[Gen-Info] Unseriöse Gentech-Werbung in [dradio]

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Mi Dez 10 16:50:36 CET 2003


Hallo Leute !

Über einige gen-kritische Verteiler (u.a. von der VZBV) wurde in den letzten 
Tagen ein Beitrag vom DeutschlandRadio verbreitet, der leider geradezu ein
Musterbeispiel für unseriöse Gentech-Werbung darstellt. Über die Gewichtung
von Pro- oder Contra-Argumenten in einem Beitrag könnte mensch journalistische
Feintarierungen vornehmen, über mögliche Einseitigkeiten streiten - grob
wird's allerdings, wenn bewußt Falschinformationen lanciert werden.

Um mal hinten zu beginnen: Im vorliegenden Beitrag wird Detlef Bartsch
vom Robert-Koch-Institut (RKI) wie folgt ziziert: "Dann haben wir eigentlich 
nur noch die Wahl, den Maisanbau ganz aufzugeben, oder umfangreich Insektizide 
einzusetzen. Oder aber wir setzen eine neu entwickelte BT-Maissorte ein."
Es geht um den Maiswurzelbohrer. Keine Sorge, es wird jetzt nicht fach-
chinesisch - der Fall liegt recht einfach und klar.   

Detlef Bartsch vom RKI weiß mit Sicherheit genau, daß der Maiswurzelbohrer
schon seit Jahren in der Schweiz auf die einfachste Weise bekämpft wird.

Tritt er irgendwo auf, wird - vom Landwirtschaftsamt überwacht - im
darauffolgenden Jahr auf den betroffenen Feldern eine andere Frucht
angebaut. Das überlebt der Käfer und seine, die Maiswurzel angreifenden,
Raupen nicht.

In der Nähe von Mulhouse - also nur wenige Kilometer von der schweizer
Grenze entfernt, trat dieses Jahr erstmals der Maiswurzelbohrer auf - in der
Nähe des Flughafens. (Also vermutlich wie in Ex-Jugoslawien durch Flugzeuge
verbreitet.)
Die Bauern wurden von der chemischen Industrie im Verein mit den
lokalen Behörden in Panik versetzt und es wurden extrem agressive
Pestizide vom Hubschrauber aus versprüht - auch dort war sofort
vom Allheilmittel Gentechnik die Rede...

Nochmals: In der Schweiz kommt also die konventionelle Landwirtschaft
gegen den Maiswurzelbohrer ganz ohne Pestizideinsatz aus (der auch wegen
der unterirdischen Bekämpfung sehr problematisch wäre).
Daß im Hinblick auf Insektenbekämpfung nie von der biologischen
oder ökologischen Landwirtschaft die Rede ist, verwundert schon kaum mehr...

Das RKI stellt sich immer mehr als ausgelagertes Propaganda-Institut
von Monsanto, Bayer, Syngenta und Co. heraus. Aber so deutlich war's
bisher selten. Auf die anderen Argumente - Menge des Pestizid-Einsatzes
(siehe unsere neueren Infos aus GB und USA) oder "Gentechnik ist im
Essen eh schon überall präsent" - muß ich hier wohl nicht eingehen.

Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
www.gen-moratorium.de

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----- Original Message -----
From: "DNR Redaktionsbüro" <info-berlin at dnr.de>
Sent: Tuesday, December 09, 2003 2:58 PM
Subject: Fw: [dradio] Schleichender Einmarsch von Gen-Food - EU streitet um
Zulassung



Schleichender Einmarsch des Gen-Food
EU streitet um Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/220077/
Quelle: DeutschlandRadio

vzbv ePresseschau
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
presseschau at vzbv.de
www.vzbv.de


Forschung aktuell . Aus Naturwissenschaft und Technik

8.12.2003
Schleichender Einmarsch des Gen-Food
EU streitet um Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel

Biologie. - Eigentlich sollte am Montag in der EU eine Entscheidung
fallen, ob eine bestimmte Sorte gentechnisch veränderten Gemüses
zukünftig in die Alte Welt importiert werden darf. Allerdings konnten sich
die Agrarexperten nicht darauf einigen, die zumindest hübsch
anzusehenden gelben Kolben des so genannten Bt11-Mais auch auf die
Frischetheken europäischer Supermärkte zu lassen. Jetzt bleiben
den Landwirtschaftsministern der Mitgliedstaaten drei Monate
Zeit, um über das Schicksal des aufgepeppten Zuckermais zu
entscheiden. Doch auch bei einer Zulassung wäre dies nicht
das erste Mal, dass die Verbraucher mit Gen-Food in Berührung
kommen.

Der Maiszünsler macht Landwirten, die Mais anbauen, das
Leben schwer, denn das Insekt hat es auf die Pflanzen abgesehen.
Bislang einziger Ausweg gegen die Plage ist der Einsatz harter Gifte
oder eben eine inzwischen nicht mehr ganz neue Wunderwaffe: den so
genannten Bt11-Mais. Der Clou der aufgemotzten Zuckermaissorte liegt
in einem zusätzlichen Gen, mit dessen Hilfe die Pflanzen den Raupen
ihren Appetit verderben, denn das zugefügte Erbgut sorgt dafür,
dass der Mais selbst ein wirksames Insektizid bildet. "Bt11 ist als
Stärkemais eigentlich schon lange Zeit in den Vereinigten Staaten auf
dem Markt und hat zumindest als Lebensmittel eine Zulassung in Europa
erhalten", berichtet Detlef Bartsch, beim Robert Koch Institut
zuständig für die Umweltwirkung von gentechnisch veränderten Pflanzen. Daher
gehe es bei den Beratungen der EU vor allem um eine formelle
Einfuhrgenehmigung des Zuckermais nach einer neuen
Freisetzungsrichtlinie. Denn die neuere Zuckermaisvariante
erhielt nicht per aktiver Genmanipulation seine besondere Abwehrkraft,
sondern erbte sie aus schlichter Züchtung von der
Stärkemais-Variante des Bt11. Die gentechnische Veränderung fand sich also
schon
bisher in unseren Maisprodukten und musste nicht deklariert werden,
sofern der Mais-Anteil unter einem Prozent lag.

Das Bundesinstitut für Risikoforschung, zuständig für die
gesundheitliche Bewertung neuartiger Lebensmittel, hegt
keine Bedenken gegen den Verzehr und damit auch gegen die Einfuhr,
da bislang aus dem Ausland keine Gesundheitsschäden durch Bt11
bekannt wurden - trotz massenhaften Verzehrs. Dennoch könnte
noch einige Zeit vergehen, bis auch hierzulande Bt11 auf dem Feld
dem Maiszünsler den Garaus bereitet, schätzt Bartsch: "Weil die
Verfahren so lange dauern werden, rechne ich nicht mit einer Zulassung
von Bt11-Mais im kommenden Jahr, sondern eher für das Jahr
2005."

Zwölf Arbeitsgruppen, die alle durch die Universität Aachen
koordiniert werden, untersuchen hierzulande die Effekte von
Bt11 auf seine Umwelt und vergleichen seinen Anbau mit
konventionellen Sorten. Die wiederum gehen mit und ohne chemischen
Pflanzenschutz in die Beobachtung ein. "Dabei stießen wir auf einen großen
Unterschied, wenn wir ein chemisches Insektizid spritzen,
das sich vor allem gegen Blattläuse, aber auch gegen nützliche Insekten
richtet. Weil sich die Blattläuse aber viel schneller erholen als die
Nützlinge, sind sie hinterher zahlreicher als auf unbehandelten
Feldern", schildert der Experte. In BT-Mais-Feldern verhielt sich die
Belastung
mit Schädlingen dagegen vergleichbar mit der unbehandelter
Anbauflächen. "Konventioneller Mais, der mit chemischen
Insektiziden behandelt wird, ist in Hinsicht auf diese Biodiversität eher
schlechter zu bewerten als BT- oder unbehandelter Mais."

Weil aber das Forschungsverbund-Projekt in Aachen noch nicht
völlig abgeschlossen ist, wartet Detlef Bartsch noch auf die
abschließende Bewertung. In jedem Fall aber, so unterstreicht er, müsse
auch in Zukunft jede neue gentechnische Veränderung im Einzelfall
bewertet werden: "Die Debatte über die Risiken durch gentechnisch
veränderte Pflanzen muss weg kommen von einem pauschalen Ja oder Nein
und hin zu einer differenzierten Betrachtung der Gentechnik."
Zwar lägen sicher Risiken in der Technologie, doch besitze sie auch
durchaus sinnvolle Aspekte. Eine solche Diskussion ist dringend
nötig, denn die nächste Plage ist bereits auf dem Weg, der so genannte
Maiswurzelbohrer. Das Insekt schaffte den Sprung aus den USA
nach Ex-Jugoslawien und steht bereits vor den Toren Deutschlands.
"Dann haben wir eigentlich nur noch die Wahl, den Maisanbau ganz
aufzugeben, oder umfangreich Insektizide einzusetzen. Oder
aber wir setzen eine neu entwickelte BT-Maissorte ein. Mehr Optionen
bleiben nicht." Damit dürfte die Europäische Union allerdings kaum
eine Ruhepause in Sachen Gen-Food erhalten.

[Quelle: Grit Kienzlen]




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