[Gen-Info] Lula und Soja
Klaus Schramm
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Di Jan 11 02:20:04 CET 2005
Hallo Leute!
Heute hier ein sehr interessanter Artikel zur Thematik des Gen-Soja-
Anbaus in Brasilien. Möglicher Weise entscheidet die Entwicklung in
Brasilien darüber, ob Europa gentechnik-frei bleiben kann.
Allmählich sollte wirklich wenigsten denen, die sich mit dem
Thema Grüne Gentechnik befassen, klar sein, daß mit der Gesetzgebung
in Deutschland die wirklichen Tore sperrangelweit geöffnet bleiben.
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
Lula und Soja
Gen-Soja und Regenwald-Abholzen
Von Elmar Getto
Einige Bereiche des Amazonasgebietes sind
nicht mehr bewaldet, besonders im Süden des Gebietes.
Das hat keine natürlichen Ursachen, sondern hier wird
abgeholzt. Die "veröffentlichte Meinung" Brasiliens
versucht diese Abholzungen auf kleine Siedler zu
schieben, die jedes Jahr ein Stück Urwald
niederbrennen, um einen kleinen Acker mit
Manniokwurzeln zu bebauen oder auch eine Weide für
einige Rinder zu schaffen, aber inzwischen weiß man,
wer die wirklich gigantischen Abholzer sind: Die
Holzindustrie und die Großgrundbesitzer des
Soja-Anbaus. Zusätzlich hat Brasilien jetzt faktisch die
genmanipulierte Soja freigegeben.
Fast alle Großen des
skandalösen Holzraubbaus haben sich inzwischen das
Umweltsiegel der "nachhaltigen Holzwirtschaft"
beschafft, aber in Brasilien (und nicht nur in Brasilien) ist
grau alle Theorie. Es gibt nicht genug
Überwachungsbeamte und die es gibt, bescheinigen
einem für eine kleine "Geldspritze" alles, was man will.
So wird auf Teufel komm raus abgeholzt, besonders die
Urwaldriesen mit den harten Hölzern. Den Rest brennt
man nieder.
In den letzten Jahren haben sich aber auch
die Großgrundbesitzer des Sojaanbaus äußerst verdient
gemacht um das Ziel, dem Amazonaswald so schnell wie
möglich den Garaus zu machen (vorher waren dabei die
Grossgrundbesitzer mit Viehbestand an der Spitze). Sie
haben die riesigen Anbaugebiete, hauptsächlich im
Bundesstaat Mato Grosso, um zig Kilometer nach
Norden in den Amzonaswald hinein ausgedehnt. Die
Satellitenphotos vorher / nachher sind beeindruckend.
Das ist eigentlich illegal, aber legal - illegal, das ist dem
kapitalistischen Profit scheißegal. Es wäre nicht schwer,
anhand der Satellitenphotos und Überprüfungen vor Ort
genau festzustellen, auf wessen Eigentum abgebrannt
wurde und entsprechend zu bestrafen, das Eigentum zu
beschlagnahmen usw. Gesetze dafür wären vorhanden.
Die Regierung Lula tut aber nichts dergleichen.
Die Soja-Wirtschaft, wie auch, in geringerem Maße, die
Holzwirtschaft und der Rindfleisch-Export, sind
wesentliche Grundlagen für die unglaublichen
Geldsummen, die Brasilien an die internationale
Finanzwelt zahlt. Sojaöl und Soja-Kleie bilden zusammen
den zweithöchsten Wert aller brasilianischen Exporte
(nach dem Eisenerz). Über Steuern und Abgaben sowie
Hafengebühren fällt dabei einiges für den brasilianischen
Staat ab, der dies wiederum zum Zahlen der Zinsen für
die Schulden braucht. Allein im Jahr 2003 hat Brasilien
etwa 50 Milliarden Dollar an Zinsen (nur an Zinsen!)
gezahlt, für 2004 wird ein noch höherer Wert erwartet.
Soeben, am ersten Januar, ist der neue Gouverneur
(Ministerpräsident) des brasilianischen Bundesstaates
Mato Grosso ins Amt eingeführt worden, der im Oktober
gewählt wurde. Es ist niemand Geringeres als der "König
der Soja", Blairo Borges Maggi, der größte Sojaanbauer
der Welt, der im Verdacht steht, den größten Teil der
"neuen" Anbaugebiete auf abgebranntem Urwaldgebiet
im Norden Mato Grossos geschaffen zu haben. Falls je
irgendwo der Bock zum Gärtner gemacht wurde, dann in
Mato Grosso.
Und wie das Schicksal so spielt, gehört er
einer der Parteien der Regierungskoalition von Lula an
(der PPS), deren Stimmen Lula für seine "Reformen",
sprich Sozialabbau, braucht. Nun darf man raten, wann
die Regierung Lula dem Vormarsch des Sojaanbaus in
die Amzonaswaldregion Einhalt gebieten wird. Wer
nimmt eine Wette auf den St. Nimmerleinstag an?
Blairo Maggi, der auch noch einer der größten Anbauer von
Baumwolle und Reis ist, hat bereits zu Lebzeiten seines
Vaters, der erst kürzlich verstorben ist, ein Aufsehen
erregendes Projekt durchgedrückt: Die
Schiffbarmachung des Rio Madeira. Der Rio Madeira ist
der größte rechte, also südliche Nebenfluss des
Amazonas. Zusammen mit der Schaffung eines Hafens
für Binnenschiffe in Itacoatiara an diesem Fluss wird
damit der "nördliche Ausgang" für Brasiliens
Agrarproduktion geschaffen. Vorher hatten die großen
Mengen an Agrarprodukten, vor allem Soja, aus Mato
Grosso über die Häfen Santos im Bundeststaat São
Paulo, Paranaguá im Bundesstaat Paraná und Rio
Grande im Bundesstaat Rio Grande do Sul exportiert
werden müssen. Das sind zwischen 1500 und 3000 km
an Lastwagentransport zum Hafen. Jedes Jahr zur
Erntezeit der Soja sind die Schlangen von mehreren
Hundert Kilometern (!) von Lastwagen auf den Straßen
zum Hafen von Paranaguá in den brasilianischen
Schlagzeilen.
Mit dem "nördlichen Ausgang" wird die
Möglichkeit geschaffen, die Exporte im Staat Mato
Grosso selbst auf Binnenschiffe zu verladen und dann in
einem der Häfen am unteren Amazonas auf Seeschiffe
umladen zu lassen. Das verbilligt den Transport gewaltig.
Logisch, daß nicht Multimillionär Maggi, sondern der
brasilianische Steuerzahler das Projekt zu zahlen hatte.
Wenn das Projekt noch in diesem Jahr eingeweiht wird,
ist alles bereitet, die Soja-Exporte Brasiliens, die bereits
um 100% in den letzten Jahren angestiegen sind, auf
neue Höhen zu treiben.
Die hauptsächlichen Profiteure:
In Brasilien die Maggis und andere Großgrundbesitzer, in
den imperialistischen Ländern: Die grossen
Lebensmittelkonzerne, die dann Soja noch billiger auf
den internationalen Märkten kaufen können und das
Finanzkapital, das noch mehr Zinsen aus Brasilien
herauspressen kann, wenn entsprechende Steuern,
Abgaben und Hafengebühren fällig werden. Die
hauptsächlichen Leidtragenden: Die Menschheit, die
eigentlich auch in dreißig oder vierzig Jahren noch einen
Amazonaswald brauchen würde. Der stellt nämlich einen
der wichtigsten Ausgleichsfaktoren für das Weltklima
dar, vor allem weil er unglaubliche Mengen Wasser
täglich verdunstet, was einen wichtigen Teil der Energie
aus dem Wettergeschehen nimmt und der
Erderwärmung entgegenwirkt. Ebenso speichert ja jeder
Baum in seiner Struktur Kohlenstoff aus dem
Kohlendioxid, dem Treibhausgas. Mit dem Abbrennen
wird es freigesetzt.
Aber der König der Soja ist damit
noch keineswegs zufrieden. Sein nächstes Projekt hat er
bereits in das Gesetzesverfahren eingebracht: Eine
Straße quer durch den Amazonas-Regenwald von
Cuiabá (Hauptstadt von Mato Grosso) nach Santarem am
Amazonas im Bundesstaat Pará.
Das letzte Mal, als man
eine Straße durch das Amazonasgebiet geschlagen hat,
die "Transamazonica", ist dies zum Glück gescheitert. Es
wurden zwar die internationalen Anleihen für das
gesamte Projekt abgerufen, ein paar Hundert Kilometer
wurden auch gebaut, aber dann ging das Geld aus. Eine
Reihe von Superreichen sollen aber noch weit reicher
geworden sein. Da die "Transamazonica" nie mehr als
von nirgendwo nach garnichts ging, wurde sie nie
benutzt und ist inzwischen längst zugewachsen. Man
kann nur hoffen, daß das neueste Projekt einer Straße
durch den Amazonas-Regenwald genauso kläglich dem
Orcus anheim fällt. Wahrscheinlich ist es sowieso nur ein
Plan zum noch reicher werden.
Es braucht kaum
erwähnt zu werden, daß Maggi inzwischen auch der
größte Sojamühlenbesitzer Brasiliens ist. Es ist ungleich
profitabler, Sojaöl und -maische (als Viehfutter) zu
exportieren als die Sojabohnen selber. Wie der Zufall so
spielt, ist die größte dieser Mühlen eben genau in
Itacoatiara.
Doch damit nicht genug, die Regierung Lula
hat den Sojaanbauern auch noch einen zusätzlichen
Anreiz geschaffen. Rechtzeitig zur Aussaat im Frühling
(das ist in Brasilien Oktober/November) wurde ein Gesetz
über die genveränderten Pflanzen durch das Parlament
gedrückt, das in der Praxis den Anbau der
genveränderten Soja von Monsanto freigibt.
Damit wird wohl die einzige und letzte große Quelle von nicht
genveränderter Soja versiegen, die die Anbaugebiete
Brasiliens (außer Rio Grande do Sul) vorher noch
darstellten (jedenfalls, wenn man auch die
Verunreinigung durch Samenflug ausschließen wollte
und große Mengen Soja brauchte). Da die EU ja schon
beschlossen hat, daß Produkte wie Margarine und
andere, die Anteile von Sojaöl oder anderen
Sojaprodukten aus genveränderter Soja enthalten, nicht
gekennzeichnet werden müssen, ist für den
europäischen Verbrauer die Schlacht wahrscheinlich
verloren. Er muß die Kröte schlucken, die in diesem Fall
Gen-Soja heißt. Auch auf die gute alte Butter
zurückzugehen hat keinen Sinn, denn inzwischen ist
Soja in verschiedensten Formen industrieller
Lebensmitteln enthalten, so daß es praktisch kein
Entrinnen gibt.
Aber welchen Vorteil haben die
brasilianischen Sojaanbauer davon, wird vielleicht einer
fragen. Ist nicht bereits bewiesen, daß die Monsanto-Soja
bestenfalls im ersten Jahr erhöhte Erträge bringt, später
sogar geringere? Ist es nicht ein großer Nachteil für den
Landwirt, daß auf einem Feld, das er einmal
zentimeterdick mit ‚Roundup' überzogen hat, für Jahre
nichts mehr anderes wachsen wird als
Monsanto-Gensoja (die Genveränderung der
Monsanto-Soja besteht darin, daß sie die Pflanzen
resistent gegen das Pflanzenvernichtungsmittel
‚Roundup' von Monsanto macht)? Muß der Verwender
von Monsanto-Soja nicht jedes Jahr neues Saatgut bei
Monsanto kaufen, während er früher einen Teil der
Vorjahresernte für die Aussaat verwenden konnte?
Stimmt alles, aber die brasilianischen Großgrundbesitzer
rechnen anders. Sie lassen Monsanto-Saatgut illegal
über die Grenze aus Argentinien einführen und
verwenden es, ohne eine Lizenz bei Monsanto zu
nehmen. Sie benutzen die Felder nur ein Jahr. Im
nächsten Jahr werden neue Urwald-Gebiete
niedergebrannt und aus der Ernte ausgesät.
Zur Klarstellung: Beide Dinge, Raubbau-Sojaanbau von Maggi
und die Freigabe der Gen-Soja wurden hier in einem
Artikel erwähnt. Das muß nicht unbedingt bedeuten, daß
Maggi genmanipulierte Soja anbauen wird. Es ist sogar
nicht auszuschliessen, daß er sein neues Amt als
Gouverneur von Mato Grosso dazu nutzen wird, ganz im
Gegenteil dafür zu sorgen, daß Mato Grosso die einzige
bedeutende Soja-Anbau-Region der Erde wird, wo man
garantiert Soja ohne Genmanipulation bekommen kann.
Wenn der europäische Verbraucher verstärkt auf
Produkte zugreift, die ihm "frei von Genmanipulation"
versprechen und dafür tiefer in die Tasche greift, könnte
Maggi zusätzlichen Profit davon erwarten.
Allerdings werden wir dann hier in Europa mit
Montagsdemonstrationen und ähnlichem die Verarmung
verhindern müssen, damit der Verbraucher auch tiefer in
die Tasche greifen kann.
Quelle: www.rbi-aktuell.de
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