[Gen-Info] Interview zu Müller-Milch
Klaus Schramm
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Fr Jun 25 18:45:14 CEST 2004
Hallo Leute!
Hier ein Interview, das ich gestern mit Uli Brendel von Greenpeace
führte (heute in 'junge welt' abgedruckt).
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
24.06.2004
Müller-Milch macht Gen-Widerstand
nur populärer
Klaus Schramm sprach mit Ulrike Brendel
Vorbemerkung:
Ulrike Brendel ist Gentechnik-Expertin bei Greenpeace.
Müller-Milch, Deutschlands größter Milch-Konzern
hat nun zurückgeschlagen. Greenpeace hatte es gewagt,
dessen Praxis, Milch von Kühen, die mit Gen-Futter
gefüttert wurden, offenzulegen.
K. S.:
Das Kölner Landgericht hat gestern einer
einstweiligen Verfügung von Müller-Milch
stattgegeben. Ist Greenpeace nun
gezwungen, die Kampagne gegen
Müller-Milch zu stoppen?
Ulrike Brendel:
Wir dürfen gewisse Slogans nicht mehr
verwenden und mußten eine Internet-Seite
abschalten. Doch solange im Futtertrog
von Müllers Milchkühen Gen-Pflanzen
landen, wird Greenpeace die Verbraucher
darüber informieren. Eine unklare
Fütterpraxis wird von Müller-Milch auch gar
nicht bestritten. Außerdem werden wir
gegen das Urteil beim Oberlandes- gericht
Berufung einlegen. Müller-Milch tut weder
sich selbst noch den Gen-Konzernen einen
Gefallen, sondern verhilft dem Widerstand
zu größerer Popularität.
Vor wenigen Tagen präsentierte
Greenpeace einen Untersuchungsbericht
des Forschungszentrums für Milch und
Lebensmittel (FML) in Weihenstephan, der
drei Jahre lang unter Verschluß gehalten
wurde und der belegt, daß Bestandteile von
Gen-Futter auch in der Milch zu finden sind.
Welche Rolle spielte diese Untersuchung
vor Gericht?
Anscheinend keine. Wir konnten diesen
Untersuchungs- bericht erst am Montag
nachreichen und er wird im Urteil nur am
Rande erwähnt.
Nun wurde dieser Untersuchungsbericht
von Wissen- schaftlern inzwischen bereits
massiv angegriffen und in Zweifel gezogen.
Unter anderem wurde spekuliert, die
nachgewiesene Verunreinigung durch
genmanipulierte DNA könne über Staub
beim Umfüllen der Futtermittel in die Milch
geraten sein...
Das ist wohl ein Eigentor. Es hat dabei
sogar geheißen, daß eine solche
Verunreinigung praktisch nicht zu
vermeiden sei. Auf welchem Wege die
Verunreinigung in die Milch gerät, spielt für
die Verbraucher ja keine Rolle. Wichtig
wären allerdings Untersuchungen über
Eintragungpfade, um Aufschluß über
Intensität und Häufigkeit solcher
Rückstände in der Milch zu bekommen.
...und außerdem könne die Verunreinigung
beim Befüllen der Tanks auf dem
Bauernhof hineingeraten, was auch "unter
hygienisch einwandfreien Bedingungen (...)
fast unvermeidlich" sei, so das FML
Weihenstephan. Haben Sie eine Erklärung,
warum bisher bei anderen Untersuchungen
keine Gen-Verunreinigungen in der Milch
gefunden wurden?
Offenbar wurde da nur unter
Laborbedingungen geprüft und nicht unter
Praxisbedingungen. Und dann kommt es
auch sehr darauf an, wonach gesucht wird.
Wissenschaftler, die nur nach ganzen
Gen-Sequenzen suchen und nicht nach
Bruchstücken, liefern ihren Auftraggebern
keine unliebsamen Ergebnisse.
Laut Stellungnahme der FML
Weihenstephan seien keine weiteren
Untersuchungen durchgeführt worden, um
"den genauen Weg der Gene in die Milch"
zu klären.
Ein beachtliches Versäumnis. Das deutet
zumindest darauf hin, daß die
Wissenschaftler vom FML Weihenstephan
kein Interesse an Untersuchungen hatten,
die für die Verbraucher relevant wären.
Ein weiteres Gegenargument zu dem von
Greenpeace vorgelegten
Untersuchungsbericht lautet nun, in
wissenschaftlichen Studien sei
nachgewiesen worden, daß genetisches
Material, das Tiere übers Futter aufnehmen,
im Organismus abgebaut werde und
lediglich Fragmente und Einzelbausteine
der Erbsubstanz am Ende übrig blieben.
Auch ein Eigentor. Mit demselben
Argument wird seit Jahren versucht, uns
Gen-Food schackhaft zu machen: Auch in
der menschlichen Verdauung würde die
Nahrung in molekulare Bruchstücke zerlegt
und daher sei das alles ungefährlich.
Einerseits wurden beispielsweise
wissenschaftliche Untersuchungen
publiziert, wonach das Insektengift, das
aus einem Bakterium (Bacillus
thuringiensis) auf Bt-Mais übertragen
wurde, bereits im Maul der Kühe durch den
Speichel abgebaut werde. Andererseits gibt
es inzwischen unbestreitbare Studien,
wonach das Gift im Kot der Kühe
nachgewiesen wurde.
Vor wenigen Tagen wurde vom Bundestag
nun das Gentechnik-Gesetz in einer vom
Bundesrat nicht zustimmungsbedürftigen
Form verabschiedet. Wie beurteilen Sie vor
diesem Hintergrund die Realisierbarkeit
von Koexistenz zwischen
Gentechnik-Landwirtschaft auf dem einen
Acker und konventioneller oder
biologischer Landwirtschaft auf dem
anderen?
Greenpeace vertritt nach wie vor den
Standpunkt, daß Koexistenz nicht möglich
ist. Genmanipulierte Pflanzen können sich
unkontrollierbar ausbreiten und
Gen-Kontaminationen sind wahrscheinlich
gar nicht mehr rückholbar. Andererseits
muß man sehen, daß die deutsche
Bundesregierung gezwungen war, eine
EU-Richtlinie umzusetzen. Zu begrüßen ist
dabei das durch dieses Gesetz geregelte
Anbaukataster und die damit verbundene
super Transparenz. Mehrheitlich sind zwar
auch die Landwirte gegen den Anbau von
Gen-Pflanzen. Doch auch die wenigen
Ausnahmen werden es sich nun zweimal
überlegen, ob sie Gen-Pflanzen anbauen.
Wäre es da nicht sinnvoller, sich für den
Erhalt des Gen-Moratoriums einzusetzen?
Das eine schließt das andere nicht aus. Das
europäische Gen-Moratorium von 1998 ist
nun zwar bereits durch die
Import-Zulassung für den genmanipulierten
Zuckermais Bt-11 durchbrochen. Aber im
wesentlichen besteht es noch, da bisher
noch keine Zulassung für den
kommerziellen Anbau einer Gen-Pflanze in
Europa erteilt wurde. Durch die
EU-Erweiterung um zehn Staaten könnten
sich zudem auch die Mehrheitsverhältnisse
ändern. Da mussen wir mal sehen. Ein
großes Problem neben dem Anbau ist
allerdings der massenhafte Import
genmanipulierter Futtermittel nach Europa.
Wir fordern daher: Schluß mit Gen-Futter in
der Milchwirtschaft und eine
Kennzeichnung von Milch, Fleisch und
Eiern, bei deren Produktion Gen-Pflanzen
als Futtermittel eingesetzt wurden. Hier
klafft nach wie vor eine riesige gesetzliche
Lücke.
Vielen Dank für das Gespräch.
Anmerkungen:
Siehe auch unsere Artikel
'Müller-Milch verklagt Greenpeace'(2.06.04)
www.netzwerk-regenbogen.de/genmueller040602.html
'Wissenschaftsskandal'
Negative Studie zu Gen-Milch drei Jahre geheim gehalten
Gen-Futter ist doch in der Milch nachweisbar (21.06.04)
www.netzwerk-regenbogen.de/genmilch040621.html
Hinweis:
Seit 1998 besteht ein Gen-Moratorium in
Europa, das aber - insbesondere durch den
Druck der US-Regierung - in Frage gestellt
ist und bereits 2003 hätte fallen sollen. In
der Schweiz wurden bis Mitte 2003 über
110.000 Unterschriften für den Erhalt des
dortigen Gen-Moratoriums gesammelt.
Damit ist der Weg in der Schweiz für einen
Volksentscheid beschritten. Bei der
Unterschriften-Aktion zum Erhalt des
Gen-Moratoriums in Deutschland kamen
bisher über 340.000 Unterschriften
zusammen. Das hat bereits einige
Beachtung gefunden. Um den Druck zu
erhöhen, muß die Beteiligung noch
erheblich gesteigert werden - Vordrucke für
Unterschriften-Listen können von der
Internet-Seite www.gen-moratorium.de
heruntergeladen werden.
Mehr Informationen über die Mailingliste Gen-Info