[FoME] Radio für Nordkorea
Christoph Dietz
christoph.dietz at CAMECO.ORG
Mi Mai 6 22:49:28 CEST 2009
FAZ, 06. Mai 2009
Kerze in der nordkoreanischen Finsternis
Das Regime will das Land weiter von der Welt abschotten. Aber über Radiowellen dringen Informationen nach Nordkorea ein
Von Petra Kolonko, Seoul
Die ersten Zweifel an der Güte und Allmacht des *Lieben Führers“ Kim Jong-il kamen Frau Kim während der großen Hungersnot der neunziger Jahre. Nach langen Stunden der Arbeit in einem Krankenhaus in der nordkoreanischen Provinz gab es für die Ärztin und ihre Familie damals nur Maissuppe, und selbst davon nicht genug, um satt zu werden. Frau Kim hörte heimlich südkoreanisches Radio. Im Krankenhaus gab es ein Video-Gerät, mit dem sie aus China geschmuggelte Fernsehprogramme aus Südkorea sehen konnte. So erfuhr sie, was die Führung geheim halten wollte: Während Nordkorea hungerte, lebte man in China und Südkorea im Wohlstand. Die Ärztin beschloss, zu fliehen.
Als sie im Jahr 2000 eine Genehmigung für einen Besuch bei ihrem Onkel in China erhielt, war die Chance da, Frau Kim kehrte nicht aus China zurück. Sieben Jahre schlug sie sich als illegale Einwanderin mit gefälschten Papieren in China durch. Sie arbeitete als Hausangestellte und in Restaurants und lebte in Angst, entdeckt und von den chinesischen Behörden zurückgeschickt zu werden. Endlich gelang ihr die Ausreise nach Südkorea. Damit die Familie wegen ihrer Flucht nicht bestraft würde, ließ ihr Mann sich von ihr scheiden. Über Bekannte in China schickt Frau Kim Geld für ihre Familie nach Nordkorea. Ihren Mann und ihre beiden Söhne, die heute 15 und 18 Jahre alt sind, hat sie seit neun Jahren nicht gesehen. Aber zumindest könne ihre Familie jetzt, mit dem Geld, das sie schickt, besser leben, sagt Frau Kim.
Seit einigen Monaten hat Frau Kim wieder Gelegenheit, mit Nordkorea zu sprechen, Antworten bekommt sie nicht. Frau Kim arbeitet für den privaten Radiosender *Offenes Radio für Nordkorea“ in Seoul. Der Radiosender strahlt seit drei Jahren zwei Stunden am Tag ein Programm für Nordkorea aus. Wer in Kim Jong-ils Reich ein eingeschmuggeltes Radio besitzt, der kann den verbotenen Sender aus dem Süden hören.
*Wir korrigieren die Nachrichten, die die nordkoreanische Propaganda verbreitet“, sagt der Gründer und Leiter des Radiosenders, Ha Tae-keung. In einer kleinen Wohnung in Seoul produziert er mit einer kleinen Truppe von 14 Mitstreitern, darunter vier nordkoreanischen Flüchtlingen, Programme für Nordkorea. Sie schicken persönliche Berichte von Flüchtlingen wie Frau Kim, Nachrichten, Berichte über das Leben in Südkorea, Suchmeldungen, aber auch Popmusik in das verschlossene Land. Aus nordkoreanischer Sicht sei alles neu, was außerhalb Nordkoreas geschehe, sagt Ha. *Im Sonnenschein bedeutet das Licht einer Kerze nichts, aber in der Dunkelheit leuchtet eine Kerze“, sagt Ha. Sein Sender wolle so eine Kerze in der nordkoreanischen Finsternis sein.
Der Südkoreaner Ha engagiert sich seit der großen Hungersnot, bei der Mitte der neunziger Jahre zwei Millionen Menschen verhungerten, für Nordkorea. Drei Jahre lang hat er auf der chinesischen Seite der chinesisch-nordkoreanischen Grenze nordkoreanischen Flüchtlingen geholfen, die über die grüne Grenze kamen. Eine Begegnung mit zwei halbverhungerten Jungen aus Nordkorea veranlasste ihn schließlich dazu, es mit Hilfe anderer Art zu versuchen. *Ich habe den Jungen etwas zu essen gegeben und ihnen gesagt, dass der Führer Kim Jong-il an der schlimmen Lage in Nordkorea schuld sei. Als die Jungen daraufhin ihren ,lieben Führer' verteidigten, wurde mir klar, dass die Nordkoreaner nicht nur Essen, sondern auch geistige Nahrung brauchten.“ Jahrzehntelang ist es dem nordkoreanischen Regime gelungen, seine Bevölkerung von allen Nachrichten von der Außenwelt abzuschotten.
Nur so konnte es seine Propaganda-Lügen aufrechterhalten, nach denen der Führer wohlmeinend, Südkorea arm und ausgebeutet sei und der Rest der Welt einen Krieg gegen den kommunistischen Staat plane. Das nordkoreanische Fernsehen sendet nur fünf Stunden am Tag, und dann fast nur politische Propaganda. Nur am Wochenende gibt es manchmal einen nordkoreanischen Spielfilm zu sehen, berichtet Frau Kim. Mit nordkoreanischen Radiogeräten kann man nur die Stationen des Staatssenders empfangen. Wer aber beim Hören von ausländischen Sendern erwischt wird, muss damit rechnen, zu jahrelanger Arbeitslagerhaft verurteilt zu werden. Das soll vor allem abschreckend wirken.
Doch es gibt Anzeichen, dass sich mehr Informationen aus dem Rest der Welt ihren Weg nach Nordkorea bahnen und auf die Bevölkerung einwirken. Quelle der Nachrichten über die Außenwelt ist ausgerechnet das Land, das gern als letzter Verbündeter benannt wird: China. China ist das einzige Land, mit dem Nordkorea regen Austausch pflegt. Es gibt Handel und Grenzhandel, es gibt legale und illegale Grenzgänger. Und die bringen Neuigkeiten mit nach Nordkorea. Sie bringen aber auch chinesische Waren, darunter die begehrten Radios, Kassettenrekorder mit Radioempfängern und Video-Kassetten und schließlich DVDs mit Aufzeichnungen aus dem südkoreanischen Fernsehen, das in China empfangen werden kann.
Es ist aber das Radio, das die wichtigste Rolle bei der Aufklärung der Nordkoreaner spielt. Ein Radio aus China ist in Nordkorea für etwa zwei Dollar zu kaufen, berichtet Young, das sei zwar viel für nordkoreanische Verhältnisse, doch für viele erschwinglich. Radio ist am leichtesten zu empfangen, für DVD-Spieler und Video-Geräte braucht man Strom, der in Nordkorea oft abgestellt sei. Für ein Radio braucht man nur ein paar Batterien.
Ha ist überzeugt davon, dass die Informationen aus dem Süden Nordkorea verändern. Es gehe nur langsam voran, aber die Änderungen machten sich bemerkbar. Nach außen seien die Nordkoreaner gegenüber dem Regime gehorsam, aber innerlich ändere sich ihre Haltung. Viele dächten mittlerweile, das Regime könne sich nicht mehr halten. Auch die politische Führungsschicht wisse, wie schwach das System ist. Die Unterstützung für das Regime gehe allmählich zurück, sagt auch der russische Nordkorea-Forscher Lankov von der Kookmin-Universität in Seoul. Die Menschen glaubten der staatlichen Propaganda nicht mehr blind.
In Südkorea gibt es mehrere private Radiosender wie das *Offene Radio“, die nach Nordkorea senden. Die südkoreanische Regierung unterstützt die Sender nicht. Als Ha im Jahr 2005 seinen Sender gründete, gab es keine Regierungsgelder für seine Arbeit. Er musste sich privat Geld leihen und Spender suchen. Während der *Sonnenschein-Politik“ der früheren Präsidenten Kim Dae-jung und Roh Moo-hyun setzte die Regierung in Seoul auf Entspannung und wollte Nordkorea nicht mit der Ausstrahlung *feindlicher Propaganda“ reizen. Die Mitarbeiter der Radiosender verstehen diese Politik nicht. In Südkorea habe ohnehin niemand der nordkoreanischen Propaganda geglaubt, aber die Nordkoreaner glaubten alles, was die Südkoreaner sendeten.
Präsident Lee Myung-bak, der seit einem Jahr in Seoul im Amt ist, verfolgt eine andere Nordkorea-Politik. Er hat die Hilfsleistungen von politischen Zugeständnissen des kommunistischen Nordens abhängig gemacht und schlägt einen härteren Ton gegenüber Nordkorea an. Als Präsident Lee im vergangenen Jahr mit dem amerikanischen Präsidenten Bush zusammentraf, war auch von einer Unterstützung für die privaten Radiosender, die nach Nordkorea senden, die Rede, doch passiert sei noch nichts, sagt Ha. Sein Sender finanziert sich weiter nur aus Spenden, die aus dem Ausland, aus den Vereinigten Staaten, Taiwan und Europa kommen.
In einer kleinen Wohnung in Seoul werden Sendungen produziert, die dann von einem Sender außerhalb Koreas ausgestrahlt werden. Seine Mitarbeiterin, Frau Kim, ist wie viele Flüchtlinge fest davon überzeugt, dass die Radiosendungen eine Veränderung bewirken werden. Als sie noch in Nordkorea lebte, da habe sie gehofft, dass ein Krieg ausbrechen würde, damit sich die Verhältnisse endlich änderten, sagt die Ärztin. Jetzt hofft sie auf Veränderungen von unten und eine Wiedervereinigung, damit sie ihre Familie endlich wiedersehen kann.
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