[Gen-Info] Enthaltung von "Rot-Grün"

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Fr Apr 30 00:36:21 CEST 2004


Hallo Leute !

Hier ein - so meine ich - sehr guter Artikel von Ute Daniels
[www.netzwerk-regenbogen.de/geneu040428.html]

Ciao
   Klaus
   klaus.schramm at bund.net


Enthaltung von "Rot-Grün" ebnet Gen-Technik den Weg

Fall des Gen-Moratoriums kann nur noch durch massiven Druck
von unten gestoppt werden

"Rot-Grün" hat mit der auftragsgemäßen Enthaltung von Ministerin Renate Künast 
am Montag bei der Abstimmung im EU-Ministerrat für ein vorhersehbares Patt 
gesorgt. Damit glaubt sich die deutsche Bundesregierung die Hände in Unschuld 
waschen zu können. Doch selbst in den Massenmedien ist zu erfahren, wie es nun 
weitergehen soll: Die Entscheidung geht entsprechend den bekannten Regularien an 
die EU-Kommission zurück, die bereits angekündigt hat, den Weg für den 
kommerziellen Anbau von genmanipulierten Pflanzen in Europa freigeben zu wollen. 

(Nebenbei bemerkt: Die "rot-grüne" Tageszeitung 'taz' tat sich mal wieder mal 
damit hervor, das Ende des Gen-Moratoriums zu verkünden, nachdem sie dies 
bereits zu fünf anderen Terminen seit Mitte letzten Jahres getan hat. Immer 
wieder ist beispielsweise am Info-Stand von sonst engagierten Menschen zu hören, 
daß Unterschriften(1) für den Erhalt des Gen-Moratoriums keinen Sinn mehr 
hätten, weil dieses doch schon längst beendet worden sei.)

Konkret ging es bei der Entscheidung der EU-LandwirtschaftsministerInnen am 
Montag in Luxemburg um einen Antrag des Gentechnik-Konzerns Syngenta um 
Zulassung der genmanipulierten Süßmais-Sorte Bt-11.
Diese ist für den menschlichen Verzehr vorgesehen, während es sich beim Gen-Mais 
NK 603 des US-Konzerns Monsanto um Tierfutter handelt. Auch die parallel 
anstehende Entscheidung über die Zulassung des NK 603 wurde bereits 
verschiedentlich als "Ende des Gen-Moratoriums" gehandelt. Von der Presseagentur 
APA hieß es dagegen korrekt, mit der Entscheidung vom Montag sei "eine der 
letzten Hürden zur Beendigung des Gentechnik-Moratoriums genommen".

Welche LandwirtschaftsministerInnen wie abstimmten, scheint allerdings nicht 
ganz klar zu sein. Von Seiten der Agenturen heißt es: 
Gegen die Zulassung von Bt-11 stimmten: Dänemark, Frankreich, Griechenland, 
Luxemburg, Österreich  und Portugal.
Dafür stimmten: Finnland, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande und 
Schweden.
Enthalten haben sich demnach: Deutschland, Belgien und Spanien.

Bei einer ersten Abstimmung im Dezember 03 über die Zulassung von Bt-11 sah das
Abstimmungs-Ergebnis im EU-Ausschuß wie folgt aus: 
Contra: Dänemark, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Österreich und Portugal
Pro: Finnland, Großbritannien, Irland, die Niederlanden, Spanien und Schweden
Enthaltungen: Deutschland, Belgien und Italien.

Dies würde bedeuten, daß Spanien und Italien die Pro- und Enthaltungs-Position 
miteinander tauschten. Daß Spanien auf die Enthaltungs-Position wechselte, ist 
durch die jüngst veröffentlichten wissenschaftlichen Studien erklärbar, die zu 
negativen Resultaten für den in Spanien angebauten Gen-Mais kamen. Der Wechsel 
Italiens ist allerdings nur aus politischen Gründen erklärbar - offenbar sollte 
gezielt ein Patt produziert werden, um den "schwarzen Peter" der EU-Kommission 
zuschieben zu können. Eine Entscheidung von derartiger Tragweite und gegen den 
offensichtlichen Willen einer Mehrheit von über 70 Prozent der EuropäerInnen 
soll also von einem Gremium verkündet werden, das demokratisch in keiner Weise 
legitimiert ist und auch durch Abwahl nicht zur Rechenschaft gezogen werden 
kann. Die Regierungen von Deutschland, Belgien und Spanien tragen daher dieselbe 
Verantwortung als hätten sie mit Ja gestimmt.(2)

Bisher ist noch nicht bekannt, bis zu welchem Zeitpunkt die EU-Kommission ihre 
Entscheidung verkünden wird, da ihr keine Frist gesetzt ist. Es heißt aber - wie 
es in den Massenmedien immer so schön heißt: aus gewöhnlich gut unterrichteten 
Kreisen - dies werde in Kürze geschehen. 

Die genmanipulierten Süßmais-Sorte Bt-11 könnte somit nun tatsächlich die erste 
Gen-Pflanze werden, die das Gen-Moratorium der EU durchbricht. Zwei weitere 
Hürden stehen dem aber noch entgegen: Zum einen müßte eine der nationalen 
Regierungen den ersten Schritt wagen und den Anbau dieser Pflanze auf dem 
eigenen Staatsgebiet zulassen, zum anderen muß sich erst noch erweisen, ob der 
Anbau dann auch durchzusetzen ist. Wenn Bt-11 importiert wird, als 
Nahrungsmittel angeboten und eventuell von einer Mehrheit der KonsumentInnen 
boykottiert wird, ist dies nicht der springende Punkt. Dies wird zwar - leider 
auch von Umweltverbänden - immer wieder so dargestellt; entscheidend ist jedoch 
erst der Anbau. Denn erst wenn in Europa Gen-Pflanzen großflächig angebaut 
werden, ist die Entwicklung unumkehrbar. (3)

Früher noch als Bt-11 könnte NK 603, ein Gen-Mais des Monsanto-Konzerns das 
Gen-Moratorium durchbrechen. NK 603 dient ausschließlich als Futtermais und kann 
deshalb durch die von "Rot-Grün" propagierte "Abstimmung mit dem Einkaufskorb" 
in keinster Weise gestoppt werden. Ein VerbraucherInnen-Boykott kann nur die als 
Gen-Food gekennzeichneten Waren treffen. Bezeichnender Weise muß jedoch ein 
großer Teil der Gentech-Lebensmittel nicht gekennzeichnet werden: Fleisch, 
Milch, Käse, Joghurt, Eier und andere Produkte von Tieren, die mit 
genmanipulierten Futtermitteln gemästet wurden. Fällt das Gen-Moratorium, können 
diese Futtermittel - beispielsweise NK 603 - in Europa angebaut werden und keine 
"Wahlfreiheit im Supermarkt" hat darauf noch irgendeinen Einfluß. Um die 
Bedeutung dieses Einfalltors abschätzen zu können, sollte mensch wissen, daß 80 
bis 90 Prozent aller weltweit angebauten Gen-Pflanzen als Tierfutter eingesetzt 
werden. Zudem wurde inzwischen bekannt, daß für Landwirte die "Wahlfreiheit", 
gentechnikfreies Futter einzusetzen systematisch untergraben wird. Greenpeace 
deckte erst kürzlich auf (4), daß marktbeherrschende Zulieferer von Futter-Soja 
in Deutschland auch gentechnik-freies Futter-Soja durchweg als Gen-Soja 
deklarieren. Dabei gibt es derzeit auf dem Weltmarkt für gentechnik-freies 
Futter-Soja keine Lieferengpässe. Hintergrund ist die Verflechtung dieser Firmen 
mit den Gen-Konzernen. Auf diese Weise wird also dort, wo es entscheidend ist, 
also bei 80 bis 90 Prozent des Gesamtvolumens, die gepriesene "Wahlfreiheit" 
ausgehebelt.

Solange weiterhin - auch mit Beihilfe der großen Umwelt-Organisationen - der 
Konflikt auf Nebenschauplätzen wie beispielsweise das Gentechnik-Gesetz oder die 
vermeintliche "Wahlfreiheit" im Supermarkt abgelenkt wird, besteht die große 
Gefahr, daß eine Entscheidung europaweit gegen den Willen der Mehrheit und 
allein zum Vorteil weniger Konzerne durchgedrückt wird. Diese Ablenkung auf 
Nebenschauplätze kann nur als gigantische Verdummung bezeichnet werden. Ein Fall 
des Gen-Moratoriums wäre unumkehrbar. Dann ist die Büchse der Pandora nicht mehr 
zu verschließen. Der großflächige Anbau von Gen-Pflanzen in Europa kann nur noch 
durch massiven Druck von unten verhindert werden. Uli Brendel, 
Gentechnik-Expertin bei Greenpeace, sagte einmal ganz zu recht: "In Europa haben 
wir jetzt noch die Chance, den Geist in der Flasche zu halten."

Ute Daniels


1 Hinweis: Unterschriften-Aktion http://www.gen-moratorium.de

2 Siehe auch unsere Artikel 
   'Gen-Moratorium steht zur Disposition' v. 19.01.04 
und 
   'EU weist Gen-Mais Bt-11 überraschend ab' v. 9.12.03 

3 Siehe auch unseren Artikel 
   'Das Gentechnik-Gesetz und die möglichen Folgen' v. 11.02.04 

4 Siehe auch unseren Artikel 
   'Wahlfreiheit zwischen Gen-Futter und Gen-Futter' v. 22.04.04




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