[FoME] Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit 2011
Christoph Dietz
Christoph.Dietz at CAMECO.ORG
Mi Jan 25 08:27:00 CET 2012
>>> ROG / Anja Viohl <presse at reporter-ohne-grenzen.de> 24.01.2012 14:12
>>>
Rangliste der Pressefreiheit 2011:
Aufstände in den arabischen Ländern verändern Rangliste stark /
Wachsende Gegensätze in Europa
ZUSAMMENFASSUNG
25.01.2011 - Wie eng Demokratie und Medienfreiheit zusammenhängen,
zeigt die Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (ROG)
in diesem Jahr zum 10. Mal herausgibt. Sie spiegelt die turbulenten
Ereignisse des vergangenen Jahres wider, die die Innenpolitik einzelner
Staaten vor allem in der arabischen Welt gravierend veränderten. Die
Gegensätze zwischen den europäischen Staaten verschärften sich weiter,
am wenigsten frei sind die Medien in Belarus und Aserbaidschan. Die USA
fielen ab, nachdem die Polizei die Berichterstattung über die
Occupy-Proteste behinderte.
An der Spitze der Rangliste stehen nach wie vor europäische Länder, am
Ende Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Erstmals besetzen auch
afrikanische Länder vordere Plätze.
Die ROG-Rangliste der Pressefreiheit 2011 vergleicht die Situation der
Medien in 178 Staaten und Regionen vom 1. Dezember 2010 bis zum 30.
November 2011.
+++ SPERRFRIST: 25. Januar 2011, 00:59 Uhr +++
25.01.2011 - Wie eng Demokratie und Medienfreiheit zusammenhängen,
zeigt die Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (ROG)
in diesem Jahr zum 10. Mal herausgibt. Die Liste spiegelt die
turbulenten Ereignisse des vergangenen Jahres wider, die die
Innenpolitik einzelner Staaten zum Teil gravierend veränderten. Weltweit
berichteten Journalisten über Aufstände, autoritäre Regime antworteten
mit systematischer Gewalt. „Es sollten nicht nur Proteste im Keim
erstickt, sondern auch Berichte darüber unterdrückt werden“, so
ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.
In vielen Ländern wurden 2011 deutlich mehr Journalisten verhaftet,
entführt oder geschlagen als in den vergangenen Jahren. Für totalitäre
Regime wurde die Kontrolle der Medien zur Überlebensfrage. Ein
Schwerpunkt der Gewalt waren die Straßenkämpfe in den arabischen
Ländern. Immer stärker rückten dort auch Blogger und
Bürgerjournalisten ins Visier der Behörden. Sie füllten Lücken, wo
konventionelle Medien zensiert und ausländische Berichterstatter nicht
zugelassen wurden. Die weltweiten Unruhen nur negativ zu bewerten,
greift nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen jedoch zu kurz: „Wenn
Auseinandersetzungen langfristig zu mehr Demokratie führen, kann das
auch positive Folgen für die Pressefreiheit haben“, so Rediske.
AUFSTÄNDE IN DEN ARABISCHEN LÄNDERN
Zu welch unterschiedlichen Ergebnissen die arabischen Aufstände geführt
haben, zeigen exemplarisch Tunesien und Bahrein, die auf der Rangliste
weit voneinander entfernt stehen. Tunesien, wo im Januar Diktator Ben
Ali gestürzt wurde, verbesserte sich um 30 Positionen auf Platz 134,
obwohl auch das neue Regime eine unabhängige Presse nicht bedingungslos
akzeptiert. Bahrein dagegen, wo friedliche Proteste brutal
niedergeschlagen und zahlreiche Menschenrechtler verhaftet wurden, fiel
um 29 Positionen auf Platz 173.
Während Libyen (Platz 154) sich von Muammar al-Gaddafi befreite, erlag
Jemen (Platz 171) der Gewalt zwischen Anhängern und Gegnern von
Präsident Ali Saleh. Die Zukunft beider Länder ist ebenso ungewiss
wie die Rolle, die Journalisten dort im weiteren politischen Leben
spielen werden. Das Gleiche gilt für Ägypten, das um 39 Positionen auf
Platz 166 fiel. Der seit Februar regierende Militärrat verschärfte die
bestehenden Notstandsgesetze, bei Protesten im Februar sowie im November
und Dezember gingen Sicherheitskräfte mit unverhältnismäßiger Gewalt
gegen Journalisten vor. Syrien, wo Zensur, Überwachung und willkürliche
Gewalt die Arbeit von Journalisten nahezu unmöglich machen, fiel auf
Platz 176.
ANHALTENDE GEWALT GEGEN JOURNALISTEN
In vielen Ländern scheint eine Kultur der Gewalt gegen die Medien
inzwischen tief verwurzelt zu sein. Solange die Verantwortlichen dafür
nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wird sich daran wenig ändern.
Dies gilt für Mexiko (Platz 149) und Honduras (Platz 135) genau wie für
Pakistan (Platz 151), wo im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge
die meisten Journalisten weltweit getötet wurden. In Somalia (Platz 164)
ist die Situation im seit 20 Jahren währenden Bürgerkrieg für
Journalisten denkbar schwierig. Auch im Iran (Platz 175) werden
Medienschaffende seit Jahren verfolgt und unterdrückt. Irak fiel wegen
mehrerer Mordfälle um 22 Positionen auf Platz 152.
EUROPA
Die Gegensätze zwischen den europäischen Staaten haben sich 2011 weiter
verschärft.
Während Finnland, Norwegen und die Niederlande seit Jahren vorderste
Plätze in der Rangliste einnehmen, fielen Bulgarien (Platz 80) und
Italien (Platz 61) deutlich zurück und gehören mit Griechenland (Platz
70) zu den Schlusslichtern der EU. In Bulgarien wurden Journalisten, die
über Korruption und organisierte Kriminalität berichteten, bedroht und
gezielt angegriffen. In Griechenland arbeiteten Reporter und Fotografen
während der Wirtschaftsproteste teilweise unter kriegsähnlichen
Bedingungen. Deutschland (Platz 16) nimmt weiterhin eine stabile
Mittelposition innerhalb der EU ein. Schwierig sind hier vor allem der
Zugang zu Behördeninformationen sowie der Schutz von Quellen und
Informanten. Ungarn rutschte von Platz 23 auf Platz 40 ab, weil die
Regierung durch neue Gesetze übermäßigen Einfluss auf die Arbeit der
Medien nimmt. Dass andere EU-Staaten dies lange Zeit kaum kritisierten,
hat die Glaubwürdigkeit der Union als Vorbild in Sachen Pressefreiheit
beschädigt. Großbrita!
nnien verschlechterte sich vor allem
wegen der Abhöraffäre bei News of the World von Platz 19 auf 28. In der
Türkei wurden Journalisten durch Überwachung und Verhaftungen unter dem
Vorwand der Terrorbekämpfung massiv eingeschüchtert, wodurch das Land
auf Platz 148 abrutschte.
Der am schlechtesten platzierte Staat in Osteuropa ist Belarus (Platz
168), wo Alexander Lukaschenko nach der brutalen Niederschlagung von
Demonstrationen im Dezember 2010 über 100 Blogger und Journalisten
verhaften ließ. Auch in Aserbaidschan (Platz 162), das 2012 Gastgeber
des Eurovision Song Contest ist, verschärfte die Staatsmacht nach
Straßenprotesten im Frühjahr die Überwachung der Medien und des
Internets. Präsident Ilcham Alijew gehört wie auch Lukaschenko zu den
Feinden der Pressefreiheit.
AMERIKA
Die USA fielen um 27 Positionen auf Platz 47, weil die Polizei die
Berichterstattung über die Occupy-Proteste behinderte. Innerhalb von
zwei Monaten wurden mehr als 25 Fälle bekannt, in denen Journalisten
verhaftet oder geschlagen wurden. Chile, wo die Polizei mit Gewalt gegen
protestierende Studenten vorging, fiel um 47 Positionen auf Platz 80.
Weitere Absteiger sind Brasilien (Platz 99), Paraguay (Platz 80) und
Peru (Platz 115). Journalisten, die über Korruption, organisierte
Kriminalität oder Umweltthemen berichten, riskieren dort nicht selten
ihr Leben.
ASIEN/PAZIFIK
In China (Platz 174) hat sich die Situation 2011 verschlechtert. Nach
den Protesten in der arabischen Welt hat das Regime die Überwachung der
Medien, insbesondere im Internet, verstärkt. In keinem anderen Land
sitzen mehr Journalisten und Blogger im Gefängnis. Auch Hongkong fiel
stark ab: von Platz 34 auf Platz 54. In Vietnam (Platz 172) gerieten
kritische Berichterstatter ebenfalls immer stärker unter Druck und
wurden zum Teil zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Birma hingegen
konnte seine Position (Platz 169) nach den Reformen der vergangenen
Monate etwas verbessern, wenn es auch nach wie vor unter der autoritären
Regierung leidet.
AFRIKA
Süd-Sudan ging nach seiner Unabhängigkeitserklärung im Juli 2011 als
neuer Staat in die Rangliste ein. Als ehemalige Provinz eines der am
schlechtesten platzierten Staaten (Sudan: Platz 170) erreichte das Land
auf Anhieb einen bemerkenswerten 111. Platz. Niger verbesserte seinen
Platz (29) erheblich, während andere ihre Position merklich
verschlechterten: Uganda, wo Sicherheitskräfte nach den Wahlen im
Februar rigoros gegen Oppositionelle und unabhängige Medien vorgingen,
fiel um 43 Positionen auf Platz 139. Die Elfenbeinküste fiel nach einem
blutigen Machtwechsel, unter dem auch die Medien stark litten, um 41
Positionen auf Platz 159.
DIE SCHLUSSLICHTER
Eritrea, Turkmenistan und Nordkorea nehmen auch in diesem Jahr wieder
die hintersten Plätze auf der Rangliste der Pressefreiheit ein:
Diktaturen, die keinerlei bürgerliche Freiheiten zulassen. Ihnen folgen
mit Syrien, Iran und China Länder, in denen das Regime nicht nur gegen
Journalisten mit brutaler Gewalt vorgeht. Zu den repressivsten Staaten
gehörten 2011 auch Bahrein (gefallen von Platz 144 auf 173) und Vietnam
(gefallen von Platz 165 auf 172). Deutlich verschlechtert hat sich die
Situation zudem in Belarus (Platz 168, 2010: 154) und in vielen
afrikanischen Staaten, darunter Dschibuti, Malawi und Uganda.
DIE SPITZENREITER
An der Spitze der Rangliste stehen nach wie vor europäische Länder wie
Finnland, Norwegen und die Niederlande. Sie zeigen einmal mehr, wie eng
Demokratie und Pressefreiheit zusammenhängen und dass Demokratie
unabhängige Medien braucht. Unter die ersten drei ist in diesem Jahr
Estland aufgestiegen (2010: Platz 9). Mit Namibia und den Kapverden sind
zudem erstmals zwei afrikanische Länder unter den ersten 20. Die größte
Verbesserung innerhalb der Rangliste erreichte Niger, wo sich die
innenpolitische Lage nach den Wahlen im Januar stabilisierte. Das Land
stieg um 75 Positionen auf Platz 29.
Weitere Informationen zur ROG-Rangliste 2011 finden Sie unter:
http://www.reporter-ohne-grenzen.de/ranglisten/rangliste-2011/
Pressekontakt:
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