[FoME] Deutschsprachige Zeitungen in Russland - die letzten freien Stimmen
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Mo Apr 11 16:49:24 CEST 2022
Pressemitteilung
Deutschsprachige Zeitungen in Russland - die letzten freien Stimmen
Aufgrund des Krieges wurde die Zensur in Russland weiter verschärft. Doch
einige Medien berichten selbstbewusster und kritischer als andere. Sie
gehören zu den wenigen noch verlässlichen Informationsquellen in Putins
Staat.
Die Geschichte der deutschsprachigen Medien im Gebiet des heutigen
Russlands begann schon 1727 mit der Gründung der „Sankt Petersburgischen
Zeitung". Erst kurz zuvor war die erste regelmäßig gedruckte
russischsprachige Publikation des Zarenreiches auf den Markt gekommen.
Heute existieren in Russland noch immer rund 50 deutschsprachige bzw.
zweisprachige Zeitungen, Zeitschriften und Mitteilungsblätter.
Die zwei bedeutendsten Presseorgane sind die 14-tägige „Moskauer Deutsche
Zeitung" aus der Hauptstadt (<https://mdz-moskau.eu> ) und der monatliche
„Königsberger Express" aus dem ehemaligen nördlichen Ostpreußen (
<https://koenigsberger-express.com> ). Während die „MDZ" vom Verband der
Russlanddeutschen herausgegeben wird, ist die Redaktionsleiterin der 1993
gegründeten deutschsprachigen Monatszeitung aus Königsberg/Kaliningrad eine
geschichtsbewusste und mutige Russin.
In der aktuellen März-Ausgabe schreibt sie unter der Überschrift „Gebt dem
Frieden eine Chance!" folgende Zeilen: „Ich, Elena Lebedewa, Redakteurin
der Zeitung 'Königsberger Express', erkläre mich als Privatperson
solidarisch mit den Teilnehmern der Antikriegsdemonstrationen. Ich möchte,
dass meine Leserinnen und Leser das wissen. Meine Mutter war eine gebürtige
Kiewerin, sie ging von Kiew an die Front und kam im Jahr des Sieges 1945 in
diese Stadt zurück. Ich habe meine Kindheit am Fluss Dnjepr verbracht. Ich
glaube, fast jeder Russe ist auf die eine oder andere Weise mit der Ukraine
verbunden. Raketen und Bomben, zerstörte Städte und tote Menschen stellen
diese Bindungen vor eine harte Zerreißprobe. Mehr noch: Sie berauben uns
unserer Zukunft - einer Zukunft, die uns allen gehört."
In der „Moskauer Deutschen Zeitung" lässt man Oppositionelle (
<https://mdz-moskau.eu/ueber-den-krieg-und-den-frieden-in-zitaten> ) und
kritische Bürger (
<https://mdz-moskau.eu/umfrage-angst-und-ablehnung-stimmungslage-in-moskau>
) zu Wort kommen. Dabei wird der verbotene Begriff „Krieg" verwendet und
die verordnete Bezeichnung „Sonderoperation" in Anführungszeichen gesetzt.
Auf der Internetseite des größten Verbandes der Russlanddeutschen, der als
Herausgeber fungiert, stand bis vor wenigen Tagen: „Wir erklären
einstimmig, dass wir Russlanddeutschen, wir Bürger Russlands, überzeugte
Gegner jedes Krieges sind. ... Die Russlanddeutschen haben am eigenen Leib
erfahren, wie es ist, 'Geisel' politischer Umstände zu sein. Wir hoffen von
ganzem Herzen, dass die militärische Aktion so schnell wie möglich
eingestellt wird und alle politischen Fragen am Verhandlungstisch geklärt
werden. Das ist der einzig richtige Ausweg. Wir sprechen den Deutschen in
der Ukraine unsere Unterstützung aus. Uns verbindet nicht nur das
historische Schicksal, sondern auch eine gemeinsame Tradition, eine Sprache
und eine Kultur. Wir hoffen, dass sich die Situation schnell wieder
normalisiert und die Kriegshandlungen eingestellt werden ...". Die
russischen Behörden verfügten jedoch umgehend die Löschung des Textes.
Neben diesen beiden größeren Blättern bietet die bunte deutsch-russische
Presseszene noch viele weitere Periodika. So gibt es beispielsweise reine
Wirtschaftspublikationen wie das Magazin „impuls" der Deutsch-Russischen
Auslandshandelskammer und den Informationsdienst „Russland aktuell" der
Nachrichtenagentur INTERFAX. Auch mehrere lokale evangelische
Gemeindebriefe erscheinen. In Sankt Petersburg wird von der
Evangelisch-Lutherischen Kirche Russlands zudem eine überregionale
Zeitschrift namens „Der Bote" publiziert und landesweit verteilt. Für die
zahlreichen Deutschschüler Russlands werden verschiedene Sprachlernmagazine
angeboten - drei aus Moskau und eins aus Omsk.
In den beiden autonomen deutschen Landkreisen Sibiriens erscheinen eigene
Wochenblätter namens „Neue Zeit" in Halbstadt und „Ihre Zeitung" in Asowo.
Deren Inhalt ist vornehmlich russischsprachig, aber umfasst auch immer
wieder Beiträge in Deutsch. Eine Publikation, die sich schon erstaunlich
lange auf dem Markt hält, und zwar seit 1957, ist die „Zeitung für Dich"
aus Slawgorod. Früher erschien sie als eigenständiges Wochenblatt, jetzt
als monatliche deutschsprachige Beilage der „Altaiskaja Prawda".
Radioprogramme für Russlanddeutsche werden natürlich ebenfalls
ausgestrahlt. In Sibirien ist seit 1965 die wöchentliche Sendung „Altaier
Weiten" bei Radio Rossii Barnaul zu hören (
<https://media.rusdeutsch.eu/audio> ).
Björn Akstinat, Leiter und Gründer der Internationalen Medienhilfe (IMH),
des Netzwerkes der deutschsprachigen Medien im Ausland, sagt zur
derzeitigen Lage: „Die Macher der deutschsprachigen Zeitungen riskieren mit
ihren mutigen Solidaritätsbekundungen hohe Gefängnisstrafen. Schon vor dem
Krieg befanden sich einige von ihnen im Visier des russischen
Geheimdienstes. Ihre Berichterstattung zeigt, dass ein Großteil der
russischen Bürger mit der Politik Wladimir Putins nicht einverstanden ist.
Momentan sind die Journalisten vom 'Königsberger Express' und der "Moskauer
Deutschen Zeitung' die informativsten, neutralsten und kenntnisreichsten
Quellen für Nachrichten aus Russland in deutscher Sprache. Wer die
angegebenen Medien kontaktieren will, findet die Kontaktadressen und noch
mehr im 'Handbuch der deutschsprachigen Presse im Ausland' (
<https://www.medienhilfe.org/publikationen> ). Auch die rund 70.000
Angehörigen der deutschen Minderheit in der Ukraine nutzen oftmals die
deutschsprachigen Medien aus Russland, weil sie häufig familiäre
Verbindungen ins große Nachbarland haben."
Foto: aktuelle März-Ausgabe vom „Königsberger Express" / Urheber:
Internationale Medienhilfe (IMH) / Frei zur Verwendung im Zusammenhang mit
dieser Pressemitteilung!
Mehr Infos bei Bedarf hier:
Internationale Medienhilfe (IMH)
Das Netzwerk der deutschsprachigen Medien im Ausland
und der fremdsprachigen Medien im Inland.
Postfach 35 05 51
10214 Berlin
<http://www.medienhilfe.org>
<http://www.imh-service.de>
Telefon: (030) 5673-1559
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