<HTML dir=ltr><HEAD><TITLE>Pressefreiheit Indonesien: Bombiger Ausverkauf</TITLE>
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<DIV dir=ltr><BR>taz, 07.07.2010</DIV>
<DIV dir=ltr><A href="http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/bombiger-ausverkauf/">http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/bombiger-ausverkauf/</A></DIV>
<DIV dir=ltr><BR><BR>Pressefreiheit Indonesien<BR>Bombiger Ausverkauf<BR><BR>Nach Enthüllungen über Korruption bei der Polizei verschwindet die<BR>Gesamtauflage des indonesischen Nachrichtenmagazins "Tempo" - und die<BR>Redaktion wird mit Molotowcocktails bombardiert. VON ANETT KELLER<BR><BR>Die Journalisten von Tempo, Indonesiens einflussreichstem<BR>Nachrichtenmagazin, lassen sich nicht so schnell einschüchtern. Nachdem<BR>Unbekannte am Dienstag zwei Molotowcocktails in den Hof des<BR>Verlagsgebäudes warfen, lief der Redaktionsalltag wie gewohnt. "Wir<BR>haben keine Angst", sagte die Redakteurin Purwani Diyah Prabandari der<BR>taz. "Das Feuer wurde schnell gelöscht, und es gab keine Verletzten.<BR>Außerdem sind wir es gewohnt, uns Feinde zu machen."<BR><BR>Erst in der Vorwoche hatte Tempo seinen Ruf als "Speerspitze der<BR>Demokratie" bekräftigt. Mit einer Investigativgeschichte über Korruption<BR>in höchsten Polizeikreisen hatte das Magazin eine publizistische Bombe<BR>platzen lassen. Sechs führende Polizisten fanden ihre Namen in der<BR>Coverstory: "Die fetten Konten der Polizeigeneräle".<BR><BR>Dass das Interesse der Leser an der Story groß sein würde, war gewiss.<BR>Doch nach Erscheinen des Magazins geschah etwas Erstaunliches: Das Heft<BR>war binnen wenigen Stunden vergriffen - landesweit. Vertriebsfirmen<BR>berichteten, dass ihre gesamte Tempo-Lieferung, gedacht zur Weitergabe<BR>an Kioske und Austräger, von zum Teil uniformierten Einzelpersonen<BR>gekauft wurde, die bis zu 30 Prozent über dem Verkaufspreis zahlten. In<BR>Bandung, so Tempo in seiner aktuellen Ausgabe, hätten Polizisten einen<BR>Zeitungsvertrieb aufgefordert, die Adressen aller Kioske preiszugeben,<BR>die er beliefere. Auf Bali habe ein Kiosk Drohanrufe erhalten.<BR><BR>Kein Wunder, dass sich die Leser an die dunklen Jahre der Diktatur in<BR>Indonesien erinnern. Damals konnten Ordnungshüter nach Gutdünken<BR>Medienberichte verhindern. Auch Tempo hat Erfahrungen mit der Zensur<BR>unter Diktator Suharto gemacht: 1994 verboten, operierte es bis zu<BR>Suhartos Sturz 1998 per Internet aus dem Untergrund.<BR><BR>Selbst wenn der jüngste Massenkauf durch Neugier einzelner Polizisten zu<BR>erklären wäre, die ersten offiziellen Reaktionen zeugten nicht von einem<BR>demokratischen Medienverständnis: Das Cover beschmutze den Namen der<BR>Polizei, beschwerte sich der Nationale Polizeichef, General Bambang<BR>Hendarso Danuri. Gleichzeitig drohte die Behörde dem Magazin mit einer<BR>Verleumdungsklage: In einem "Ermahnungsschreiben", das Tempo zwei Tage<BR>nach Erscheinen des umstrittenen Titels vom Polizeihauptquartier in<BR>Jakarta erhielt, hieß es: "Wir sprechen eine ernsthafte Ermahnung an die<BR>Redaktion aus und werden rechtliche Schritte einleiten." Die Polizei<BR>versuche, vom eigentlichen Problem abzulenken, sagt Ignatius Haryanto,<BR>Direktor des Instituts für Presse- und Entwicklungsstudien in Jakarta,<BR>zur taz. "Tempo hat nur seinen Job gemacht und die Öffentlichkeit<BR>informiert. Nun erwarten wir von der Polizei, dass sie gegen die Täter<BR>in den eigenen Reihen ermittelt." Das wäre dringend geboten, stellt sich<BR>in der Praxis aber als schwierig dar. Gerade stufte die Hongkonger<BR>Political & Economic Risk Consultancy Indonesien als korruptestes Land<BR>im asiatisch-pazifischen Raum ein. Und Indonesiens Polizei ist laut<BR>Transparency International die korrupteste Instanz im Staat.<BR><BR>Bei Tempo zeigt man sich gelassen: "Wir haben professionell recherchiert<BR>und uns an geltendes Recht gehalten", sagt Tempo-Chefredakteur Wahyu<BR>Muryadi zur taz. Der Druck, dem sich die Polizei nun ausgesetzt sieht,<BR>wächst: Andere Medien zogen mit Berichten über korrupte Polizisten nach,<BR>eine Facebook-Unterstützergruppe für Tempo zählt bereits tausende<BR>Mitglieder, Intellektuelle und NGO-Vertreter signalisierten öffentlich<BR>Solidarität. Eine Lektion in Sachen Pressefreiheit scheinen die<BR>Ordnungshüter gelernt zu haben. Anstatt vor Gericht treffen sich Polizei<BR>und Tempo am Donnerstag vor dem Presserat, um ihre Standpunkte darzulegen.<BR><BR><BR><BR></DIV></FONT></DIV></BODY></HTML>