[FoME] Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit 2010
Christoph Dietz
christoph.dietz at CAMECO.ORG
Mi Okt 20 10:29:29 CEST 2010
>>> "ROG / Presse" <presse at reporter-ohne-grenzen.de> 20.10.2010 09:29
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Rangliste der Pressefreiheit 2010
Europäische Staaten fallen weiter zurück / Wachsende Gegensätze
innerhalb der EU / Keine Bewegung auf den hintersten Rängen
20.10.2010 - Die Lage der Medienfreiheit in Europa hat sich weiter
verschlechtert. Dies zeigt die heute veröffentlichte Rangliste der
Pressefreiheit 2010 von Reporter ohne Grenzen (ROG). Der bereits bei der
Rangliste 2009 festgestellte Abwärtstrend einiger süd- und
südosteuropäischer Staaten setzt sich im aktuellen ROG-Ranking
fort. Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich und Italien hat sich
diese Entwicklung bisher nicht umgekehrt. Gleichzeitig beobachtet ROG
bei der Lage
der Pressefreiheit wachsende Unterschiede zwischen den
EU-Mitgliedsländern. Zwischen den drei am besten platzierten
EU-Ländern an der Spitze des Rankings - Finnland, die Niederlande und
Schweden - und den am schlechtesten platzierten - Bulgarien, Türkei -
liegen rund 70 Positionen. Die Situation auf den untersten Positionen
der Rangliste ist fast unverändert: Birma, Iran, Turkmenistan, Nordkorea
und Eritrea sind erneut die Schlusslichter. Neu hinzugekommen zu der
Gruppe der zehn repressivsten Staaten der Welt sind in diesem Jahr der
Sudan und Ruanda.
Mit der Rangliste 2010 wird die Situation der Pressefreiheit in 178
Staaten und Regionen weltweit verglichen. In die Bewertung wurden
Verstöße gegen dieses Menschenrecht im Zeitraum von September 2009
bis August 2010 einbezogen.
Vorreiterrolle der europäischen Staaten weiter geschwächt
Rund die Hälfte der 27 EU-Mitgliedsstaaten sind unter den 20 führenden
Ländern der aktuellen Rangliste. Die Schere innerhalb der
Staatengemeinschaft geht jedoch stark auseinander. So liegen zwölf
EU-Länder, also fast die Hälfte, zwischen dem 30. und 70. Rang. Am
stärksten gefallen ist Griechenland (2009: Platz 35, 2010: Platz 70).
Damit bildet das südeuropäische Land gemeinsam mit Bulgarien (2009:
Platz 68, 2010: Platz 70) das Schlusslicht unter den EU-Staaten. In
Griechenland waren körperliche Angriffe bei Demonstrationen und
Drohungen gegen Journalisten ein Grund für die Abwärtsbewegung.
Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich (2009: Platz 43, 2010:
Platz 44) und Italien (2009 und 2010: Platz 49) gibt es keine Indizien
für eine Verbesserung der Situation: Grundlegende Probleme wie die
Verletzung des Quellenschutzes, die zunehmende Konzentration von
Medieneigentum sowie gerichtliche Vorladungen von Journalisten dauern
an.
"Es ist beunruhigend festzustellen, wie einige EU-Mitgliedstaaten
weiter Plätze in der Rangliste verlieren", so ROG-Generalsekretär
Jean-François Julliard. "Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen
unternehmen, setzen sie ihre weltweit führende Position bei der
Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europäischen Staaten
müssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen", appelliert
Julliard.
Deutschland steht in diesem Jahr - fast unverändert - auf Platz 17
(2009: Platz 18): Wie auch in anderen EU-Staaten wurden
Redaktionszusammenlegungen und Stellenstreichungen negativ bewertet. Der
Zugang zu Behördeninformationen bleibt ebenfalls unzureichend. Zu
weiteren Kritikpunkten gehörten unter anderem das Strafverfahren gegen
zwei Leipziger Journalisten in der so genannten Sachsensumpf-Affäre.
Anlass zur Sorge bietet darüber hinaus die Entwicklung der Türkei.
Nachdem sich der EU-Anwärter schon im Index 2009 um 20 Plätze
verschlechtert hatte, folgt in diesem Jahr ein weiterer Rückfall um 16
Ränge. Damit steht das südeuropäische Land auf Position 138 (2009:
Platz 122). Ins Gewicht fielen bei der schlechten Platzierung die Klagen
gegen Journalisten sowie Festnahmen und Verurteilungen von
Medienmitarbeitern zu Gefängnisstrafen. Die Türkei gerät somit in
unmittelbare Nachbarschaft zu Russland (2009: Platz 153, 2010: Platz
140).
Zensur, Gewalt und Repressionen gehören nach wie vor zum Alltag vieler
kritischer Journalisten in der Russischen Föderation. Die Mordserie im
Erhebungszeitrum der vorherigen Rangliste hat sich allerdings nicht
wiederholt. Eine äußerst schwierige Situation der Pressefreiheit
dokumentiert ROG zudem seit vielen Jahren auf dem Balkan. Besonders
kritisch ist die Lage in Serbien (Platz 85), im Kosovo (Platz 92) und in
Montenegro (Platz 104). Drohungen gegen Journalisten und der steigende
Einfluss krimineller Gruppen auf Medienunternehmen erschweren die Arbeit
von Medienschaffenden in Südosteuropa erheblich.
Die repressivsten Staaten
Seit 2005 stehen Eritrea (Platz 178), Nordkorea (Platz 177) und
Turkmenistan (Platz 176) ganz unten auf der Liste. Eine systematische
Verfolgung von unabhängigen Medienschaffenden und ein vollständiges
Fehlen von Nachrichten und Informationen kennzeichnet die Lage in den
Ländern seit mehreren Jahren. "Wir sehen leider keine Verbesserung in
den autoritären Staaten", so Julliard. "Wir sind besorgt über den
harschen, repressiven Kurs einiger Regierungen von Ländern am unteren
Ende des Rankings."
Die Situation hat sich besonders in Ruanda (2009: Platz 157, 2010:
Platz 169) und im Sudan (2009: Platz 148, 2010: Platz 172) verschärft.
Die beiden Länder im Osten und Nordosten Afrikas sind deswegen auf die
zehn hintersten Ränge gefallen. In Ruanda fielen zusätzliche
Zensurmaßnahmen und Schließungen von Medien vor der
Präsidentschaftswahl im August 2010 sowie die Ermordung eines
Journalisten ins Gewicht. Im Sudan hat die Regierung ihre Überwachung
der Printmedien deutlich verstärkt, mehrere Journalisten wurden
verhaftet und eine oppositionelle Tageszeitung wurde geschlossen.
Auch Birma (Platz 174) rangiert wieder unter den letzten zehn Staaten.
Auf Versuche von Journalisten, Nachrichten jenseits von Propaganda zu
veröffentlichen, reagieren die Behörden mit Gefängnis und Zwangsarbeit.
Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich die Lage angesichts der im
kommenden Monat bevorstehenden Parlamentswahl noch verschärfen wird.
Nicht wesentlich verändert haben sich darüber hinaus die Positionen der
Volksrepublik China (2009: Platz 168, 2010: Platz 171), des Irans (2009:
Platz 172, 2010: Platz 175) und Syriens (2009: Platz 165, 2010: Platz
173). Die starke Wirtschaftsmacht China nimmt immer noch nicht ihre
Verantwortung bei der Wahrung der Menschenrechte wahr. Anlässlich der
Bekanntgabe der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an Liu
Xiaobo hat die Regierung wieder ihre starre Haltung manifestiert:
Medienberichte über die Preisvergabe wurden zensiert, Unterstützer Lius
festgenommen.
Im Iran haben die Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten und
Blogger und die staatliche Zensur in diesem Jahr ein noch größeres Ausmaß
erreicht. Mehr als 200 Medienschaffende sind seit Sommer 2009 aus der
Islamischen Republik geflüchtet.
In Syrien lassen weit greifende Mechanismen zur Kontrolle von
staatlichen und privaten Medien, repressive Pressegesetze und die
Unterdrückung von oppositionellen oder kritischen Journalisten so gut
wie keine Freiräume mehr für unabhängige Meinungsäußerung.
Die größten Absteiger
Die Philippinen, die Ukraine und Kirgistan sind neben Griechenland am
stärksten in diesem Jahr abgestiegen: Auf den Philippinen (2009: Platz
122, 2010: Platz 156) ereignete sich im vergangenen November eines der
schwersten Massaker an Journalisten: Rund 30 Medienmitarbeiter kamen ums
Leben. In der Ukraine (2009: Platz 89, 2010: Platz 131) verzeichnet ROG
eine stetige Verschlechterung der Situation der Pressefreiheit seit
Viktor Janukowitschs Wahl zum Präsidenten: Die staatliche Kontrolle über
die Medien und Repressionen gegen Journalisten haben zugenommen, die
Medienvielfalt nimmt ab. In Kirgistan (2009: Platz 125, 2010: Platz 159)
gingen die politischen Unruhen mit der Verfolgung von Journalisten
einher, die ethnischen Minderheiten angehören.
Die Spitze
Auch in diesem Jahr dominieren wieder nordeuropäische Staaten die
ersten Ränge. Finnland, Island, Norwegen und Schweden teilen sich
zusammen mit den Niederlanden und der Schweiz den ersten Rang. Seit
Veröffentlichung der ersten ROG-Rangliste im Jahr 2002 hatten alle
sechs Staaten schon einmal diese Position inne. Die gesetzlichen
Schutzgarantien für Medienschaffende und das hohe Maß an Respekt für die
wichtige Arbeit von Journalisten in demokratischen Systemen sind in
diesen Ländern vorbildlich.
Detaillierte Informationen zur ROG-Rangliste sowie zu einzelnen
Regionen finden Sie hier:
http://bit.ly/Rangliste_2010
Bei Interviewwünschen mit ROG-Vorstandsmitgliedern stehe ich Ihnen
gerne zur Verfügung:
Anja Viohl
Tel.: 030 202 15 10 - 16
presse at reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
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