[FoME] Welttag gegen Internetzensur: Zehn Staaten auf der Liste der Feinde des Internets

Christoph Dietz Christoph.Dietz at CAMECO.ORG
Sa Mär 12 16:12:19 CET 2011


>>> ROG / Anja Viohl presse at reporter-ohne-grenzen.de> 11.03.11 15.03 Uhr
>> 

Welttag gegen Internetzensur: Zehn Staaten auf der Liste der "Feinde des
Internets" / Frankreich als erstes EU-Mitglied "Unter Beobachtung" 

11.03.2011 - Jedem dritten Internetnutzer weltweit bleibt der Zugang zu
einem freien Netz verwehrt. In zehn Staaten ist die Überwachung des
Internets und die Verfolgung von Bloggern und Internetnutzern so stark,
dass sie den Titel "Feinde des Internets" verdienen. Das EU-Mitglied
Frankreich und die Staaten Libyen und Venezuela stehen in diesem Jahr
erstmals "Unter Beobachtung. Tunesien und Ägypten gehören nach den
revolutionären Umwälzungen nicht mehr zu den "Feinden des Internets",
stehen aber ebenfalls weiterhin "Unter Beobachtung". Das sind die
zentralen Ergebnisse des Internet-Berichtes, den Reporter ohne Grenzen
(ROG) am Vorabend des "Welttags gegen Internetzensur" am 12. März
veröffentlicht. ROG hat diesen Tag vor zwei Jahren ins Leben gerufen,
um auf die Online-Repressionen in einer wachsenden Zahl von Ländern
sowie auf eine zunehmende Vielfalt von Strategien und Techniken der
Internetüberwachung aufmerksam zu machen. 

"In etwa 60 Staaten zensieren die Regierungen das Internet und verfolgen
Internetnutzer. Mindestens 119 Blogger und Online-Aktivisten sind
derzeit im Gefängnis, weil sie das Internet genutzt haben, um frei ihre
Meinung zu äußern", so ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard. 

Auf der Liste der "Feinde des Internets" stehen wie in den beiden
Vorjahren Birma, China, Kuba, Iran, Nordkorea, Saudi Arabien, Syrien,
Turkmenistan, Usbekistan und Vietnam. Diese Staaten zensieren das
Internet durch massive Filterungen und Sperrungen von Websites,
verfolgen kritische Internetnutzer systematisch und instrumentalisieren
das Netz für propagandistische Zwecke, heißt es in dem mehr als
100-seitigen ROG-Bericht. 

Auch weil Internetnutzer in Ländern wie China, Iran und Saudi Arabien
zunehmend Programme zur Umgehung von Zensur nutzen, haben viele
autoritäre Staaten in den vergangenen Jahren über das Blockieren und
Filtern hinausgehende Methoden der Online-Überwachung und -Manipulation
entwickelt: Staatliche Mitarbeiter oder eine eigens geschaffene
Cyberpolizei kontrollieren Inhalte im Netz oder infiltrieren soziale
Netzwerkseiten. Blogger werden dafür bezahlt, Kommentare auf gut
besuchten Websites zu platzieren. Websites werden durch Cyberattacken
oder Spyware lahmgelegt. Mit neuen Gesetzen versuchen die Regierungen
Internetnutzer zu zwingen, ihre Anonymität aufzugeben. In Ländern wie
Birma war mehrfach zu beobachten, dass die Geschwindigkeiten der
Internetverbindungen so stark gedrosselt wurden, dass eine Nutzung des
Mediums für die Bevölkerung kaum mehr möglich war. Die Störungen gehen
in einigen Ländern bis hin zur Abschaltung des Internets und sind häufig
begleitet von Unterbrechun! 
gen des Mobilfunks. 

Im vergangenen Jahr zählte ROG noch zwölf Feinde des Internets: Ägypten
und Tunesien sind nach den revolutionären Umwälzungen und dem Sturz der
Regierungen nicht mehr gelistet. In Tunesien werden aktuell so gut wie
keine Internetseiten mehr zensiert, während in Ägypten bis auf einen
Blogger alle zuvor inhaftierten Internetaktivisten freigelassen worden
sind. Anklagen gegen sie wurden fallen gelassen. "Diese Staaten bleiben
jedoch *Unter Beobachtung'. Die Errungenschaften dieser Revolutionen
müssen erst konsolidiert und die neuen Freiheiten garantiert werden",
so Julliard. Die früheren Mechanismen der Zensur und Überwachung sind
bisher weder transparent gemacht noch aufgelöst worden. Die Aufstände in
der arabischen Welt hatten auf der anderen Seite Auswirkungen auf die
Online-Kontrollen in einer Reihe von Ländern der Gruppe "Feinde des
Internets". So haben unter anderem Syrien, Usbekistan und Vietnam die
Zensur verstärkt, um Berichte zu unterdrücken und einen möglichen Domin!

o-Effekt zu vermeiden. 

16 Staaten stellt ROG in seinem Bericht "Unter Beobachtung". Es
 handelt
sich um Länder, die beunruhigende Zensurmaßnahmen ergriffen haben, die
leicht missbraucht werden könnten. Neu "Unter Beobachtung": Frankreich,
Libyen und Venezuela. 

In Frankreich stimmte die Nationalversammlung in zweiter Lesung im
Februar 2011 dem Online-Gesetzespaket "Loppsi 2" ("Loi d'orientation et
de programmation pour la performance de la sécurité intérieure") zu. Das
Innenministerium kann jetzt unter anderem ohne gerichtliche Anordnung
Provider anweisen, die Webseiten ihrer Kunden nach pädophilen Inhalten
zu filtern. Die Schlüsselwörter hierfür sucht eine Regierungsbehörde
ohne Kontrolle durch ein Gericht aus. 

In Libyen forcierte das Regime unter Muammar al-Gaddafi die
Internetzensur im Zuge der Proteste in Tunesien und Ägypten und
intensivierte diese nach Beginn der Proteste im eigenen Land - bis hin
zur vollständigen Unterbrechung der Internetverbindung. 

Auch in Venezuela könnte ein neues Ende 2010 verabschiedetes
Internetgesetz zu einer Verschärfung der Online-Zensur führen. In den
vergangenen Monaten wurden bereits eine Reihe von Blogs gesperrt und
einige Internetnutzer festgenommen. 

Das vergangene Jahr hielt aber auch viele hoffnungsvolle Entwicklungen
bereit: Online-Plattformen, Mikro-Blogging-Dienste sowie soziale
Netzwerkseiten haben sich als Instrumente des Protestes, politischer
Kampagnen und der Verbreitung unabhängiger Informationen etabliert. Das
haben vor allem die Ereignisse in Tunesien und Ägypten bewiesen.
Klassische Medien und Online-Medien stehen zunehmend in einem
komplementären Verhältnis zueinander und unterstützen sich
gegenseitig. Gleichzeitig wächst die grenzüberschreitende Solidarität
unter Internetaktivisten. Auch auf diese positiven Entwicklungen will
ROG am "Welttag gegen Internetzensur" aufmerksam machen. 

Lesen Sie hier den mehr als 100-seitigen Bericht "Feinde des Internets"
in der französischen Originalfassung. 
http://bit.ly/fcvFRC 

Hier lesen Sie eine englische Übersetzung des Berichts. 
http://bit.ly/hAlY3L 

Einen fertig gelayouteten Bericht in englischer Sprache stellen wir
spätestens am Samstag, den 12. März, auf folgende Webseite. 
http://bit.ly/gWluzS 

Hier erreichen Sie die internationale ROG-Informationsseite zum "Welttag
gegen Internetzensur" (Downloadmöglichkeiten von Banner, Piktogrammen
und einem kurzen Filmspot): 
http://march12.rsf.org/en/ 

Bei Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an: 
Anja Viohl 
presse at reporter-ohne-grenzen.de 
Tel. 030 202 15 10 - 16 
Mobil: 0157 84 74 09 22




Mehr Informationen über die Mailingliste FoME