daß der Pestizid-Einsatz entgegen den
ursprünglichen Versprechungen bereits nach einigen
Jahren den der konventionellen Landwirtschaft überholt
hat.
Daß die "schwarz-gelbe" Opposition in Bundestag und
Bundesrat mit ihrer Blockade-Politik bisher das
Gentechnik-Gesetz (Teil 2) aus dem Hause Künast
verhinderte, geschah allein aus ideologischer
Verblendung. Tatsächlich war dies ein "Bärendienst" an
Gen-Konzernen wie Bayer, Monsanto oder Syngenta.
Offenbar hatte sie nicht erkannt, daß Künasts Gesetz
entgegen den öffentlichen Bekundungen den Weg für
diese Konzerne frei gemachen hätte.
Das Haupteinfallstor für die Agro-Gentechnik in Europa
wird jedoch in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Der Markt für Futtermittel hat eine wesentlich größere
Bedeutung als der Markt für Lebensmittel. So wird der
deutschen Landwirtschaft durch die viele
Futtermittel-Großhändler eine Wahlfreiheit zwischen
Gen-Futter und gentechnik-freiem Futter verweigert.2
Dieselben Firmen, die in Österreich in der Lage sind,
gentechnikfreie Futtermittel anzubieten, verweigern in
Deutschland, die gentechnik-freie Qualität ihrer Produkte
zu garantieren. Hintergrund: Diese Firmen sind vielfach
mit den Gen-Agrokonzernen verbandelt.
Die einzige Umwelt-Organisation, die sich auf diesem
Feld nennenswert engagierte, war im letzten Jahr
Greenpeace. Greenpeace machte publik, daß
Müller-Milch neben einigen anderen Anbietern Milch von
Kühen anbot, die mit Gen-Futter "versorgt" wurden.
Zugleich veröffentlichte Greenpeace Listen von
Futtermittel-Firmen, wo sich Öko-LandwirtInnen mit
garantiert gentech-freiem Futter eindecken konnten.
Dennoch ist in Deutschland noch viel zu wenig bekannt,
daß neben Milch auch Fleisch, Käse, Joghurt, Eier und
andere Produkte von Tieren stammen können, die mit
genmanipulierten Futtermitteln gemästet wurden. Nach
dem jetzigen Stand und auch nach dem von Ministerin
Künast vorgelegten Gesetz muß all dies nicht als
Gen-Food gekennzeichnet werden. Damit offenbart sich
die propagierte "Wahlfreiheit" als Farce.
Zumindest in Baden-Württemberg erweisen sich CDU
und FDP als zuverlässigere Helferinnen der
Gentech-Industrie. Fleisch, das aus der Mast mit
Gen-Futter stammt, darf auch in Zukunft mit dem
baden-württembergischen "Qualitäts"-Siegel mit den drei
Löwen ausgezeichnet werden. Dies, obwohl längst nicht
mehr in Frage steht, daß Öko-Lebensmittel nicht allein in
Hinblick auf Landschaft, Natur, Klima und Artenschutz,
sondern auch in der Qualität für die VerbraucherInnen
deutlich besser abschneidet.
Aus einem aktuellen Bericht der 'Chemischen und
Veterinäruntersuchungsamtes Baden-Württemberg' geht
hervor, daß die Pestizid-Belastung in Lebensmitteln aus
konventioneller Landwirtschaft über 60 Mal höher als in
Öko-Lebensmitteln ist. Bei Öko-Produkten finden sich
nur in verschwindend wenigen Fällen
Kontaminations-Spuren von Pflanzenschutzmitteln, die
von Anwendungen auf konventionellen Nachbarfeldern
stammen. Bei Obst und Gemüse aus konventioneller
Erzeugung dagegen fanden sich in drei Viertel aller
Proben Pestizid-Rückstände - in der Regel von mehreren
Wirkstoffen. In erschreckend vielen Fällen geraten
Produkte in den Verkehr, bei denen die gesetzlichen
Höchstmengen überschritten werden - so zum Beispiel
bei Salat zu 15 Prozent und bei Paprika gar zu 38
Prozent.
Die systematischen Untersuchungen wiesen auch nach,
daß bei Öko-Lebensmitteln das Verbot eingehalten
wurde, Lebensmittel nicht mit Gamma-Strahlung haltbar
zu machen. Dieses Verfahren wird häufig bei Gewürzen,
Tee, Keimsaaten, getrockneten Pilzen und Fisch
angewandt. Spinat aus ökologischer Produktion enthält
im Schnitt nur halb soviel Nitrat wie die konventionelle
Konkurrenz. Gleichzeitig zeigt eine jüngst veröffentlichte
Studie der EU ein deutlich erhöhtes Parkinson-Risiko als
Folge des Einsatzes chemisch-synthetischer
Pflanzenschutzmittel.
Ein weniger erfreuliches Ergebnis brachte die Studie der
Freiburger Behörde jedoch ebenfalls zu Tage. Mais und
Soja-Proben wurden auf Genmanipulationen untersucht.
Diese waren sowohl bei konventionellen wie auch bei
ökologisch erzeugtem Mais und Soja nachweisbar, lagen
allerdings durchweg noch bei einem Anteil von weniger
als 0,1 Prozent. Nach Angabe des Untersuchungsamtes
sind diese Befunde auf "Verunreinigung"
zurückzuführen. Diese Gen-Kontamination wird sich -
zunächst schleichend - von Jahr zu Jahr steigern, wenn
der Anbau von genmanipulierten Pflanzen nicht gestoppt
wird.
Klaus Schramm
Anmerkungen
1 Siehe auch unseren Artikel
'Künast als Terminatorin der Öko-Landwirtschaft?'
(19.03.05)
2 Siehe auch unseren Artikel
'Wahlfreiheit zwischen Gen-Futter und Gen-Futter'
(22.04.04)
Siehe auch unsere Beiträge
'Öko-Landwirtschaft in Deutschland ausgebremst'
(25.02.05)
'Agrar-Wende - Nichts als heiße Luft' (24.01.04)
Hinweis:
Seit 1998 besteht ein Gen-Moratorium in Europa,
das aber - insbesondere durch den Druck der
US-Regierung - in Frage gestellt ist und bereits 2003
hätte fallen sollen. Bei der Unterschriften- Aktion zum
Erhalt des Gen-Moratoriums in Deutschland kamen
bisher über 1.310.000 Unterschriften zusammen. Das hat
bereits einige Beachtung gefunden. Um den Druck zu
erhöhen, muß die Beteiligung noch erheblich gesteigert
werden - Vordrucke für Unterschriften-Listen können
von der Internet-Seite
www.gen-moratorium.de heruntergeladen werden.
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