[FoME] Reporter ohne Grenzen stellt neues Referat "Hilfe für Journalisten in Not" vor / EU muss restriktive Visa-Praxis für politisch Verfolgte aufgeben
Christoph Dietz
christoph.dietz at CAMECO.ORG
Fr Feb 19 12:11:41 CET 2010
>>> "ROG - Presse" <presse at reporter-ohne-grenzen.de> 19.02.2010 11:58
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Reporter ohne Grenzen stellt neues Referat "Hilfe für Journalisten in
Not" vor / EU muss restriktive Visa-Praxis für politisch Verfolgte
aufgeben
Mit der Schaffung des neuen Referates "Hilfe für Journalisten in Not"
wird die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG) verfolgten
Medienmitarbeitern systematisch und gezielt Unterstützung bieten. Die
Organisation zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit reagiert
damit auf die große Zahl von bedrohten oder geflüchteten Journalisten.
"Diese Menschen sind weltweit auf Hilfe angewiesen", erklärte
ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard bei der Vorstellung des neuen
Arbeitsbereichs bei einer Pressekonferenz am 19. Februar in Berlin.
Juristische Hilfe, finanzielle Unterstützung und sichere Unterkunft in
akuten Bedrohungssituationen sowie Hilfe auf der Flucht gehören zu den
Schwerpunkten des neuen Arbeitsbereichs, für den die Juristin Alexandra
Tryjanowski zuständig ist.
Bei der Veranstaltung in den neuen Geschäftsräumen von Reporter ohne
Grenzen in Berlin-Mitte wies Generalsekretär Julliard auch auf die
weltweit hohe Flüchtlingszahl unter Medienschaffenden hin und übte
scharfe Kritik an der Visa-Politik der EU: "Viele Journalisten und
Internetaktivisten riskieren ihr Leben bei illegalen Einreiseversuchen,
weil es praktisch unmöglich ist als Flüchtling ein Einreise-Visum für
ein europäisches Land zu erhalten. Die EU-Staaten müssen sich ihrer
Verantwortung stellen und verfolgten Medienmitarbeitern, Bloggern und
Menschenrechtsaktivisten zügig und unbürokratisch helfen", forderte der
Generalsekretär. Nur so könnten diese Menschen ausreichenden Schutz
finden. Es sei zynisch, öffentlich Solidarität mit den Menschen im Iran
zu demonstrieren, die für mehr Freiheit auf die Straße gehen oder über
die Proteste dort berichten, und gleichzeitig die Menschen allein zu
lassen, die ins Visier des iranischen Verfolgungsapparates geraten sind,
weil sie unabhängige Informationen verbreitet haben.
Die EU-Visa-Praxis sehe vor, dass nur Menschen, die sich bereits auf
europäischem Boden befinden, Asyl beantragen können. Die starke
Sicherung der "Festung Europa" und das ungeschriebene Prinzip "kein Asyl
aus dem Ausland" lasse den Betroffenen nur die Wahl, in prekären
Situationen in Nachbarländern auszuharren oder sich für den gefährlichen
Weg einer illegalen Einreise nach Europa zu entscheiden.
Dass die Gewährung von Visa in akuten Notfällen unerlässlich und
möglich ist, zeige sich gerade in den aktuellen Iran-Fällen:
"Frankreich hat in der Irankrise großzügig Notfall-Visa an geflohene
Journalisten vergeben. Diesem Beispiel sind einige europäische Länder
gefolgt - Deutschland war allerdings nicht darunter", kritisierte
Julliard. ROG habe die deutsche Regierung seit Ende Oktober in mehreren
Notfällen um humanitäre Visa ersucht, in keinem Fall sei bisher eine
positive Entscheidung erfolgt.
Diese Praxis zwinge viele Kollegen monate- oder jahrelang in
unsicheren Nachbarstaaten ihrer Heimat wie dem Jemen, Sudan, Irak oder
der Türkei auszuharren - häufig ohne Einkommen, immer noch im Visier
ihrer früheren Verfolger und oft zudem schikaniert von lokalen Behörden
des Aufenthaltsstaates. Die Unterstützung dieser Menschen etwa mit
Unterkünften und medizinischer Hilfe ist nur ein Teil der langjährigen
ROG-Nothilfe-Arbeit. Seit 2006 ist am Pariser Hauptsitz der Organisation
darüber hinaus eine gesonderte Informations- , Koordinations- und
Anlaufstelle für Journalisten in Not eingerichtet worden.
Die Erweiterung dieses Arbeitsbereichs in Deutschland wurde mit Geldern
aus dem "Roland Berger Preis für Menschenwürde" 2009 ermöglicht. ROG
erhielt die Auszeichnung im vergangenen Jahr von der Roland Berger
Stiftung für den weltweiten Einsatz für Pressefreiheit und den Schutz
verfolgter Journalistinnen und Journalisten. "Reporter ohne Grenzen
haben es sich zur Aufgabe gemacht, Verletzungen der Pressefreiheit zu
dokumentieren, besonders schwerwiegende Verstöße bekannt zu machen und
in Not geratene Journalisten zu unterstützen", sagte Prof. Dr. h.c.
Roland Berger, Gründer und Vorsitzender des Kuratoriums der Roland
Berger Stiftung. "Die Auszeichnung dieser internationalen Organisation
mit dem ‚Roland Berger Preis für Menschenwürde' soll uns alle ermutigen,
das hohe Gut der Presse- und
Meinungsfreiheit zu schützen und als aktive Bürger selbst zu
gebrauchen."
Die neue Referentin für Migrationsrecht, Flüchtlingsarbeit und
Nothilfe, Alexandra Tryjanowski, kann in ihrer Arbeit auf die von der
deutschen ROG-Sektion seit deren Gründung im Jahr 1994 geleistete Hilfe
für Medienmitarbeitende aufbauen. "Die Unterstützung in Notfällen wird
auch in Berlin nicht mehr nur ad hoc erfolgen, sondern auf eine
professionellere und vernetztere Struktur zurückgreifen können. Damit
wird sie schlagkräftiger, schneller und wirksamer", so Tryjanowski, die
bei der Hilfe vor Ort ansetzen möchte: "Journalisten, die wegen ihrer
kritischen und mutigen Berichte unter Druck gesetzt, überfallen oder
willkürlich mit Strafverfahren überzogen werden, sollen wissen, dass sie
nicht allein sind. Das Signal geht aber nicht nur an die Betroffenen,
sondern auch an diejenigen, die die Presse- und Meinungsfreiheit
missachten."
Finden Sie hier die begleitende Pressemappe mit weiteren Informationen
zur ROG-Nothilfe:
http://www.reporter-ohne-grenzen.de/index.php?id=446
Pressekontakt:
Anja Viohl
Tel. 030 202 15 10 -16
presse at reporter-ohne-grenzen.de
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