[FoME] WG: Digitalen Waffenhandel strenger kontrollieren / Zur heute beschlossenen EU-Strategie

Christian Mihr | Reporter ohne Grenzen christian.mihr at reporter-ohne-grenzen.de
Di Dez 11 17:26:14 CET 2012


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Von: Presse | Reporter ohne Grenzen [mailto:presse at reporter-ohne-grenzen.de]

Gesendet: Dienstag, 11. Dezember 2012 13:54
An: christian.mihr at reporter-ohne-grenzen.de
Betreff: Digitalen Waffenhandel strenger kontrollieren / Zur heute
beschlossenen EU-Strategie

EU muss Handel mit digitalen Waffen strenger kontrollieren

11.12.2012 – Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch rufen die
Europäische Union dazu auf, den Handel mit digitalen
Überwachungstechnologien, durch die weltweit Menschenrechte verletzt werden,
effektiver zu kontrollieren. Das Europäische Parlament hat dazu heute eine
neue Strategie über digitale Freiheit als Teil der gemeinsamen
EU-Außenpolitik beschlossen.

In einem Bericht über die Rolle europäischer Technologie-Exporte hatte
Marietje Schaake, Sonderberichterstatterin für Internetfreiheit im
Europäischen Parlament, zuvor kritisiert, dass mithilfe europäischer Späh-
und Zensurtechnologie weltweit Menschenrechte verletzt werden. Schaake
forderte, derartige Technologien müssten genauso kontrolliert werden „wie
wir die Qualität von Lebensmitteln und Medikamenten überprüfen oder
konventionelle Waffen überwachen“. (http://bit.ly/Vw8U4T)

„Es ist paradox, wenn europäische Regierungen einerseits betonen, wie
wichtig es ist, dass Bürgerjournalisten Nachrichtensperren durchbrechen und
unter Einsatz ihres Lebens Informationen aus autoritären Staaten liefern –
und europäische Firmen die Machthaber dieser Staaten gleichzeitig mit der
Technik versorgen, um Aktivisten zu verfolgen“, sagte Matthias Spielkamp,
Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen in Berlin. „Wir brauchen mehr
Transparenz darüber, welche Firmen Zensurtechnik in autoritäre Länder
liefern, und wir brauchen Gesetze, die diesen Handel genau regeln.“ 

Der unregulierte Handel mit Spähsoftware, mit der autoritäre Machthaber
kritische Blogger und Bürgerjournalisten verfolgen, ist eine der größten
Bedrohungen für die Meinungsfreiheit und Menschenrechtsarbeit im Internet,
so Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch. Europäische Regierungen
müssen einen gemeinsamen Ansatz entwickeln, um den Export von
Überwachungstechnologien zu regulieren, da ein Großteil dieser Exporte aus
der EU stammt. Dass die EU den Export von Überwachungstechnologie nach
Syrien und in den Iran verboten hat, ist zwar ein Anfang, reicht jedoch bei
weitem nicht aus, so die Organisationen.

Die digitale Überwachung wird für Journalisten, Blogger, Bürgerjournalisten
und Menschenrechtler zu einer immer größeren Bedrohung. Im Jahr 2011
veröffentlichte Wikileaks mehrere Hundert Dokumente (http://bit.ly/sHnBQQ),
aus denen die Vielfalt und Ausgereiftheit der Technologien deutlich wird,
die auf internationalen Messen für Überwachungstechnologie angeboten werden.
Davon angestoßene Recherchen von Bloomberg (http://bit.ly/toj6WH), dem Wall
Street Journal (http://on.wsj.com/iIRL2W) und Sicherheitsexperten des
Citizen Lab (http://bit.ly/MHqzTd) ergaben, dass die Technologien, die in
Ägypten, Bahrain und Libyen gegen mutmaßliche Dissidenten und
Menschenrechtler eingesetzt wurden, häufig von europäischen Anbietern
stammten (http://nyti.ms/NvMkI8). Die gelieferten Programme können sich
unbemerkt auf dem Computer einer Zielperson einnisten, etwa durch infizierte
Dateianhänge oder vermeintliche Software-Updates.

Einmal installiert, können Regierungen oder Geheimdienste durch solche
Programme auf Festplatten zugreifen, an Passwörter gelangen und sogar den
Inhalt verschlüsselter Emails und Chatprotokolle einsehen. Außerdem können
nachträglich Dateien auf infizierten Rechnern platziert werden. Einige
Anbieter wenden sich gezielt an staatliche Stellen wie Geheimdienste und
Sicherheitsbehörden, um derartige Technologien anzubieten. Ob Unternehmen
bei ihren weltweiten Exporten von Überwachungstechnologie die
Menschenrechtspolitik in den Empfängerländern berücksichtigen, ist unklar.

„Es ist unverantwortlich bis fahrlässig, wenn Unternehmen leistungsstarke
Überwachungstechnologien an Unrechtsregime verkaufen ohne in Betracht zu
ziehen, welche Auswirkungen dies auf die Menschenrechtslage hat oder ob die
Lieferung der Produkte überhaupt zu verantworten ist“,  so Cynthia Wong,
leitende Researcherin in der Abteilung Internet und Menschenrechte bei Human
Rights Watch. „Europäische Regierungen sollten diese Entscheidungen nicht
einfach dem privaten Sektor überlassen. Sie müssen handeln und den Handel
mit diesen Technologien regulieren.“


WEITERE INFORMATIONEN:

Bericht zur Strategie für „Digitale Freiheit“ in der EU-Außenpolitik,
Marietje Schaake, Berichterstatterin für die erste EU-Strategie für digitale
Freiheit (15.11.2012): http://bit.ly/Vw8U4T 

Reporter ohne Grenzen: Positionspapier zum Export europäischer
Überwachungstechnologien, (November 2012): http://bit.ly/VLQj8E  

Ben Wagner. 2012. „After the Arab Spring: New Paths for Human Rights and the
Internet in European Foreign Policy“ Europäische Kommission,
Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen, Brüssel, Belgien:
http://bit.ly/Q64foH (Englisch)

Ben Wagner. 2012. „Exporting Censorship and Surveillance Technology. Den
Haag, The Netherlands“: http://bit.ly/zYq9Dc (Englisch)


Pressekontakt: 
Ulrike Gruska
Tel.: 030 202 15 10 16
presse at reporter-ohne-grenzen.de






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