[Gen-Info] Lula und Soja

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Di Jan 11 02:20:04 CET 2005


Hallo Leute!

Heute hier ein sehr interessanter Artikel zur Thematik des Gen-Soja-
Anbaus in Brasilien. Möglicher Weise entscheidet die Entwicklung in
Brasilien darüber, ob Europa gentechnik-frei bleiben kann.
Allmählich sollte wirklich wenigsten denen, die sich mit dem
Thema Grüne Gentechnik befassen, klar sein, daß mit der Gesetzgebung
in Deutschland die wirklichen Tore sperrangelweit geöffnet bleiben.

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net 


Lula und Soja

Gen-Soja und Regenwald-Abholzen 

Von Elmar Getto 

             Einige Bereiche des Amazonasgebietes sind
             nicht mehr bewaldet, besonders im Süden des Gebietes.
             Das hat keine natürlichen Ursachen, sondern hier wird
             abgeholzt. Die "veröffentlichte Meinung" Brasiliens
             versucht diese Abholzungen auf kleine Siedler zu
             schieben, die jedes Jahr ein Stück Urwald
             niederbrennen, um einen kleinen Acker mit
             Manniokwurzeln zu bebauen oder auch eine Weide für
             einige Rinder zu schaffen, aber inzwischen weiß man,
             wer die wirklich gigantischen Abholzer sind: Die
             Holzindustrie und die Großgrundbesitzer des
             Soja-Anbaus. Zusätzlich hat Brasilien jetzt faktisch die
             genmanipulierte Soja freigegeben. 

             Fast alle Großen des
             skandalösen Holzraubbaus haben sich inzwischen das
             Umweltsiegel der "nachhaltigen Holzwirtschaft"
             beschafft, aber in Brasilien (und nicht nur in Brasilien) ist
             grau alle Theorie. Es gibt nicht genug
             Überwachungsbeamte und die es gibt, bescheinigen
             einem für eine kleine "Geldspritze" alles, was man will.
             So wird auf Teufel komm raus abgeholzt, besonders die
             Urwaldriesen mit den harten Hölzern. Den Rest brennt
             man nieder. 

             In den letzten Jahren haben sich aber auch
             die Großgrundbesitzer des Sojaanbaus äußerst verdient
             gemacht um das Ziel, dem Amazonaswald so schnell wie
             möglich den Garaus zu machen (vorher waren dabei die
             Grossgrundbesitzer mit Viehbestand an der Spitze). Sie
             haben die riesigen Anbaugebiete, hauptsächlich im
             Bundesstaat Mato Grosso, um zig Kilometer nach
             Norden in den Amzonaswald hinein ausgedehnt. Die
             Satellitenphotos vorher / nachher sind beeindruckend.
             Das ist eigentlich illegal, aber legal - illegal, das ist dem
             kapitalistischen Profit scheißegal. Es wäre nicht schwer,
             anhand der Satellitenphotos und Überprüfungen vor Ort
             genau festzustellen, auf wessen Eigentum abgebrannt
             wurde und entsprechend zu bestrafen, das Eigentum zu
             beschlagnahmen usw. Gesetze dafür wären vorhanden.

             Die Regierung Lula tut aber nichts dergleichen. 

             Die Soja-Wirtschaft, wie auch, in geringerem Maße, die
             Holzwirtschaft und der Rindfleisch-Export, sind
             wesentliche Grundlagen für die unglaublichen
             Geldsummen, die Brasilien an die internationale
             Finanzwelt zahlt. Sojaöl und Soja-Kleie bilden zusammen
             den zweithöchsten Wert aller brasilianischen Exporte
             (nach dem Eisenerz). Über Steuern und Abgaben sowie
             Hafengebühren fällt dabei einiges für den brasilianischen
             Staat ab, der dies wiederum zum Zahlen der Zinsen für
             die Schulden braucht. Allein im Jahr 2003 hat Brasilien
             etwa 50 Milliarden Dollar an Zinsen (nur an Zinsen!)
             gezahlt, für 2004 wird ein noch höherer Wert erwartet.

             Soeben, am ersten Januar, ist der neue Gouverneur
             (Ministerpräsident) des brasilianischen Bundesstaates
             Mato Grosso ins Amt eingeführt worden, der im Oktober
             gewählt wurde. Es ist niemand Geringeres als der "König
             der Soja", Blairo Borges Maggi, der größte Sojaanbauer
             der Welt, der im Verdacht steht, den größten Teil der
             "neuen" Anbaugebiete auf abgebranntem Urwaldgebiet
             im Norden Mato Grossos geschaffen zu haben. Falls je
             irgendwo der Bock zum Gärtner gemacht wurde, dann in
             Mato Grosso. 

             Und wie das Schicksal so spielt, gehört er
             einer der Parteien der Regierungskoalition von Lula an
             (der PPS), deren Stimmen Lula für seine "Reformen",
             sprich Sozialabbau, braucht. Nun darf man raten, wann
             die Regierung Lula dem Vormarsch des Sojaanbaus in
             die Amzonaswaldregion Einhalt gebieten wird. Wer
             nimmt eine Wette auf den St. Nimmerleinstag an? 

             Blairo Maggi, der auch noch einer der größten Anbauer von
             Baumwolle und Reis ist, hat bereits zu Lebzeiten seines
             Vaters, der erst kürzlich verstorben ist, ein Aufsehen
             erregendes Projekt durchgedrückt: Die
             Schiffbarmachung des Rio Madeira. Der Rio Madeira ist
             der größte rechte, also südliche Nebenfluss des
             Amazonas. Zusammen mit der Schaffung eines Hafens
             für Binnenschiffe in Itacoatiara an diesem Fluss wird
             damit der "nördliche Ausgang" für Brasiliens
             Agrarproduktion geschaffen. Vorher hatten die großen
             Mengen an Agrarprodukten, vor allem Soja, aus Mato
             Grosso über die Häfen Santos im Bundeststaat São
             Paulo, Paranaguá im Bundesstaat Paraná und Rio
             Grande im Bundesstaat Rio Grande do Sul exportiert
             werden müssen. Das sind zwischen 1500 und 3000 km
             an Lastwagentransport zum Hafen. Jedes Jahr zur
             Erntezeit der Soja sind die Schlangen von mehreren
             Hundert Kilometern (!) von Lastwagen auf den Straßen
             zum Hafen von Paranaguá in den brasilianischen
             Schlagzeilen. 

             Mit dem "nördlichen Ausgang" wird die
             Möglichkeit geschaffen, die Exporte im Staat Mato
             Grosso selbst auf Binnenschiffe zu verladen und dann in
             einem der Häfen am unteren Amazonas auf Seeschiffe
             umladen zu lassen. Das verbilligt den Transport gewaltig.
             Logisch, daß nicht Multimillionär Maggi, sondern der
             brasilianische Steuerzahler das Projekt zu zahlen hatte.
             Wenn das Projekt noch in diesem Jahr eingeweiht wird,
             ist alles bereitet, die Soja-Exporte Brasiliens, die bereits
             um 100% in den letzten Jahren angestiegen sind, auf
             neue Höhen zu treiben. 

             Die hauptsächlichen Profiteure:
             In Brasilien die Maggis und andere Großgrundbesitzer, in
             den imperialistischen Ländern: Die grossen
             Lebensmittelkonzerne, die dann Soja noch billiger auf
             den internationalen Märkten kaufen können und das
             Finanzkapital, das noch mehr Zinsen aus Brasilien
             herauspressen kann, wenn entsprechende Steuern,
             Abgaben und Hafengebühren fällig werden. Die
             hauptsächlichen Leidtragenden: Die Menschheit, die
             eigentlich auch in dreißig oder vierzig Jahren noch einen
             Amazonaswald brauchen würde. Der stellt nämlich einen
             der wichtigsten Ausgleichsfaktoren für das Weltklima
             dar, vor allem weil er unglaubliche Mengen Wasser
             täglich verdunstet, was einen wichtigen Teil der Energie
             aus dem Wettergeschehen nimmt und der
             Erderwärmung entgegenwirkt. Ebenso speichert ja jeder
             Baum in seiner Struktur Kohlenstoff aus dem
             Kohlendioxid, dem Treibhausgas. Mit dem Abbrennen
             wird es freigesetzt. 

             Aber der König der Soja ist damit
             noch keineswegs zufrieden. Sein nächstes Projekt hat er
             bereits in das Gesetzesverfahren eingebracht: Eine
             Straße quer durch den Amazonas-Regenwald von
             Cuiabá (Hauptstadt von Mato Grosso) nach Santarem am
             Amazonas im Bundesstaat Pará. 

             Das letzte Mal, als man
             eine Straße durch das Amazonasgebiet geschlagen hat,
             die "Transamazonica", ist dies zum Glück gescheitert. Es
             wurden zwar die internationalen Anleihen für das
             gesamte Projekt abgerufen, ein paar Hundert Kilometer
             wurden auch gebaut, aber dann ging das Geld aus. Eine
             Reihe von Superreichen sollen aber noch weit reicher
             geworden sein. Da die "Transamazonica" nie mehr als
             von nirgendwo nach garnichts ging, wurde sie nie
             benutzt und ist inzwischen längst zugewachsen. Man
             kann nur hoffen, daß das neueste Projekt einer Straße
             durch den Amazonas-Regenwald genauso kläglich dem
             Orcus anheim fällt. Wahrscheinlich ist es sowieso nur ein
             Plan zum noch reicher werden. 

             Es braucht kaum
             erwähnt zu werden, daß Maggi inzwischen auch der
             größte Sojamühlenbesitzer Brasiliens ist. Es ist ungleich
             profitabler, Sojaöl und -maische (als Viehfutter) zu
             exportieren als die Sojabohnen selber. Wie der Zufall so
             spielt, ist die größte dieser Mühlen eben genau in
             Itacoatiara. 

             Doch damit nicht genug, die Regierung Lula
             hat den Sojaanbauern auch noch einen zusätzlichen
             Anreiz geschaffen. Rechtzeitig zur Aussaat im Frühling
             (das ist in Brasilien Oktober/November) wurde ein Gesetz
             über die genveränderten Pflanzen durch das Parlament
             gedrückt, das in der Praxis den Anbau der
             genveränderten Soja von Monsanto freigibt. 

             Damit wird wohl die einzige und letzte große Quelle von nicht
             genveränderter Soja versiegen, die die Anbaugebiete
             Brasiliens (außer Rio Grande do Sul) vorher noch
             darstellten (jedenfalls, wenn man auch die
             Verunreinigung durch Samenflug ausschließen wollte
             und große Mengen Soja brauchte). Da die EU ja schon
             beschlossen hat, daß Produkte wie Margarine und
             andere, die Anteile von Sojaöl oder anderen
             Sojaprodukten aus genveränderter Soja enthalten, nicht
             gekennzeichnet werden müssen, ist für den
             europäischen Verbrauer die Schlacht wahrscheinlich
             verloren. Er muß die Kröte schlucken, die in diesem Fall
             Gen-Soja heißt. Auch auf die gute alte Butter
             zurückzugehen hat keinen Sinn, denn inzwischen ist
             Soja in verschiedensten Formen industrieller
             Lebensmitteln enthalten, so daß es praktisch kein
             Entrinnen gibt. 

             Aber welchen Vorteil haben die
             brasilianischen Sojaanbauer davon, wird vielleicht einer
             fragen. Ist nicht bereits bewiesen, daß die Monsanto-Soja
             bestenfalls im ersten Jahr erhöhte Erträge bringt, später
             sogar geringere? Ist es nicht ein großer Nachteil für den
             Landwirt, daß auf einem Feld, das er einmal
             zentimeterdick mit ‚Roundup' überzogen hat, für Jahre
             nichts mehr anderes wachsen wird als
             Monsanto-Gensoja (die Genveränderung der
             Monsanto-Soja besteht darin, daß sie die Pflanzen
             resistent gegen das Pflanzenvernichtungsmittel
             ‚Roundup' von Monsanto macht)? Muß der Verwender
             von Monsanto-Soja nicht jedes Jahr neues Saatgut bei
             Monsanto kaufen, während er früher einen Teil der
             Vorjahresernte für die Aussaat verwenden konnte?

             Stimmt alles, aber die brasilianischen Großgrundbesitzer
             rechnen anders. Sie lassen Monsanto-Saatgut illegal
             über die Grenze aus Argentinien einführen und
             verwenden es, ohne eine Lizenz bei Monsanto zu
             nehmen. Sie benutzen die Felder nur ein Jahr. Im
             nächsten Jahr werden neue Urwald-Gebiete
             niedergebrannt und aus der Ernte ausgesät. 

             Zur Klarstellung: Beide Dinge, Raubbau-Sojaanbau von Maggi
             und die Freigabe der Gen-Soja wurden hier in einem
             Artikel erwähnt. Das muß nicht unbedingt bedeuten, daß
             Maggi genmanipulierte Soja anbauen wird. Es ist sogar
             nicht auszuschliessen, daß er sein neues Amt als
             Gouverneur von Mato Grosso dazu nutzen wird, ganz im
             Gegenteil dafür zu sorgen, daß Mato Grosso die einzige
             bedeutende Soja-Anbau-Region der Erde wird, wo man
             garantiert Soja ohne Genmanipulation bekommen kann.
             Wenn der europäische Verbraucher verstärkt auf
             Produkte zugreift, die ihm "frei von Genmanipulation"
             versprechen und dafür tiefer in die Tasche greift, könnte
             Maggi zusätzlichen Profit davon erwarten. 

             Allerdings werden wir dann hier in Europa mit
             Montagsdemonstrationen und ähnlichem die Verarmung
             verhindern müssen, damit der Verbraucher auch tiefer in
             die Tasche greifen kann. 

Quelle: www.rbi-aktuell.de




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