[Gen-Info] Fw: Geht die Gen-Saat im Osten auf? EU-Neumitglieder Ziel von Monsanto & Co. (fwd)
Klaus Schramm
078222664-0001 at t-online.de
Di Aug 17 19:58:26 CEST 2004
DNR Redaktionsbüro Info-Service schrieb:
http://www.telepolis.de/deutsch/special/leb/18042/1.html
Geht die Gen-Saat im Osten auf?
Brigitte Zarzer 13.08.2004
Gentech-Konzerne haben die neuen und künftigen EU-Mitglieder schon
lange als Investitions-Spielwiese entdeckt
Während in den "alten" EU-Ländern der gesellschaftliche Druck bis dato
stark genug war, genmanipulierte Pflanzen (GVOs) nur begrenzt
zuzulassen, weht in den ehemaligen Ostblock-Ländern ein anderer Wind.
In Rumänin, Bulgarien und Polen breiten sich GVOs aus. Dabei mangelt es
oft weniger an gesetzlichen Regulativen als an effizienter Kontrolle
und Testlabors.
Mitte Februar, also nur knapp drei Monate vor der EU-Osterweiterung,
erschien im britischen Guardian ein brisanter Artikel [1]. Darin
warfen Umweltschutzorganisationen Gentech-Konzernen vor, die ehemaligen
Ostblockländer als "Trojanische Pferde" zu benutzen, um GVOs in den
Wirtschaftskreislauf der EU quasi einzuschleusen.
"Polen hat den Anbau von GVO-Soja erlaubt. Leute können diese Sachen
kaufen und verkaufen, können kontaminierte Saat ausbringen, ohne dass
sie Angst vor Verfolgung oder Entdeckung haben müssten", stellte ein
Aktivist der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth [2]
gegenüber der britischen Zeitung fest.
Tatsächlich engagieren sich große Gentech-Konzerne wie beispielsweise
Monsanto seit einigen Jahren in Polen. Fakt ist aber auch, dass sich
Polen als EU-Mitglied an die EU-Kennzeichnungsrichtlinien halten muss.
Bereits vor dem Beitritt gab es in Polen vergleichsweise klare
Regelungen. Nur, mit der Umsetzung hapert es. Und das liegt laut dem
Guardian daran, dass es keine geeigneten Labors zur Überprüfung gibt.
Als Land, das ganz stark auf Lebensmittelexporte in den Westen setzt,
zeigte sich die Politik alarmiert. Denn im Westen lehnt eine Mehrheit
der Bevölkerung Genfood noch ab. Damit würde ein Riesenabsatzmarkt für
Polen einbrechen, sollten die Vermutungen der
Umweltschutzorganisationen stimmen. Die polnische Bürokratie setzte
sich denn auch umgehend nach Erscheinen des Guardian-Artikels in
Bewegung. Der damals zuständige Minister ließ prüfen und gab
Entwarnung, berichtete die taz-Korrespondentin Gabriele Lesser.
Behördliches Chaos in Polen
Kommentar des Ministers: In Polen würde kein genetisch veränderter Mais
oder Soja angebaut. Doch die Inspektion der Handelsqualität von
landwirtschaftlichen Produkten lieferte ein anderes Bild. Lesser dazu:
Sie veröffentlichte Anfang März das Ergebnis ihrer
Stichprobenkontrolle bei 85 Unternehmen, die Soja oder Mais einführen
und verarbeiten - im letzten Jahr rund 170.000 Tonnen. Davon waren bei
der Ankunft in Polen 99 Prozent als GMO gekennzeichnet. Zwar gaben
zahlreiche Firmen diese Information an die Konsumenten weiter,
allerdings oft missverständlich. 34 der untersuchten 85 Unternehmen
verkauften ihre Ware als GMO-freie Produkte.
Fazit: In Polen sind die Gesetze zwar ganz gut, wie
Umweltschutzorganisationen betonen. Doch niemand scheint zu wissen, was
wirklich läuft und ob es illegale GVO-Felder gibt. Beziehungsweise in
wie weit eine Verunreinigung durch GVO-Pollen bereits um sich gegriffen
hat. Ein Gutachten [3] (2004) des Freiburger Öko-Instituts bringt die
prekäre Lage in Polen auf den Punkt:
In Polen gibt es zwar seit dem Jahr 2001 ein Gesetz zu GVO, jedoch ist
die Situation von behördlichem Chaos geprägt. Es existieren zur Zeit
keine ausführenden Bestimmungen und es besteht Verwirrung hinsichtlich
der Kompetenzverteilung für die Vergabe von Zulassungen.
Polen ist aber beleibe nicht der "schlimmste" Fall. Bulgarien, das eine
Aufnahme in die EU im Jahr 2007 anstrebt, sitzt "zwischen allen
Stühlen", wie es Dr. Svetla Nikolova, eine Mitarbeiterin der
bulgarischen Organisation "Agrolink" zur Förderung des ökologischen
Landbaus, ausdrückt. In einem mehrseitigen Artikel für die Zeitschrift
"Gen ethischer Informationsdienst" ( GID [4] Nr. 164 Juni/Juli 2004)
beschreibt Nikolova die Biotech-freundliche Politik des Landes, welche
die Bauern seit einigen Jahren immer stärker in Bedrängnis bringt:
US-amerikanische Produzenten wollen den Bauern ihr gentechnisch
verändertes Saatgut andrehen, die Händler nehmen diesen aber wiederum
nur gentechnikfreie Produkte für den EU-Markt ab.
Gentech-Paradies Bulgarien
Nikolova führt ein Fallbeispiel auf, welches die Problematik drastisch
vor Augen führt:
1999 wurde Monsantos gv-Mais auf 13.000 ha angepflanzt, im Jahr 2000
auf 19.000 ha, 2002 auf 2.200 ha, 2003 auf 2.195 ha. Monsanto hat
Verträge mit bulgarischen Bauern abgeschlossen, die die Aussaat von
herbizid- und insektenresistentem gv-Mais, nicht jedoch den Verkauf auf
den einheimischen Märkten erlaubten. Es ist davon auszugehen - dies
geht aus Interviews mit Bauern hervor -, dass die Bauern den Mais als
Futtermittel verwendeten.
Interessantes Detail am Rande: Die GV-Saat von nahezu 20.000 ha Land
wurde als "Versuchsanbau" deklariert. Nikolova geht davon aus, dass
sich inzwischen bereits GVO-haltige Nahrungsmittel auf dem bulgarischen
Markt befinden. Dass es überhaupt zu großflächigem GVO-Anbau kam, liegt
laut der bulgarischen Aktivistin an den "aggressiven
Marketingkampagnen" und der "intensiven Lobbyingarbeit" großer Konzerne
wie Monsanto und Pioneer. Inzwischen hat aber auch die Regierung
(leicht?) kalte Füße bekommen und stellte teilweise Förderungen ein.
Nikolova dazu:
Bulgarien exportiert Maisprodukte und Futtermittel. Das
Nichtvorhandensein von getrennten Warenwegen und von Kennzeichnung
stellt eine echte Bedrohung für diese Exportmärkte wie auch für die
Verbraucherrechte weltweit und die bulgarische Umwelt dar. Im Juni 2000
stellte das Parlament aus Sorge um den Verlust dieser Exportmärkte die
staatliche Finanzierung der Forschung und Entwicklung von gv-Tabak und
gv-Weintrauben in Gänze ein.
Wie es bei Mais steht, geht aus dem Artikel nicht hervor. Aufgrund der
groß angelegten "Feldversuche", kann aber angenommen werden, dass
GVO-Verunreinigungen bereits weit um sich gegriffen haben.
GV-Soja in Rumänien
Ähnlich wie in Bulgarien wurden auch in Rumänien großflächige
Freisetzungsversuche (Mais, Kartoffel und Soja) durchgeführt. Das
Öko-Institut Freiburg hält fest:
Seit 199 werden in Rumänien transgene "Roundup Ready"-Sojabohnen
kommerziell angebaut. Nach Italien und Serbien/Montenegro
bewirtschaften Rumäniens Landwirte mit ca. 75.000 ha die drittgrößte
Sojaanbaufläche Europas. Der Anteil an transgenem Soja liegt zwischen
55 und 60% der Anbaufläche.
Bulgarien und Rumänien haben neben den großen GVO-Anbauflächen auch
eine restriktive Informationspolitik gemeinsam. Ebenso fehle es an
einer breiten öffentlichen Diskussion über Nutzen und Gefahren der
Biotechnologie.
US-Dollars für GVO-Etablierung im Osten
Das Behördenchaos, demokratische Strukturen, die sich erst festigen
mussten, finanzielle Probleme, das Fehlen von "aufmüpfigen" NGOs und
die sich erst langsam etablierende unabhängige Berichterstattung in den
ehemaligen Oststaaten dürfte Gentech-Konzernen verlockend erschienen
sein. In Ländern, die in einem tiefgreifenden politischen Wandel
steckten, war zunächst wohl am wenigsten Widerstand gegen die Grüne
Gentechnik zu befürchten. Eine erfolgsversprechende Strategie befand
auch die amerikanische Politik. Im Herbst 2000 bewilligte der US-Senat
30 Millionen Dollar, um die US-Konzerne bei der Einführung von Gentech
in den Ländern Osteuropas zu unterstützen, berichtet die Taz.
Wie empfindlich eine öffentliche Diskussion die Pläne der
Gentech-Industrie stören kann, zeigt sich am Beispiel Tschechien. Laut
Öko-Institut gab es dort zunächst zahlreiche GVO-Freisetzungsversuche.
Nachdem sich insbesondere Greenpeace mit großen Anti-Gentech-Kampagnen
einmischte, wurden diverse Freisetzungsversuche sogar frühzeitig
abgebrochen.
Inzwischen verfügt Tschechien neben Ungarn über ein eigenes
zertifiziertes Testlabor. In den anderen EU-Ostländern gibt es noch
keine oder sind erst im Aufbau begriffen. In Slowenien und der Slowakei
gibt es keine Freisetzungsversuche. Slowenien, das sich als
"gentechfreie Region" etablieren wollte. hat seit dem EU-Beitritt ein
anderes Problem. Denn die EU verbietet staatlich verordnete
gentechfreie Zonen.
Dementgegen schließen sich aber zusehends einige Regionen zusammen, die
sich zur gentechfreien Produktion verpflichten. Im Juni 2003
unterzeichneten Sloweniens Agrarminister Franc But, der slowenische
Umweltminister Janosz Kopac, Kärntens Landesrat Georg Wurmitzer und
Agrarreferent Minuisi von Friaul - Julisch Venetien in
Laibach/Slowenien eine entsprechende Erklärung [5]. Ziel der
Initiative ist es, im Alpen-Adria-Bereich Slowenien, Italien (Friaul -
Julisch Venetien) und Österreich (Kärnten) eine grenzüberschreitende
Zone ohne GVO-Einsatz in der Landwirtschaft zu installieren.
Ganz allgemein hält das Öko-Institut Freiburg die Situation in den
EU-Beitrittsstaaten für problematisch. In dem Bericht zur
Agrogentechnik heißt es abschließend:
In welchem Ausmaß schon gentechnisch veränderte Lebensmittel,
Futtermittel oder Saatgut auf den Märkten der Beitrittsstaaten
zirkuliert, ist weitgehend unbekannt. Nur Ungarn und Tschechien
haben bisher zertifizierte Labore, die es ermöglichen, gentechnisch
veränderte Organismen oder deren Bestandteile nachzuweisen. Doch selbst
in diesen Staaten gibt es noch keine regelmäßigen Kontrollen für
Nahrungs- und Futtermittel.
Links
[1] http://www.guardian.co.uk/international/story/0,,1147849,00.html
[2] http://www.foe.org/
[3] http://www.oeko.de/dokum.php?setlan=&vers=&id=195
[4] http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/INDEX.HTM
[5] http://www.genfood.at
Mehr Informationen über die Mailingliste Gen-Info