[FoME] Casting Show für Entwicklung in Mosambik
Christoph Dietz
christoph.dietz at CAMECO.ORG
Fr Sep 18 09:49:58 CEST 2009
E+Z, 2009/09, InWEnt Forum, Seite 342-343
http://www.inwent.org/ez/articles/156354/index.de.shtml
„Kritische Reportagen aus jugendlicher Sicht“
Ob die Soap-Opera in Kirgistan oder die Radioserie in Südafrika -
Unterhaltungsformate werden zunehmend für Aufklärung eingesetzt.
Insbesondere die Aids-Vorsorge hat diesen Trend gesetzt. Für das
mosambikanische Fernsehen hat InWEnt die Produktion eines Films über
Katastrophenvorsorge unterstützt. Gezeigt wurde „Mais Vale Prevenir“
(„Vorsorge bringt mehr“), auf einer Programmschiene, die via
Unterhaltung über lebenswichtige Themen aufklärt und dabei vor allem auf
Jugendliche setzt. Filmproduzent Roland Hohberg hat Adelheid Schultze
das Konzept erläutert.
[ Interview mit Roland Hohberg ]
Unterhaltung für Aufklärung und Verhaltenswandel einzusetzen, ist nicht
ganz neu. Was ist das Besondere an der Fernsehserie Academia de Sonhos
(Träume-Akademie)?
Ich arbeite seit nunmehr fast 20 Jahren als Film- und Musikproduzent in
meiner Wahlheimat Mosambik, ich arbeite mit den populärsten Künstlern
des Landes und bin seit vielen Jahren Jurymitglied einer TV-Casting
Show. Die Idee, das Format einer Pop-Casting-Show so zu gestalten, dass
die Popularität der Gesangstalente zu Bildung, Aufklärung und der
Solidarität mit sozial Schwächeren beiträgt, ist in Mosambik völlig neu.
Die Themengestaltung und die Präsentation übernehmen die Jugendlichen
selbst, was zu einer stärkeren Sensibilisierung von Gleichaltrigen
beiträgt und den Dialog zwischen Familienangehörigen
unterschiedlicher Generationen fördert. Musik, der Einsatz von
Ani-mationen und grafischen Elementen, die Mitarbeit von Humoristen und
erfahrenen Autoren wie Paulina Chiziane, einer hier sehr erfolgreichen
Autorin, schaffen ein abwechslungsreiches Programm.
Wer ist beteiligt?
Für dieses Gemeinschaftsprojekt einer lokalen
Nichtregierungsorganisation - die ebenfalls Academia de Sonhos heißt -
und der mosambikanischen Produktionsfirma Inside Mozambique Lda. stellte
der öffentlich-rechtliche TV-Sender TVM einen Sendeplatz mit hoher
Einschaltquote zur Verfügung: Das einstündige Programm wird jeweils
samstags um 17 Uhr ausgestrahlt. TVM ist auch in anderen Ländern Afrikas
zu empfangen.
Warum die Zielgruppe Jugendliche?
Jugendliche beeinflussen einander sehr stark. Seit langem schon sah ich
in Mosambik einen großen Bedarf für eine aktive Beteiligung Jugendlicher
bei der Suche nach einer kreativen Antwort auf drängende Probleme wie
steigende Aids-Infektionsraten, sexuelle Ausbeutung Minderjähriger,
Kinderarbeit und andere drängende soziale Fragen. Bei der Stärkung der
Zivilgesellschaft ist der Handlungsspielraum für Jugendliche in Mosambik
traditionsgemäß sehr eingeschränkt und die Chancen für den Erfolg eines
von Kindern und Jugendlichen gestalteten Fernsehprogramms standen eher
schlecht.
Was hat das Projekt dennoch ins Rollen gebracht?
Die entscheidende Anregung für das Konzept der Serie Academia e Sonhos
kam von Graça Machel und ihrem Ehemann Nelson Mandela anlässlich eines
Auftritts zu Mandelas 90. Geburtstag. Beeindruckt vom Ge-sangstalent des
13-jährigen Kinderstars Cuca unterstützten sie uns mit Kontakten zu
Jugendprogrammen im benachbarten Südafrika. Die Gattin des heutigen
Staatspräsidenten Mosambiks, Armando Emilio Guebuza, konnten wir für
eine offizielle Schirmherrschaft gewinnen, wenige Wo-chen nach
Sendestart wurden erste Vereinbarungen mit dem Ministerium für Frauen
und Soziales sowie dem Umweltministerium unterzeichnet. Vor allem aber
gelingt es den talentierten Jugendlichen auf bemerkenswerte Weise,
Persönlichkeiten und politische Entscheidungsträger für ihre Anliegen
zu gewinnen. Die Sängerin Cuca gehört heute zu unserem
Moderatoren-Team.
Was gehört noch zur Academia de Sonhos?
Das Konzept beschränkt sich nicht auf die Produktion des wöchentlichen
TV-Programms. Öffentliche Auftritte in den Bairros, den städtischen
Armutsvierteln, und in ländlichen Gebieten tragen dazu bei, die junge
Generation aufzuklären. Gefördert werden auch zahlreiche Initiativen wie
Umweltgruppen oder Mädchenklubs (Clubes da Rapariga), die eine
Anlaufstelle sind für Opfer von Gewalt oder sexueller Erpressung. Ziel
ist es, künftig in der Ausbildungswerkstatt Centro Criativo Jugendlichen
beizubringen, eigene Produktionsbeiträge zu gestalten; das beginnt mit
der Erarbeitung eines Drehbuchs, geht weiter mit Ton- und Kameratechnik
und endet mit der Produktion eines Beitrages.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Jugendlichen?
Ich bin angenehm überrascht, wie die Jugendlichen, die an der
Gestaltung unserer Programme und Veranstaltungen teilnehmen, Ideen
einbringen und ihr Selbstbewusstsein entwickeln. Das hat ihnen schon
nach wenigen Wochen viel Anerkennung auch seitens gestandener
TV-Moderatoren eingebracht. Besonders die kritischen Reportagen aus der
Sicht von Gleichaltrigen, unterstützt von eigens komponierten Songs, die
zum Beispiel junge Mädchen ermutigen, sexuelle Belästigung von Lehrern
anzuzeigen, stießen bereits auf große Resonanz.
Wie entstand Mais Vale Prevenir?
Wichtig war bei der Realisierung aufzuzeigen, dass Kindern und
Jugendlichen eine aktive Rolle zukommt, um in ihren Gemeinden und
Familien Wissen zu vermitteln, beispielsweise zur Erlernung des
Flutfrühwarnsystems oder vorbereitenden Evakuierungsmaßnahmen.
Deshalb wurde der Soundtrack zum Film für eine Kinderstimme komponiert
und ich bin glücklich, mit der 13-jährigen Cuca eine Sängerin gefunden
zu haben mit der notwendigen künstlerischen Ausdruckskraft, um bei
vielen Menschen Aufmerksamkeit zu wecken. Das trägt sehr dazu bei, dass
dieser Film im Überangebot brasilianischer TV-Soaps und
Familienprogramme nicht untergeht. Der Film ist im Auftrag von InWEnt
entstanden, die Dreharbeiten wurden mit der nationalen
Katastrophenschutzbehörde Instituto Nacional de Gestão de Calamidades,
kurz INGC, koordiniert.
Wann wurde der Film ausgestrahlt?
Anfang Juli im Programm Academia de Sonhos, und zwar in zwei Teilen.
Begleitet wurde dies von anderen Programmbeiträgen wie der Erklärung des
Frühwarnsys-tems und einer Debatte zur Rolle von Jugendlichen bei der
Katastrophenvorsorge. Wir berichteten auch von unserer Teilnahme an der
Globalen Disaster-Risk-Reduction-Plattform in Genf und dem
Erfahrungsaustausch mit Jugendlichen anderer Länder. Da der Film nicht
exklusiv für unser TV-Programm entstanden ist, steht einer Aufführung in
anderen Programmen nichts im Weg.
Wie soll es weitergehen?
Die Korrespondenz aus allen Provinzen des Landes ist für die
jugendlichen Mitarbeiter ein großer Ansporn und die täglich eingehenden
Briefe, Mails oder SMS übersteigen unsere redaktionellen Kapazitäten, da
alle Arbeit ehrenamtlich verrichtet wird und die schulischen
Verpflichtungen die Redaktionsarbeit doch sehr einschränken. Brasiliens
Staatspräsident Lula da Silva hat die Gruppe spontan zu einer Reise in
sein Land eingeladen. Im Vorfeld der UN-Klima-Konferenz in Kopenhagen
sind Schulworkshops und Erfahrungsaustausch in Dänemark und Deutschland
geplant. Zudem hat sich Graça Machel für eine stärkere Zusammenarbeit
mit der Mandela-Stiftung auf regionaler Ebene ausgesprochen.
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Roland Hohberg
arbeitet als Filmproduzent in Mosambik. Bei „Mais vale prevenir“ hat
seine Firma Inside Mozambique Lda. zum ersten Mal mit InWEnt kooperiert
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Nachhaltige Katastrophenvorsorge
Kaum ein Land in Afrika wird so häufig und so stark von gewaltigen
Naturereignissen getroffen wir Mosambik. Überflutungen, Zyklone,
Erdbeben oder Dürren - in einem Land, dessen Bevölkerung überwiegend von
der Landwirtschaft lebt, bedrohen solche Ka-tastrophen die Existenz
vieler Menschen. Um in Notfällen gerüstet zu sein, arbeitet das
Nationale Institut für Katastrophenmanagement in Mosambik (National
Institut for Disaster Management, INGC) seit 2002 mit InWEnt zusammen.
Mit Weiterbildungen und Trainings, die vom Auswärtigen Amt finanziert
werden, unterstützt InWEnt das Capacity Building für eine nachhaltige
Katastrophenvorsorge. Konkret geht es darum, dass lokale Komitees
lernen, Vorsorge für die Zivilbevölkerung zu treffen, aber auch in
Notfallübungen trainieren, wie schnell gehandelt werden kann. Wichtig
sind vor allem Methoden, mit denen sich Betroffene selbst schützen
können. Auch in Schulen wird über wirkungsvolle Katastrophenvorsorge
informiert. Die Finanzierung des Films „Mais vale prevenir“ war ein
weiterer Schritt zur breitenwirksamen Aufklärung. Zwar verfügen in
Mosambik wenige Haushalte über ein eigenes Fernsehgerät, doch gibt es
wohl kaum eine Dorfgemeinde, in der sich nicht Hunderte von Jugendlichen
vor einem Fernsehgerät versammeln.
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