[FoME] welt-sichten: Vietnams Blogger, indischer Medienmarkt, Journalismus in Nicaragua, Afghanistan u.a.

Christoph Dietz christoph.dietz at CAMECO.ORG
Di Sep 8 10:43:55 CEST 2009


Zeitschrift "welt-sichten"

Schwerpunkt der September-Ausgabe  2009:
MEDIEN IM SÜDEN: DIE HEISSE WARE INFORMATION

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http://welt-sichten.org/front_content.php?idart=943

Der Augenblick der Wahrheit
In Indien kämpfen einheimische und internationale Medienkonzerne um die Marktführerschaft
Mathias Ebert 

Guter Nährboden für Falschmeldungen
Die digitale Revolution hat die Qualität von Afrikas Medien nicht verbessert
Heinrich Bergstresser 

„Die Medien übernehmen den Part der Opposition"
Die Zeitung „El Nuevo Diario" in Nicaragua leidet unter der Wortkargheit der Minister
Ralf Leonhard 

Vom Glück der Kriegsreporterin
Jineth Bedoya unternimmt gefährliche Grenzgänge in die kolumbianischen Kampfgebiete
Matthias Knecht 

Die Hintermänner
Ohne einheimische Kontaktleute wären ausländische Journalisten in Afghanistan verloren
Friederike Böge 

Freiräume im Internet
Vietnams Blogger sprechen Klartext und machen damit das Regime nervös
Vincent Brossel


Editorial 

Liebe Leserinnen und Leser, 

in Deutschland wird seit einiger Zeit über die Zukunft des Qualitätsjournalismus debattiert. Anhänger des gedruckten Wortes mahnen, im Internet werde in erster Linie nachgekaut, was anderswo schon geschrieben stand. Oder es liefere nur kurzlebige Informationshäppchen, die kaum auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden. Das Aufspüren neuer Themen, aufwändige Recherchen und Hintergrundberichte gebe es nur in Zeitungen und Magazinen. Blogger und Online-Journalisten weisen das zurück und werten die Vorwürfe als Panikreaktion „traditioneller“ Medien auf die erstarkende elektronische Konkurrenz. Allerdings durften sich die Internet-Skeptiker hierzulande unlängst bestätigt fühlen, als ein selbst ernannter „Bürgerjournalist“ während eines Amoklaufs mit drei Toten den Polizeifunk abhörte und die Informationen während des Einsatzes über den Blogdienst Twitter veröffentlichte. 

Dennoch: Aus Sicht vieler Länder außerhalb Europas oder Nordamerikas ist der Disput der reinste Luxus. Denn von Kuba über Libyen nach Weißrussland, Saudi-Arabien und China werden Zeitungen sowie Radio- und Fernsehstationen an ihrer Arbeit gehindert, Journalisten drangsaliert und eingesperrt oder sogar umgebracht. In solchen Ländern bieten das Internet und Mobiltelefone oft die einzige Möglichkeit, Informationen zu verbreiten, die den Mächtigen möglicherweise nicht gefallen. 

Für Regierungen, aber zunehmend auch für andere Kräfte wie die Drogenkartelle in Mexiko oder die islamistischen Milizen in Somalia, denen die Verbreitung der Wahrheit über ihr Treiben nicht passt, ist Zensur bis hin zur Ermordung von Journalisten ein Mittel zum Erhalt ihrer Macht. Laut der Menschenrechtsorganisation Freedom House hat die Achtung vor der Pressefreiheit in den vergangenen sieben Jahren weltweit stetig abgenommen. Besonders finster ist die Lage in den Maghrebländern sowie am Horn von Afrika, im Nahen Osten und in Zentral- und Ostasien. Wie wichtig das Internet in diesen Regionen ist, zeigt sich auch am zunehmenden Druck auf Online-Journalisten: Vor zwei Jahren meldete die Organisation Reporter ohne Grenzen weltweit 37 inhaftierte Blogger, derzeit sind es bereits 84. 

Aber nicht nur Zensur und Gewalt verhindern vielerorts, dass die Medien ihrem Auftrag als vierter Gewalt gerecht werden können. In vielen Ländern – zunehmend auch in den westlichen Industriestaaten – mangelt es Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern an Geld für eine anspruchsvolle Berichterstattung. Und speziell in Entwicklungsländern fehlen gute Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Journalisten sowie Qualitätsstandards für die Branche. Das wirkt sich zwangsläufig auf die Qualität aus: Afrikanische Zeitungen bringen vor allem Sport, Religion und Unterhaltung und kaum politische Information und Analyse, befand eine Studie der UN-Wirtschaftskommission für Afrika vor zwei Jahren. 

Die Verflachung vor allem von Fernsehprogrammen in aller Welt ist auch eine Folge schrumpfender Finanzspielräume: Mit immer dümmeren und geschmackloseren Programmen versuchen die Sender, sich Zuschauer abzujagen. Die Grenze zum Kriminellen überschritten hat offenbar der brasilianische Entertainer Wallace Souza: Die Polizei wirft ihm vor, in den vergangenen Jahren fünf Morde in Auftrag gegeben zu haben, um in seiner Fernsehshow exklusiv darüber berichten zu können. 

Ob Fernsehen, Zeitung oder Twitter: Über die Qualität von Journalismus entscheidet nicht das Medium. Maßgeblich sind die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Journalisten und das berufliche Ethos, dem sie verpflichtet sind. 


Tillmann Elliesen
Redakteur
welt-sichten 09-2009



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